Verfahren und Vorrichtung zur Bestimmung eines Fahrzeugzustandes
Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Bestimmung eines Fahrzeugzustandes und insbesondere ein Verfahren bzw. eine Vorrichtung zur Bestimmung von Fahrzeugzuständen, deren Kenntnis zur Stabilisierung eines Fahrzeuges bei Erreichen eines Kippwinkels erforderlich sind.
Bei modernen Kraftfahrzeugen nimmt der Einfluss elektrischer und elektronischer Fahrsicherheitssysteme, wie beispielsweise ESP (Elektronisches Stabilitätsprogramm) , welches ein Schleudern eines Fahrzeugs im Rahmen fester physikalischer Grenzen verhindern soll, stetig zu. Mit besagtem ESP-System wird die Gierrate des Fahrzeuges geregelt . Da aus Kostengründen eine Detektion kritischer Fahrzustände bzw. Bewegungszustände des Fahrzeugs mit möglichst wenig Sensormitteln erfolgen soll, ist man bestrebt, Bewegungsgrößen bzw. Bewegungszustände anhand weniger gemessener Parameter bestimmen zu können.
Aus der DE 41 23 053 ist ein Verfahren zur Bestimmung wenigstens einer Bewegungsgröße eines Fahrzeugs bekannt . Dabei wird mit den Messgrößen einer Querbeschleunigung und eines Lenk- winkeis an beiden Fahrzeugachsen eine Quergeschwindigkeit
und/oder eine Giergeschwindigkeit des Fahrzeugs oder eine davon abhängige Bewegungsgröße beschrieben. Zur Auswertung der erfassten Messgrößen ist eine Kombination aus zwei adaptiven, äquivalenten Kaiman-Filterpaaren vorgesehen, wobei dem einen Filterpaar eine Messgrδßensumme und dem anderen Filterpaar eine Messgrößendifferenz zugeführt wird.
In der DE 195 15 055 ist eine Fahrstabilitäts-Regelschaltung mit geschwindigkeitsabhängigem Wechsel des Fahrzeugmodells beschrieben, bei welcher ein Sollwert einer Gierwinkelgeschwindigkeit mit Hilfe eines Fahrzeugmodells errechnet wird. Um einen möglichst genauen Wert sowohl bei sehr hohen, als auch bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten mit Hilfe der FahrzeugmodellSchaltung berechnen zu können, sind innerhalb der Fahrzeugmodellschaltung zumindest zwei Fahrzeugmodelle vorgesehen, welchen geeignete Geschwindigkeitsbereiche zugeordnet sind, wobei in Abhängigkeit von dem gerade genutzten Geschwindigkeitsbereich zwischen beiden Modellen umgeschaltet wird. Dabei sind eine Hysterese der beiden Geschwindigkeitsschwellwerte, bei denen umgeschaltet wird, sowie Mittel zur Vermeidung von Sprüngen in dem Ausgangssignal der Fahrzeugmodellschaltung bei einer entsprechenden Umschaltung zwischen den Modellen beschrieben.
Die beiden eben genannten, bekannten Verfahren bzw. Vorrichtungen sind jedoch nicht geeignet, den Übergang von einem ersten Fahrzeugzustand zu einem anderen Fahrzeugzustand bzw. Bewegungszustand des Fahrzeugs, insbesondere von einer Wankbewegung in eine Kippbewegung, zu bestimmen, um so entsprechende Gegenmaßnahmen, beispielsweise durch einen Bremseingriff zur Stabilisierung, insbesondere systemimmanent, auszuführen.
Die der vorliegenden Erfindung zugrunde liegende Aufgabe besteht nun darin, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Bestimmung eines Fahrzeugzustandes, insbesondere eines Fahr- zeugbewegungszustandes, bereitzustellen, womit auf sichere und möglichst eindeutige Weise eine Kippbewegung eines Fahrzeugs identifiziert werden kann.
Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 sowie durch eine Vorrichtung zur Bestimmung eines Fahrzeugzustandes mit den Merkmalen des Patentanspruchs 12 gelöst.
Demgemäß ist vorgesehen:
Ein Verfahren zur Bestimmung eines Fahrzeugzustandes mit den Verfahrensschritten: Abschätzen eines ersten Zustands eines Fahrzeugs mittels eines ersten Fahrzeugmodells anhand vorbestimmter Parameter; Abschätzen eines zweiten Zustands des Fahrzeugs mittels eines zweiten Fahrzeugmodells anhand der vorbestimmten Parameter; gewichtetes Umschalten von dem ersten Fahrzeugmodell auf das zweite Fahrzeugmodell beim Übergang des Fahrzeugs von dem ersten Zustand in den zweiten Zustand in Abhängigkeit von mindestens einem abgeschätzten Parameter. (Patentanspruch 1)
- Eine Vorrichtung zur Bestimmung eines Fahrzeugzustandes, mit einer ersten Schätzeinrichtung zum Abschätzen eines ersten Zustands eines Fahrzeugs mittels eines ersten Fahrzeugmodells anhand vorbestimmter Parameter; mit einer zweiten Schätzeinrichtung zum Abschätzen eines zweiten Zustands des Fahrzeugs mittels eines zweiten Fahrzeugmodells anhand der vorbestimmten Parameter; mit ei-
ner Umschalteinrichtung zum gewichteten Umschalten von dem ersten Fahrzeugmodell auf das zweite Fahrzeugmodell beim Übergang des Fahrzeugs von dem ersten Zustand in den zweiten Zustand in Abhängigkeit von mindestens einem abgeschätzten Parameter. (Patentanspruch 12)
Die der vorliegenden Erfindung zugrunde liegende Idee besteht im Wesentlichen darin, Bewegungszustände eines Fahrzeugs, insbesondere einen Wank- bzw. Kippwinkel, über eine gesamte Wank- bzw. Kippbewegung abzuschätzen, wobei bezüglich der Wankbewegung sowie bezüglich der Kippbewegung jeweils unterschiedliche Fahrzeugmodelle, insbesondere unterschiedliche Kaiman-Filter, eingesetzt werden. Die von den Fahrzeugmodel- len geschätzten Zustände werden in Abhängigkeit des vorliegenden Wank- bzw. Kippverhaltens gewichtet und überlagert, so dass der Übergang von den Schätzungen des für die Wankbewegung vorgesehenen Fahrzeugmodells zu den Schätzungen des für die Kippbewegung vorgesehenen Fahrzeugmodells fließend erfolgt. Vor allem soll erreicht werden, dass kein Sprung in den Schätzgrößen auftritt. Mit anderen Worten: Der Wankwinkel bzw. der Kippwinkel soll kontinuierlich bzw. stetig über das betrachtete BewegungsSpektrum des Fahrzeuges, d.h. ausgehend von einer Wankbewegung und übergehend in die Kippbewegung, ermittelt werden.
Die vorstehend verwendete Formulierung „vorbestimmte Parameter" ist wie folgt zu verstehen: Bei diesen Größen handelt es sich um diejenigen Größen, in deren Abhängigkeit die Zustände des Fahrzeuges ermittelt werden. Diese Größen stellen gewissermaßen die Eingangsgrößen für die Fahrzeugmodelle bzw. Kaiman-Filter dar. Bei diesen Größen kann es sich um Messgrößen oder um aus Messgrößen durch einfache Umrechnungen hergeleitete Größen handeln.
Sowohl das bezüglich der Wankbewegung als auch das bezüglich der Kippbewegung vorgesehene Fahrzeugmodell verwendet hierbei zur Ermittlung der Zustände des Fahrzeugs jeweils dieselben Größen.
Vorteilhafte Ausgestaltungen und Weiterbildungen der Erfindung sind den Unteransprüchen sowie der Beschreibung unter Bezugnahme auf die Zeichnung entnehmbar.
Gemäß einer bevorzugten Weiterbildung bildet das erste Fahrzeugmodell mittels eines ersten Kalman-Filters und das zweite Fahrzeugmodell mittels eines zweiten Kalman-Filters Bewegungszustände des Fahrzeugs nach.
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung steht der erste Zustand des Fahrzeuges für eine Wankbewegung des Fahrzeugs und der zweite Zustand des Fahrzeuges für eine Kippbewegung des Fahrzeugs, wobei eine Wankbewegung eine Drehbewegung um eine Fahrzeuglängsachse mit Bodenkontakt aller Räder beschreibt und eine Kippbewegung einer auf die Wankbewegung folgenden Drehbewegung mit Verlust des Bodenkontakts der Räder einer Spur entspricht. Dabei kann die Wankbewegung und/oder die Kippbewegung um die Längsachse des Fahrzeuges oder um eine in Längsrichtung des Fahrzeuges orientierte Achse erfolgen.
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung wird bei dem gewichteten Umschalten von dem ersten Fahrzeugmodell auf das zweite Fahrzeugmodell das zweite Fahrzeugmodell mit Parametern des Zustands des ersten Fahrzeugmodells initialisiert.
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung erfolgt die Gewichtung bei dem gewichteten Umschalten in Abhängigkeit ei-
nes geschätzten Winkels, vorzugsweise eines Wank- oder Kippwinkels des Fahrzeugs. Besonders vorteilhaft ist es, wenn die Gewichtung bei der Umschaltung mit einem für zunehmende Werte des geschätzten Winkels ( φ ) linearen Anstieg der Gewichtung des zweiten Fahrzeugmodells bei einem gleichzeitigen linearen Abfall der Gewichtung des ersten Fahrzeugmodells erfolgt.
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung erfolgt die Umschaltung dann, wenn der Winkel zwischen einem ersten vorbestimmten Winkelwert und einem zweiten vorbestimmten Winkelwert liegt, wobei vorzugsweise der erste vorbestimmte Winkelwert einen Fahrzeugwinkel beschreibt, bei welchem ein erstes entlastetes Rad einer Spur abhebt, und der zweite vorbestimmte Winkelwert einen Fahrzeugwinkel beschreibt, bei welchem ein zweites entlastetes Rad derselben Spur den Bodenkontakt verliert .
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung werden bei der Abschätzung des ersten Zustands als Störgrößen eine Fahrbahnlängsneigung, eine Fahrbahnquerneigung, eine Fahrbahnquernei- gungsrate und/oder ein Fahrbahnreibwert nachgebildet und mit berücksichtigt, wobei die Berücksichtigung der Fahrbahnlängs- neigung vorzugsweise in Verbindung mit einer erfassten Längsbeschleunigung des Fahrzeugs erfolgt.
Gemäß einer weiteren bevorzugte Weiterbildung werden die Fahrbahnlängsneigung und die Fahrbahnquerneigungsrate durch einen Markov-Prozess nachgebildet. Die Fahrbahnreibung wird vorteilhafterweise als quasikonstante Größe modelliert.
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung werden bei Feststellen eines Kippens des Fahrzeugs als Bewegungszustand
einzelne Radbremsen des Fahrzeugs selektiv aktiviert, um eine Stabilisierung des Fahrzeugs zu erzielen.
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung wird bei der Fahrzeugmodellierung die Fahrzeugmasse, die Lage des Fahrzeugschwerpunktes, der Radstand, die Spurweite und/oder die Wankcharakteristik, insbesondere die Wanksteife, und/oder die Fahrzeugdämpfung berücksichtigt.
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung werden mittels vom Fahrzeug bereitgestellter Bremsdrücke pro Rad sowie bereitgestellter Radumdrehungszahlen Umfangskräfte einzelner Räder, vorzugsweise mittels eines deterministischen Luenber- ger-Beobachtersystems geschätzt, woraus eine Fahrzeuglängsbeschleunigung geschätzt.
Gemäß einer weiteren bevorzugten Weiterbildung ist eine Gier- beschleunigungsmesseinrichtung, eine Querbeschleunigungsmess- einrichtung und vorzugsweise eine Längsbeschleunigungsmess- einrichtung und/oder eine Wankratenmesseinrichtung zum Bereitstellen der vorbestimmten Parameter vorgesehen.
Die Erfindung wird nachfolgend anhand der in den schematischen Figuren der Zeichnung angegebenen Ausführungsbeispiele näher erläutert. Es zeigt dabei:
Fig. 1 ein schematisches Blockdiagramm zur Erläuterung der Funktionsweise einer Ausführungsform der vorliegenden Erfindung;
Fig. 2 ein schematisches Gewichtungsdiagramm zur Erläuterung der Funktionsweise einer Ausführungsform der vorliegenden Erfindung;
Fig. 3 eine schematische Seitenansicht eines Kraftfahrzeugs ;
Fig. 4 eine schematische Draufsicht auf ein Kraftfahrzeug; und Fig. 5 eine schematische Heckansicht eines Kraftfahrzeugs, jeweils zur Erläuterung einer Ausführungsform der vorliegenden Erfindung.
In den Figuren der Zeichnung sind gleiche bzw. funktionsgleiche Elemente und Merkmale - sofern nichts anderes angegeben ist - mit denselben Bezugszeichen versehen worden.
In Fig. 1 ist schematisch ein Blockdiagramm eines Verfahrens- ablaufs zur Bestimmung eines Fahrzeugzustandes zur Erläuterung einer bevorzugten Ausführungsform dargestellt. Eine vorzugsweise von einem Beschleunigungssensor gemessene Querbeschleunigung ay in Querrichtung eines Fahrzeugs, das heißt in y-Richtung, wird einer ersten Schätzeinrichtung 10 und einer zweiten Schätzeinrichtung 11 zugeführt. Ebenso wird eine ermittelte Gierbeschleunigung Ψ ebenfalls einer ersten und zweiten Schätzeinrichtung 10, 11 zugeführt. In den Schätzeinrichtungen 10, 11 erfolgen jeweils separate Zustandschätzungen anhand von einem ersten Fahrzeugmodell in der ersten Schätzeinrichtung 10 und einem zweiten Fahrzeugmodell in der zweiten Schätzeinrichtung 11. Zur Fahrzeugmodellierung werden sowohl in der ersten als auch in der zweiten Schätzeinrichtung 10, 11 vorzugsweise unterschiedliche Kaiman-Filter eingesetzt. In die Fahrzeugmodellierungen mittels der vorzugsweise einzelnen Kaiman-Filter fließt sowohl die Masse m des Fahrzeugs F als auch die Lage des Schwerpunktes S im Fahrzeug F, der Radstand des Fahrzeugs, die Spurweite vorn und hinten sowie die Wankcharakteristik, das heißt insbesondere die Wanksteifigkeit und Dämpfung des Fahrzeugs hinsichtlich einer
Wankbewegung, mit ein. Mit dem ersten Fahrzeugmodell wird der Zustand mittels eines Wankbeobachters abgeschätzt.
Beim zweiten Fahrzeugmodell wird ein Kippbeobachter zur Abschätzung des Bewegungszustands in der zweiten Abschätzeinrichtung 11 eingesetzt. Daraufhin erfolgt eine Gewichtung 12 des von dem Wankbeobachter geschätzten Zustandes sowie eine davon getrennte Gewichtung 13 des von dem Kippbeobachter geschätzten Zustandes. Beide entsprechend gewichteten Bewegungszustandsabschätzungen werden dann in einer Addiereinrichtung Σ addiert, es liegt somit eine kombinierte Zustands- schätzung 13 vor, die der eines kombinierten Beobachters entspricht. Die Gewichtung 12 des Wankbeobachters und die Gewichtung 13 des Kippbeobachters 13 bei der ZustandsSchätzung gehen exemplarisch aus Fig. 2 hervor.
In Fig. 2 ist schematisch ein Gewichtungsdiagramm über dem in den Abschätzeinrichtungen 10, 11 abgeschätzten Wank- bzw.
Kippwinkel
dargestellt. Die Ordinate weist einen Faktor zwischen 0 und 1 als Gewichtungsfaktor zur Multiplikation mit der entsprechenden ZustandsSchätzung des Wankbeobachters oder Kippbeobachters, das heißt des ersten Fahrzeugmodells oder des zweiten Fahrzeugmodells, auf. Gemäß Fig. 2 verläuft die Gewichtung 12 des Wankbeobachters mit dem Faktor 1 bis zu dem
Winkelwert
und fällt dann linear zwischen dem Winkelwert und dem Winkelwert
bis auf 0 ab. Entsprechend steigt die Gewichtung 13 des Kippbeobachters von dem Wert 0 beim Winkelwert |ζp,| linear zum Wert 1 beim Winkelwert )<j?
2| an. Beide Gewichtungsfunktionen 12, 13 gemäß Fig. 2 können sowohl zu steigendem
als auch in Richtung kleinerer |<j?| durchlaufen
werden. Die Winkelwerte Ψ bzw. Ψi stehen für alternative
Winkelwerte, woraus ein weniger steiler Anstieg bzw. Abfall der Gewichtungsfunktionen 12, 13 resultiert. So ist gegebenenfalls bei einer Wank- bzw. Kippbewegung über die linken Räder, d.h. über die linke Spur ein anderer vorbestimmter
Winkelwert Ψx Ψτ zu wählen, als bei einer entsprechenden
Bewegung über die rechten Räder, d.h. über die rechte Spur eines Fahrzeugs. Der Winkel
ist ein von den Beobachtersystemen geschätzter Wank- bzw. Kippwinkel, wobei
für einen Winkelwert steht, bei welchem ein Rad einer Spur den Bodenkontakt verliert und wobei |ζ£>
2| für einen Winkelwert steht, bei welchem beide Räder einer Spur keinen Bodenkontakt mehr aufweisen.
Zur Stabilisierung einer Kippbewegung von Fahrzeugen F mit hoher Schwerpunktlage kann durch gezielte Bremseingriffe an einzelnen Rädern R eines solchen Fahrzeugs F, wie beispielsweise eines Lastkraftwagens oder eines Transporters, ein Roll-Over bzw. Umkippen oder Überschlagen dieser Fahrzeuge innerhalb vorbestimmter physikalischer Grenzen verhindert werden. Damit ein solches Reglerkonzept effektiv arbeiten kann, ist es erforderlich, dass diesem System verschiedene Fahrzeugzustände zur Analyse zur Verfügung gestellt werden. Solche Zustände können jedoch nur teilweise direkt durch vorhandene Sensoren erfasst bzw. gemessen werden. Deshalb ist es geboten, die darüber hinaus benötigten Zustände des Fahrzeugs mittels eines Beobachterverfahrens abzuschätzen. Als Basisgleichung verschiedener Beobachterverfahren gilt:
x = f{x,u)+κ(x,u)-(y-y) y = h{x,u)
Der Unterschied zwischen verschiedenen Beobachterverfahren besteht in der Berechnung der Rückkopplungsmatrix K(x,u) , wobei gemäß der vorliegenden bevorzugten Ausführungsform ein Kaiman-Filter eingesetzt wird, das zur Berechnung der Rückkopplungsmatrix K(x,u) die stochastischen Eigenschaften des Systems berücksichtigt. Die verschiedenen Kaiman-Filter unterscheiden sich hierbei in den Modellgleichungen f (x,u) und h(x,u), sodass sich jeweils unterschiedliche Rückkopplungen ergeben. Zur Stabilisierung eines Fahrzeugs bei einem auftretenden Kippwinkel φ wird allgemein die Kenntnis der folgenden Fahrzeugzustände vorausgesetzt: Geschwindigkeit in Fahrzeuglängsrichtung vx, Geschwindigkeit in Fahrzeugquerrichtung vy der Wank- bzw. Kippwinkel φ , sowie die Wank- bzw. Kipprate φ . Unter Wankbewegung wird im folgenden eine Drehbewegung um eine Fahrzeuglängsachse, das heißt x-Achse, verstanden, welche durch eine Einfederung eines Fahrzeugs F auf einer Spurseite entsteht. Bei einer Wankbewegung weisen alle Räder R Bodenkontakt auf. Ist eine Spur des Fahrzeugs vom Boden abgehoben, d.h. sind alle Räder einer Fahrzeugseite vom Boden abgehoben, so wird die Drehbewegung um die Fahrzeuglängsachse im nachstehenden als Kippbewegung bzw. Kippen bezeichnet. An dieser Stelle sein angemerkt, dass die Wankbewegung und/oder die Kippbewegung nicht nur um die Fahrzeuglängsachse bzw. x- Achse, sondern auch um eine in Längsrichtung des Fahrzeuges orientierte Achse erfolgen kann.
Um die oben genannten, erforderlichen Fahrzeugzustände über die gesamte Wank- und Kippbewegung eines Fahrzeugs beobachten zu können, werden gemäß einer bevorzugten Ausführungsform
zwei verschiedene Kalman-Filter zur Fahrzeugmodellierung eingesetzt. Dabei übernimmt das erste Kalman-Filter die Schätzung der Fahrzustände während der Wankbewegung, wohingegen das zweite Kalman-Filter die Zustände während der Kippbewegung zur Fahrzeugmodellierung abschätzt. Grundsätzlich ist die Schätzung der benötigten Fahrzeugzustände bei Nutzung eines geeigneten Modells darüber hinaus auch mit einem einzelnen Kalman-Filter möglich. Die Basis für die zur Schätzung der Wankbewegung eingesetzten Filtereinrichtung bilden die folgenden Bewegungsgleichungen der horizontalen Geschwindigkeiten:
Eine Geschwindigkeitsänderung vy in y-Richtung entspricht somit dem negativen Produkt aus einer Gierwinkelgeschwindigkeit Ψ und einer Fahrzeuglängsgeschwindigkeit vx in Addition mit einer Beschleunigung ay in y-Richtung. Außerdem gleicht eine Geschwindigkeitsänderung i^ in x-Richtung dem Produkt aus der
Gierwinkelgeschwindigkeit Ψ und der Fahrzeuggeschwindigkeit vy in Querrichtung plus einer Beschleunigung ax in Längsrichtung. Nutzt man innerhalb dieser beiden Gleichungen die mittels Sensoren gemessenen horizontalen Beschleunigungen ay , ax als Eingangssignale, so ergeben sich nach einer Transformation aus einem fahrzeugfesten in ein fahrbahnfestes Koordinatensystem bzw. Bezugssystem folgende linearisierte Systemgleichungen für das Wankfilter:
vx = Ψvy + g{θ + Θ)+ ax vy = -Ψvx - g{φ + φ)+ a:e',sor )
Im Vergleich zum Gleichungssystem (2) kommt für den Term in Fahrzeuglängsrichtung das Produkt aus der Erdbeschleunigung g mit der Summe aus einem Fahrzeugnickwinkel θ und einer Fahrbahnsteigung Θ hinzu. Bei der Bewegungsgleichung in y- Richtung ergibt sich ein subtraktiver Zusatzterm als Produkt aus der Erdbeschleunigung g mit der Summe aus dem Wankwinkel φ gemessen über der Fahrbahn plus der Fahrbahnquerneigung Φ . Als weitere Basisgleichung dient eine Differenzialgleichung der Wankdynamik, welche bei kleinen Wankwinkeln gilt und aus dem Drallsatz um die Fahrzeuglängsachse resultiert:
φ = - k (F V + Fsi, + m(az + g)φ) + M w (4)
J xx
wobei φ für die Wankwinkelbeschleunigung Λhs für eine Schwerpunktverlagerung, FSv für die vordere Seitenkraft der Räder, Fsh für die Seitenkraft der Räder R der Hinterachse Ah, m für die Fahrzeugmasse, az für die Beschleunigung in Z-Richtung, welches der Hochachse im Fahrzeug F entspricht, Mw einem Wankmoment und Jx einem Trägheitsmoment um die Fahrzeuglängsachse entspricht. Lässt man bei dieser Gleichung das Wankmoment Mw einfließen mit:
Mw = -cφ - φ - dφ - φ (5)
wobei cφ und dφ vorbestimmte konstante oder gegebenenfalls auch vom Wank- bzw. Kippwinkel abhängige Größen darstellen,
drückt man die Seitenkräfte der Räder FSv, FS durch die Querbeschleunigung aus entsprechend:
F + FSh = m(ay + gΦ) (6) so ergibt sich die linearisierte Systemgleichung für die Wankdynamik innerhalb des Fahrzeugmodells, vorzugsweise innerhalb des Kalman-Filters, zu:
wobei der Term w t) für einen von der Zeit abhängigen Stör- größenterm steht, entsprechend einem stochastischen Rauschen. Als Störgrößen werden des weiteren die Fahrbahnlängsneigung Θ , die Fahrbahnquerneigung Φ , die Fahrbahnquerneigungsrate Φ sowie der Fahrbahnreibwert μ modelliert'. Vorzugsweise werden dabei die Fahrbahnlängsneigung Θ und die Fahrbahnquerneigungsrate Φ durch einen Markov-Prozess entsprechend einem farbigen Rauschen nachgebildet, welches sich auf ein weißes Rauschen zurückführen lässt, da es sich bei diesen beiden Größen um stochastische, korrelierte Größen handelt. Der Fahrbahnreibwert μ wird insbesondere als quasikonstante Größe modelliert .
Anhand der Figuren 3, 4, 5a und 5b werden schematisch die Richtungen bzw. Winkel der verschiedenen Größen illustriert. In Fig. 3 ist eine Fahrzeuggeschwindigkeit vx in Fahrzeuglängsrichtung dargestellt, welche exemplarisch am Fahrzeugschwerpunkt S angreift, auf welchen die Gewichtskraft m - g radial zum Erdmittelpunkt wirkt . Der Fahrzeugbewegung in vx- Richtung wirkt eine Reifenreibungskraft entgegen, welche ex-
emplarisch durch den Fahrbahnreibwert μ veranschaulicht ist.
Eine mögliche Fahrbahnlängsneigung mit dem Neigungswinkel Θ geht ebenfalls aus der schematischen Seitenansicht gemäß Fig. 3 hervor. In der schematischen Draufsicht nach Fig. 4 ist wiederum die Fahrzeuggeschwindigkeit vx in Fahrzeuglängsrichtung sowie eine Geschwindigkeit vy in Fahrzeugquerrichtung dargestellt . Darüber hinaus ist am Schwerpunkt S angreifend eine Gierrate Ψ sowie eine Gierbeschleunigung Ψ beispielhaft verdeutlicht. Fig. 5a und 5b verdeutlicht den Fahrzeugneigungswinkel φ sowie die Neigungswinkelrate φ und Neigungswinkelbeschleunigung φ sowie nochmals die Fahrzeugquergeschwindigkeit vy mit einer entsprechend in die entgegengesetzte Richtung dargestellten Reibungskraft, welche abhängig von dem Fahrbahnreibwert μ auf die Fahrzeugräder R wirkt . Das Fahrzeug F ist auf der Fahrbahn B gemäß Fig. 5a in horizontaler Richtung ausgerichtet, wobei die Fahrbahn B auch einen Fahrbahnquerneigungswinkel Φ aufweisen kann.
Die Messgleichungen des für die Wankbewegung zuständigen Fahrzeugmodells bzw. Kalman-Filters gehen aus der Anwendung des Impulssatzes und des Drallsatzes hervor und lauten entsprechend:
ar°
r =(F
Uv +F
uh)/m-gθ
+ v
aχ (8) ψ— = {l
vFsv - l
hF
Sh +M
B)/J
zz + v
wobei va , va sowie ψ einem Messrauschen der entsprechend mit einem Sensor gemessenen Größen ay nsor , ax s nsor sowie Ψw entspricht . Den Seitenkräften FSv und Fsh der Reifen in Querrichtung, das heißt in y-Richtung, entspricht eine Umfangs-
kraft Fu und Fr^ der Reifen in Fahrzeuglängsrichtung, das heißt in x-Richtung. In die Gierbeschleunigung ψienw fließen die Seitenkräfte FSv sowie FSh jeweils multipliziert mit dem Abstand lv sowie lh zwischen dem Schwerpunkt S und der vorderen Fahrzeugachse Av sowie der hinteren Fahrzeugachse Ah gemäß Fig. 3 ein. Das Drehmoment MB entspricht einem den Um- fangskräften Fuv,ix mit Radius zum Schwerpunkt S wirkenden Drehmoment. Jz verdeutlicht ein Trägheitsmoment in z- Richtung, das heißt um die Hochachse des Fahrzeugs F. Die Gierbeschleunigung ψse or kann dabei aus der Gierrate Ψ zum Beispiel mittels eines DTι_Filters ermittelt werden.
Geht das Fahrzeug F von der Wankbewegung in die Kippbewegung gemäß Fig. 5b über, so wird die Schätzung der Zustände gemäß Fig. 1 und 2 auf das zweite Fahrzeugmodell , insbesondere das zweite Kalman-Filter, übertragen. Zur Verkürzung der Einschwingphase dieses zweiten Filters wird er mit den bis dato geschätzten Zuständen des für die Wankbewegung zuständigen ersten Filters initialisiert. Der Übergang von den Schätzungen des für die Wankbewegung zuständigen ersten Filters auf die Schätzungen des für die Kippbewegung zuständigen zweiten Filters erfolgt mittels einer gewichteten Filterumschaltung gemäß Fig. 2. Innerhalb dieser Umschaltung werden die von beiden Fahrzeugmodellen bzw. Kaiman-Filtern geschätzten Zustände in Abhängigkeit des Wank- bzw. Kippwinkels \φ\ gewichtet und anschließend in der Additionseinrichtung Σ gemäß Fig. 1 addiert. Die Gewichtsfunktion gemäß Fig. 2 lautet dabei : x
gB = a,Λ - ε)+
Xki
PP - ε O)
Hierbei legen die beiden Winkel φx , φ2 den Bereich fest, in dem die gewichtete Umschaltung vollzogen wird (siehe Fig. 2) . φ ist der Winkel des Fahrzeugs F, bei dem das erste Rad R der entlasteten Spur abhebt, der Winkel φ2 kennzeichnet den Winkel, bei dem auch das zweite Rad R dieser Spur den Bodenkontakt verliert. Innerhalb dieses Bereiches zwischen φ und φ2 besteht keine eindeutige Zuordnung, wohingegen außerhalb dieses Bereichs eine eindeutige Zuordnung zu einem der beiden Fahrzeugmodelle, vorzugsweise Kalman-Filter, besteht. Durch dieses gleichmäßige Überblenden der Zustände von einem auf das andere Fahrzeugmodell bzw. Filter, kann ein sprungfreier stetiger Übergang der Zustandsschätzung erreicht werden.
Die Basis für die Systemgleichung des für die Kippbewegung zuständigen Fahrzeugmodells, vorzugsweise Kalman-Filters, bilden ebenfalls der Impuls- und der Drallsatz. Beachtenswert dabei ist, dass sich die Systemgleichung im Gegensatz zu dem für die Wankbewegung zuständigen Fahrzeugmodell bzw. Filter, für die Kippbewegung über die linke und die rechte Seite des Fahrzeugs F unterscheiden. Auch innerhalb der Systemgleichung des für die Kippbewegung zuständigen zweiten Fahrzeugmodells bzw. Filters werden hochgradig nicht lineare Reifenkräfte durch Werte von Beschleunigungssensoren ersetzt. Verallgemeinert geschrieben ergeben sich die Systemgleichungen dieses zweiten Kalman-Filters zu:
wobei die Terme w , wvx und wφ eine Rauschkomponente der entsprechenden Zustände wiedergibt und ξ,S,λ Ist-Größen darstellen. Die Systemgleichungen der einzelnen Störgrößen w , wvx , wφ entsprechen denen des für die Wankbewegung zuständigen Fahrzeugmodells bzw. Kalman-Filters. Die Fahrbahnquerneigung Φ und Fahrbahnquerneigungsrate Φ können mit diesem Filter jedoch nicht geschätzt werden, da bei kippendem Fahrzeug F keinerlei Unterschied zwischen den Auswirkungen der Fahrbahnquerneigung und dem Kippwinkel bestehen. Diese beiden Störgrößen sind somit nicht beobachtbar. Auch innerhalb dieses Filters werden die aus den Reifenkennlinien stammenden Nicht-Linearitäten in die Messgleichung überführt. Die verallgemeinerten Messgleichungen des für die Kippbewegung zuständigen zweiten Filters ergeben sich aus dem Impuls- und Drallsatz zu:
Ψsensor = Ψ + Vφ
wobei θ0 einen statischen Nickwinkelanteil und der Term
t σ einen Erdbeschleunigungsanteil sowie MRx i ein Rück- )
Stellmoment wiedergibt. Alle Größen sind hier auf ein horizontales Koordinatensystem umgerechnet, woraus die sm<p,cos^
Anteile folgern. Anstatt die Gierbeschleunigung Ψse/„or als
Messgröße zu verwenden, kann die Gierrate Ψ sowohl als Zu- standsgröße als auch als Messgröße definiert werden. Dadurch werden zwar die Filtergleichungen des Wankbeobachters, das heißt des ersten Fahrzeugmodells bzw. Kalman-Filters, nichtlinear, allerdings kann somit die Sensoreigenschaft, insbesondere das Messrauschen, im Filter genauer berücksichtigt werden.
Unter Nutzung der von einem vorzugsweise vorhandenen ESP- System (Elektronisches Stabilitätsprogramm) bereitgestellten Bremsdrücke pro Rad, sowie der Kenntnis der Umdrehungsgeschwindigkeiten der einzelnen Räder R, lassen sich die Umfangskräfte Fuh, der einzelnen Räder R des Fahrzeugs F schätzen. Dies geschieht vorzugsweise mittels eines deterministischen Luenberger-Beobachters. Dessen geschätzte Umfangskräfte Fu können innerhalb der beiden Fahrzeugmodelle bzw. Kalman- Filter prinzipiell dazu genutzt werden, den Längsbeschleunigungssensor zur Messung der Beschleunigung in x-Richtung, das heißt ax nsor zu ersetzen. Außerdem können mit Hilfe der geschätzten Umfangskräfte Fυ vier zusätzliche Messgleichungen innerhalb der Kalman-Filter eingeführt werden. Darüber hinaus werden die Normalkräfte der einzelnen Räder R des Fahrzeugs F mittels eines statischen Modells oder mittels eines dynamischen Modells berechnet. Diese berechneten Normalkräfte werden für das innerhalb der beiden Kalman-Filter genutzte Reifenmodell benötigt.
Mit Hilfe der vorliegenden Erfindung kann somit auf einen Bewegungszustand, insbesondere ein Wanken bzw. Kippen eines Fahrzeugs anhand einer Beschleunigungsinformation einer Beschleunigung in y-Richtung ay einer Gierbeschleunigung ψ sowie gegebenenfalls einem Beschleunigungswert in x-Richtung ax auf den Fahrzeugzustand, insbesondere den Wank- bzw. Kippwinkel φ geschlossen werden. Bei der Modellierung eines Lastkraftwagens, bei welchem durch die Beladung eine erhebliche Schwerpunktverschiebung erfolgt ist darüber hinaus die Wankrate φ zur Nachbildung der Fahrzeugzustände erforderlich.
Obwohl die vorliegende Erfindung vorstehend anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele beschrieben wurde, ist sie darauf nicht beschränkt, sondern auf vielfältige Weise modifizierbar. So ist grundsätzlich auch eine andere Gewichtung als die mit Bezug auf Fig. 2 dargestellte lineare Gewichtung der entsprechenden Fahrzeugmodelle beim Übergang denkbar. Theoretisch kann die Fahrzeugmodellierung auch mittels eines einzigen Kalman-Filters bereitgestellt werden, dessen Parameter entsprechend zur Fahrzeugmodellierung angepasst werden.
Abschließend sei auf Folgendes hingewiesen: Die in den. vorliegenden Ausführungen verwendeten Begriffe „Fahrzeugzustand", „Zustand eines Fahrzeuges", „Fahrzeugbewegungszustand" und „Bewegungszustand" werden allesamt synonym verwendet Ist beispielsweise von der Bestimmung eines Fahrzeugzustandes die Rede, so ist gemäß den vorliegenden Ausführungs- beispielen die Ermittlung eines Wankwinkels oder Kippwinkels als Fahrzeugbewegungsgröße gemeint.