Hintergrund
der Erfindung
Medizinische
Implantate unterschiedlichster Zweckbestimmung sind in großer Vielfalt
aus dem Stand der Technik bekannt. Ein wichtiger Gesichtspunkt bei
der Realisation moderner medizinischer Implantate ist deren Biokompatibilität: Die eingesetzten
Werkstoffe sollen einen möglichst
hohen Grad an Gewebeverträglichkeit
gewähren.
Häufig
ist nur ein zeitweiliger Verbleib des Implantats im Körper zur
Erfüllung
des medizinischen Zweckes erforderlich. Implantate aus permanenten
Werkstoffen, also Werkstoffen, die im Körper nicht abgebaut werden,
sind wieder zu entfernen, da es mittel- und langfristig auch bei hoher
Biokompatibilität
zu Abstoßungsreaktionen des
Körpers
kommen kann.
Ein
Ansatz zur Lösung
vorgenannter Problematik besteht darin, das Implantat ganz oder
in Teilen aus einem biokorrodierbaren Werkstoff zu formen. Unter
Biokorrosion werden mikrobielle Vorgänge oder schlicht durch die
Anwesenheit von Körpermedien
bedingte Prozesse verstanden, die zu einem allmählichen Abbau der aus dem Werkstoff
bestehen Struktur führen.
Zu einem bestimmten Zeitpunkt verliert das Implantat oder zumindest
der Teil des Implantates, der aus dem biokorrodierbaren Werkstoff besteht,
seine mechanische Integrität.
Die Abbauprodukte werden vom Körper
weitgehend resorbiert, wobei geringe Rückstände tolerierbar sind.
Biokorrodierbare
Werkstoffe wurden unter anderem auf Basis von Polymeren synthetischer
Natur oder natürlichem
Ursprungs entwickelt. Die Materialeigenschaften, aber auch teils
die Biokompatibilität
der Abbauprodukte der Polymere limitiert den Einsatz jedoch deutlich.
So müssen
beispielsweise orthopädische
Implantate häufig
hohen mechanischen Beanspruchungen standhalten und vaskuläre Implantate,
z.B. Stents, je nach Design sehr speziellen Anforderungen an E-Modul,
Brüchigkeit
und Formbarkeit genügen.
Ein
aussichtsreicher Ansatz zur Lösung
des Problems liegt in der Verwendung biokorrodierbarer Metalllegierungen.
So wird in
DE 197
31 021 A1 vorgeschlagen, medizinische Implantate aus einem
metallischen Werkstoff zu formen, dessen Hauptbestandteil ein Element
aus der Gruppe Alkalimetalle, Erdalkalimetalle, Eisen, Zink und
Aluminium ist. Als besonders geeignet werden Legierungen auf Basis von
Magnesium, Eisen und Zink beschrieben. Nebenbestandteile der Legierungen
können
Mangan, Cobalt, Nickel, Chrom, Kupfer, Cadmium, Blei, Zinn, Thorium,
Zirkonium, Silber, Gold, Palladium, Platin, Silizium, Calcium, Lithium,
Aluminium, Zink und Eisen sein. Weiterhin ist aus der
DE 102 53 634 A1 der Einsatz
einer biokorrodierbaren Magnesiumlegierung mit einem Anteil von
Magnesium > 90 %,
Yttrium 3,7-5,5
%, Seltenerdmetallen 1,5-4,4 % und Rest < 1 % bekannt, die sich insbesondere
zur Herstellung einer Endoprothese, z. B. in Form eines selbstexpandierenden
oder ballonexpandierbaren Stent, eignet. Ungeachtet der erreichten
Fortschritte auf dem Gebiet biokorrodierbarer Metalllegierungen
sind die bisher bekannten Legierungen aufgrund ihres Korrosionsverhaltens
nur beschränkt
einsatzfähig.
Die relativ rasche Biokorrosion der Magnesiumlegierungen limitiert
den Einsatz.
Sowohl
die Grundlagen der Magnesium-Korrosion als auch eine große Anzahl
von technischen Verfahren zur Verbesserung des Korrosionsverhaltens
(im Sinne einer Verstärkung
des Korrosionsschutzes) sind aus dem Stand der Technik bekannt. Bekannt
ist beispielsweise, dass der Zusatz von Yttrium und/oder weiteren
Seltenerdmetallen einer Magnesiumlegierung einen leicht erhöhten Korrosionswiderstand
in Meerwasser verleiht.
Ein
Ansatzpunkt sieht vor, eine korrosionsschützende Schicht auf dem aus
Magnesium oder einer Magnesiumlegierung bestehenden Formkörper zu
erzeugen. Bekannte Verfahren zur Erzeugung einer korrosionsschützenden
Schicht wurden unter dem Gesichtpunkt eines technischen Einsatzes
des Formkörpers – jedoch
nicht medizin-technischen Einsatzes in biokorrodierbaren Implantaten
in physiologischer Umgebung – entwickelt
und optimiert. Diese bekannten Verfahren umfassen: das Aufbringen
von Polymeren, das Erzeugen einer Emaille, die chemische Konversion
der Oberfläche,
Heißgasoxidation, Anodisieren,
Plasmaspritzen, Laserstrahl-Umschmelzen, PVD-Verfahren und Ionenimplantation.
JP 02061252 A beschreibt
die chemische Konversion der Oberfläche von Magnesium-Werkstücken durch
Erhitzen derselben in SF
6-haltiger Atmosphäre und unter
Ausbildung einer MgF
2-Schicht.
EP 0 702 098 A1 beschreibt
ein Verfahren zur Herstellung von abriebfesten Schutzbeschichtungen
für Bauteile
aus Aluminium-Magnesium-Legierungen und zwar durch Reaktion mit
fluorhaltigem Plasma, wobei ebenfalls eine MgF
2-Schicht ausgebildet
wird.
DE 101 63 107 C1 sieht
vor, in die Oberflächenschicht
eines Magnesium-Werkstücks ein
Halogensalz einzubringen, das eine geringere thermodynamische Stabilität aufweist,
als ein mit demselben Halogenid gebildetes Magnesiumsalz. Das Einbringen
des Halogensalzes in die Oberflächenschicht
erfolgt durch Diffusionslegieren, Gaslegieren, schmelzflüssiges Legieren,
mechanisches Legieren, Schleuderguss oder Reaktionsmahlen. Es entsteht
eine sauerstofffreie, korrosionsschützende Deckschicht.
Herkömmliche
technische Einsatzgebiete von Formkörpern aus Magnesiumlegierungen
außerhalb
der Medizintechnik erfordern in der Regel eine weitgehende Unterbindung
korrosiver Prozesse. Dementsprechend ist die Zielstellung der meisten technischen
Verfahren eine vollständige
Inhibierung korrosiver Prozesse. Dagegen sollte die Zielstellung zur
Verbesserung des Korrosionsverhaltens von biodegradierbaren Magnesiumlegierungen
nicht in der vollständigen
Unterbindung, sondern nur in der Hemmung korrosiver Prozesse liegen.
Schon aus diesem Grunde eignen sich die meisten bekannten Verfahren zur
Erzeugung einer Korrosionsschutzschicht nicht. Ferner müssen für einen
medizin-technischen Einsatz auch toxikologische Aspekte berücksichtigt
werden. Des Weiteren sind korrosive Prozesse stark von dem Medium
abhängig,
in dem sie ablaufen, und daher dürfte
eine Übertragbarkeit
der unter herkömmlichen
Umweltbedingungen auf technischem Gebiet gewonnenen Erkenntnisse
zum Korrosionsschutz auf die Prozesse in physiologischer Umgebung
nicht uneingeschränkt
möglich
sein. Schließlich
dürften
bei einer Vielzahl von medizinischen Implantaten auch die der Korrosion
zugrundeliegenden Mechanismen von üblichen technischen Anwendungen
des Werkstoffs abweichen. So werden beispielsweise Stents, chirurgisches
Nahtmaterial oder Clips im Gebrauch mechanisch verformt, so dass
der Teilprozess der Spannungsriss-Korrosion beim Abbau dieser Formkörper erhebliche
Bedeutung haben dürfte.
DE 101 63 106 A1 sieht
vor, den Magnesiumwerkstoff durch Modifikation mit Halogeniden in
seiner Korrosivität
zu verändern.
Der Magnesiumwerkstoff soll zur Herstellung medizinischer Implantate verwendet
werden. Bevorzugt ist das Halogenid ein Fluorid. Die Modifikation
des Werkstoffs wird durch Zulegieren salzförmiger Halogenverbindungen
erreicht. Es wird demnach die Zusammensetzung der Magnesiumlegierung
durch Zugabe der Halogenide verändert,
um die Korrosionsrate zu mindern. Dementsprechend wird der gesamte,
aus einer solchen modifizierten Legierung bestehende Formkörper ein verändertes
Korrosionsverhalten besitzen. Durch das Zulegieren können jedoch
weitere Werkstoffeigenschaften beeinflusst werden, die bei der Verarbeitung
von Bedeutung sind oder auch die mechanischen Eigenschaften des
aus dem Werkstoff entstehenden Formkörpers prägen.
Zusammenfassung
der Erfindung
Der
vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, Formkörper, die
als medizinisches Implantat oder als ein Bestandteil eines medizinischen
Implantats ausgebildet und aus einer spezifischen biokorrodierbaren
Magnesiumlegierung bestehen, derart zu modifizieren, dass eine Korrosion
in physiologischer Umgebung gehemmt ist. Die Zusammensetzung der
Legierung soll dabei nach Möglichkeit
nur im Oberflächenbereich
verändert
werden, um unerwünschte Änderungen
der Werkstoffeigenschaften zu vermeiden. Vorzugsweise soll nur eine
anfängliche
Hemmung der Biokorrosion erreicht werden, d. h. im Laufe der Zeit
soll die Korrosionsrate ansteigen (die Korrosion sich beschleunigen),
um den mit Fragmentbildung durch Zerfall des Formkörpers resultierenden
Gefahren im Körper
von Mensch oder Tier entgegenzuwirken. Durch eine anfängliche
Hemmung der Biokorrosion könnte
auch erreicht werden, dass ein aus dem Formkörper bestehendes oder diesen
enthaltendes Implantat in der Lage ist seinen medizinischen Einsatzzweck über einen
bestimmten Zeitraum zu erfüllen,
dann aber rasch korrodiert.
Die
Aufgabe wird nach einem ersten Aspekt der Erfindung durch das Verfahren
mit den in Anspruch 1 genannten Merkmalen gelöst. Zur Erzeugung einer in
physiologischer Umgebung korrosionshemmenden Schicht auf einem Formkörper, der
aus einer Yttrium und weiteren Seltenerdmetalle enthaltenden, biokorrodierbaren
Magnesiumlegierung besteht und als medizinisches Implantat oder
als ein Bestandteil eines medizinischen Implantats ausgebildet ist,
umfasst das Verfahren den folgenden Schritt:
Behandeln einer
Oberfläche
des Formkörpers
mit einer wässrigen,
fluoridhaltigen Konversionslösung.
Das
Behandeln der Oberfläche
mit der Konversionslösung
führt zur
Ausbildung einer korrosionshemmenden Schicht, die MgF2-haltig
sein dürfte.
Die erfindungsgemäß erzeugte
korrosionshemmende Schicht weist eine gleichmäßige Dicke auf. Es wird davon
ausgegangen, dass die gleichmäßige Dicke der
Schicht durch den Einsatz einer flüssigen Konversionslösung und
die durch Kontakt mit der Konversionslösung induzierten Prozesse im
Oberflächenbereich
des Formkörpers
bedingt ist.
Durch
die Anwesenheit von Yttrium und weiteren Seltenerdmetallen zeigt
die Magnesiumlegierung bereits einen gegenüber reinem Magnesium erhöhten Korrosionswiderstand.
Es hat sich nun gezeigt, dass die Behandlung mit einer wässrigen,
fluoridhaltigen Konversionslösung
nicht zur Ausbildung einer vollständig oder weitgehend die Korrosion
in physiologischer Umgebung inhibierenden Schutzschicht führt. Mit
anderen Worten, in physiologischer Umgebung erfolgt dennoch eine
Korrosion des Formkörpers,
jedoch mit verzögerter
Geschwindigkeit.
Mit
Hilfe der erfindungsgemäß erzeugten korrosionshemmenden
Schicht wird der Abbau des Formkörpers
in physiologischer Umgebung nur zeitweilig verhindert oder zumindest
gehemmt. Erste Untersuchungen deuten drauf hin, dass die korrosionshemmende
Schicht in physiologischer Umgebung ebenfalls angegriffen und allmählich abgebaut
wird. Dieses Verhalten ist vorteilhaft. Hierdurch kann erreicht
werden, dass der Formkörper
nach dem Einbringen in physiologischer Umgebung, d. h. Implantation
in den Körper
von Mensch oder Tier, über
einen ersten Zeitraum seine mechanische Integrität beibehält und seinen medizinischen
Zweck erfüllen
kann. Sobald die korrosionshemmende Schicht jedoch ganz oder in
Teilen abgebaut ist, findet über
einen zweiten Zeitraum ein rascher Abbau der darunter liegenden,
nur aus der biokorrodierbaren Magnesiumlegierung bestehenden Bestandteile
des Formköpers statt.
Mit anderen Worten, eine Korrosionsrate im ersten Zeitraum ist geringer
als eine Korrosionsrate im zweiten Zeitraum. Insbesondere bei Stents
kann damit wirkungsvoll den aus der Fragmentbildung resultierenden
Gefahren entgegengewirkt werden.
Unter
Magnesiumlegierung wird vorliegend eine Legierung verstanden, deren
Hauptkomponente Magnesium ist. Hauptkomponente ist die Legierungskomponente,
deren Gewichtsanteil an der Legierung am höchsten ist. Alle prozentualen
Angaben zur Zusammensetzung der Legierungen sind als Angaben in
Gewichtsprozent zu verstehen, sofern nicht anders ausgeführt. Die
Magnesiumlegierung enthält Yttrium
und weitere Seltenerdmetalle, da sich eine derartige Legierung aufgrund
ihrer physiko-chemischen Eigenschaften und hohen Biokompatibilität, insbesondere
auch seiner Abbauprodukte, auszeichnet. Vorzugsweise ist die Magnesiumlegierung
halogenfrei (hierunter wird ein Halogenanteil von kleiner oder gleich
0,01 Gew.% an der Legierung verstanden) oder weist zumindest einen
Halogenanteil von kleiner als 0,2 Gew.% auf.
Besonders
bevorzugt wird eine Legierung der Zusammensetzung Seltenerdmetalle
5,2-9,9 Gew.%, davon Yttrium 3,7-5,5 Gew.%, und Rest < 1 Gew.%, wobei
Magnesium den auf 100 Gew.% fehlenden Anteil an der Legierung einnimmt,
eingesetzt. Die Legierung bestätigte
bereits experimentell und in ersten klinischen Versuchen ihre besondere
Eignung, d. h. zeigt eine hohe Biokompatibilität, günstige Verarbeitungseigenschaften,
gute mechanische Kennwerte und ein für die Einsatzzwecke adäquates Korrosionsverhalten.
Unter der Sammelbezeichnung „Seltenerdmetalle" werden vorliegend
Scandium (21), Yttrium (39), Lanthan (57) und die 14 auf Lanthan
(57) folgenden Elemente, nämlich
Cer (58), Praseodym (59), Neodym (60), Promethium (61), Samarium
(62), Europium (63), Gadolinium (64), Terbium (65), Dysprosium (66),
Holmium (67), Erbium (68), Thulium (69), Ytterbium (70) und Lutetium
(71), verstanden.
Die
Magnesiumlegierungen sind so in ihrer Zusammensetzung zu wählen, dass
sie biokorrodierbar sind. Als biokorrodierbar im Sinne der Erfindung werden
Legierungen bezeichnet, bei denen in physiologischer Umgebung ein
Abbau stattfindet, der letztendlich dazu führt, dass der gesamte Formkörper – respektive
das gesamte Implantat oder der aus dem Werkstoff gebildete Teil
des Implantates – seine
mechanische Integrität
verliert. Als Prüfmedium
zur Testung des Korrosionsverhaltens einer in Frage kommenden Legierung
dient künstliches
Plasma, wie es nach EN ISO 10993-15:2000 für Biokorrosionsuntersuchungen
vorgeschrieben ist (Zusammensetzung NaCl 6,8 g/l, CaCl2 0,2
g/l, KCl 0,4 g/l, MgSO4 0,1 g/l, NaHCO3 2,2 g/l, Na2HPO4 0,126 g/l, NaH2PO4 0,026 g/l). Eine Probe der zu untersuchenden
Legierung wird dazu in einem verschlossenen Probenbehälter mit
einer definierten Menge des Prüfmediums
bei 37 °C
gelagert. In zeitlichen Abständen – abgestimmt auf
das zu erwartende Korrosionsverhalten – von wenigen Stunden bis zu
mehreren Monaten werden die Proben entnommen und in bekannter Weise
auf Korrosionsspuren untersucht. Das künstliche Plasma nach EN ISO
10993-15:2000 entspricht
einem blutähnlichen
Medium und stellt damit eine Möglichkeit
dar, eine physiologische Umgebung im Sinne der Erfindung reproduzierbar
nachzustellen.
Der
Begriff Korrosion bezieht sich vorliegend auf die Reaktion eines
metallischen Werkstoffes mit seiner Umgebung, wobei eine messbare
Veränderung
des Werkstoffs bewirkt wird, die – bei Einsatz des Werkstoffs
in einem Bauteil – zu
einer Beeinträchtigung
der Funktion des Bauteils führt.
Ein Korrosionssystem besteht vorliegend aus dem korrodierenden Werkstoff,
also der Magnesiumlegierung, sowie einem flüssigen Korrosionsmedium, das
in seiner Zusammensetzung die Verhältnisse in physiologischer
Umgebung nachstellt oder ein physiologisches Medium, insbesondere
Blut ist. Werkstoffseitig beeinflussen die Korrosion Faktoren, wie
die Zusammensetzung und Vorbehandlung der Legierung, mikro- und
submikroskopische Inhomogenitäten,
Randzoneneigenschaften, Temperatur- und Spannungszustand und insbesondere
die Zusammensetzung einer die Oberfläche bedeckenden Schicht. Auf
Seiten des Mediums wird der Korrosionsprozess durch Leitfähigkeit,
Temperatur, Temperaturgradienten, Azidität, Volumen-Oberflächen-Verhältnis, Konzentrationsunterschied
sowie Strömungsgeschwindigkeit
beeinflusst.
An
der Phasengrenzfläche
zwischen Werkstoff und Medium laufen Redox-Reaktionen ab. Für eine schützende bzw. hemmende Wirkung
müssen vorhandene
Schutzschichten und/oder die Produkte der Redox-Reaktionen eine
gegen das Korrosionsmedium ausreichend dichte Struktur ausbilden,
eine bezogen auf die Umgebung erhöhte thermodynamische Stabilität aufweisen
und im Korrosionsmedium wenig löslich
oder unlöslich
sein. In der Phasengrenzfläche,
genauer in einer sich in diesem Bereich ausbildenden Doppelschicht,
laufen Ad- und Desorptionsprozesse ab. Die Vorgänge in der Doppelschicht sind
geprägt
von den dort ablaufenden kathodischen, anodischen und chemischen
Teilprozessen. Es ist in der Regel eine allmähliche Alkalisierung der Doppelschicht
zu beobachten. Fremdstoffablagerungen, Verunreinigungen und Korrosionsprodukte
beeinflussen den Korrosionsprozess. Die Vorgänge bei der Korrosion sind
demnach hoch komplex und lassen sich gerade im Zusammenhang mit
einem physiologischen Korrosionsmedium, also Blut oder künstlichem
Plasma, nicht oder nur im geringen Umfang voraussagen, da Vergleichsdaten
fehlen. Schon aus diesem Grunde ist das Auffinden eines Verfahrens, das
sich zur Erzeugung einer korrosionshemmenden Schicht, d. h. zur
nur temporären
Herabsetzung der Korrosionsrate einer Magnesiumlegierung der weiter oben
genannten Zusammensetzung in physiologischer Umgebung, eignet, eine
außerhalb
der Routine liegende Maßnahme.
Der
Vorgang der Korrosion lässt
sich durch Angabe einer Korrosionsrate quantifizieren. Ein zügiger Abbau
ist mit einer hohen Korrosionsrate verbunden, und umgekehrt. Bezogen
auf den Abbau des gesamten Formkörpers
wird eine im Sinne der Erfindung modifizierte Oberfläche zur
Herabsetzung der Korrosionsrate führen. Die durch das erfindungsgemäße Verfahren
erzeugte korrosionshemmende Schicht wird im Laufe der Zeit selbst
abgebaut bzw. kann die von ihr abgedeckten Bereiche des Formkörpers aus
der biokorrodierbaren Magnesiumlegierung nur noch in einem immer
geringeren Umfang schützen.
Daher ist der Verlauf der Korrosionsrate für den gesamten Formkörper nicht
linear. Vielmehr ergibt sich zu Beginn der einsetzenden korrosiven
Prozesse eine relativ niedrige Korrosionsrate, die im Laufe der
Zeit ansteigt. Dieses Verhalten wird als temporäre Herabsetzung der Korrosionsrate
im Sinne der Erfindung verstanden und zeichnet die erzeugte korrosionshemmende
Schicht aus.
Die
erfindungsgemäß eingesetzte
wässrige, fluoridhaltige
Konversionslösung
enthält
Fluorid in gelöster
Form. Ein Fluoridgehalt der Konversionslösung kann dabei in weiten Grenzen
variieren. Eine Obergrenze des Gehalts ist durch die Löslichkeit bzw.
Mischbarkeit der verwendeten Fluoridquelle gesetzt. Eine untere
Grenze wird durch zeitliche und praktische Erwägungsgründe bestimmt: Um eine vorgegebene
Oberfläche
des Formkörpers
zu modifizieren, müssten
bei sehr niedrigen Fluoridgehalten große Volumenströme der Konversionslösung bewegt werden
bzw. lange Kontaktzeiten vorgegeben werden. Als Fluoridquelle dienen
Fluorsalze, insbesondere Alkalifluoride und Ammoniumfluorid, und/oder Flusssäure (HF).
Es hat sich gezeigt, dass der Einsatz einer wässrigen Konversionslösung für die Ausbildung
der korrosionshemmenden Schicht essentiell ist. Ein Grund hierfür könnten hydrolytische
Teilprozesse bei der Behandlung der Oberfläche des Formkörpers sein.
Vorzugsweise
ist die Konversionslösung eine
wässrige
HF-Lösung.
Die wässrige
HF-Lösung wird
insbesondere auf Basis des azeotropen HF /H2O-Gemisches
bereitgestellt (HF-Gehalt: 38,2 %). Gegebenenfalls können dieser
Lösung
weitere Fluoridsalze zugesetzt werden. In Gegenwart einer wässrigen
HF-Lösung erfolgt
die Bildung von thermodynamisch stabilen, hydrolysebeständigen MgF2.
Vorzugsweise
wird in einem Vorbehandlungsschritt eine Mg(OH)2-Schicht
auf der Oberfläche des
Formkörpers
erzeugt. Die Vorbehandlung kann mit Hilfe von aus dem Stand der
Technik bekannten Verfahren erfolgen. Ohne die Vorbehandlung ist
die Oberfläche
der Magnesiumlegierung zumindest bereichsweise mit einer dünnen überwiegend
aus MgO bestehenden Schicht bedeckt. Der Vorbehandlungsschritt ist
deshalb bevorzugt, weil die Lösung
von MgO in wässriger
Lösung
schneller als die Konversion von MgO in MgF2 abläuft und
der Schichtaufbau somit sehr langsam vonstatten gehen würde.
Ein
zweiter Aspekt der Erfindung betrifft den durch die erfindungsgemäße Behandlung
an seiner Oberfläche
modifizierten Formkörper
selbst. Ein Formkörper
der gattungsgemäßen Art
mit einer korrosionshemmenden Schicht der erfindungsgemäßen Ausprägung ist
nach Kenntnisstand der Anmelderin nicht bekannt und wird daher gesondert
beansprucht.
Der
Formkörper
ist als medizinisches Implantat ausgebildet oder ein Bestandteil
eines solchen Implantates. Implantate im Sinne der Erfindung sind über ein
chirurgisches Verfahren in den Körper
eingebrachte Vorrichtungen und umfassen Befestigungselemente für Knochen,
beispielsweise Schrauben, Platten oder Nägel, chirurgisches Nahtmaterial, Darmklammern,
Gefäßclips,
Prothesen im Bereich des Hart- und Weichgewebes und Ankerelemente
für Elektroden,
insbesondere von Schrittmachern oder Defillibratoren.
Vorzugsweise
ist der Formkörper
ein Stent oder er bildet einen Bestandteil eines Stents. Stents herkömmlicher
Bauart weisen eine filigrane Struktur aus metallischen Streben auf,
die zur Einbringung in den Körper
in einem ersten, nicht expandierten Zustand komprimierbar ist und
die am Ort der Applikation in einen zweiten, expandierten Zustand
aufgeweitet wird. Bei Stents bestehen besondere Anforderungen an
die korrosionshemmende Schicht: Die mechanische Belastung des Materials
während
der Expansion des Implantats hat Einfluss auf den Verlauf des Korrosionsprozesses
und es ist davon auszugehen, dass die Spannungsrisskorrosion in
den belasteten Bereichen verstärkt
wird. Eine korrosionshemmende Schicht sollte diesen Umstand berücksichtigen.
Weiterhin könnte
eine harte korrosionshemmende Schicht während der Expansion des Stents
abplatzen und eine Rissbildung in der Schicht bei Expansion des
Implantats dürfte
unvermeidbar sein. Schließlich
sind die Dimensionen der filigranen metallischen Struktur zu beachten
und es sollte nach Möglichkeit
nur eine dünne,
aber auch gleichmäßige korrosionshemmende
Schicht erzeugt werden.
Es
hat sich nun gezeigt, dass der Einsatz einer wässrigen, fluoridhaltigen Konversionslösung, insbesondere
einer wässrigen
HF-Lösung,
allen diesen Erfordernissen genügt.
Besonders vorteilhaft ist, dass es in physiologischer Umgebung durch
das allgegenwärtige
Phosphat zur Bildung einer Fluorapatit-Schicht kommt, die eine sehr hohe Biokompatibilität besitzt.
Die Bildung der Fluorapatit-Schicht hat zudem eine Volumenvergrößerung zur
Folge, die beim Aufweiten des Stents entstehende Risse abdeckt. Daher
ist die Verwendung der wässrigen,
fluoridhaltigen Konversionslösung
im Zusammenhang des Stents besonders bevorzugt bzw. das erfindungsgemäße Verfahren
besonders für
Stents geeignet.
Nachfolgend
wird die Erfindung anhand einer Versuchsdurchführung näher erläutert.
Erzeugung
einer korrosionshemmenden Schicht auf Testkörpern
Für den Versuch
wurden ca. 1 cm dicke Testkörper
aus der Magnesiumlegierung WE43 eingesetzt. WE43 ist eine kommerziell
erhältliche
Magnesiumlegierung, deren Yttriumgehalt etwa 4 Gew.% und Gehalt
an Seltenerdmetallen ohne Yttrium etwa 3 Gew.% beträgt. Die
Testkörper
wurden vorab mechanisch zu einer Körnung von 2005 μm geschliffen und
anschließend
ebenfalls mechanisch bis auf eine Körnung von 6 μm poliert.
Es folgte eine chemische Politur (5 min.; Politur: 100 ml wasserfreies
Ethanol und 100 g kristalline Phosphorsäure). Anschließend wurde
für 3 min.
in Ethanol, dann für
1 min. in Aceton im Ultraschall gereinigt. Die durch die Behandlung
erhaltene Oberfläche
des Testkörpers
ist einem polierten Stent vergleichbar.
Drei
Testkörper
wurden für
je 15, 45 und 135 min. bei Raumtemperatur in eine wässrige HF-Lösung getaucht
(azeotropes HF/H2O-Gemisch). Weitere drei
Testkörper
wurden für
je 15, 45 und 135 min. bei 50°C
in die wässrige
HF-Lösung
getaucht. Anschließend
wurden die Testkörper
der Konversionslösung
entnommen und mit destilliertem Wasser gespült. Ein Testkörper wurde
zu Referenzzwecken nur mit destilliertem Wasser behandelt.
Zur
Charakterisierung des Korrosionsverhaltens folgte eine elektrochemische
Untersuchung über
mehrere Tage in 0,9%iger NaCl-Lösung.
Zur Abschätzung
der Korrosionsgeschwindigkeit wurde der Polarisationswiderstand
in bestimmten Abständen gemessen.
Die Messungen erfolgten in nachstehendem Turnus: (i) 90 Minuten
lang jede Minute eine Messung und dann (ii) alle 10 Minuten eine
Messung.
Die
elektrochemischen Untersuchungen belegten für die unbehandelte Referenzprobe
eine erhöhte
Korrosionsrate. Dagegen zeigten die mit der Konversionslösung behandelten
Proben eine deutlich erniedrigte Korrosionsrate, die in Laufe der
Zeit allmählich
wieder anstieg. Die Variation von Temperatur und Behandlungszeit
zeigte nur einen geringen Einfluss auf das Korrosionsverhalten.
Dies wird als Beleg für
einen selbsthemmenden Prozess bei der Ausbildung der Konversionsschicht
verstanden. Die Behandlung führte
zu einer gleichmäßig dicken,
korrosionshemmenden Schicht auf der Oberfläche der Testkörper (Dicke
geschätzt
etwa 20 μm).