SECRETINFRAGMENTE ZUR BEHANDLUNG VON AUTI SMUS
Die vorliegende Erfindung betrifft die Verwendung bestimmter Secretmfragmente bei der Diagnostik und Behandlung bzw. Prävention von Autismus und autismusahnlichen Erscheinungen.
Sekretin ist ein Hormon, das durch die Mucosa des Duodenums und Jejunums abgeschieden wird. Die Aminosauresequenz des Secretins ist bekannt und entspricht im Dreibuchstabencode dem Folgenden:
H-His-Ser-Asp-Gly-Thr-Phe-Thr-Ser-Glu-
1 2 3 4 5 6 7 8 9 Leu-Ser-Arg-Leu-Arg-Glu-Gly-Ala-Arg-
10 11 12 13 14 15 16 17 18 Leu-Gln-Arg-Leu-Leu-Gln-Gly-Leu-Val-NH2
19 20 21 22 23 24 25 26 27
Die stereochemische Konfiguration der nativen Version ist bei jedem der optisch aktiven Ammosaurereste L.
Secretm stimuliert die pankreatische Sekretion von Wasser und Bicarbonat. Im Magen stimuliert Secretm die Pepsmsekre- tion und inhibiert insbesondere die durch Nahrungsmittel stimulierte Gastnnfreisetzung.
In jüngster Zeit ist verschiedentlich berichtet worden, dass Secretm als Therapeutikum bei der Behandlung von Autismus eingesetzt werden kann, wobei vorzugsweise an die intravenöse
Verabreichung von hohen Secret dosen gedacht wird (vgl. sb. WO 98/52593) .
Autismus ist eine relativ tiefgreifende Entwicklungsstorung, der komplexe Störungen des zentralen Nervensystems zugrunde- liegen - insbesondere im Bereich der Wahrnehmungsverarbeitung - und die bereits im Kindesalter beginnt. In ihrem Zentrum steht eine schwere Beziehungs- und Kommunikationsstorung. Die Auswirkungen der Störung behindern auf vielfaltige Weise die Beziehungen zur Umwelt, die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft und die Fähigkeit zur Eingliederung m die Gesellschaft, da sowohl kognitive als auch sprachliche, motorische, emotionale und teraktionale Funktionen betroffen sind.
Dazu kommen zahlreiche Verhaltensauffalligkeiten, die besonders für die Bezugsperson im alltäglichen Umgang mit den au- tistischen Menschen sehr belastend sein können. Autistische Menschen sind in der Regel mehrfach behindert.
Nach der internationalen Klassifikation der Erkrankungen der Weltgesundheitsorganisation werden, neben dem frühen Beginn, folgende Kennzeichen als Def tionsmerkmale für insbesondere fruhk dlichen Autismus genannt:
1. Qualitative Beeinträchtigungen der zwischenmenschlichen Beziehungen;
2. Beeinträchtigungen der Kommunikation und der Fantasie;
3. Ein deutlich eingeschränktes Repertoire von Aktivitäten und Interessen.
Beispielsweise beobachtet man bei Kindern mit Autismus, dass diese zunächst keine Geste, kein Lachein, kein Wort verstehen. Diese Kinder können zu anderen Personen, selbst zu den eigenen Eltern, kein normales Verhältnis herstellen.
Anders ausgedruckt, diese Kinder ziehen sich m sich zurück und kapseln sich "autistisch" ab. Andererseits kann aber jede Veränderung der Umwelt der Kinder zu starken Erregungen fuhren. Kinder mit Autismus können insbesondere nicht "normal" spielen und sie benutzen ihr Spielzeug oft m immer gleicher zweckentfremdeter Art und Weise, wobei sie Stereotypien entwickeln: z . B. Drehen und Kreiseln von Radern, Rieseln mit Sand, Wedeln mit Faden oder Papier usw.
Die wichtigsten Symptome der autistischen Störung sind in ihrem Auspragungsgrad jeweils unterschiedlich. Menschen mit Autismus haben häufig vom Saugl gsalter an Probleme beim Essen und Schlafen und entwickeln selbststimulierende Verhaltensweisen. Solche Verhaltensweisen können sogar zu Eigen- verletzungen fuhren. Insbesondere wird beobachtet, dass Autisten zwanghaft auf ganz bestimmte Ordnungen bestehen. Viele Autisten haben auch kein Gefahrenbewusstsem.
Die intellektuelle Begabung von Menschen mit Autismus ist sehr unterschiedlich. Sie reicht von geistiger Behinderung bis zu normaler Intelligenz, wobei einige Autisten erstaunliche Teilleistungen im Rechnen, technischen Disziplinen, der Musik und auf anderen Gebieten erbringen können.
Trotz umfangreicher Forschungen gibt es bislang noch kein schlussiges Erklarungsmodell, das vollständig und überzeugend die Entstehungsursache der autistischen Störung belegen kann. Nach dem heutigen Stand ist Autismus nicht wirklich heilbar.
Allerdings wird m der zuvor erwähnten WO 98/52593 berichtet, dass die Behandlung autistischer Kinder mit Secretm vielversprechend ist. Dieses Dokument behauptet insbesondere einen Zusammenhang zwischen bestimmten gastromtenstmalen Fehlfunktionen bei autistischen Kindern und dem Emfluss von Secretm auf Hirnzellen.
So wird beispielsweise festgehalten, dass Secretm sowohl bei der Behandlung gastrointenstmaler Fehlfunktion bestimmter Autismusformen bei Kindern erfolgreich ist. Insbesondere zeigt sich bei der Behandlung autistischer Kinder mit chronischer Diarrho, dass es nach einer Injektion von Secretm zu einer beträchtlichen Steigerung der Flussigkeitsproduktion durch den Pankreas kam. Bei weitergehenden klinischen Untersuchungen wurden dann auffällige Verhaltensverbesserungen festgestellt. Die Verabreichung des Secretins führte aber nicht zu einer Steigerung der Eigenproduktion, sondern es wurde eine vermehrte Serotoninproduktion festgestellt.
Neben diesen Befunden ist aber nicht bekannt, was die Wirksamkeit des Secretins tatsächlich ausmacht, d.h. welche Mechanismen mvolviert sind bzw. welche Wechselwirkungen oder Sekundarwirkungen (beispielsweise Serotonmausschuttung) für die beobachteten Wirkungen verantwortlich sind.
Herauszustellen ist m diesem Zusammenhang, daß im Stand der Technik bei der Autismusbehandlung lediglich das Peptid mit mindestens 27 Ammosaurebaustemen eingesetzt wurde. Die Verwendung von Fragmenten gleich welcher Große wird nicht erwogen.
Es ist allgemein anerkannt, dass Fragmente eines größeren Peptids mit pharmakologischen Wirkungen nicht zwangsläufig wieder gleiche oder auch nur ähnliche pharmakologische Eigenschaften haben. So wird in der DE 27 35 712 AI berichtet, dass ein bestimmtes Secretmfragment mit mindestens 14 Aminosäuren wertvolle pharmakologische Eigenschaften haben soll, weshalb sich dieses Fragment beispielsweise als gastrisches antisekretorisches Mittel eignen soll. Im Zusammenhang mit der Darstellung dieses Fragments wurde aber auch festgehalten, dass diese spezielle Wirksamkeit überraschend sei, da man keinerlei biologische Wirksamkeit für Fragmente des Secretins allgemein erwarten konnte.
Es wurde nun überraschend festgestellt, daß Fragmente des Secretins, gleich welcher Herkunft (Mensch, Schwein, Huhn, Affe), die 4 - 15 Ammosaurebausteme des aus 27 Aminosäuren bestehenden nativen Secretins aufweisen, eine besondere Eignung m einer Praparation zur Behandlung oder Prävention des Autismus haben. Diese Beobachtung ist in mehrfacher Hinsicht überraschend, da einerseits von den Fragmenten generell keine phar akologiscne Wirksamkeit zu erwarten war und andererseits eine spezielle Wirksamkeit bei der Behandlung des Autismus überraschend ist.
Bevorzugt werden insbesondere solche Fragmente des Secretins, die 4 - 8 Ammosaurebausteme der nativen Ammosauresequenz aufweisen.
Ganz besonders bevorzugt werden bestimmte Fragmente des Secretins, die im übrigen nicht mit den m der DE 27 35 712 AI beschriebenen Fragment übereinstimmen. Diese Fragmente werden im Folgenden unter deren Abkürzungen (A) , (B), (C) , (D), (E), (F), (G) , (H), (I) und (J) naher beschrieben.
Diese Peptidfragmente des Secretins haben jeweils die folgende Ammosauresequenz:
His-Ser-Asp-Gly-Thr-Phe-Thr-Ser (A) His-Ser-Asp-Gly-Thr-Phe-Thr (B) His-Ser-Asp-Gly-Thr-Phe (C) His-Ser-Asp-Gly-Thr (D) His-Ser-Asp-Gly (E)
Gln-Arg-Leu-Leu-Gln-Gly-Leu-Val (F) Arg-Leu-Leu-Gln-Gly-Leu-Val (G) Leu-Leu-Gln-Gly-Leu-Val (H) Leu-Gln-Gly-Leu-Val (I) und Gln-Gly-Leu-Val (J)
Die stereochemische Konfiguration von jedem der optisch aktiven Ammosaurereste kann unabhängig voneinander D, L oder DL sein, wobei bevorzugt wird, dass diese jeweils L ist.
Die Ammosauresequenz ist von links nach rechts vom N- Termmus zum C-Term us hm angegeben.
Gegenstand der Erfindung ist somit eine pharmazeutische Zusammensetzung, die mindestens ein Peptidf ragment, ausgewählt aus der Gruppe (A) , (B) , (C) , (D) , (E) , (F), (G) , (H) , (I) und (J) umfasst. Selbstverständlich können aber auch Mischungen der vorstehend genannten Peptide vorliegen, oeispielsweise Mischungen der Peptide (A) , (B) , (C) , (D) , (E) , (F) , (G) , (H) , (I) und (J), insbesondere die Mischungen (A) , (B) oder (A) , (C) oder (C) , (D) oder (C) , (D) , (E) , (F) oder (E), (F), (G) , (H) oder (F), (G) , (H) , (I) usw.
Gegenstand der Erfindung sind auch Peptidf ragmente, die sich aus der Ammosauresequenz des Sekretms beim Schwein ergeben. Diese Sequenz entspricht im Dreibuchstabencode dem Folgenden:
H-His-Ser-Asp-Gly-Thr-Phe-Thr-Ser-Glu-
1 2 3 4 5 6 7 8 9 Leu-Ser-Arg-Leu-Arg-Asp-Ser-Ala-Arg-
10 11 12 13 14 15 16 17 18 Leu-Gln-Arg-Leu-Leu-Gln-Gly-Leu-Val-NH2
19 20 21 22 23 24 25 26 27
Das Schwemesekretm unterscheidet sich vom menschlichen Sekretin dadurch, daß in den Ammosaurepositionen 15 und 16 andere Aminosäuren vorliegen (Asp und Ser) . Erfmdungsgemäße Peptidfragmente sind somit auch solche Peptide, die den Ammosaurepositionen 1 bis 4, 1 bis 5, 1 bis 6, 1 bis 7 und 1 bis 8 bzw. 20 bis 27, 21 bis 27, 22 bis 27, 23 bis 27 und 24 bis 27 der vorstehenden Sequenz entsprechen.
Die erfmdungsgemaßen Fragmente können m einfacher Weise aus dem naturlich vorkommenden Secretm menschlicher oder tierischer Herkunft gewonnen werden. Daneben bietet sich aber auch der Aufbau der Peptidkette aus den einzelnen Bausteinen an. Verfahren zum Aufbau von Peptiden sind allgemein geläufig, beispielsweise mittels eines automatischen Peptidsynthetisators". Verfahren zur Herstellung solcher Peptide werden unter anderem m der DE 27 35 712 AI offenbart .
Neben den Peptiden der vorstehend gezeigten Sequenzen (A) bis (J) eignen sich für die erfmdungsgemaßen pharmazeutischen Zwecke selbstverständlich allgemein vertragliche Saureadditionssalze . Diese Saureadditionssalze können sich von einer Vielzahl von anorganischen und organischen Sauren ableiten wie beispielsweise Schwefelsaure, Phosphorsaure, Salzsaure, Bromwasserstoffsaure, Jodwasserstoffsaure, Salpetersaure, Sulfammsaure, Zitronensaure, Milchsäure, Brenztraubensaure, Oxalsäure, Maleinsäure, Bernsteinsaure, Weinsäure, Zimtsaure, Essigsaure, Tπfluoressigsaure, Benzoesaure, Salicylsaure, Gluconsaure, Ascorbmsaure und verwandte Sauren, die zum Zwecke der Bildung pharmazeutisch vertraglicher Saureadditionssalze allgemein bekannt sind.
Die erfmdungsgemaßen Praparationen können auf verschiedenstem Weg verabreicht werden, beispielsweise intravenös aber auch oral, intramuskulär, intraartikular, intradermal, subkutan, rektal sowie durch Inhalation oder nasale Verabreichung.
Übliche Dosierungen der erf dungsgemaßen Verbindungen sind 1 bis 1000 μg/kg (Korpergewicht) pro Tag.
Es bietet sich auch an, d e erfmdungsgemaßen Verbindungen mit anderen pharmazeutischen Tragerstoffen zu kombinieren, beispielsweise mit solche Stoffen, die zu einer verzögerten Freisetzung im Korper fuhren.