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Verfahren zur Gewinnung von Betainhydrochlorid und Glutaminsäure aus
hinreichend betainreichen, zuckerarmen Rückständen der Rübenzuckerfabrikation Gegenstand
der Erfindung ist ein Verfahren zur Darstellung von Betainhydrochlorid, Glutaminsäure
und Kalisalzen aus den Rückständen der Rübenzuckerindustrie nach Abscheidung des
Zuckers aus der Melasse. Die Rübenzuckermelasse, aus der der kristallisierbare Zucker
abgeschieden ist, eignet sich nicht zu Nahrungszwecken und muß .anderweitig verwertet
werden. Die größte Menge des noch vorhandenen Rohrzuckers wird aus der Melasse gewöhnlich
durch ein Saccharatverfahren, z. B. das Steffensverfahren, gewonnen, als Rückstand
verbleibt das Abwasser, das die nicht zuckerhaltigen Bestandteile enthält. Es sind
dies, auf Trockenrückstand berechnet, etwa 2o °A Glutaminsäure, etwa 2o01" Betain
und etwa 35'/" anorganische Salze, besonders Natrium- und Kaliumsalze.
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Gewöhnlich wird die Melasse auf Alkohol und Hefe durch Gärung verarbeitet,
aber auch hier bleiben Destillationsabwässer und Schlempe übrig, die die nicht zuckerhaltigen
Bestandteile der Melasse enthalten.
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Gegenstand der Erfindung ist die Aufarbeitung dieser Abwässer auf
Betainhydrochlorid, Glutaminsäure und anorganische Salze. Gemäß der Erfindung werden
das Saccharatabwasser bzw. die Destillationsabwässer und die Schlempe, die nach
der Gärung zurückbleiben, zuerst durch teilweises Ausfällen in an sich bekannter
Weise von Betainhydrochlorid und anorganischen Chloriden teilweise befreit, denen
keine wesentlichen Mengen von Glutaminsäure beigemengt sind. Letztere wird dann
gesondert durch eine weitere Maßnahme gewonnen. Es wurde nämlich festgestellt, daß,
wenn die entzuckerte, hinreichend betainreiche Melasse kühl gehalten und Salzsäure
oder Chlorwasserstoffgas zugesetzt wird, lediglich Betainhydrochlorid und anorganische
Chloride in bekannter Weise ausfallen, die Glutaminsäure aber in Lösung bleibt,
die dann gemäß der Erfindung nach dem Filtrieren als Hydrochlorid durch etwa zweistündiges
Erwärmen der Mutterlauge auf et-,va 85' C und nachträgliches Abkühlen ausgefällt
werden kann.
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Die Glutaminsäure scheint in der Lauge weder in freiem Zustand noch
als Glutamat vorzukommen, sondern als Verbindung, vermutlich als ein in konzentrierter
Salzsäure lösliches Lactam (Pyrrolidoncarbonsäure), das durch Erwärmen in saurer
Lösung hydrolysiert wird und Glutaminsäure frei macht, die als Hydrochlorid ausfällt,
das in konzentrierter Salzsäure nahezu unlöslich ist.
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Aus dem ersten Niederschlag von Betainhydrochlorid und anorganischen
Chloriden kann man das erstere z. B. durch Extraktion mit Methylalkohol oder Äthylalkohol,
zweckmäßig nahe dem Siedepunkt, und Auskristallisieren aus der Lösung gewinnen.
Durch
Abkühlenlassen der alkoholischen Lösung erhält man es nahezu rein, eine weitere
Menge von Betainhydrochloridkristallen erhält man durch Eindampfen der Mutterlauge
und neues Kristallisierenlassen.
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Das dann ausgefällte Glutaminsäurehydrochlorid trennt man von der
Mutterlauge durch Filtrieren; der Filterrückstand kann auch Kohlenstoff enthalten.
Aus ihm läßt sich das Glutaminsäurehydrochlorid mit einer verhältnismäßig kleinen
Menge heißen Wassers leicht extrahieren, und diese Lösung kann dann mit aktiver
Kohle oder Knochenkohle entfärbt und das Glutaminsäurehydrochlorid rein durch Sättigung
der Lösung mit Chlorwasserstoffgas ausgefällt werden. Die Glutaminsäure selbst kann
man durch Neutralisieren der salzsauren Lösung durch Zusatz von Natriumcarbonat
o. dgl. ausfällen.
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Die nach der Abscheidung -des Betainhydrochlorids verbleibenden anorganischen
Salze können einer weiteren Reinigung unterzogen oder unmittelbar als Kunstdünger
o. dgl. verwendet werden.
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Beispiel .
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Das vom Steffensverfahren verbleibende Abwasser oder eine andere entzuckerte
Melasse mit einem spezifischen Gewicht von 1,29 bis 1,40 wird mit Cfilorvvasserstöffgas
gesättigt, wobei das Gas langsam eingeleitet und die Lösung kühl, d. h. unter 7ö°
C, gehalten wird. Statt Chlorwasserstoffgas kann man auch Salzsäure zusetzen. Man
kann z. B. die entzuckerte Melasse auf eine Dichte von etwa 1,42 eindampfen und
dann zwei Raumteile konzentrierter Salzsäure in kleinen Anteilen nacheinander unter
Kühlen zugeben. Man kann aber die entzuckerte Melasse von 1,42 spezifischem Gewicht
auch sehr langsam in etwa das zweifache Volumen konzentrierter Salzsäure - einrühren.
Das Einleiten von Chlorwasserstoffgas bis zur vollständigen Sättigung erscheint
aber zweckmäßiger.
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Die gesättigte Lösung läßt man einige Zeit (18 Stunden oder länger)
an einem kühlen Ort stehen und -filtriert den Niederschlag, zweckmäßig durch Abschleudern,
von der Mutterlauge ab. Er besteht aus anorganischen Chloriden, hauptsächlich Kaliumchlorid,
enthält auch Betainhydrochlorid, dagegen kein Glutaminsäurehydrochlörid.
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Um das Betainhydrochlorid von dem Kristallgemisch abzuscheiden, extrahiert
man die von der Mutterlauge geschiedenen Kristalle mit Methylalkohol oder Äthylalkohol,
zweckmäßig bei einer nahe dem Siedepunkt liegenden Temperatur oder mit konzentrierter
Salzsäure bei Zimmertemperatur. Die Extraktion kann kontinuierlich in einem. Extraktionsapparat
ähnlich dem Soxhletapparat vorgenommen werden. Das Betainhydrochlorid löst sich
in dem Methylalkohol oder Äthylalkohol und kristallisiert beim Abkühlen der gesättigten
Lösung aus. Die Ausbeute nach weiterem Auskristallisieren und Abfiltrieren schwankt
etwas, j e nach der Konzentration der entzuckerten Melasse, beträgt aber ungefähr
11 °/o des Trockengewichts der Melasse.
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Der von der Extraktion des Betainhvdrochlorids in Alkohol unlösliche
Rückstand besteht im wesentlichen aus Kaliumchlorid und etwas Natriumchlorid; er
stellt etwa 30 °@o des Trockengewichts des Abwassers dar.
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Die nach dem Ausfällen der anorganischen Chloride und des Betainhydrochlorids
verbleibende Mutterlauge wird dann zwecks Abscheidung des Glutaminsäurehydrochlorids
auf 7o bis 95° C erhitzt. Bei höherem Erhitzen erfolgt rasche Ausfällung unter vermehrter
Kohlenstoffabscheidung, bei niedrigerer Temperatur dauert das Verfahren länger,
und es bildet sich weniger Kohlenstoff. Bei 95° C erfordert die Ausfällung z. B.
8 bis 1o Minuten, bei 9o° C 2o bis 30 Minuten, bei 85° C etwa 2 Stunden,
bei 8o° C etwa 3 Stunden, bei 70° C etwa 13 Stunden usw. Die Glutaminsäure wird
auf diese Weise in Freiheit gesetzt und ein Teil des nicht vollständig ausgeschiedenen
Zuckers entwässert und zersetzt unter gleichzeitiger Abscheidung freien Kohlenstoffs.
Beim Abkühlen fällt die Glutaminsäure als Hydrochlorid aus und kann durch Abschleudern
im Gemisch mit mehr oder weniger freiem Kohlenstoff erhalten werden. Man kann die
Glutaminsäure ohne Zersetzung des Zuckers abscheiden, indem man die Lösung vor dem
Erhitzen der Mutterlauge auf etwa 85° C mit zwei bis drei Raumteilen Wasser verdünnt.
Da das Glutaminsäurehydrochlorid aber in verdünnter Salzsäure etwas löslich ist,
muß man zwecks seiner Ausfällung die verdünnte Lösung mit Chlorwasserstoffgas sättigen.
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Enthält die so dargestellte Glutaminsäure freien Kohlenstoff, so kann
man ihr Hydrochlorid durch Extraktion mit Wasser, zweckmäßig heißem, vom Kohlenstoff
trennen, wobei sich das Hydrochlorid löst, und die Lösung mit aktiver Kohle oder
Knochenkohle entfärben. Aus der Lösung kann man die Glutaminsäure durch Zusatz derjenigen
Menge Alkali oder Alkalicarbonat ausfällen, die die Salzsäure absättigt. Man kann
die Glutaminsäure aber auch als Hydrochlorid durch Sättigung der Lösung mit Chlorwasserstoffgas
ausfällen. Die Ausbeute an Hydrochlorid schwankt etwas, beträgt aber gewöhnlich
etwa 19 °/o des Trockengewichts der entzuckerten Melasse.
Nach der
Abscheidung des Glutaminsäurehydrochlorids erhält man eine weitere Ausbeute an Betainhydrochlorid
und anorganischen Salzen durch Abdampfen der Hauptlösungsmenge im Vakuum bei einer
5o ° C nicht übersteigenden Temperatur, bis die Lösung beim Abkühlen auf Zimmertemperatur
gerade noch flüssig bleibt. Nach dem Abkühlen läßt man die Lösung 24 Stunden stehen
und filtriert dann das Gemisch von Betainhydrochlorid und anorganischen Salzen zweckmäßig
in einer Schleuder ab, um dann das Betainhydrochlorid wie oben von den Salzen durch
Extraktion mit Methylalkohol oder Äthylalkohol zu trennen.
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Eine weitere Menge des Betainhydrochlorids erhält man aus dem Hauptteil
der Lösung, die bei dem letzten Arbeitsgang entsteht, durch Eindicken im Vakuum
bei einer unter 5o° C liegenden Temperatur, bis das Wasser nahezu abgetrieben ist,
und Zusatz des Rückstands unter Rühren zu zwei Raumteilen absoluten Alkohols. Es
fällt dann rohes Betainhydrochlorid aus, das durch Umkristallisieren aus Methylalkohol
oder Äthylalkohol rein erhalten wird.
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Die Gesamtausbeute an Betainhydrochlorid beträgt ungefähr 2o °/o des
Trockengewichts der entzuckerten Melasse.
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Bei Verwendung von 1 ooo kg konzentrierter Steffensrückstände vom
spezifischen Gewicht 141 werden etwa So kg rohes Betainhy drochlorid, Zoo kg rohes
Chlorkalium und 1 oo kg rohes Glutaminsäurehydrochlorid, entsprechend 7o kg nahezu
reiner Glutaminsäure, erhalten.
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Den Alkohol in der Mutterlauge von der letzten Betainausfällung kann
man durch Abdestillieren wiedergewinnen, auch lassen sich aus dem Rückstand noch
verwendbare Verbindungen abscheiden.
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Der aus der Erfindung erwachsende Vorteil besteht einmal in einer
nahezu quantitativen Abscheidung von Betainhydrochlorid, Glutaminsäure und Kalisalzen
von den Zukkern, anorganischen Säuren, Salzen usw., die die übrigen Bestandteile
der entzuckerten Melasse bilden. Das Betainhydrochlorid läßt sich leicht rein und
frei von Glutaminsäurehydrochlorid abscheiden. Die Glutaminsäure wird rein aus entzuckerter
Melasse ohne Verwendung teurer Lösungsmittel, wie absolutem Alkohol, gewonnen. Betainhydrochlorid
und Kalium- und Natriumchloride werden aus der entzuckerten Melasse ohne Zersetzung
der Zucker- oder anderen organischen Bestandteile der Lösung ausgefällt, werden
also nahezu rein gewonnen und bedürfen nur einer einzigen Kristallisation zur genügenden
Reinigung für pharmazeutische Zwecke. Besonders geeignet ist die Erfindung für die
Nachbehandlung der Abwässer nach dem Steffensverfahren; sie eignet sich aber auch
zur Behandlung von anderen Abwässern aus der Rübenzuckerfabrikation einschließlich
der Destillationsabwässer und Schlempen. Beim Gärverfahren wird allerdings ein Teil
der stickstoffhaltigen Bestandteile von der Hefe aufgezehrt, so daß die Zusammensetzung
der Destillationsabwässer bzw. Schlempe etwas von derjenigen des Abwassers aus dem
Saccharatverfahren abweicht.