AT524256B1 - Verfahren zur Ermittlung eines Reibbeiwertes - Google Patents
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Abstract
Verfahren zur Ermittlung eines Reibbeiwertes zwischen einer Fahrbahnoberfläche (1) und wenigstens einem Fahrzeugreifen (2) eines sich auf der Fahrbahnoberfläche (1) befindlichen oder bewegenden Fahrzeugs (3), wobei Umgebungsbedingungen des Fahrzeugs (3) ermittelt werden, wobei auf Basis eines Vergleichs der ermittelten Umgebungsbedingungen mit Referenz-Umgebungsbedingungen einer vorgegebenen oder vorgebbaren Datenbasis (4), die Zuordnungen von Referenz- Umgebungsbedingungen zu den diesen Referenz-Umgebungsbedingungen entsprechenden Reibbeiwerten enthält, ein den ermittelten Umgebungsbedingungen entsprechender Reibbeiwert ermittelt wird, wobei zur Erstellung der Datenbasis (4) in einer stationären Messphase (S1) bei verschiedenen Referenz- Umgebungsbedingungen Referenz-Reibbeiwerte ermittelt werden, wobei den verschiedenen Referenz-Umgebungsbedingungen die entsprechenden Referenz- Reibbeiwerte zugeordnet werden, in einer dynamischen Messphase (S2) während einer Bewegung des Fahrzeugs (3) auf der Fahrbahnoberfläche (1) bei verschiedenen Referenz-Umgebungsbedingungen Ist-Reibbeiwerte ermittelt werden, wobei den verschiedenen Referenz-Umgebungsbedingungen die entsprechenden Ist-Reibbeiwerte zugeordnet werden, die den jeweiligen Referenz-Umgebungsbedingungen entsprechenden Ist-Reibbeiwerte auf Basis der diesen Referenz- Umgebungsbedingungen entsprechenden Referenz-Reibbeiwerte kalibriert werden, wobei die kalibrierten Ist-Reibbeiwerte als Reibbeiwerte den jeweiligen Referenz- Umgebungsbedingungen zugeordnet werden.
Description
[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Ermittlung eines Reibbeiwertes zwischen einer Fahrbahnoberfläche und wenigstens einem Fahrzeugreifen eines sich auf der Fahrbahnoberfläche befindlichen oder bewegenden Fahrzeugs mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1.
[0002] Der beim Fahren mit einem Fahrzeug auf einer Fahrbahnoberfläche, beispielsweise einer Straße, vorliegende Reibbeiwert (Haftreibungsbeiwert, Kraftschluss) zwischen Fahrzeugreifen und Fahrbahnoberfläche spielt eine entscheidende Rolle bei allen Längs- und Querbewegungen, insbesondere beim Beschleunigen, Bremsen und Kurvenfahren. Die Kenntnisse über den Reibbeiwert sind bereits beim derzeitigen Fahren sowohl für den Fahrer selbst als auch für den Einsatz von Fahrassistenzsystemen wie das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) von großer Bedeutung, werden aber in Hinblick auf das automatisierte bzw. autonome Fahren immer wichtiger, vor allem bei sich ändernden Umgebungsbedingungen (Fahrbahnbelag, Verschmutzungen, Split, Temperatur, Nässe, Schnee, Eis, etc.).
[0003] Es sind bereits Systeme und Verfahren zur Feststellung des Zustandes der vor einem Fahrzeug liegenden Fahrbahn bekannt.
[0004] So ist beispielsweise in DE 10 2004 018 088 A1 ein Fahrbahnerkennungssystem zur Feststellung des Zustandes der vor einem Fahrzeug liegenden Fahrbahn beschrieben. Dieses System geht von bekannten Systemen aus, die komplexe Strukturen benötigen, die nur mit Schwierigkeiten bei vorhandenen Reifen eingesetzt werden können. Aus diesem Grund wird ein Sensorbasiertes System vorgeschlagen, das sowohl bei neuen als auch bei vorhandenen Fahrzeugen einfach eingesetzt werden kann, ohne die Reifenstruktur zu ändern. Bei dem vorgeschlagenen System erfassen verschiedene Sensoren (z.B. Kamera, Temperatursensor, Ultraschallsensor) Fahrbahndaten (z.B. Bild-, Temperatur- und Rauheitsdaten). Die Rohdaten der Sensoren werden gefiltert und anschließend mit Referenzdaten verglichen. Dieser Vergleich kann auch die Feststellung einer umgebungsbezogenen Klassifizierung des Zustands der Fahrbahnoberfläche (z.B. trocken, vereist, verschneit, nass) oder der Art der Fahrbahnoberfläche (z.B. Beton, Asphalt, Gras, Sand, Kies) umfassen.
[0005] Das Dokument WO 2019/174682 A1 beschreibt ein Verfahren zur Klassifikation eines Fahrbahnzustands auf der Basis von Bilddaten eines Fahrzeugkamerasystems. In der Einleitung des Dokuments wird darauf eingegangen, dass im Bereich moderner Fahrerassistenz unterschiedliche Sensoren, u.a. auch Videokameras, eingesetzt werden, um das gesamte Fahrzeugumfeld möglichst genau und robust zu erfassen. Diese Umfeldinformationen zusammen mit den fahrdynamischen Informationen des Fahrzeugs verschaffen einen guten Eindruck über den aktuellen Fahrzustand des Fahrzeugs und die gesamte Fahrsituation. Es wird eine verbesserte kamerabasierte Klassifikation des Fahrbahnzustands beschrieben, die es ermöglicht, allein auf Basis von Kamerabildern eine Unterscheidung von verschiedenen Fahrbahnzuständen zu gewährleisten.
[0006] Das Dokument WO 2014/127777 A2 beschreibt ebenfalls ein Verfahren zur Bestimmung eines Fahrbahnzustands mittels einer Fahrzeugkamera. In der Einleitung des Dokuments wird darauf eingegangen, dass Reibbeiwert oder gleichwertige Informationen über den aktuellen Fahrbahnzustand für Fahrerassistenzsysteme in der Regel nicht zur Verfügung stehen und dass daher die Auslegung der Warn- und Eingriffszeitpunkte grundsätzlich auf Basis einer trockenen Fahrbahn erfolgt. Die Wirkung der fahrdynamischen Eingriffe über Bremse und Lenkung hängt jedoch entscheidend vom Reibbeiwert des Untergrundes ab. Nässe, Schnee und Eis verringern den zur Verfügung stehenden Reibbeiwert zwischen Reifen und Fahrbahn gegenüber dem auf einer trockenen Fahrbahn zur Verfügung stehenden erheblich. Ein bekannter Ansatz liegt daher in der Berücksichtigung von Kamerabildern mit dem Ziel der Schätzung von Fahrbahnzuständen und einer daraus abgeleiteten Schätzung von Reibbeiwerten.
[0007] Zur Ermittlung des Reibbeiwertes zwischen Fahrbahnoberfläche und Fahrzeugreifen sind
bereits Verfahren bekannt, die basierend auf aktuell vorherrschenden Umgebungsbedingungen, welche beispielsweise mittels Temperatur- und Feuchtigkeitssensor erfasst werden können, einen aktuellen, lokal vorherrschenden Reibbeiwert ermitteln. Nachteilig hierbei ist, dass die mit herkömmlichen Verfahren ermittelten Reibbeiwerte oftmals ungenau sind.
[0008] Aufgabe der Erfindung ist es, ein gegenüber dem Stand der Technik verbessertes Verfahren zur Ermittlung eines Reibbeiwertes zwischen einer Fahrbahnoberfläche und wenigstens einem Fahrzeugreifen eines sich auf der Fahrbahnoberfläche befindlichen oder bewegenden Fahrzeugs anzugeben. Insbesondere sollen die mit dem vorgeschlagenen Verfahren ermittelten Reibbeiwerte eine höhere Genauigkeit aufweisen.
[0009] Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst. Vorteilhafte Ausführungsformen der Erfindung sind in den abhängigen Ansprüchen definiert.
[0010] Bei der Erfindung ist vorgesehen, dass auf Basis eines Vergleichs der ermittelten Umgebungsbedingungen mit Referenz-Umgebungsbedingungen einer vorgegebenen oder vorgebbaren Datenbasis, die Zuordnungen von Referenz-Umgebungsbedingungen zu den diesen Referenz-Umgebungsbedingungen entsprechenden Reibbeiwerten enthält, ein den ermittelten Umgebungsbedingungen entsprechender Reibbeiwert ermittelt wird.
[0011] Dadurch, dass für die Ermittlung des Reibbeiwertes eine Datenbasis herangezogen wird, welche Reibbeiwerte für verschiedene Referenz-Umgebungsbedingungen enthält, kann eine Ermittlung des Reibbeiwertes mit hoher Genauigkeit erfolgen, auch wenn beispielsweise während des Fahrens mit dem Fahrzeug eine Erfassung der Umgebungsbedingungen des Fahrzeugs mit vergleichsweise geringer Genauigkeit erfolgt. Insbesondere wird dadurch eine vorausschauende Ermittlung des Reibbeiwertes mit hoher Genauigkeit ermöglicht.
[0012] Bei der Datenbasis kann es sich beispielsweise um Tabellen oder um eine Datenbank handeln, welche bereits im Vorfeld einer aktuellen Ermittlung des Reibbeiwertes mit Zuordnungen von Referenz-Umgebungsbedingungen zu Reibbeiwerten befüllt wurde.
[0013] Gemäß einer besonders bevorzugten Ausführungsform kann vorgesehen sein, dass Umgebungsbedingungen wenigstens eines in einer Fahrtrichtung des Fahrzeugs vor und/oder hinter und/oder neben dem Fahrzeug befindlichen Straßenabschnitts der Fahrbahnoberfläche ermittelt werden, wobei der Reibbeiwert für den wenigstens einen Straßenabschnitt ermittelt wird. Dadurch wird unter anderem ermöglicht, den in einer gewissen Entfernung vor dem Fahrzeug vorherrschenden Reibbeiwert im Voraus für den nächsten Straßenabschnitt bzw. das nächste Zeitintervall zu ermitteln.
[0014] Zur Ermittlung der Umgebungsbedingungen des Fahrzeugs kann vorgesehen sein, dass wenigstens ein Sensorwert wenigstens eines am Fahrzeug angeordneten Sensors erfasst wird, wobei vorzugsweise der wenigstens eine Sensor ein optischer Sensor und/oder ein Temperatursensor und/oder ein Schallsensor und/oder ein Feuchtigkeitssensor und/oder ein Abstandssensor ist. Vorzugsweise kann auch vorgesehen sein, dass mit zumindest einem Temperatursensor die Temperatur zumindest eines Fahrzeugreifens des Fahrzeugs erfasst wird.
[0015] Beim optischen Sensor kann es sich beispielsweise um eine Kamera handeln, welche fortlaufend oder zeitdiskret Bilder oder Videos der Fahrbahnoberfläche oder eines Straßenabschnitts erfasst. Ein Temperatursensor kann zusätzlich die Temperatur der Fahrbahnoberfläche oder eines Straßenabschnitts sowie eines oder mehrerer Fahrzeugreifen des Fahrzeugs erfassen. Ebenso kann ein Feuchtigkeitssensor die Feuchtigkeit der Fahrbahnoberfläche oder eines Straßenabschnitts erfassen. Beim Schallsensor kann es sich beispielsweise um einen Ultraschallsensor handeln. Dieser kann zur Ermittlung der Oberflächenbeschaffenheit der Fahrbahnoberfläche oder eines Straßenabschnitts dienen. Ein ebenfalls möglicher Abstandssensor kann ebenfalls zur Ermittlung der Oberflächenbeschaffenheit herangezogen werden. Beim Abstandssensor kann es sich um einen Ultraschall-, Laser-, Radar- oder Lidarsensor handeln.
[0016] Es kann vorgesehen sein, dass der wenigstens eine am Fahrzeug angeordnete Sensor in oder an einem Stoßfänger und/oder in oder an einem Kühlergrill und/oder in oder an einer Dach-
kante des Fahrzeugs, vorzugsweise an einer Vorderfront des Fahrzeugs, angeordnet ist.
[0017] Gemäß einer bevorzugten Ausführungsvariante kann vorgesehen sein, dass auf Basis des wenigstens einen Sensorwertes des wenigstens einen Sensors aus der Datenbasis Referenz-Umgebungsbedingungen ermittelt werden, deren zugeordneter Reibbeiwert ermittelt wird. Dazu kann der wenigstens eine Sensor zeitkontinuierlich oder zeitdiskret Sensorwerte an eine Recheneinheit senden, welche aus den Sensorwerten Umgebungsbedingungen ermittelt, auf die Datenbasis (z.B. eine Datenbank) zugreift, die Umgebungsbedingungen mit den in der Datenbasis abgelegten Referenz-Umgebungsbedingungen vergleicht, den Sensorwerten entsprechende Referenz-Umgebungsbedingungen ermittelt und jenen Reibbeiwert, der in der Datenbasis den ermittelten Referenz-Umgebungsbedingungen zugeordnet ist, als ermittelten Reibbeiwert ausgibt oder als Basis verwendet, um ausgehend davon den Reibbeiwert zu ermitteln, indem beispielsweise eine Interpolation oder eine andere Annäherung vorgenommen wird. Dies kann auch unter Zuhilfenahme künstlicher Intelligenz erfolgen.
[0018] Mit anderen Worten greift die Reicheneinheit - welche an einer geeigneten Stelle im Fahrzeug verbaut sein kann - während der Fahrt auf die bereitgestellte Datenbasis zu, vergleicht die darin abgespeicherten Werte mit den aktuell gemessenen Sensorwerten und ordnet auf diese Weise die jeweiligen Reibbeiwerte den verschiedensten Bedingungen zu.
[0019] Die Übermittlung der Sensorwerte an die Recheneinheit kann über drahtgebundene (z.B. über ein Kabel oder einen Draht) oder drahtlose Verbindungen (z.B. über WLAN oder Bluetooth) erfolgen.
[0020] In einer besonders bevorzugten Ausführungsform kann vorgesehen sein, dass der ermittelte Reibbeiwert ausgegeben und/oder an ein Fahrassistenzsystem und/oder an Komponenten des Fahrzeugs übermittelt wird. Die Ausgabe kann über ein optisches und/oder akustisches und/oder haptisches Signal erfolgen, das einen Lenker des Fahrzeugs über den ermittelten Reibbeiwert informiert. Bei Weitergabe des ermittelten Reibbeiwertes an bestimmte Komponenten des Fahrzeugs (um z.B. deren Struktursteifigkeit zu ändern) und/oder an ein Fahrassistenzsystem kann dieses darauf reagieren, indem es beispielsweise abhängig vom Reibbeiwert in die Regelung des ESP eingreift oder Anderungen der Fahrwerkseinstellungen (z.B. Anderung der Dämpfungsrate), des Reifendrucks oder der Steifigkeit bestimmter Strukturen (z.B. des Frontends des Fahrzeugs) hervorruft.
[0021] Dabei kann vorzugsweise vorgesehen sein, dass eine Ausgabe des ermittelten Reibbeiwertes in Form wenigstens eines optischen und/oder akustischen und/oder haptischen Warnsignals erfolgt, wenn der ermittelte Reibbeiwert einen vorgegebenen oder vorgebbaren Schwellwert unterschreitet. So kann beispielsweise eine optische Warnanzeige an einem Armaturenbrett des Fahrzeugs eingeblendet oder ein Warnton abgegeben werden. Es kann auch vorgesehen sein, dass das Warnsignal derart ist, dass z.B. ein Lenkrad oder ein Pedal des Fahrzeugs vibriert.
[0022] Es ist vorgesehen, dass zur Erstellung der Datenbasis
- In einer stationären Messphase bei verschiedenen Referenz-Umgebungsbedingungen Referenz-Reibbeiwerte ermittelt werden, wobei den verschiedenen Referenz-Umgebungsbedingungen die entsprechenden Referenz-Reibbeiwerte zugeordnet werden,
- In einer dynamischen Messphase während einer Bewegung des Fahrzeugs auf der Fahrbahnoberfläche bei verschiedenen Referenz-Umgebungsbedingungen Ist-Reibbeiwerte ermittelt werden, wobei den verschiedenen Referenz-Umgebungsbedingungen die entsprechenden Ist-Reibbeiwerte zugeordnet werden,
- die den jeweiligen Referenz-Umgebungsbedingungen entsprechenden Ist-Reibbeiwerte auf Basis der diesen Referenz-Umgebungsbedingungen entsprechenden Referenz-Reibbeiwerte kalibriert werden, wobei die kalibrierten Ist-Reibbeiwerte als Reibbeiwerte den jeweiligen Referenz-Umgebungsbedingungen zugeordnet werden.
[0023] In der stationären Messphase können Referenz-Reibbeiwerte auf verschiedensten Fahrbahnoberflächen (z.B. Asphalt, Beton, Schotter, Bodenmarkierungen, etc.) unter den verschiedensten Verhältnissen (z.B. trocken, nass, warm, kalt, Tag, Nacht, beleuchtet, unbeleuchtet,
Regen, Schnee, Eis, Verschmutzungen, Split, etc.) ermittelt werden. Die Kombinationen aus Fahrbahnoberflächen und Verhältnissen stellen die Referenz-Umgebungsbedingungen dar.
[0024] Es kann vorgesehen sein, dass in der stationären Messphase Referenz-Reibbeiwerte mittels einer mobilen Referenz-Messvorrichtung umfassend einen Prüfkörper, vorzugsweise in Form eines Fahrzeugreifens, ermittelt werden, wobei Zugversuche mit dem Prüfkörper bei den verschiedenen Referenz-Umgebungsbedingungen durchgeführt und daraus die jeweiligen Referenz-Reibbeiwerte ermittelt werden. Bei diesen Messungen kann vorzugsweise vorgesehen sein, dass die jeweiligen Referenz-Reibbeiwerte mittels einer Wägezelle erfasst werden.
[0025] Die Ermittlung eines Referenz-Reibbeiwertes kann beispielsweise wie in der Europäischen Norm EN 12195-1:2010 (D), darin insbesondere Anhang B, oder wie in den VDI-Richtlinien VDI 2700 Blatt 14 beschrieben erfolgen.
[0026] So kann durch Zugversuche mit einem Prüfkörper in Form eines Fahrzeugreifens auf den verschiedenen Fahrbahnoberflächen bei den verschiedenen Verhältnissen (Referenz-Umgebungsbedingungen) der Verschiebungsweg des Prüfkörpers bei unterschiedlichen Zugkräften gemessen und daraus der jeweilige Referenz-Reibbeiwert ermittelt werden.
[0027] Basierend auf den Vorgaben und Empfehlungen der oben angeführten Europäischen Norm und VDI-Richtlinien können die Zugversuche wie nachfolgend beschrieben durchgeführt werden:
[0028] Allgemeine Bedingungen:
Als Prüfobjekte sind originale Prüfobjekte zu bevorzugen, die einem üblichen, gebrauchsfähigen Zustand entsprechen.
* Charakteristische Parameter, beispielsweise Art der Reibungspartner (z.B. PKW-Reifen), Abmessungen der Reibungskontaktflächen und Massen bzw. Gewichtskraft und die daraus resultierende Flächenpressung sind im Prüfbericht sowie im Prüfzeugnis zu dokumentieren.
* Der Kraftangriff am Prüfkörper erfolgt unmittelbar in der Nähe der Gleitebene und parallel zur Gleitebene.
* Die direkte Krafteinleitung ist zu bevorzugen.
* Der Antrieb für die Relativbvbewegung soll spiel- und schlupfarm sein und eine konstante Bewegungsgeschwindigkeit erzeugen.
* Die Zugvorrichtung soll EN ISO 7500-1, Maschinenklasse 3 oder besser Maschinenklasse 2 entsprechen und nach Herstellerangaben jährlich kalibriert werden.
* Beiden Zugmitteln zur Kraftübertragung zwischen Messeinrichtung und Prüfkörper sollen die zulässigen Zugkräfte mindestens der zweifachen Gewichtskraft des Prüfkörpers entsprechen. Die Dehnung soll 7 % nicht überschreiten.
[0029] Messvorgang: Die Messung ist im Zugversuch durchzuführen.
* Die Prüfgeschwindigkeit beträgt 100mm/min + 3%.
* Eine Messreihe bezüglich der Reibwerte einer definierten Reibungskombination besteht aus drei Messungen zu je drei Hüben, somit insgesamt aus neun einzelnen Hüben.
* Die Messung soll immer mit dem gleichen Prüfgegenstand erfolgen.
* Für jede Messung sollen die Prüfobjekte ausgetauscht, oder andere Bereiche der zu prüfenden Fläche genutzt werden, jeglicher Einfluss von Abnutzung ist auszuschließen.
[0030] Aufzeichnung der Messungen:
* Die Aufzeichnung der Messergebnisse erfolgt in digitaler Form.
* Die Aufnahmefrequenz soll mindestens 50Hz betragen.
* Die Messung beginnt mit dem Starten der Zugbewegung und erfolgt so lange, bis ein eindeutiges Gleiten bzw. eine eindeutige Bewegung des Prüfkörpers auf seiner Unterlage mit einem Gleitweg von 50mm bis 85mm erfasst worden ist. Dann erfolgt ein Stopp dieser Bewegung mit einer Reduzierung der Vorspannkraft, sodass der Prüfkörper dabei zum Stillstand kommt, und ein erneuter Start der Bewegung. Dabei erfolgt keine Umsetzung oder Veränderung an den Prüfobjekten. Die Aufzeichnung der Zugkräfte kann fortlaufend oder mit jeweils neuem Null-
punkt vorgenommen werden. * Es ist eine permanente Beobachtung des Zugvorgangs, des Messschriebs oder der Messwerte zur frühzeitigen Beurteilung der Verwertbarkeit der Ergebnisse empfehlenswert.
[0031] Die in der stationären Messphase ermittelten Referenz-Reibbeiwerte dienen als Referenzwerte für weiterführende Messungen in einer dynamischen Messphase während der Fahrt.
[0032] Auch die in der dynamischen Messphase während der Fahrt ermittelten Ist-Reibbeiwerte werden auf verschiedensten Fahrbahnoberflächen (z.B. Asphalt, Beton, Schotter, Bodenmarkierungen, etc.) unter den verschiedensten Verhältnissen (z.B. trocken, nass, warm, kalt, Tag, Nacht, beleuchtet, unbeleuchtet, Regen, Schnee, Eis, Verschmutzungen, Split, etc.) ermittelt. Die Kombinationen aus Fahrbahnoberflächen und Verhältnissen stellen die Referenz-Umgebungsbedingungen dar.
[0033] Vorzugsweise kann vorgesehen sein, dass in der dynamischen Messphase die Ist-Reibbeiwerte bei den verschiedenen Referenz-Umgebungsbedingungen mittels wenigstens einer am Fahrzeug angeordneten Messvorrichtung ermittelt werden, wobei vorzugsweise die wenigstens eine Messvorrichtung wenigstens eine Wägezelle umfasst, wobei die jeweiligen Ist-Reibbeiwerte in Abhängigkeit von auf die wenigstens eine Wägezelle einwirkenden Kräften ermittelt werden.
[0034] So kann eine erste Messvorrichtung vorgesehen sein, die hinter einer Hinterachse des Fahrzeugs angeordnet ist und einen Reibkörper umfasst, der in Kontakt mit der Fahrbahnoberfläche gebracht wird und somit einen schleifenden Fühler darstellt. Der Reibkörper kann an einer elastisch verformbaren Leiste angeordnet sein, die hinter der Hinterachse am Fahrzeug angebracht ist. Zwischen Leiste und Fahrzeug kann eine Wägezelle angeordnet sein, welche die auf die Leiste einwirkenden Kräfte erfassen kann. Abhängig von der vorliegenden Gleitreibung zwischen Fahrbahnoberfläche und Reifen des Fahrzeugs wird die Leiste mehr oder weniger nach hinten ausgelenkt. Uber die dabei auf die Leiste einwirkende Kraft, die mittels Wägezelle fortlaufend ermittelt wird, kann der Ist-Reibbeiwert errechnet werden. Vorzugsweise kann die Leiste mit einer Zugfeder belastet sein, sodass sie mit einer definierten Kraft in Position gehalten wird. Je höher der Reibbeiwert zwischen dem Reifen und der Fahrbahnoberfläche ist, desto mehr wird die Feder ausgelenkt und die Wägezelle mit einer Zugkraft beansprucht. Uber diese Zugkraft kann auf den Ist-Reibbeiwert zurückgerechnet werden.
[0035] Alternativ oder zusätzlich kann eine zweite Messvorrichtung vorgesehen sein, die ein unterhalb der Hinterachse montiertes, zu einer Fahrzeuglängsachse schräglaufendes Rad umfasst. Zwischen Rad und Fahrzeug (z.B. Achse, an der auch das schräglaufende Rad angebracht ist) kann eine Wägezelle angeordnet sein, welche die auf das schräglaufende Rad einwirkenden Kräfte erfassen kann.
Abhängig von der vorliegenden Gleitreibung zwischen Fahrbahnoberfläche und Reifen des Fahrzeugs wird das schräglaufende Rad mehr oder weniger zur Seite ausgelenkt. Uber die dabei auf das schräglaufende Rad einwirkende Kraft, die mittels Wägezelle fortlaufend ermittelt wird, kann der Ist-Reibbeiwert errechnet werden. Vorzugsweise kann das schräglaufende Rad vor dessen Achse mit einer Zugfeder belastet sein, sodass es mit einer definierten Kraft in Position gehalten wird. Je höher der Reibbeiwert zwischen dem Reifen und der Fahrbahnoberfläche ist, desto mehr wird die Feder ausgelenkt und die Wägezelle mit einer Zugkraft beansprucht. Über diese Zugkraft kann auf den Ist-Reibbeiwert zurückgerechnet werden.
[0036] Wenn mehr als eine Messvorrichtung zur Ermittlung der Ist-Reibbeiwerte vorgesehen ist, können die Messergebnisse der einzelnen Messvorrichtungen verknüpft werden, um einen jeweiligen Ist-Reibbeiwert zu bestimmen. Wenn zum Beispiel die zwei oben beschriebenen Messvorrichtungen am Fahrzeug angeordnet sind, kann der Ist-Reibbeiwert dem arithmetischen Mittelwert der beiden Ist-Reibbeiwerte entsprechen, die von den beiden Messvorrichtungen ermittelt werden.
[0037] In einem dritten Verfahrensschritt zur Erstellung der Datenbasis werden die Ist- Reibbeiwerte der dynamischen Messphase, die zu bestimmten Referenz-Umgebungsbedingungen ermittelt wurden, auf Basis der diesen Referenz-Umgebungsbedingungen entsprechenden Refe-
renz-Reibbeiwerte der stationären Messphase kalibriert, wobei die kalibrierten Ist-Reibbeiwerte als Reibbeiwerte den jeweiligen Referenz-Umgebungsbedingungen zugeordnet werden. Die Kalibrierung kann beispielsweise unter Zuhilfenahme künstlicher Intelligenz erfolgen. Es kann je nach Messergebnissen aus stationärer Messphase und dynamischer Messphase auch sein, dass zur Kalibrierung die Ergebnisse der dynamischen Messphase lediglich mit einem Faktor beaufschlagt werden. Wenn beispielsweise die Messungen der dynamischen Messphase (die z.B. mit einem schleifenden Fühler durchgeführt wurden) bei bestimmten Umgebungsbedingungen um 20% niedriger sind als die stationären Messungen, brauchen zur Kalibrierung die Ergebnisse aus den dynamischen Messungen lediglich mit einem entsprechenden Faktor beaufschlagt werden.
[0038] Vorzugsweise kann vorgesehen sein, dass die Referenz-Umgebungsbedingungen mit Sensorwerten wenigstens eines während der dynamischen Messphase am Fahrzeug angeordneten Sensors ergänzt werden. Beim wenigstens einen Sensor kann es sich um einen optischen Sensor und/oder einen Temperatursensor und/oder einen Schallsensor und/oder einen Feuchtigkeitssensor und/oder einen Abstandssensor handeln.
[0039] Mit anderen Worten können hierbei die während der Fahrt gemessenen Reibbeiwerte mit Sensorwerten (z.B. Kamerabildern der Fahrbahnoberfläche und weiteren Sensordaten) verknüpft werden. Dies kann beispielsweise folgendermaßen erfolgen: An der Vorderfront des Fahrzeugs (z.B. PKW) werden in verschiedenen Höhen (Stoßfänger, Kühlergrill, vordere Dachkante) unter verschiedenen Winkeln eine Kamera, verschiedene optische Sensoren (Laser, Ultraschall, Radar) sowie Sensoren zur Temperatur-, Feuchtigkeits- und Helligkeitsmessung montiert (SensorSystem). Die Sensoren für Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Abrollgeräusche werden in Fahrbahnnähe, die Kamera und die optischen Sensoren möglichst hoch am Fahrzeug platziert, um in Verbindung mit dem erforderlichen Winkel eine möglichst große Sichtweite nach vorne in Fahrtrichtung zu erreichen. Weiters erfasst vorzugsweise zumindest ein Temperatursensor die Temperatur zumindest eines Fahrzeugreifens. Bevorzugterweise wird auch der Luftdruck der Fahrzeugreifen permanent überwacht. Die mittels der Kamera und der optischen Sensoren erzeugten Abbilder der Fahrbahnoberfläche sowie die ermittelten Zustandsgrößen der übrigen Sensoren werden mit den Ist-Reibbeiwerten verknüpft, die mittels wenigstens einer am Fahrzeug angeordneten Messvorrichtung ermittelt wurden. Auf diese Weise wird eine umfangreiche, repräsentative Datenbasis (z.B. in Form einer Datenbank) von vielen verschiedenen Abbildern (optische Information) der Fahrbahnoberfläche in Verbindung mit den gemessenen Werten zu Reibbeiwert (IstReibbeiwert) sowie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, etc. aufgebaut. Das Ziel liegt dabei darin, dem Sensor-System bei einem bestimmten Abbild der Fahrbahn (Oberfläche, Rauheit,...) in Verbindung mit den vorliegenden Sensorwerten (z.B. Temperatur, Luftfeuchtigkeit, etc.) den vorhandenen Ist-Reibbeiwert “einzulernen“.
[0040] Im Ergebnis enthält die Datenbasis dann Zuordnungen von Referenz-Umgebungsbedingungen (Fahrbahnoberflächen und Verhältnisse, ergänzt um Sensordaten) zu den diesen Referenz-Umgebungsbedingungen entsprechenden Reibbeiwerten. Diese Datenbasis kann z.B. in Form von Tabellen oder einer Datenbank einer in einem Fahrzeug angeordneten Recheneinheit bereitgestellt werden.
[0041] Diese Reicheneinheit kann während der Fahrt auf die zuvor erstellte Datenbasis (Datenbank) zugreifen, die darin abgespeicherten Werte für die Umgebungsbedingungen des Fahrzeugs (Referenz-Umgebungsbedingungen) mit den aktuell gemessenen Werten für die Umgebungsbedingungen des Fahrzeugs vergleichen und mit Hilfe eines Algorithmus bzw. einer künstlichen Intelligenz den momentanen Parametern den entsprechenden Reibbeiwert zuweisen.
[0042] Es ist anzumerken, dass die Erstellung der Datenbasis mit einem speziell dafür ausgerüsteten Fahrzeug erfolgen kann. Die erstellte Datenbasis kann dann in weiterer Folge in beliebigen Fahrzeugen z.B. cloudbasiert bereitgestellt werden, die dann gemäß dem vorgeschlagenen Verfahren Reibbeiwerte unter Heranziehung der bereitgestellten Datenbasis ermitteln können. Ein Fahrzeug, dem die erstellte Datenbasis bereitgestellt ist, kann dann mittels Datenbasis vorherrschende Reibbeiwerte mit hoher Genauigkeit ermitteln, auch wenn die vorherrschenden Umgebungsbedingungen des Fahrzeugs mit nur einem oder wenigen Sensoren und damit verhältnis-
mäßig ungenau erfasst werden. Der Einbau mechanischer Messvorrichtungen, wie sie für die Erstellung der Datenbasis verwendet werden können, ist hierbei nicht mehr erforderlich.
[0043] Schutz wird auch begehrt für ein Fahrzeug mit wenigstens einem Sensor zur Ermittlung von Umgebungsbedingungen des Fahrzeugs und einer Recheneinheit zur Ermittlung eines Reibbeiwertes zwischen einer Fahrbahnoberfläche und wenigstens einem Fahrzeugreifen des Fahrzeugs gemäß Anspruch 11. Vorzugsweise ist die Recheneinheit dazu konfiguriert, einen Reibbeiwert gemäß dem vorgeschlagenen Verfahren zu ermitteln.
[0044] Weitere Einzelheiten und Vorteile der vorliegenden Erfindung werden anhand der nachfolgenden Figurenbeschreibung erläutert. Dabei zeigen:
[0045] Fig. 1 eine schematische Darstellung eines Ausführungsbeispiels eines vorgeschlagenen Fahrzeugs,
[0046] Fig. 2 ein Flussdiagramm eines Ausführungsbeispiels eines vorgeschlagenen Verfahrens zur Ermittlung eines Reibbeiwertes zwischen einer Fahrbahnoberfläche und wenigstens einem Fahrzeugreifen eines sich auf der Fahrbahnoberfläche befindlichen oder bewegenden Fahrzeugs,
[0047] Fig. 3 eine schematische Darstellung eines Ausführungsbeispiels einer ReferenzMessvorrichtung,
[0048] Fig. 4 eine schematische Darstellung eines Ausführungsbeispiels einer ersten Messvorrichtung, und
[0049] Fig. 5 eine schematische Darstellung eines Ausführungsbeispiels einer zweiten Messvorrichtung.
[0050] Figur 1 zeigt eine schematische Darstellung eines Ausführungsbeispiels eines vorgeschlagenen Fahrzeugs 3. Das beispielhaft gezeigte Fahrzeug 3 umfasst Sensoren 5a, 5b, 5c zur Ermittlung von Umgebungsbedingungen des Fahrzeugs 3 und eine Recheneinheit 9 zur Ermittlung eines Reibbeiwertes zwischen einer Fahrbahnoberfläche 1 und wenigstens einem Fahrzeugreifen 2 des Fahrzeugs 3. Bei den Sensoren ba, 5b, 5c handelt es sich um einen optischen Sensor 5a in Form einer Kamera, eines Radar-, Laser oder Lidarmessgerätes zur Erfassung von Abbildern der Fahrbahnoberfläche 1, um einen kombinierten Temperatur-, Schall- und Feuchtigkeitssensor 5b zur Erfassung einer Temperatur und Feuchtigkeit der Fahrbahnoberfläche 1 sowie des Abrollgeräusches und um Temperatursensoren 5c zur Erfassung der Temperatur der Fahrzeugreifen 2. Zusätzlich sind in den Fahrzeugreifen 2 nicht näher dargestellte Reifendrucksensoren verbaut. Erfassungsbereiche der Sensoren 5a, 5b sind durch gepunktete Linien angedeutet. Die Sensoren 5a, 5b dienen der Erfassung der Umgebungsbedingungen (im dargestellten Fall also Abbild der Fahrbahnoberfläche 1 und Temperatur auf der Fahrbahnoberfläche 1) eines in einer Fahrtrichtung F des Fahrzeugs 3 vor dem Fahrzeug 3 befindlichen Straßenabschnitts A der Fahrbahnoberfläche 1.
[0051] Sensorwerte der Sensoren 5a, 5b, 5c (und der nicht näher gezeigten Reifdrucksensoren) werden der Recheneinheit 9 über strichliert dargestellte Signalverbindungen (z.B. drahtgebunden oder drahtlos) gemeldet. Die Recheneinheit 9 hat Zugriff auf eine bereitgestellte Datenbasis 4 in Form einer Datenbank (durch einen strichlierten Pfeil von Recheneinheit 9 zu Datenbasis 4 schematisch dargestellt), die Zuordnungen von Referenz-Umgebungsbedingungen zu den diesen Referenz-Umgebungsbedingungen entsprechenden Reibbeiwerten enthält. Die Recheneinheit ist dazu konfiguriert, auf Basis eines Vergleichs der ermittelten Umgebungsbedingungen mit Referenz-Umgebungsbedingungen der Datenbasis 4 einen den ermittelten Umgebungsbedingungen entsprechenden Reibbeiwert zu ermitteln. Der von der Recheneinheit 9 ermittelte Reibbeiwert wird im gezeigten Ausführungsbeispiel über eine strichliert dargestellte Signalverbindung (z.B. drahtgebunden oder drahtlos) einem Fahrassistenzsystem 6 des Fahrzeugs 3 gemeldet, welches beispielsweise abhängig vom Reibbeiwert in die Regelung des ESP eingreift (schematisch mittels strichlierter Pfeile von Fahrassistenzsystem 6 zu Fahrzeugreifen 2 dargestellt) oder Anderungen der Fahrwerkseinstellungen (z.B. Anderung der Dämpfungsrate), des Reifendrucks oder der Stei-
figkeit bestimmter Strukturen (z.B. des Frontends des Fahrzeugs) hervorruft.
[0052] Wenn der von der Recheneinheit 9 ermittelte Reibbeiwert einen vorgegebenen oder vorgebbaren Schwellwert unterschreitet, kann eine Ausgabe des ermittelten Reibbeiwertes in Form wenigstens eines optischen und/oder akustischen und/oder haptischen Warnsignals erfolgen. Im Beispiel ist die Ausgabe eines optischen Warnsignals auf einer Anzeigevorrichtung 10 (z.B. Armaturenbrett) des Fahrzeugs 3 schematisch durch einen strichlierten Pfeil von Recheneinheit 9 zu Anzeigevorrichtung 10 dargestellt.
[0053] Fig. 2 zeigt ein Flussdiagramm eines Ausführungsbeispiels eines vorgeschlagenen Verfahrens zur Ermittlung eines Reibbeiwertes zwischen einer Fahrbahnoberfläche und wenigstens einem Fahrzeugreifen eines sich auf der Fahrbahnoberfläche befindlichen oder bewegenden Fahrzeugs. Zunächst werden in einer stationären Messphase $S1 mittels einer mobilen ReferenzMessvorrichtung auf verschiedensten Fahrbahnen bzw. Fahrbahnoberflächen unter den verschiedensten Bedingungen und Verhältnissen (also bei verschiedenen Referenz-Umgebungsbedingungen) Referenz-Reibbeiwerte mechanisch ermittelt. Diese Messungen erfolgen vorzugsweise gemäß Europäischer Norm EN 12195-1:2010, Ladungssicherung auf Straßenfahrzeugen, Teil 1 Berechnung von Sicherungskräften und VDI-Richtlinie 2700, Blatt 14, Ladungssicherung auf Straßenfahrzeugen, Ermittlung von Reibbeiwerten und stellen somit eine möglichst exakte Ermittlung der Reibbeiwerte dar.
[0054] In der darauf folgenden dynamischen Messphase S2 folgen Messungen während der Fahrt eines Fahrzeugs mit daran angeordneten Messvorrichtungen. Es erfolgen mechanische Messungen mit zwei am Fahrzeug verbauten Messvorrichtungen (erste Messvorrichtung in Form eines schleifenden Fühlers und zweite Messvorrichtung in Form eines schräglaufenden Rades). Diese Messungen erfolgen unter den gleichen Bedingungen wie die stationären Messungen in der stationären Messphase S1 (also bei den verschiedenen Referenz-Umgebungsbedingungen), um die Messvorrichtungen am Fahrzeug kalibrieren zu können. Weiters erfolgt eine Verknüpfung der während der Fahrt mechanisch gemessenen Ist-Reibbeiwerte mit Sensorwerten eines ebenfalls am Fahrzeug angeordneten Sensor-Systems. Insbesondere erfolgt beim beschriebenen Ausführungsbeispiel eine Verknüpfung der gemessenen Ist-Reibbeiwerte mit optischen Abbildern der Fahrbahn (Kamera, verschiedene optische Sensoren, wie Laser, Ultraschall, Radar. Lidar, etc.) und Sensordaten (Sensoren zur Temperatur-, Schall, Feuchtigkeits- und Helligkeitsmessung, etc.), die den Zustand der Fahrbahn bzw. Fahrbahnoberfläche und der Fahrzeugreifen beschreiben (Fusionierung der Daten). Auf diese Weise wird dem Sensor-System bei einem bestimmten Abbild der Fahrbahn in Verbindung mit den Daten aus den Sensoren der vorhandene Reibbeiwert “eingelernt“ und es erfolgt die Erstellung einer umfangreichen, repräsentativen Datenbasis (z.B. in Form einer Datenbank), die Zuordnungen von Referenz-Umgebungsbedingungen zu den diesen Referenz-Umgebungsbedingungen entsprechenden Reibbeiwerten enthält.
[0055] In einem Ermittlungsschritt S3 zur Ermittlung eines Reibbeiwertes zwischen einer Fahrbahnoberfläche und wenigstens einem Fahrzeugreifen eines sich auf der Fahrbahnoberfläche befindlichen oder bewegenden Fahrzeugs werden auf Basis von am Fahrzeug-Sensoren (z.B. bereits verbaute Sensoren und/oder zusätzlich am Fahrzeug angeordnete Sensoren) Umgebungsbedingungen des Fahrzeugs ermittelt, indem die Sensoren ihre gemessenen Daten (z.B. optisches Abbild der Fahrbahnoberfläche, Temperatur, Feuchtigkeit, Reifentemperatur und druck, etc.) an eine im Fahrzeug angeordnete Recheneinheit liefern und die Recheneinheit daraus die Umgebungsbedingungen ermittelt. Der Einbau der beiden mechanischen Messvorrichtungen der dynamischen Messphase S2 am Fahrzeug ist hierbei nicht mehr notwendig. Diese Reicheneinheit greift während der Fahrt auf die zuvor in der dynamischen Messphase S?2 erstellte Datenbasis zu, vergleicht die darin abgespeicherten Werte mit den aktuell gemessenen Werten und weist mit Hilfe eines Algorithmus bzw. einer künstlichen Intelligenz den momentanen Parametern den entsprechenden Reibbeiwert zu.
[0056] In einem Verwertungsschritt S4 kann der ermittelte Reibbeiwert verwertet werden. Dabei ergeben sich mehrere Möglichkeiten, die Kenntnisse über den ermittelten Reibbeiwert anzuwenden:
- Information des Lenkers, z.B. mittels optischer und/oder akustischer und/oder haptischer Warnung
- Eingriff in Fahrassistenzsysteme ” n
- Eingriff in Fahrzeugstrukturen, wie z.B. Anderung der Dämpfungsrate, Anderung der Steifigkeit des Frontends
[0057] Fig. 3 zeigt eine schematische Darstellung eines Ausführungsbeispiels einer ReferenzMessvorrichtung 7 zur Ermittlung von Referenz-Reibbeiwerten in der stationären Messphase S1. Hierbei wird durch Zugversuche mit einem Prüfkörper 12 in Form eines Fahrzeugreifens auf den verschiedenen Fahrbahnoberflächen 1 bei den verschiedenen Verhältnissen (Referenz-Umgebungsbedingungen) mittels einer Wägezelle 11 der jeweilige Referenz-Reibbeiwert ermittelt.
[0058] Fig. 4 zeigt eine schematische Darstellung eines Ausführungsbeispiels einer ersten Messvorrichtung 8a zur Ermittlung von Ist-Reibbeiwerten in der dynamischen Messphase S$S2. Die dargestellte erste Messvorrichtung 8a ist hinter einer Hinterachse des Fahrzeugs 3 angeordnet und umfasst einen Reibkörper, der in Kontakt mit der Fahrbahnoberfläche 1 gebracht wird und somit einen schleifenden Fühler 13 darstellt. Der Reibkörper ist an einer elastisch verformbaren Leiste 14 angeordnet, die hinter der Hinterachse am Fahrzeug 3 angebracht ist. Zwischen Leiste 14 und Fahrzeug 3 ist eine Wägezelle 11 angeordnet, welche die auf die Leiste 14 einwirkenden Kräfte erfassen kann. Abhängig von der vorliegenden Gleitreibung zwischen Fahrbahnoberfläche 1 und Fahrzeugreifen 2 des Fahrzeugs 3 wird die Leiste 14 mehr oder weniger nach hinten ausgelenkt. Über die dabei auf die Leiste 14 einwirkende Kraft, die mittels Wägezelle 11 fortlaufend ermittelt wird, kann der Ist-Reibbeiwert errechnet werden. Die Leiste 14 ist mit einer nicht näher dargestellten Zugfeder belastet, sodass sie mit einer definierten Kraft in Position gehalten wird. Je höher der Reibbeiwert zwischen dem Fahrzeugreifen 2 und der Fahrbahnoberfläche 1 ist, desto mehr wird die Feder ausgelenkt und die Wägezelle 11 mit einer Zugkraft beansprucht. Uber diese Zugkraft kann auf den Ist-Reibbeiwert zurückgerechnet werden.
[0059] Fig. 5 zeigt eine schematische Darstellung eines Ausführungsbeispiels einer zweiten Messvorrichtung 8b zur Ermittlung von Ist-Reibbeiwerten in der dynamischen Messphase S2. Die zweite Messvorrichtung 8b umfasst ein unterhalb der Hinterachse 16 montiertes, zu einer Fahrzeuglängsachse schräglaufendes Rad 15. Zwischen dem schräglaufenden Rad 15 und der Hinterachse 16 ist eine Wägezelle 11 angeordnet, welche die auf das schräglaufende Rad 15 einwirkenden Kräfte erfassen kann. Abhängig von der vorliegenden Gileitreibung zwischen Fahrbahnoberfläche 1 und Fahrzeugreifen 2 des Fahrzeugs 3 wird das schräglaufende Rad 15 mehr oder weniger zur Seite ausgelenkt. Uber die dabei auf das schräglaufende Rad 15 einwirkende Kraft, die mittels Wägezelle 11 fortlaufend ermittelt wird, kann der Ist-Reibbeiwert errechnet werden. Das schräglaufende Rad 15 ist vor dessen Achse mit einer nicht näher dargestellten Zugfeder belastet, sodass es mit einer definierten Kraft in Position gehalten wird. Je höher der Reibbeiwert zwischen dem Fahrzeugreifen 2 und der Fahrbahnoberfläche 1 ist, desto mehr wird die Feder ausgelenkt und die Wägezelle 11 mit einer Zugkraft beansprucht. Uber diese Zugkraft kann auf den Ist-Reibbeiwert zurückgerechnet werden.
BEZUGSZEICHENLISTE:
1 Fahrbahnoberfläche 2 Fahrzeugreifen
3 Fahrzeug
4 Datenbasis
5a optischer Sensor
5b kombinierter Temperatur-, Schall- und Feuchtigkeitssensor 5c Temperatursensor
6 Fahrassistenzsystem
7 Referenz-Messvorrichtung 8a, 8b Messvorrichtung
9 Recheneinheit
10 Anzeigevorrichtung
11 Wägezelle
12 Prüfkörper
13 schleifender Fühler
14 Leiste
15 schräglaufendes Rad
16 Hinterachse
F Fahrtrichtung
A Straßenabschnitt
Ss1 stationäre Messphase S2 dynamische Messphase Ss3 Ermittlungsschritt
Ss4 Verwertungsschritt
Claims (10)
1. Verfahren zur Ermittlung eines Reibbeiwertes zwischen einer Fahrbahnoberfläche (1) und wenigstens einem Fahrzeugreifen (2) eines sich auf der Fahrbahnoberfläche (1) befindlichen oder bewegenden Fahrzeugs (3), wobei Umgebungsbedingungen des Fahrzeugs (3) ermittelt werden, dadurch gekennzeichnet, dass auf Basis eines Vergleichs der ermittelten Umgebungsbedingungen mit Referenz-Umgebungsbedingungen einer vorgegebenen oder vorgebbaren Datenbasis (4), die Zuordnungen von Referenz-Umgebungsbedingungen zu den diesen Referenz-Umgebungsbedingungen entsprechenden Reibbeiwerten enthält, ein den ermittelten Umgebungsbedingungen entsprechender Reibbeiwert ermittelt wird, wobei zur Erstellung der Datenbasis (4)
- In einer stationären Messphase (S1) bei verschiedenen Referenz-Umgebungsbedingungen Referenz-Reibbeiwerte ermittelt werden, wobei den verschiedenen Referenz-Umgebungsbedingungen die entsprechenden Referenz-Reibbeiwerte zugeordnet werden,
- In einer dynamischen Messphase (S2) während einer Bewegung des Fahrzeugs (3) auf der Fahrbahnoberfläche (1) bei verschiedenen Referenz-Umgebungsbedingungen IstReibbeiwerte ermittelt werden, wobei den verschiedenen Referenz-Umgebungsbedingungen die entsprechenden Ist-Reibbeiwerte zugeordnet werden,
- die den jeweiligen Referenz-Umgebungsbedingungen entsprechenden Ist- Reibbeiwerte auf Basis der diesen Referenz-Umgebungsbedingungen entsprechenden Referenz-Reibbeiwerte kalibriert werden, wobei die kalibrierten Ist-Reibbeiwerte als Reibbeiwerte den jeweiligen Referenz-Umgebungsbedingungen zugeordnet werden.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass Umgebungsbedingungen wenigstens eines in einer Fahrtrichtung (F) des Fahrzeugs (3) vor und/oder hinter und/oder neben dem Fahrzeug (3) befindlichen Straßenabschnitts (A) der Fahrbahnoberfläche (1) ermittelt werden, wobei der Reibbeiwert für den wenigstens einen Straßenabschnitt (A) ermittelt wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass zur Ermittlung der Umgebungsbedingungen des Fahrzeugs (3) wenigstens ein Sensorwert wenigstens eines am Fahrzeug (3) angeordneten Sensors (5a, 5b) erfasst wird, wobei vorzugsweise der wenigstens eine Sensor (5a, 5b) ein optischer Sensor (5a) und/oder ein Temperatursensor (5b) und/oder ein Schallsensor und/oder ein Feuchtigkeitssensor und/oder ein Abstandssensor ist.
4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass auf Basis des wenigstens einen Sensorwertes des wenigstens einen Sensors (5a, 5b) aus der Datenbasis (4) ReferenzUmgebungsbedingungen ermittelt werden, deren zugeordneter Reibbeiwert ermittelt wird.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass der ermittelte Reibbeiwert ausgegeben und/oder an ein Fahrassistenzsystem (6) und/oder an Komponenten des Fahrzeugs (3) übermittelt wird.
6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass eine Ausgabe des ermittelten Reibbeiwertes in Form wenigstens eines optischen und/oder akustischen und/oder haptischen Warnsignals erfolgt, wenn der ermittelte Reibbeiwert einen vorgegebenen oder vorgebbaren Schwellwert unterschreitet.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass in der stationären Messphase (S1) Referenz-Reibbeiwerte mittels einer mobilen Referenz-Messvorrichtung (7) umfassend einen Prüfkörper, vorzugsweise in Form eines Fahrzeugreifens, ermittelt werden, wobei Zugversuche mit dem Prüfkörper bei den verschiedenen Referenz-Umgebungsbedingungen durchgeführt und daraus die jeweiligen Referenz-Reibbeiwerte ermittelt werden.
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass in der dynamischen Messphase (S2) die Ist-Reibbeiwerte bei den verschiedenen Referenz-Umgebungsbedingungen mittels wenigstens einer am Fahrzeug (3) angeordneten Messvorrich-
tung (8a, 8b) ermittelt werden, wobei vorzugsweise die wenigstens eine Messvorrichtung (8a, 8b) wenigstens eine Wägezelle umfasst, wobei die jeweiligen Ist-Reibbeiwerte in Abhängigkeit von auf die wenigstens eine Wägezelle einwirkenden Kräften ermittelt werden.
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die ReferenzUmgebungsbedingungen mit Sensorwerten wenigstens eines während der dynamischen Messphase (S2) am Fahrzeug (3) angeordneten Sensors (5a, 5b) ergänzt werden.
10. Fahrzeug (3) mit wenigstens einem Sensor (5a, 5b) zur Ermittlung von Umgebungsbedingungen des Fahrzeugs (3) und einer Recheneinheit (9) zur Ermittlung eines Reibbeiwertes zwischen einer Fahrbahnoberfläche (1) und wenigstens einem Fahrzeugreifen (2) des Fahrzeugs (3), wobei Sensorwerte des wenigstens einen Sensors (5a, 5b) der Recheneinheit (9) meldbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass eine vorgegebene oder vorgebbare Datenbasis (4) vorgesehen ist, die Zuordnungen von Referenz-Umgebungsbedingungen zu den diesen Referenz-Umgebungsbedingungen entsprechenden Reibbeiwerten enthält, wobei die Recheneinheit (9) dazu konfiguriert ist, auf Basis eines Vergleichs der ermittelten Umgebungsbedingungen mit Referenz-Umgebungsbedingungen der Datenbasis (4) einen den ermittelten Umgebungsbedingungen entsprechenden Reibbeiwert gemäß einem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9 zu ermitteln.
Hierzu 4 Blatt Zeichnungen
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DE112021004287.4T DE112021004287A5 (de) | 2020-10-08 | 2021-09-21 | Verfahren zur Ermittlung eines Reibbeiwertes |
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