Verfahren zum Tiefziehen von Platten aus thermoplastischen Kunststoffen und Vorrichtung zum Durchführen desselben
Bei den bekannten Verfahren zum Herstellen von Formkörpern, insbesondere von Hohlkörpern aus Kunststoffen, wie Giessen, Pressen, Vakuumtiefziehen, Drücken, werden Formen benutzt, deren Oberflächen - sei es als Vollform mit Patrize und Matrize oder als Halbform mit Patrize (Formkern) oder Matrize (Vakuumziehform) als Positiv oder Negativ oder beides zusammen - die Formgebung des herzustellenden Formkörpers vorausbestimmt.
Das mit der Erfindung vorgeschlagene Verfahren und die dazu benutzte Vorrichtung betreffen das Herstellen von Hohlkörpern durch Tiefziehen von thermoplastischen Kunststoffplatten, z. B. aus Polyvinylchlorid, Polystyrol und anderen Polymerisaten bzw.
Mischpolymerisaten.
Nach den bisher bekannten Arbeitsweisen zur Verformung von thermoplastischen Platten können drei Methoden unterschieden werden.
Nach der ersten Methode wird die Platte vor dem Erhitzen in einem Spannrahmen festgespannt, und das Verformen erfolgt ausschliesslich durch Verjüngung der ursprünglichen Plattendicke. Je nachdem hierbei entweder ein Formkern mit der inneren Oberfläche des herzustellenden Körpers in den innen offenen Ziehrahmen eingefahren wird oder das Material durch Vakuum in die Tiefziehform mit der äusseren Oberfläche des herzustellenden Körpers festgesaugt wird, entstehen an den oberen Randteilen oder am Boden, insbesondere an den Ecken derart geringe Wandstärken, dass solche Formkörper normalem Gebrauch nicht genügen. Infolge der abnehmend unterschiedlichen Wandstärken entstehen innere Spannungen, welche leicht zu Rissen und Brüchen führen.
Nach der zweiten Methode wird die erhitzte Platte über einen innen offenen Ziehring gelegt und dann der Formkern in die plastifizierte Platte eingefahren, wobei das Material zwischen dem Innenrand des Ziehringes und den Wänden des Formkerns von den äusseren Partien der Platte nachgleiten kann, wobei das Material gegebenenfalls durch einen leichten Druck zwischen dem Ziehring und einem dazugehörigen Oberrahmen (ähnlich dem Oberteil eines Spannrahmens) festgehalten ist, bis schliesslich zwischen dem Innenrand des Ziehrahmens und den Seitenwänden des Formkerns Randschluss in Materialstärke eintritt.
Nach der dritten Methode wird die erhitzte Platte vor dem Einfahren des Formkerns an bestimmten Randzonen ausserhalb des Innenrandes des Zichringes entweder an den Seitenteilen oder an den Ecken festgehalten, so dass das Material nur an den nicht festgeklemmten Teilen nachgleiten kann.
Diese Methode soll Nachteile der Methode zwei beseitigen, arbeitet jedoch entweder mit Vorform oder geschlossener Halbform und Randschluss zwischen Ziehring und Seitenwänden des Formkerns.
Von diesen bekannten Methoden unterscheidet sich das erfindungsgemässe sogenannte Gleitspannverfahren grundsätzlich, denn es macht sich von der seither üblichen Anschauung einer Verformung mittels Formen , das heisst von den Begriffen Positiv oder Negativ der Oberfläche des hferzustellenden Formkörpers vollkommen frei.
Das Gleitspannverfahren nach der Erfindung ist als eine Art Tiefziehen mit Matrize und Patrize als Werkzeug zu bezeichnen, welches sich vom Tiefziehen im gebräuchlichen Sinne dadurch unterscheidet, dass das Ziehen der plastifizierten Platte aus thermoplasti- schem Kunststoff ohne Abschreckung und ohne Behinderung durch Formwände unter freiem Nachgleiten des plastifizierten Plattenmaterials beim Zusammenwirken der die Abbiegungen erzeugenden Kanten der Patrizen und Matrizen über diese Kanten und das
Spannen im freien Raum zwischen diesen Kanten erfolgt. Die endgiiltige Form des herzustellenden Hohl körpers bildet sich beim Erstarren des Kunststoffes zwischen den gegeneinander wirksamen Kanten von Matrize und Patrize, welche zur Richtungsänderung der plastifizierten Kunststoffplatte dienen.
Die Erfindung betrifft weiter eine Vorrichtung zum Ausführen dieses Verfahrens. Als Werkzeuge dienen Matrize und Patrize, welche mit dem herzustellenden Hohlkörper nur insofern übereinstimmen, als beide zusammen die massgerechten Kanten enthalten, welche die Abbiegungen erzeugen.
Als erfindungsgemässe Vorrichtung werden vorteilhaft ineinanderschiebbare, offene Rahmen bzw.
Rahmengestelle angewendet, welche in und nebenein ander angeordnet sind und gleichzeitig oder nachein ander zur Wirkung kommen.
Die Verformung der Platte aus thermoplastischem Kunststoff erfolgt durch Ineinanderschieben dieser Hohlrahmen bzw. Rahmengestelle. Beim Verformungsvorgang gleitet das plastifizierte Material aus Materialüberschusszonen nach und wird erst mit Been digung der Verformung festgespannt bzw. eingeklemmt.
Während der Verformung der ursprünglichen ebenen, durch Erhitzen plastisch gemachten Platte hat das Material volle Bewegungsfreiheit zwischen den Rahmengestellen und kann sich sowohl positiv wie negativ unbehindert durch Wände und Querschnitte auch mit Faltenwurf bewegen, bis es schliesslich über die Kanten der Rahmen wie ein Schirm gespannt wird.
Umgekehrt können die Kanten der Rahmen mit geringstem Reibungswiderstand in das Plattenmaterial hineingleiten, wobei nach dem Prinzip des kleinsten Zwanges vorweg Material aus Überschusszonen bei gleichbleibender Materialstärke aufgebracht wird, ehe überhaupt eine Verjüngung der Plattendicke, selbst in Ecken infolge des einheitlich gleichmässigen Gleitspannzuges eintreten könnte, zumal bei niedrigeren Temperaturen gearbeitet werden kann, wie sie sonst beim Tiefziehen erforderlich sind.
Auch ein Abschrecken des plastifizierten Materials an Wänden von Formen, welche verfahrensbedingt eine niedrigere Temperatur besitzen, kann während des Verformungsvorganges nicht mehr eintreten.
Die geringe Wärmekapazität der Rahmenkonturen - insbesondere bei der zweckmässigen Verwendung von wärmeisolierendem bzw. Wärme schlecht leitendem, nichtmetallischem Material - ergibt ein gleichmässiges Erkalten und Erstarren des praktisch im leeren bzw. freien Raum gespannten thermoplastischen Materials bei überall gleichmässigem Spannzug und damit frei von inneren Spannungen. Hierdurch treten auch die seither oft unerklärlichen Spätschäden nicht mehr auf, die als Risse und Bruchstellen selbst an unbenutzten Formteilen auftreten.
Die Wirkungsweise des erfindungsgemäss vorgeschlagenen Verfahrens wird besonders dann deutlich, wenn der Spannzug des thermoplastischen Ma Materials in mehr als zwei Ebenen erfolgt, das heisst neben dem einfachen Zug des Hohlrahmens bzw. Kantenkörpers in den Ziehrahmen ein weiterer Rahmen. welcher mit dem Hohlrahmen beliebig verbunden ist oder getrennt zur Wirkung kommen kann, das Material im Gegenzug zur Wirkungsrichtung des Hohlrahmens über eine dritte Rahmenkante spannt und dann abgewinkelt festklemmt, um ein weiteres Nachgleiten des Materials aus äusseren Randzonen sicher zu beenden.
Die beim Erkalten des plastischen Materials eintretende Schrumpfung, welche sonst meist störend empfunden wird, erhöht die gewollte straffe Spannung zwischen den Spannkanten der Rahmen.
Um ein Werfen oder eine Faltenbildung der äusseren Randzonen der zuvor gleichmässig erhitzten Platte beim Nachgleiten zu vermeiden, welches je nach Formgebung an verschiedenen Stellen auch unterschiedlich stark erfolgen kann, kann eine Schlitzführung ausserhalb des Innenrandes des Ziehrahmens angeordnet sein, welche zweckmässig ausserhalb der Ebene des Innenrandes des Ziehrahmens liegt, damit von Anbeginn des Einfahrens des Hohlrahmens auf das plastische Material ein leichter Spannzug über die Oberkante des Ziehrahmens ausgeübt wird, ohne jedoch ein gleichmässiges Nachgleiten zu behindern.
Durch verschiedene Kombinationen mehrerer solcher Rahmen, Spannleisten, Spanngestelle usw. inund nebeneinander und die gegenseitige, insbesondere vertikale Verschiebbarkeit zur beliebigen Endstellung und durch die Austauschbarkeit der Rahmen lassen sich mit einfachsten Mitteln beliebig geformte Körper herstellen, so z. B. mit den gleichen Rahmenelementen Hohilkörper unterschiedlicher Tiefe.
Selbst Plattenmaterial mit Faser- oder Gewebeeinlagen lässt sich mit Erfolg verformen.
An den äusseren Rändern der Rahmen können besondere Schneide- bzw. Abquetschkanten angeordnet sein, welche die überstehenden Materialränder des hergestellten Hohlkörpers vor, beim oder nach dem Erstarren beseitigen, so dass die fertigen Hohlkörper ohne Nachbearbeitung entnommen werden können.
Ausserhalb des Ziehrahmens können Hilfsauflagen und Hilfsschlitzführungen angeordnet sein, die vor dem Einfahren des Hohlrahmens entfernt werden können.
An den in der Zeichnung dargestellten Ausführungsbeispielen wird beispielsweise das Herstellen einer Wanne mit Bördelrand nach dem erfindungsgemässen Verfahren erläutert.
Es zeigen:
Fig. 1 den Längsschnitt durch den Patrizenrahmen,
Fig. 2 dessen Draufsicht,
Fig. 3 den Längsschnitt des Matrizenrahmens,
Fig. 4 dessen Draufsicht,
Fig. 5 Patrizen- und Matrizenrahmen im Längsschnitt in zwei unterschiedlich tief eingefahrenen Stellungen,
Fig. 6 einen Patrizenrahmen, ähnlich dem der Fig. 1 und 2 in kleinerem Massstab in perspektivischer Ansicht,
Fig. 7 die zu verformende Kunststoffplatte im ebenen Ausgangszustand,
Fig. 8 den mit dem in Fig. 6 dargestellten Patrizenrahmen zusammenwirkenden Matrizenrahmen, ähin- lich der Fig. 3 und 4 im kleineren Massstab in perspektivischer Ansicht und
Fig. 9 die hergestellte Wanne mit abgeschnittenem, überstehendem Rand.
In beiden Ausführungsbeispielen bestehen die Matrizen- und Patrizenrahmen aus Holz als einem schlechten Wärmeleiter, sie können auch aus anderen schlecht wärmeleitenden oder auch wärmeisolierenden Werkstoffen hergestellt sein. Die Werkzeuge bestehen aus einem unteren Matrizenrahmen 1 mit dem Bodenkern (Fig. 3, 4 und 8), in welchen der obere Patrizenrahmen 3 (Fig. 1, 2, 6) mit Hilfe geeigneter Führungen 11, 12 eingefahren wird. Die Werkzeuge können auch umgekehrt betätigt werden. Es kann in den aufliegenden Patrizenrahmen 3 der Matrizenrahmen 1 mit dem Bodenkern 2 eingefahren werden. Vor dem Einfahren wird die zugeschnittene, ebene Ausgangs Kunststoffplatte 5, wie in Fig. 3 rechte Sitze angedeutet, auf den Bodenkern 2 lose und unverspannt aufgelegt.
Sobald diese Platte durch Wärmeeinwirkung plastifiziert ist und dann unter ihrem Eigengewicht über die Kanten des Bodenkerns 2 absinkt und sich schliesslich auf den Rahmen 1 auflegen kann - wie in Fig. 3 linke Seite erkennbar ist - wird nun von oben her unter Benutzung der Führungen 11, 12 der Patrizenrahmen 3 unter leichtem Druck eingeführt, was in Fig. 5 in zwei unterschiedlichen Stellungen dargestellt ist.
Fig. 5 zeigt links, wie beim Einfahren des Patrizenrahmens zunächst der zum Herstellen des Bördelrandes am zu erzeugenden Hohlkörper (Fig. 9) dienende, nach unten vorstehende Randwulst 6 an dem plastifizierten Werkstoff 5 entlanggleitet und dabei unbehindert durch Formteile im freien Raum das Material einerseits bereits über die Kanten des Bodenkerns 2 vorspannt und anderseits praktisch ohne Querschnittsverringerung von der freien Randpartie nachzieht.
Fig. 5, rechter Teil, zeigt das Ende des Ziehvorganges. Erst jetzt liegt die Unterseite des Aussenrandes des Patrizenrahmens 3 unter Zwischenfassung des Plattenwerkstoffes auf der Oberseite des Matrizenrahmens 1 auf, so dass nun alle Konturen gegenseitig fixiert sind, zwischen denen sich der Werkstoff spannt und dadurch die Raumform des zu erzeugenden Hohlkörpers bildet.
Auf diese Weise ist erstmalig ein werkstoffgerechtes Verformen thermoplastischer Kunststoffplatten erreicht, und zwar dadurch, dass - wie eindeutig aus den dargestellten Formwerkzeugen erkennbar ist der plastifizierte Werkstoff beim Ziehen unter Beibehaltung einer praktisch gleichbleibenden Stärke ungehindert dem erforderlichen leichten Spannzug nachgeben und aus allen Materialüberschusszonen nachflie- ssen kann, so dass das Spannen des hergestellten Hohlkörpers nur zwischen Umlenkkanten bzw. Rändern unter Ausnutzung und Ausgleich der werkstoffeigenen Schrumpfspannung erfolgt.
Die Randbreite 9 und damit die Grösse der Ausgangsplatte 5 muss jeweils so gewählt werden, dass am fertigen Hohlkörper (Fig. 9) ein genügend grosser Rand mit der in Fig. 9 gestrichelter Linie eingezeichneten Kontur 10 verbleibt, mit dessen Hilfe die Arretierung des Aussenrandes der Platte 5 am Ende des Ziehvorganges erfolgt. Dieser Rand kann entweder schon beim Ziehen abgetrennt werden oder später durch eine Machbearbeitung.
Der Matrizenrahmen nach Fig. 8 unterscheidet sioh von dem Matrizenrahmen der Fig. 3 und 4 dadurch, dass auch der Bodenkern 2 als Hohlrahmen ausgebildet ist. Diese Ausführung ist insbesondere dann zweckmässig, wenn die Bodenfläche des herzustellenden Hohlkörpers eine solche Grösse aufweist, dass das Herstellen des Bodenkerns als Hohlrahmen möglich ist.
Die in der Zeichnung dargestellten Werkzeuge lassen lediglich das Prinzip erkennen.
Selbstverständlich kann sowohl die Patrize als auch die Matrize aus mehreren, ineinandergearbeiteten Rahmen bestehen, welche gleichzeitig oder nacheinander gegenseitig verschiebbar sind bzw. ineinander mit leichtem Druck eingefahren werden. Auch können bei entsprechender Grösse der Platte - was nicht dargestellt ist - Hilfseinrichtungen vorgesehen sein, die verhindern, dass während der Plastifizierung der Platten diese in die freien Hohlräume der jeweils untenliegenden Werkzeugteile mehr als erwünscht einsinken. Zu diesem Zweck können Hilfsrahmen und Hilfsschlitzführungen an den Aussenrändern der Patrize und/oder Matrize vorgesehen sein, mit deren Hilfe z.
B. unterschiedliche Höhe zwischen den einzelnen Rahmenteilen des jeweils untenliegenden Teils des Ziehwerkzeugs ausgeglichen werden können und/oder eine gewisse Bremswirkung an den Rändern der plaste fizierten Werkstoffplatte erreicht wird, um ein zu schnelles Nachgleiten des Werkstoffes beim Ziehvorgang auszuschliessen.