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Die Erfindung betrifft ein Verfahren sowie eine Vorrichtung zur Erkennung eines Ereignisses eines elektrisch betätigbaren Verschließsystems eines Fahrzeugs.
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Bei einem elektrischen Fensterheber erfasst ein Steuergerät die Insassenanforderung zum Bewegen der Scheibe durch einen Taster in dem Innenraum des Fahrzeugs und steuert einen Elektromotor entsprechend an. Der Elektromotor dreht sich und bewegt eine Seiltrommel. Die Drehzahl des Motors und die Position der Scheibe werden durch Auswertung von Hallsensoren von dem Steuergerät berechnet und überwacht. Durch die Drehung der Seiltrommel wird das Seil umgespult und in Bewegung versetzt. Fest mit dem Seil verbundene Gleiter werden bewegt und öffnen bzw. schließen die Scheibe abhängig von der Drehrichtung des Elektromotors.
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Das Steuergerät überprüft z. B. mittels Software, ob die Drehzahl des Fensterhebermotors in einem definierten Bereich liegt und ob die Endpositionen der Scheibe mit einer vorgegebenen Position übereinstimmten.
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Der Gesetzgeber schreibt vor, dass bei elektrisch angetriebenen Fensterscheiben ein Einklemmfall erkannt werden muss. Eine Schutzelektronik ist bei jedem Schließvorgang aktiv, um ein Einklemmen von Gegenständen oder Körperteilen zwischen der Scheibenoberkante und der Kante des Fensterausschnitts zu erkennen. Die Ansteuerung der Scheibe wird im erkannten Einklemmfall sofort gestoppt, um Beschädigungen bzw. Verletzungen zu verhindern. Der Fensterheber reversiert anschließend, d. h. die Scheibe wird ein Stück weit ab der gestoppten Position zurück gefahren bzw. geöffnet, um die Einklemmung wieder freizugeben.
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Der Einklemmschutz ist technisch mittels einer Schwellwertüberwachung des Drehzahlgradienten realisiert. Große Gradienten zeigen einen Einklemmfall an und führen zum Anhalten der Bewegung mit anschließendem Reversieren. Diese Auslöseschwelle wird zusätzlich über die Fahrzeuggeschwindigkeit variiert, sodass bei höheren Geschwindigkeiten größere negative Drehzahlgradienten zugelassen werden. Hierdurch soll bei einer äußeren Anregung des Fensterhebers infolge z. B. eines Schlaglochs ein unnötiges Reversieren verhindert werden.
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Nach einer definierten Anzahl von Betätigungen werden die Endlagen des Fensterhebersystems neu gelernt. Eine Adaption auf Verschleiß wird bei jedem Lauf durchgeführt, auf Grund der Unkenntnis über die jeweiligen Umweltzustände und des fest vorgegebenen Lernfaktors kann es hier zu einer fehlerhaften Adaption kommen.
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Hierbei ist es von Nachteil, dass es sich bei dem elektrischen Fensterheber um ein über die Drehzahl und die Position der Fensterscheibe geregeltes System handelt. Es wird bei jeder schwellwertüberschreitenden Abweichung der Drehzahl bzw. des Drehzahlgradienten ein Einklemmfall detektiert, selbst wenn die Drehzahlabweichung durch Umweltbedingungen oder Alterungseinflüsse hervorgerufen wird. Im Feldeinsatz kommt es zu einer Vielzahl von falsch erkannten Einklemmfällen, was dazu führt, dass das Fenster (zunächst) nicht schließt.
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Somit ist eine robuste Funktionsweise des elektrischen Fensterhebers nicht sichergestellt, da anhand der Drehzahl nicht entschieden werden kann, ob es sich um einen berechtigten Reversiervorgang bzw. Einklemmfall bei einer Überschreitung des vorgegebenen Drehzahlgradienten handelt, oder ob es sich lediglich um eine erhöhte Reibung und somit um einen unberechtigten Reversiervorgang handelt, der z. B. aufgrund einer verhärteten Gummidichtung bei tiefen Temperaturen vorliegt.
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Das Problem verschärft sich weiter, da die Grenzwertverletzung auch durch einen Fehler im System, bzw. eine Störgröße, wie z. B. ein reduziertes Drehmoment aufgrund eines Windungsschlusses des Motors, verursacht werden kann. Somit kann bei einem Reversiervorgang nicht unterschieden werden, ob es sich um einen berechtigten Einklemmfall, eine ungünstige Umweltbedingung oder einen Fehler im System handelt. Unweigerlich kommt es aufgrund der oben genannten Tatsachen zu erhöhten unberechtigten Reversiervorgängen im Fahrzeug.
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Auch ist es ein Nachteil, dass der derzeitig implementierte Einklemmschutzalgorithmus nach einer vorgegebenen Anzahl von Betätigungen die Drehzahlabweichung zu einem im Steuergerät hinterlegten Norm-Fensterheberverlauf bestimmt. Die äußeren Bedingungen sind bei dem Anpassungsvorgang selbst jedoch ohne Bedeutung. Das ist insofern problematisch, als bei jedem Anpassungsvorgang völlig unterschiedliche Umweltbedingungen vorliegen können.
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Wird beispielsweise die Abweichung von dem Normverhalten bei Regen angepasst, wird aufgrund der völlig geänderten Reibwerte ein Verhalten abgespeichert, das sich stark von dem Verhalten bei trockenen Bedingungen unterscheidet. Jedoch wird auf Basis dieses gelernten Verhaltens bei den nächsten z. B. 80 Öffnungs- und Schließzyklen entschieden, ob ein Einklemmfall vorliegt.
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Die Aufgabe der Erfindung besteht darin, die vorstehend genannten Nachteile zu vermeiden und insbesondere einen verbesserten Einklemmschutzmechanismus bereitzustellen.
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Diese Aufgabe wird gemäß den Merkmalen der unabhängigen Patentansprüche gelöst. Weiterbildungen der Erfindung ergeben sich auch aus den abhängigen Ansprüchen.
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Zur Lösung der Aufgabe wird ein Verfahren zur Erkennung eines Ereignisses eines elektrisch betätigbaren Verschließsystems eines Fahrzeugs vorgeschlagen,
- – bei dem das Ereignis bei einer Bewegung des Verschließsystems detektiert wird mittels eines Nominalmodells,
- – wobei das Nominalmodell das Verschließsystem zumindest teilweise erfasst als auch auf das Verschließsystem einwirkende Umgebungsbedingungen berücksichtigt.
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Bei dem Nominalmodell handelt es sich insbesondere um ein physikalisch-mathematisches Berechnungsmodell der Verschließsystems, insbesondere eines Fensterhebersystems. Das Nominalmodell bildet mit einer vorgebbaren Genauigkeit das Verschließsystem in Form eines Modells ab. Vorzugsweise handelt es sich bei dem Nominalmodell um eine Abbildung des fehlerfrei funktionierenden Verschließsystems.
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Das Nominalmodell ermittelt abhängig von Eingangsgrößen des Verschließsystems das Verhalten der Ausgangssignale. Insbesondere kann ein zeitlicher Verlauf der Ausgangssignale anhand eines zeitlichen Verlaufs der Eingangsgrößen ermittelt werden. Durch einen Vergleich mit real gemessenen Werten kann eine Abweichung bestimmt und entsprechend klassifiziert werden, z. B. ob es sich um einen Fehler des Verschließsystems oder um ein Einklemmereignis handelt.
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Eine Weiterbildung ist es, dass Parameter des Nominalmodells nach einer Erstinbetriebnahme des Verschließsystems gelernt werden.
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Hierdurch wird das Nominalmodell speziell auf die Eigenschaften des Verschließsystems eingestellt. Insbesondere werden somit unterschiedliche tatsächliche physikalische Eigenschaften von Komponenten des Verschließsystems berücksichtigt. Damit wird erreicht, dass das Nominalmodell eine genaue Abbildung des Verschließsystems darstellt.
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Eine andere Weiterbildung ist es, dass das Ereignis ein Einklemmereignis ist.
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Somit kann mittels bzw. unter zusätzlicher Berücksichtigung des Nominalmodells erkannt werden, ob für das Verschließsystem ein Einklemmereignis vorliegt. In diesem Fall kann das Verschließsystem oder ein Teil des Verschließsystems reversiert werden bzw. kann die Bewegung des Verschließsystems gestoppt und/oder für eine kurze Strecke umgekehrt werden.
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Insbesondere ist es eine Weiterbildung, dass das Einklemmereignis erkannt wird,
- – wenn ein Drehzahlgradient eines Motors des Verschließsystems einen ersten vorgegebenen Schwellwert erreicht oder überschreitet und
- – wenn ein von dem Nominalmodell ermittelter Drehzahlgradient um mehr als einen vorgegebenen zweiten Schwellwert von dem Drehzahlgradienten des Motors verschieden ist.
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Der erste vorgegebene Schwellwert entspricht vorzugsweise einem Schwellwert, ab dem ein Verdacht für ein Einklemmereignis vorliegt. Dieser Verdacht kann mittels des Nominalmodells bestätigt oder zerstreut werden: Falls der von dem Nominalmodell bestimmte Drehzahlgradient in etwa dem Drehzahlgradienten des Motors entspricht, so liegt kein Einklemmereignis vor; es handelt sich z. B. um eine Schwergängigkeit des Fensters, z. B. bei tiefen Temperaturen. Der zweite Schwellwert legt fest, inwieweit die Drehzahlgradienten von Motor und Nominalmodell identisch sein müssen; insbesondere können geringfügige Abweichungen zwischen beiden Drehzahlgradienten (innerhalb eines durch den zweiten Schwellwert bestimmten Bereichs) zu der Annahme führen, dass die Drehzahlgradienten gleich sind.
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Auch ist es eine Weiterbildung, dass das Ereignis ein Fehler des Verschließsystems ist.
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Somit kann mittels des Nominalmodells erkannt werden, ob für das Verschließsystem ein Fehlerfall vorliegt. Der Fehlerfall kann als solcher angezeigt oder abgespeichert werden. So kann z. B. für eine spätere Reparatur angezeigt werden, welche Komponente des Verschließsystems ausgetauscht werden soll.
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Ferner ist es eine Weiterbildung, dass ein Vergleich aktueller Messwerte mit dem Nominalmodell und/oder mit vorgegebenen Messwerten durchgeführt wird und abhängig von der Abweichung von dem Nominalmodell und/oder in Übereinstimmung mit den vorgegebenen Messwerten der Fehler klassifiziert wird.
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So ist es möglich, bestimmte Fehler als Muster z. B. in Form eines zeitlichen Verlaufs vorgegebener Messwerte zu hinterlegen. Ein Vergleich mit dem jeweiligen Muster kann Aufschluss darüber geben, welcher Fehler in dem Verschließsystem vorliegt.
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Im Rahmen einer zusätzlichen Weiterbildung wird der klassifizierte Fehler abgespeichert.
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Eine nächste Weiterbildung besteht darin, dass eine mit dem Fehler verknüpfte Fehlerdiagnose angezeigt wird.
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Die Fehlerdiagnose kann beispielsweise in der Werkstatt von einem Servicetechniker ausgelesen werden und unmittelbar (z. B. ohne weitere Fehlerbeschreibungen durch den Kunden) zur Reparatur der tatsächlich defekten Komponenten führen.
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Eine Ausgestaltung ist es, dass das Nominalmodell folgende Eingangsgrößen erhält, die vorzugsweise als Messwerte in dem Fahrzeug vorliegen:
- – eine Spannung eines Elektromotors zum Betrieb des Verschließsystems;
- – ein Strom des Elektromotors;
- – eine Drehzahl des Elektromotors.
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Abhängig von den Eingangsgrößen und ggf. unter Berücksichtigung der Umgebungsbedingungen kann das Nominalmodell das (fehlerfreie) Verhalten des Verschließsystems bestimmen. Abweichungen von dem fehlerfreien Verhalten des Verschließsystems können entsprechend detektiert und klassifiziert werden.
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Eine alternative Ausführungsform besteht darin, dass das Nominalmodell mindestens eine der folgenden Umgebungsbedingungen berücksichtigt:
- – eine Temperatur, insbesondere eine Außen- und/oder eine Innentemperatur des Fahrzeugs;
- – eine Feuchtigkeitsinformation, insbesondere Regen, Schnee oder Trockenheit;
- – eine fahrzeugspezifische Information, insbesondere eine Drehzahl des Fahrzeugmotors, eine Geschwindigkeit, eine Gierrate und/oder eine Verzögerung.
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Eine nächste Ausgestaltung ist es, dass das Verschließsystem eines der folgenden Systeme eines Fahrzeugs umfasst:
- – ein Fensterhebersystem;
- – ein Schiebedachsystem;
- – ein Heckklappensystem;
- – ein Türsystem.
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Die vorstehenden Systeme sind Beispiele für elektrisch betätigbare Verschließsysteme, bei denen Einklemmereignisse und/oder ein Fehler detektierbar sein sollen.
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Auch ist es eine Ausgestaltung, dass
- – das Ereignis während des Betriebs des Fahrzeugs abgespeichert wird;
- – das Ereignis ausgelesen wird und zur Auslegung des Nominalmodells und/oder zur Auslegung des Verschließsystems eingesetzt wird.
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Die vorstehend genannte Aufgabe wird auch gelöst mittels einer Vorrichtung zur Erkennung eines Ereignisses eines elektrisch betätigbaren Verschließsystems eines Fahrzeugs mit einer Verarbeitungseinheit, die derart eingerichtet ist, dass
- – das Ereignis bei einer Bewegung des Verschließsystems mittels eines Nominalmodells detektierbar ist,
- – wobei das Nominalmodell das Verschließsystem zumindest teilweise erfasst als auch auf das Verschließsystem einwirkende Umgebungsbedingungen berücksichtigt.
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Die Verarbeitungseinheit kann z. B. eine analoge oder digitale Verarbeitungseinheit sein, sie kann als eine Prozessoreinheit und/oder eine zumindest teilweise festverdrahtete Schaltungsanordnung ausgeführt sein, die derart eingerichtet ist, dass das Verfahren wie hierin beschrieben durchführbar ist.
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Besagte Prozessoreinheit kann jede Art von Prozessor oder Rechner oder Computer mit entsprechend notwendiger Peripherie (Speicher, Input/Output-Schnittstellen, Ein-Ausgabe-Geräte, etc.) sein oder umfassen. Weiterhin kann eine festverdrahtete Schaltungseinheit, z. B. ein FPGA oder ein ASIC oder eine sonstige integrierte Schaltung, vorgesehen sein.
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Eine Weiterbildung besteht darin, dass die Vorrichtung ein Steuergerät in einem Fahrzeug, insbesondere des Verschließsystems, ist.
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Auch wird die vorstehend genannte Aufgabe gelöst mittels eines Fahrzeugs umfassend mindestens eine Vorrichtung wie hierin beschrieben.
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Ausführungsbeispiele der Erfindung werden nachfolgend anhand der Zeichnungen dargestellt und erläutert.
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Es zeigen:
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1 ein Blockdiagram eines Fensterhebersystems umfassend einen Elektromotor, ein Getriebe und eine Türmechanik;
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2 eine Modellierung des elektrischen Teils und des mechanischen Teils des Elektromotors;
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3 ein Blockdiagramm zur Visualisierung der Auswertung von Signalen eines realen Verschließsystems (z. B. eines Fensterhebersystems) sowie eines Nominalmodells;
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4 ein Flussdiagramm eines schematischen Verfahrens wie es beispielsweise auf der Verarbeitungseinheit gemäß 3 ablaufen könnte.
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Der hier vorgeschlagene Ansatz umfasst insbesondere die folgenden drei Teile.
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Ein erster Teil beschreibt ein physikalisch-mathematisches Berechnungsmodell (auch bezeichnet als ”Nominalmodell”) des Fensterhebersystems. Dieses ist notwendig, um die auf das System einwirkenden Umgebungsbedingungen zu berücksichtigen und eine robuste Funktion des Fensterhebersystems zu ermöglichen.
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Durch das Lernen der Parameter nach der Erstinbetriebnahme des Fensterhebers, kann das Nominalmodell auf jede Tür und/oder Fensterhebersystem individuell adaptiert werden, was zu einer hohen Genauigkeit des Fensterhebersystems führt.
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Anhand des Nominalmodells kann zu jedem Zeitpunkt entschieden werden, ob z. B. die Veränderung des Drehzahlsignals durch eine Veränderung von Umweltbedingungen hervorgerufen wird, oder ob es sich um einen Fehler oder um einen Einklemmfall handelt.
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Weiterhin dient das Nominalmodell als Grundlage einer bauteilgenauen Diagnose. Für das Nominalmodell sind vorzugsweise drei Sensorgrößen einsetzbar: eine Spannung des Elektromotors, ein Strom des Elektromotors und eine Drehzahl des Elektromotors.
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Der zweite Teil beschreibt das Prinzip der bauteilgenauen Diagnose anhand zweier Beispiele, die aufgrund von charakteristischen Signalabweichungen auf einzelne Fehlerursachen und somit auf die fehlerverursachende Komponente rückschließen kann.
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Der dritte Teil beschreibt den auf dem tatsächlichen Kraftaufwand basierenden Einklemmschutzalgorithmus.
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Hierbei sei erwähnt, dass nachfolgend beispielhaft auf das Fensterhebersystem abgestellt wird. Der vorliegende Ansatz ist jedoch auch auf andere Systeme eines Fahrzeugs adaptierbar, die eine Einklemmschutzfunktionalität benötigen. Beispielhaft kann es sich bei solch einem System um ein Schiebedachsystem, eine aktuierte (elektrisch betätigbare) Türe oder Klappe (insbesondere Heckklappe) handeln.
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Nominalmodell:
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Bei dem Berechnungsmodell wird das Wissen über das Nominalverhalten der Strecke (hier: des Fensterhebersystems), also das fehlerfreie Verhalten des Prozesses, in einem sogenannten Nominalmodell hinterlegt. Aufgrund der Eingangsgrößen des Verschließsystems bestimmt das Nominalmodell das Verhalten der Ausgangssignale. Das Nominalmodell bildet die Grundlage für den nachfolgend beschriebenen Einklemmschutz, sowie für die modellbasierte Diagnose.
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Das Nominalmodell basiert auf physikalisch-mathematischen Gleichungen des Systems, hier des Fensterhebersystems. Beispielsweise kann das Fensterhebersystem in drei Teilsysteme unterteilt werden, den Elektromotor, das Getriebe und die Türmechanik.
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Nachfolgend wird das System beschrieben ausgehend von einem idealen Elektromotor, der in guter Annäherung einem realen Elektromotor entspricht.
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Die Gleichungen (1), (2) und (3) stellen dabei den Zusammenhang zwischen einer Ankerspannung U
A, einem Motorstrom I
A, einer Motorinduktivität L, einem temperaturabhängigem Ankerwiderstand R
A und einer Generatorspannung U
G dar. Die Generatorspannung U
G setzt sich aus einer Flusskonstanten K
U und einer Motordrehzahl ω
Motor zusammen.
UA = L·İA + RA(TAnker)·IA + UG (1) UG = KU·ωMotor (3)
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Das Lastmoment ML, das an der Welle des Elektromotors abgegeben wird, setzt sich gemäß Gleichung (4) aus einem Antriebsmoment MA, einem Reibmoment MR und einem Trägheitsmoment MJ zusammen. ML = MA – MR – MJ (4)
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Die Berechnung der einzelnen Momente ist in den Gleichungen (5) bis (7) dargestellt. Dabei entspricht K
I einer Flusskonstante, die zwischen Moment und Strom wirkt, Rb
Motor ist eine Reibungskonstante des Motors, wie sie etwa durch die Lagerreibung erzeugt wird und J
Anker entspricht einer Massenträgheit des Ankers.
MA = KI·IA (5) MR = RbMotor·ωMotor (6) MJ = JAnker·ω .Motor (7) mit
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Eine erzeugte Verlustleistung des Motors PMotorverlust berechnet sich aus den Anker- und Reibungsverlusten, wobei KPω eine Leistungskonstante ist, die zwischen Drehzahl und Verlustleistung wirkt: PMotorverlust = RA(TAnker)·I 2 / A + KPω·ωMotor (9)
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Die Berechnung einer Ankertemperatur TAnker kann über ein Behältermodell erfolgen, das das physikalische Verhalten beschreibt. Der Zufluss in den Behälter entspricht der zugeführten Verlustleistung des Motors PMotorverlust, der Abfluss dem an die Umgebung abgegebenen Wärmestrom Qab und der Inhalt des Behälters der gespeicherten Wärmemenge, die sich aus einer Ankermasse mAnker, der spezifischen Wärmekapazität der kupfernen Ankerwicklung ccu und einer Umgebungstemperatur TUmg zusammensetzt. Qab = Kab·(TAnker – TUmg) (10) ∫(PMotorverlust – Kab·(TAnker – TUmg))dt = mAnker·ccu·(TAnker – TUmg) (11)
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Unter der Annahme, dass die Umgebungstemperatur annähernd konstant ist, also
gilt, ergibt sich für T
Anker:
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Der temperaturabhängige Ankerwiderstand aus Formel (1) berechnet sich aus dem Ankerwiderstand RA(T0), der bei der Referenztemperatur T0 gemessen wurde, dem Temperaturkoeffizienten α und der Ankertemperatur TAnker: RA(TAnker) = RA(T0)·(1 + α·(TAnker – T0)) (13)
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Die Positionsberechnung der Scheibe in Motorkoordinaten erfolgt als Integral der simulierten Drehzahl des Elektromotors. WScheibe = ∫ωMotordt (14)
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Der reale Elektromotor besitzt im Vergleich zum idealen Elektromotor noch zwei weitere Größen: die Anlaufspannung UAnlauf und den Leerlaufstrom ILeerlauf. Erst bei Überschreitung der Anlaufspannung durch die Klemmenspannung UKlemme setzt sich der Anker in Bewegung. Auf den idealen Motor wirkt als Versorgung daher nur die Differenz der beiden Größen gemäß: UA = UKlemme – UAnlauf (15)
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Ähnlich verhält es sich mit dem Leerlaufstrom, der als Offset auf den Strom des idealen Motors aufgeschlagen wird, sobald sich der Anker bewegt, also die Klemmenspannung die Anlaufspannung überschreitet. Der Klemmenstrom IKlemme, der somit an den Klemmen des realen Motors zu beobachten ist, berechnet sich daher wie folgt: IKlemme = IA + ILeerlauf (16)
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Die Werte von Anlaufspannung, Leerlaufstrom, Ankerwiderstand sowie der beiden Flusskonstanten KI und KU lassen sich aus der Motorkennlinie ablesen.
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Das Getriebe wandelt die Größen der Antriebs- bzw. Motorseite, also M
L und ω
Motor, in ein Moment der Abtriebsseite M
G und eine abtriebsseitige Drehzahl ω
G. Die Abtriebsseite bildet dabei die Schnittstelle zur Fensterheber-Mechanik. Zur Umrechnung der Größen ist lediglich das Untersetzungsverhältnis Ü
G und der Wirkungsgrad des Getriebes η
Getriebe nötig, wobei auftretende Getriebeverluste, etwa durch Reibung, in einem Parameter P
Getriebeverlust enthalten sind.
ML·ωMotor = MG·ωG + PGetriebeverlust (17) PGetriebeverlust = (1 – ηGetriebe)·ML·ωMotor (18)
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Nach Lastmoment M
L und abtriebsseitige Drehzahl ω
G als Schnittstellen der angrenzenden Systeme Fensterheber-Mechanik bzw. Elektromotor aufgelöst ergibt sich:
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Die Selbsthemmung des Getriebes lässt sich durch eine Schaltung des antriebsseitigen Lastmoments ML abhängig von der Motordrehzahl ωMotor beschreiben.
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Eine Betrachtung des Getriebespiels erfolgt nicht, da dessen Überwindung nur wenige Millisekunden erfordert. Dies liegt unter der zu erwartenden zeitlichen Auflösung des angestrebten Verfahrens. Daher kann eine analytische Betrachtung des Gewindespiels unberücksichtigt bleiben.
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1 zeigt ein Blockdiagram eines Fensterhebersystems 101 umfassend einen Elektromotor 102, ein Getriebe 103 und eine Türmechanik 104. Der Elektromotor 102 wird mittels einer Spannung betrieben. Ein von dem Elektromotor 102 benötigter Strom sowie eine Drehzahl des Elektromotors 102 können gemessen werden bzw. werden von dem Elektromotor 102 als Ausgangsgrößen bereit gestellt. Der Elektromotor 102 beeinflusst eine Position der Türmechanik 104, z. B. einer Scheibe eines Fensterhebers, das Scheibenmoment wird von der Türmechanik 104 dem Getriebe 103 bereit gestellt, das ein Lastmoment an den Elektromotor 102 übermittelt.
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Als Beispiel seien hier analytische Zusammenhänge des Elektromotors, bzw. mathematische Gleichungen angeführt, die das elektrische und/oder physikalische Verhalten der Realität möglichst genau beschreiben.
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2 zeigt eine Modellierung des elektrischen Teils und des mechanischen Teils des Elektromotors.
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Bezüglich des elektrischen Teils des Elektromotors gibt 2 an, wie aus einer angelegten Spannung U_a minus einer Ankerspannung und minus einer induzierten Spannung mithilfe einer Motorinduktivität ein aktueller Motorstrom (Ankerstrom I_a) berechnet werden kann. Die Ankerspannung ergibt sich als Produkt des Ankerstroms I_a mit dem Ankerwiderstand RA. Die induzierte Spannung ergibt sich aus der Flusskonstante KU, die angibt, welche Drehzahl des Motors welche Spannung bedingt.
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Im Hinblick auf den mechanischen Teil des Elektromotors zeigt 2, wie aus dem elektrisch verursachten Drehmoment minus einer Lagerreibung und minus eines Motormoments M_I mithilfe einer Massenträgheit eine Drehzahl und somit eine Motorleistung w_mot bestimmt werden kann. Das elektrisch verursachte Drehmoment ergibt sich aus der Flusskonstante KU, die angibt, aus welchem Strom der Elektromotor ein bestimmtes Drehmoment erzeugt.
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Wenn alle mathematisch-physikalischen Gleichungen der oben genannten drei Teilsysteme Elektromotor, Getriebe und Türmechanik erstellt sind, ergibt sich ein Gesamtmodell für das Nominalverhalten.
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Zusätzlich können noch einzelne Parameter, z. B. ein Ankerwiderstand, eine Induktivität des Motors, etc. bestimmt werden, um das Verhalten des realen Fensterhebersystems möglichst genau nachzubilden.
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Allerdings unterscheiden sich die einzelnen Parameter bauteilabhängig oft deutlich, d. h. vermeintlich gleiche Systeme sind auf der Ebene der einzelnen Bauteile deutlich voneinander verschieden. Im hier diskutierten Beispiel kann dies bedeuten, dass die Parameter an der linken Tür nicht identisch mit den Parametern an der rechten Tür sind. Insofern ist es u. U. wenig zielführend, Mittelwerte der Parameter (wie diese beispielsweise von Zulieferern bereit gestellt werden) in dem Berechnungsmodell zu übernehmen, da in einem solchen Fall das Nominalverhalten des Fensterhebersystems deutlich von der Realität abweichen würde.
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Als Lösung wird das Lernen der Parameter vorgeschlagen und nachfolgend beschrieben. Ein solches Lernen der Parameter kann vorteilhaft nach dem ersten Verbau des Fensterhebersystems durchgeführt werden. Damit kann das Nominalmodell und dessen beschreibendes Nominalverhalten individuell auf jedes einzelne Fensterhebersystem angepasst werden.
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Nominalmodell – Lernen der Parameter:
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Prinzipiell muss der Elektromotor das auftretende Drehmoment zum Bewegen der Scheibe überwinden. Auf das Drehmoment wirken die Reibung innerhalb der Seilzugmechanik und des Dichtsystems sowie die Kraft aus den mechanischen Anschlägen. Die gemessenen Kräfte, die sich auf das Drehmoment auswirken, variieren bei realen Komponenten, auch wenn diese gleichen Typs sind und eigentlich identisch sein sollen. Damit variiert auch die Summe aller Drehmomente.
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Vorzugsweise sind also die Kräfte des mechanischen Systems geeignet abzubilden. Weiterhin werden die Parameter des Elektromotors benötigt, der das auftretende Moment überwinden muss, um die Scheibe in Bewegung zu setzen:
- 1. Die durch die Mechanik auftretenden Kräfte lassen sich in einem Kennfeld, das das Drehmoment des Gesamtsystems über den Werten des Hallsensors (Hallpositionen) umfasst, abbilden. Dieses Kennfeld kann im Hinblick auf die Umgebungstemperatur korrigiert werden, um den Einfluss der Temperatur auf das Gesamtdrehmoment zu kompensieren. Auch wird vorzugsweise (z. B. nach Ermittlung des Kennfeldwerts) ein gegebenenfalls veränderter Reibwert bei Regen als Korrekturfaktor berücksichtigt.
- 2. Die benötigten Parameter für die Beschreibung des Elektromotors umfassen einen Ankerwiderstand RA, eine Flusskonstante KU und eine Flusskonstante KI, wobei der Ankerwiderstand RA und die Flusskonstante KU keinen wesentlichen Einfluss auf das resultierende Drehmoment haben und deshalb nicht betrachtet werden. Vorzugsweise wird die Flusskonstante KI bestimmt und daraus erfolgt eine Berechnung des Ankerwiderstands RA und der Flusskonstante KU.
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Um die einzulernenden Größen aus gemessenen Daten zu extrahieren, müssen Gleichungen gefunden werden, die eine Berechnung erlauben. Diese sind für den Ankerwiderstand, die beiden Flusskonstanten des Elektromotors und das Drehmoment der Mechanik nachfolgend angegeben.
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Bestimmung des Ankerwiderstands RA:
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Löst man Gleichung (1) nach R
A(T
Motor) auf, so erhält man:
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Da keine genauen Werte der Motorinduktivität L und der einzulernenden Flusskonstante KU vorliegen, wird zur Bestimmung von RA ein Arbeitspunkt ermittelt, in dem die Drehzahl ωMotor und die zeitliche Ableitung des Motorstroms İA Null sind.
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Beim Schließen der Scheibe, nach der Einfahrt in die obere Dichtung, wird der Motor noch eine kurze Zeit von dem elektronischen Steuergerät angesteuert, um die Scheibe dicht zu schließen. Während dieser Zeit gilt ω
Motor = 0 und İ
A = 0 und Gleichung (22) reduziert sich somit unter Verwendung von Gleichung (15) auf:
mit den leicht messbaren Größen der Klemmenspannung des Motors U
Motor und dem Motorstrom I
A. Die Anlaufspannung U
Anlauf kann beispielsweise, wie durch Vergleichsmessungen ermittelt wurde, als konstant angesehen werden.
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Bestimmung der Flusskonstante KU:
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Durch Auflösen der Gleichung (3) ergibt sich:
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Die Generatorspannung UG lässt sich in einem (quasi-)stationären Arbeitspunkt, wie er z. B. während des Scheibenhubs kurz nach dem Motoranlauf und vor der Fahrt in den Block vorliegt, berechnen. In diesem Punkt gilt näherungsweise İA ≅ 0. Das anliegende Moment sollte dabei vorzugsweise nicht sehr groß sein (idealerweise Null), da sonst die Drehzahl zu weit einbricht, so dass der Zeitpunkt kurz nach Beendigung des Motoranlaufs, während des Umspulen des Seils, als möglicher Messpunkt verbleibt. Es ergibt sich folgender Zusammenhang zur Berechnung der Generatorspannung unter Verwendung von Gleichung (1). UG = UA – RA(TMotor)·IA (25)
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Durch die Abhängigkeit von dem eingelernten Ankerwiderstand RA kann die Berechnung der Generatorspannung UG und somit der Flusskonstante KU erst nach dem Einlernen von des Ankerwiderstands RA erfolgen.
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Für die Berechnung von K
U ergibt sich somit die Formel:
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Bestimmung der Flusskonstante KI:
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Die Flusskonstante KI beschreibt, welcher Strom des Elektromotors ein bestimmtes Drehmoment erzeugt, d. h. eine hohe Flusskonstante KI ist von Vorteil, um aus einem vorgegebenen Strom ein möglichst hohes Drehmoment zu erzeugen.
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Anhand von Gleichung (5) lässt sich die Flusskonstante KI berechnen, falls ein Wertepaar von Antriebsmoment MA und Motorstrom IA bekannt ist.
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Hierzu wird das Antriebsmoment MA des Motors benötigt, das im (quasi-)stationären Fall gleich dem auf den Motor wirkenden Lastmoment ML ist. Ohne einen Sensor zur direkten Erfassung des Drehmoments wird ein Verfahren zur Erfassung passender Datensätze, bestehend aus Moment und Motorstrom, benötigt.
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Dies wird erreicht, indem ausgenutzt wird, dass die Masse der Fensterscheibe konstant ist. Beim Öffnen übt die Scheibe aufgrund der Gewichtskraft über die Seilrolle ein positives Moment MScheibe auf den Motor aus, unterstützt diesen also in seiner Bewegung. Beim Schließen wirkt das Moment aus dem Gewicht der Scheibe der Bewegung des Motors entgegen, erschwert also das Schließen. Der Betrag des Moments MScheibe bleibt aber zu jeder Zeit gleich: MScheibe = mScheibe·g·rRolle (28) wobei g die Gravitationskonstante, rRolle einen Radius der Seilrolle und mScheibe die Masse der Scheibe bezeichnen.
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Der Einfluss durch das Moment der Scheibe wirkt sich auf den Stromverbrauch des Motors aus, der sich zwischen Öffnen und Schließen stark unterscheidet.
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Aus der gemessenen Stromdifferenz ΔI
Gemessen und dem Momenten-Unterschied von 2·M
Scheibe, der dann dem Wert von M
A gleichzusetzen ist, lässt sich der Faktor K
I, wie in Gleichung (27) gezeigt, berechnen und es ergibt sich folgender Zusammenhang:
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Zur Unterdrückung eines Messrauschens wird der Strom an vier über den Gesamthub gleichverteilten Stützstellen während des Öffnens und Schließens gemessen. Der Mittelwert aller vier Werte je Verfahrrichtung bildet die Berechnungsgrundlage für ΔIGemessen.
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Momentverlauf der Mechanik:
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Das durch die Mechanik verursachte Moment ML ist im (quasi-)stationären Fall (wie nach dem Motoranlauf) gleich dem Antriebsmoment MA des Elektromotors. Dieses wirkt sich direkt über die einzulernende Flusskonstante KI in den benötigten Motorstrom aus (siehe Gleichung (5)), weshalb auch der Rückschluss vom Strom auf das anliegende Moment möglich ist, wie Gleichung (31) zeigt. Der Leerlaufstrom ist vor der Berechnung von dem gemessenen Strom zu subtrahieren. Mberechnet = KI·(IGemessen –ILeerlauf) (31)
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Nach dem Lernen der Parameter ist das Nominalmodell auf das jeweilige Türsystem individuell angepasst und bildet das fehlerfreie Verhalten der Ausgangssignale ab. Vorzugsweise ist kein weiterer Lernvorgang während der Laufzeit des Fahrzeugs notwendig, außer bei einem Austausch von Komponenten des Fensterhebersystems (z. B. Einbau eines neuen Elektromotors mit geänderten Parametern).
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Bauteilgenaue Diagnose:
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Ziel der bauteilgenauen Diagnose ist es, eine fehlerverursachende Komponente zu detektieren und diese fehlerhafte Komponente einem Servicetechniker anzuzeigen.
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Zur Entwicklung der Diagnosealgorithmen ist es von Vorteil, deren Auswirkungen auf die Sensorsignale zu kennen. Mithilfe des Nominalmodells kann die Auswirkung auf die Signale des Systems sichtbar gemacht werden. Um die Auswirkung eindeutig einer Fehlerursache zuzuordnen, reicht es u. U. nicht aus, lediglich eine Abweichung von dem Nominalverhalten zu erkennen. Vielmehr müssen die Veränderungen in den Signalen eine Charakteristik aufweisen, die für die Ursache eindeutig ist. Dann kann eine verlässliche Aussage über die Fehlerursache getroffen werden.
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Die hier gezeigten Ansätze für eine bauteilgenaue Diagnose der aus der Praxis bekannten Problemstellungen sind als Beispiele anzusehen und können entsprechend auf weitere Diagnoseaufgaben übertragen werden.
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a) Fehlerursache: Verformung des Getriebes
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Eine Beschädigung des Getriebes erfolgt z. B. bei gleichzeitiger mechanischer und thermischer Belastung. Wird das Fenster geschlossen, drückt der Elektromotor die Scheibe in den oberen Anschlag bzw. in die Gummidichtung des oberen Anschlags. Da das Getriebe selbsthemmend ist, bleibt der drückende Zustand solange bestehen, bis das Fenster wieder geöffnet wird.
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Heizt sich z. B. aufgrund hochsommerlicher Temperaturen der Türzwischenraum auf (hier sind z. B. Temperaturen von 80°C und mehr möglich), wird das Material des Kunststoffgetriebes weich und verformt sich aufgrund der mechanischen Belastung.
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Die Auswirkung des Fehlers ist eine schwankende Motordrehzahl und ein vermehrt auftretendes Reversieren des Fensters. Messungen zeigen im Fehlerfall deutliche (z. B. steile, periodisch wiederkehrende) Drehzahleinbrüche im Vergleich zu dem nominalen Verhalten. Die Welligkeit ist auch im Stromverlauf in umgekehrter Ausprägung ersichtlich. Die Periodizität beträgt dabei eine Umdrehung auf der Abtriebsseite des Getriebes, was etwa 300 Hallpositionen auf der Antriebsseite mit dem Elektromotor entspricht. Als Charakteristik für den Fehler lässt sich somit das Drehzahlresiduum in Kombination mit dem Stromresiduum und der Periodizität kombinieren. Beim Drehzahlresiduum können zusätzlich der Betrag des Residuums und der Gradient, der die Steigung des Abfalls darstellt, als Größen herangezogen werden.
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Das Wissen über das Fehlerverhalten kann in Form eines Diagnosemodells hinterlegt werden. Bei jeder Betätigung des Fensters kann somit durch Vergleich mit dem hinterlegten Diagnosemodell entschieden werden, ob dieser Fehler vorliegt.
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b) Fehlerursache: Abnutzung der Fensterschachtabdeckung
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Dieser Fehler tritt vorzugsweise bei Türen auf, deren Schachtmaß, also der Abstand zwischen Innen- und Außenseite des Türbleches im Bereich des Austritts der Scheibe durch Toleranzen des Türrohbaus im Millimeterbereich an der minimal zulässigen Grenze liegt. Hier ist die Reibung der Scheibenkante besonders stark und führt durch den Abrieb der Beflockung (Gleitschicht der Gummidichtung) zum häufigen Reversieren aufgrund eines größeren benötigten Drehmoments.
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Messungen zeigen ein ständig steigendes Drehmoment, das durch die Reibung des blank liegenden Gummis auf der Scheibenoberfläche erzeugt wird, sobald die Fensterscheibe Kontakt mit dem Spiegeldreieck aufnimmt (ca. ab der Hälfte geschlossen Scheibe). Ein erhöhtes Drehmoment bedeutet eine erhöhte Stromaufnahme des Elektromotors, sowie einen Einbruch der Drehzahl ab der Kontaktaufnahme mit dem Spiegeldreieck. Zwischen der voll geöffneten bis zu dem Zustand der halb geschlossenen Fensterscheibe verhält sich das System dagegen nominal, da hier kein Kontakt zwischen Gummiunterbau der Dichtungen und Seitenscheibe besteht.
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Die Charakteristik lässt sich somit im Stromresiduum und dem Drehzahlresiduum identifizieren: Von dem voll geöffneten Zustand bis zur ersten Kontaktaufnahme der Fensterscheibe mit der Gummidichtung zeigt das Strom- und Drehzahlresiduum Nominalverhalten. Im Weiteren Verlauf des Schließvorgangs erhöht sich kontinuierlich der Strom und die Drehzahl bricht immer stärker ein. Aus diesem Verhalten kann auf die vorliegende Fehlerursache rückgeschlossen werden.
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Das Vorgehen ist auf beliebige Diagnoseprobleme anwendbar. Als Grundlage dient das Nominalmodell, mit dem Fehlerfälle verglichen werden können. Für eine eindeutige Fehlererkennung ist es von Vorteil, eine charakteristische Signalabweichung in dem Diagnosemodell zu hinterlegen. Werden (mit vorgegebenen Toleranzen) Ereignisse erkannt, die auf einen in dem Diagnosemodell hinterlegten Fehlerfall passen, kann der entsprechende Fehler z. B. einem Servicetechniker angezeigt werden. Dies führt zu einer schnellen und effizienten Fehlerbehebung, weil nicht erst die Ursache gesucht werden muss bzw. keine unnötigen Komponenten ausgetauscht werden.
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Einklemmschutz:
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Der in den heutigen Systemen realisierte Einklemmschutzalgorithmus basiert auf einer Gradientenauswertung des Drehzahlsignals. Aufgrund der Gradientenverletzung ist es aber nicht möglich, ausschließlich einen Einklemmfall zu detektieren, da beispielsweise nicht unterschieden werden kann, ob es sich um einen Einklemmfall oder um eine Schwergängigkeit handelt.
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Eine solche Unterscheidung ist jedoch mit dem vorliegenden modellbasierten Ansatz möglich.
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Um das fehlerhafte Reversieren zu verhindern und die Robustheit des Einklemmschutzes zu erhöhen, kann der bekannte in derzeitigen Fensterheber-Steuerungen umgesetzte signalbasierte Ansatz mit dem vorliegend diskutierten modellbasierten Ansatz kombiniert werden.
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Als Indikator, ob ein Verdacht für einen Einklemmfall vorliegt, kann der signalbasierte Ansatz herangezogen werden, indem während der Bewegung der Scheibe der Drehzahlgradient überwacht wird. Überschreitet dieser Drehzahlgradient einen vorgegebenen Schwellwert, liegt ein Verdacht für einen Einklemmfall vor; die endgültige Entscheidung, ob ein Einklemmfall vorliegt oder nicht, wird mithilfe des modellbasierten Ansatzes getroffen.
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Das Nominalmodell stellt beispielsweise zu jedem Zeitpunkt (oder zu vorgegebenen diskreten Zeitpunkten) einen berechneten Drehzahlgradienten zur Verfügung. Liegen von einem Normalfall abweichende Umweltbedingungen vor, z. B. tiefe Temperaturen, die zu einer Schwergängigkeit des Fensters führen könnten, werden diese in dem Nominalmodell geeignet berücksichtigt. Somit kann aus dem berechneten Residuum, gebildet aus dem Drehzahlmesswert und dem berechneten Drehzahlsignal, eine Unterscheidung hinsichtlich eines Einklemmfalls oder einer Schwergängigkeit getroffen werden. Ist am Ausgang des Nominalmodells das Residuum im wesentlichen Null (oder in einem Bereich nahe Null), so liegt eine Schwergängigkeit vor. Ab einem bestimmten Wert des Residuums wird erkannt, dass das Drehzahlsignal von außen beeinflusst ist und es wird ein Einklemmfall erkannt.
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Die anliegende Kraft der im Vergleich zum Nominalfall berechneten Kraft kann anhand eines Stromresiduums (z. B. einer Stromdifferenz zwischen einem gemessenen und einem berechneten Strom) bestimmt und als Abschaltbedingung herangezogen werden. Dazu wird das maximal zulässige Drehmoment anhand der bestimmten Flusskonstante Ki in einen Schwellwert für das Stromresiduum umgerechnet.
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Zu beachten ist dabei die vorhandenen Ungenauigkeiten des Modells, die bei der Überprüfung des realen Verhaltens beachtet werden müssen. Diese werden automatisch während des Einlernens mit erfasst und für die weitere Betrachtung dieses vermeintlichen Einklemmfalls herangezogen, d. h. die Modellungenauigkeit werden bei der Bewertung mit berücksichtigt.
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3 zeigt ein Blockdiagramm zur Visualisierung der Auswertung von Signalen eines realen Verschließsystems 301 (z. B. eines Fensterhebersystems) sowie eines Nominalmodells 302. Ein Fahrzeug (nicht dargestellt) liefert Eingangsgrößen und/oder Umgebungsbedingungen, z. B. über ein Fahrzeugbussystem, an das Nominalmodell 302. Auch steuert das Fahrzeug eine Aktivierung des Verschließsystems 301 (z. B. ebenfalls über das Bussystem). Hierbei sei angemerkt, dass das Nominalmodell 302 und das Verschließsystem 301 unterschiedliche Informationen von dem Fahrzeug erhalten können. Das Verschließsystem 301 liefert insbesondere während des Betriebs, z. B. der Bewegung der Scheibe, Eingangsgrößen an das Nominalmodell 302. Das Nominalmodell 302 bestimmt aus den Eingangsgrößen und Umgebungsbedingungen ”berechnete Werte” und stellt diese einer Verarbeitungseinheit 303 zur Verfügung. Die Verarbeitungseinheit 303 erhält ”reale Werte” von dem Verschließsystem 301. Entsprechend kann die Verarbeitungseinheit 303 z. B. einen Vergleich zwischen den berechneten und den realen Werten durchführen, ein Ereignis (z. B. Einklemmereignis oder Fehler) erkennen und hieraus eine geeignete Aktion ableiten.
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Beispielsweise können das Nominalmodell 302 und die Verarbeitungseinheit 303 gemeinsame, auch z. B. innerhalb einer elektronischen Steuereinheit zusammen mit weiteren logischen und/oder physikalischen Komponenten, implementiert sein. Insbesondere können das Nominalmodell 302 und die Verarbeitungseinheit 303 als Software, Firmware und/oder Hardware einzeln oder gemeinsam realisiert sein.
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4 zeigt ein Flussdiagramm eines schematischen Verfahrens wie es beispielsweise auf der Verarbeitungseinheit 303 ablaufen könnte.
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In einer Abfrage 401 wird geprüft, ob es sich um einen Fehler handelt. Dies kann, wie vorstehend beschrieben wurde, z. B. anhand eines Diagnosemodells, eines Vergleichs eines zeitlichen Verlaufs einer oder mehrerer Größen mit einem abgespeicherten Verlauf dieser Größe(n) erfolgen: Falls eine Abweichung geringer als ein vorgegebenes Maß ist, kann der mit dem abgespeicherten Verlauf verknüpfte Fehler erkannt werden, es wird zu einem Schritt 404 verzweigt, der Fehler wird gespeichert und es kann eine Diagnose für eine Behebung des Fehlers (z. B. ”Bitte Getriebe des Elektromotors Austauschen”) erstellt werden. Die Diagnose kann z. B. von einem Servicetechniker in der Werkstatt abgefragt werden. Danach wird zu einem Punkt 405 verzweigt, ab dem das Verfahren erneut durchlaufen wird.
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Handelt es sich hingegen nicht um einen Fehler, so wird in einer Abfrage 402 festgestellt, ob es sich um ein Einklemmereignis handelt. Hierzu kann z. B. ein gemessener Drehzahlgradient mit einem von dem Nominalmodell berechneten Drehzahlgradienten verglichen werden und, falls eine vorgegebene Abweichung zwischen diesen Drehzahlgradienten besteht, kann zu einem Schritt 403 verzweigt werden: Das Einklemmereignis wird erkannt, der Elektromotor zur Betätigung der Scheibe gestoppt und ein vorgegebenes Stück zurückgefahren (reversiert). Es wird zu Punkt 405 verzweigt. Kommt die Abfrage 402 zu dem Ergebnis, dass kein Einklemmereignis vorliegt, wird direkt zu Punkt 405 verzweigt.
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Hierbei sei angemerkt, dass die Abfragen 401 und 402 auch in der Reihenfolge vertauscht sein können, also zunächst die Abfrage nach dem Einklemmereignis erfolgt.
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(Weitere) Vorteile:
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Mit der bauteilgenauen Diagnose ist es möglich, dem Servicetechniker in der Werkstatt die möglichen Fehlerursachen direkt anzuzeigen. Damit ist eine vereinfachte und ursachengerechte Fehlerbehebung möglich. Weiterhin kann dem Servicetechniker auch im Fall eines sporadisch auftretenden Fehlers eine eindeutige Handlungsanweisung gegeben werden: Die Ursache des sporadisch auftretenden und ggf. beim Werkstattbesuch nicht reproduzierbaren Fehlers kann in dem System hinterlegt sein, der Kunde kann somit auf die oft schwierige weil nicht eintretende Vorführung des Fehlers verzichten. Als Folge reduziert sich die Diagnosedauer für die Reparatur, die Kundenakzeptanz steigt.
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Da das System anhand der bauteilgenauen Diagnose in der Lage ist, den Fehler zu bestimmen und hieraus eine Handlungsanweisung (z. B. ”Austauschen der Komponente X”) abzuleiten, wird nicht nur die Reparatur vereinfacht, auch können gezielt nur die fehlerverursachenden Komponenten getauscht werden. Dies reduziert u. a. die Gewährleistungskosten und verringert die Notwendigkeit für Wiederholreparaturen.
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Der hier vorgeschlagene auf dem tatsächlichen Kraftaufwand basierende Einklemmschutzalgorithmus stellt eine robuste Funktion sicher, da geänderte Umweltbedingungen (Temperatur, Querbeschleunigung, etc.) zu keinem Steuergerätefehler oder fehlerhaften Reversieren führen. Für den Kunden werden somit unerwünschte und schwer nachvollziehbare Reaktionen des Fensterhebers (z. B. unerwünschtes Öffnen statt Schließen) vermieden. Dies erhöht die Kundenzufriedenheit.
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Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die gelernten Parameter im Betrieb des Fahrzeugs über eine Datenrückführung ausgelesen werden können. Somit ist über die einzelnen Produktlinien ersichtlich, zu welchen Ergebnissen konkrete Parameter im Feldeinsatz führen. Diese Ergebnisse können wieder in die Entwicklung und Auslegung des Systems und die einzelnen Bauteile einfließen. So können z. B. die Toleranzen im Hinblick auf den realen Einsatz angepasst werden, bzw. können die Anforderungen an die einzelnen Komponenten basierend auf diesen Ergebnissen festgelegt werden. Damit wird die Effizienz des Gesamtsystems deutlich gesteigert.
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Auch können die Ergebnisse des Feldeinsatzes als Orientierung für ein Nominalmodell für eine neue Serienproduktion herangezogen werden. Dies erleichtert eine erste Auslegung des Fensterhebersystems, insbesondere kann eine Erstvermessung hierdurch eingespart werden.
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Bezugszeichenliste
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- 101
- Gesamtsystem
- 102
- Elektromotor
- 103
- Getriebe
- 104
- Türmechanik
- 301
- Verschließsystem
- 302
- Nominalmodell
- 303
- Verarbeitungseinheit
- 401
- Abfrage: Fehler?
- 402
- Abfrage: Einklemmereignis?
- 403
- Verarbeitungsschritt bei erkanntem Einklemmereignis
- 404
- Verarbeitungsschritt bei erkanntem Fehler