DE4133383A1 - Verfahren und vorrichtung zur kontinuierlichen gewinnung von mikrobiellen fermentierungsprodukten und/oder zellmasse - Google Patents
Verfahren und vorrichtung zur kontinuierlichen gewinnung von mikrobiellen fermentierungsprodukten und/oder zellmasseInfo
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Description
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur kontinuierlichen
Gewinnung von mikrobiellen Fermentierungsprodukten
und/oder mikrobieller Zellmasse in einem Fermentierungs
reaktor, dem Substrat und ggf. Mikroorganismus kontinu
ierlich zugeführt und Produktphase unter gegebenfalls
vollständiger oder teilweise Retention der Zellmasse ent
nommen wird, sowie eine Vorrichtung zur Durchführung die
ses Verfahrens. Insbesondere sind Verfahren und Vorrich
tung zur Gewinnung von Milchsäure sowie von Milchsäure
bakterien geeignet.
Bei der industriellen Gewinnung von Milchsäure auf dem
Wege der mikrobiellen Fermentation wird bislang aus
schließlich im diskontinuierlichen Verfahrensmodus ope
riert. Daraus resultiert der grundsätzliche Nachteil, daß
die Reaktoren nach dem Stand der Technik nur mit einer
äußerst niedrigen, am wirtschaftlichen Schwellenwert lie
genden volumetrischen Produktivität arbeiten können.
Aus diesem Grunde hat man Verfahren entwickelt, die die
Produktivität deutlich steigern sollen. Ein wesentliches
Merkmal dieser Entwicklungen, die allerdings noch nicht
ihre industrielle Realisierbarkeit nachweisen konnten,
ist die kontinuierliche Verfahrensweise. Diese ist ge
kennzeichnet durch eine Retention der Mikroorganismenzel
len, die frei suspendiert im Medium einen optimalen Kon
takt und Austausch zu den Nährstoffen erhalten und durch
Membranfilter oder Zentrifugen im Reaktor zurückgehalten
werden, während die Serumphase der Zellsuspension mit ei
ner bestimmten, die Verweilzeit bestimmenden Aus
tauschrate abgetrennt und durch neues Fermentationssub
strat ersetzt wird. Da die Zellen nicht aus dem Reaktor
ausgewaschen werden, können sie sich zu wesentlich höhe
ren Zelldichten entwickeln als dies im diskontinuierli
chen Prozeß wegen der notwendigen Unterbrechungen und
ständig sich wiederholenden An- und Abfahrphasen der An
lage möglich ist.
Dennoch gelingt es trotz der kontinuierlichen Verfahrens
weise erst bei sehr hohen, technisch bzw. physiologisch
kaum beherrschbaren Zellkonzentrationen gegenüber dem
konventionellen Batchprozeß einen Produktivitätsvorsprung
herauszuarbeiten. Der Grund für diese experimentell
leicht festzustellende Beobachtung ist die Tatsache, daß
in einem großvolumigen Rührkesselreaktor bei vollständi
gem Umsatz der Kohlenhydratquelle aufgrund der nahezu
idealen Durchmischung an jedem Ort, d. h. im gesamten Reak
tionsraum, die gleiche hohe Endproduktkonzentration vor
liegt wie im Ablauf des kontinuierlich betriebenen Reak
tors. Die Konsequenz ist eine massive Produktinhibierung
der Mikroorganismen, d. h. eine drastisch verminderte
Reaktionsgeschwindigkeit, was nur durch eine immens hohe
Zelldichte ausgeglichen werden kann. Populationen mit ho
her Zelldichte weisen jedoch eine sehr hohe Viskosität
und das Problem eines Vitalitätsverlustes der Kultur im
Laufe der Zeit auf.
Umgekehrt hat man zwar die Möglichkeit, die hohe Endpro
duktkonzentration durch Erhöhung der Durchlaufrate, d. h.
durch eine Verminderung der Verweilzeit des Substrats, zu
reduzieren. Die Folge davon ist jedoch eine unvollstän
dige Ausbeute.
Als nachteilige Eigenschaft von Rührkesselreaktoren ist
weiterhin festzustellen, daß durch das Rühren der gesamte
Fermenterinhalt in Rotation versetzt wird, ohne daß es
zum erwünschten Effekt der guten Durchmischung kommt. Nur
Strömungsbrecher verhindern die Rotation, wandeln aber
die überschüssige Energie in Wärme um, die dann letzlich
ungenutzt durch Wärmeaustauscher wieder abgeführt werden
muß.
Zusammenfassend lassen sich kontinuierliche Fermentati
onsprozesse in konventionellen Rührkesselreaktoren da
durch charakterisieren, daß die technisch-wirtschaftli
chen Zielsetzungen "Hohe Produktivität" und "Vollständige
Ausbeute" miteinander im Zielwiderspruch stehen und sich
nur alternativ realisieren lassen.
Dementsprechend liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde,
ein kontinuierliches Fermentierungsverfahren bereitzu
stellen, daß die Nachteile der vorstehend geschilderten
Verfahren vermeidet und insbesondere eine im wesentlichen
vollständige Ausnutzung des zur Verfügung gestellten Sub
strats ermöglicht.
Diese Aufgabe wird mit einem Verfahren der eingangs ge
schilderten Art gelöst, das in einem Rohrreaktor in einem
dafür geeigneten Medium durchgeführt wird, der von dem
Medium turbulent durchströmt wird, wobei in Abhängigkeit
von einer für den Organismus spezifischen Verweilzeit
frisches Substrat zugeführt wird.
Unter Substrat wird erfindungsgemäß ein übliches Nährme
dium verstanden, das alle für die Gewinnung des erwünsch
ten Fermentierungsprodukts oder der Zellmasse erforderli
chen Nährstoffe und -salze enthält und auf einen geeigne
ten pH-Wert eingestellt ist. Als Medium wird das im Reak
tor vorhandene Fermentierungsmedium aus Substrat, Produkt
und Zusätzen bezeichnet.
Die Erfindung zeichnet sich dadurch aus, daß der Reaktor
aus einer langen, schlanken Rohrstrecke besteht, die tur
bulent durchströmt wird. Rührelemente sind nicht erfor
derlich, so daß ein sehr effektiver Energieeinsatz gege
ben ist. Dieser Rohrreaktor wird kontinuierlich und vor
zugsweise mit Zellretention betrieben. Entlang der Rohr
strecke findet der fermentative Stoffumsatz statt, und es
entwickeln sich in Strömungsrichtung Konzentrationsgradi
enten. In dem Maße, wie es zum allmählichen Umsatz der
Kohlenhydratquelle kommt, baut sich in inverser Form eine
Reaktionsproduktkonzentration auf. Zu hohen Konzentratio
nen des inhibierenden Endproduktes (Lactat) kommt es also
erst in der letzten, vergleichsweise kleinen Zone der
Rohrstrecke, während die Mikroorganismen in der vorderen
Zone physiologisch nahezu ungehemmt mit maximaler
Reaktionsgeschwindigkeit arbeiten können. Ferner befinden
sich die Mikroorganismen im vorderen Teil der Rohrstrecke
in einem Medium mit einer hohen Substratkonzentration,
woraus ebenfalls eine Steigerung der Reaktionsgeschwin
digkeit resultiert. Die durchschnittliche Produktivität
des Reaktors liegt dadurch insgesamt drastisch oberhalb
derjenigen von Rührkesselreaktoren. Gleichzeitig, d. h..
ohne Verzicht auf eine hohe Produktivität, läßt sich der
Rohrreaktor so betreiben, daß im Fermenterablauf eine
vollständige Ausbeute erreicht wird.
In Bezug auf die Prozeßführung erweist es sich als sehr
großer Vorteil, daß die Verweilzeitverteilung der Fluid
elemente bei turbulenter Strömung (Reynold-Zahl Re2500)
und bei Rohrdurchmessern von DN 40 bis DN 120 sehr
eng ist. D.h. die Verweildauer von schnellsten und lang
samsten Fluidelementen ist im Gegensatz zu kontinuierlich
betriebenen Rührkesseln sehr einheitlich. Eine turbulente
Strömung kann auch bei niedrigeren Strömungsgeschwindig
keiten verwirklicht werden, etwa durch Einbau von Strö
mungsbrechern in der Rohrstrecke.
Die sich beim erfindungsgemäßen Verfahren entwickelnde
Strömung kann als eine turbulente Pfropfenströmung be
zeichnet werden. Dies hat zur Folge, daß sich entlang der
Reaktionsstrecke bezüglich des Substrats Konzentrations
gradienten einstellen, d. h. sich einmal gebildetes Pro
dukt im wesentlichen innerhalb des Reaktorsegments ver
bleibt und nicht, wie in herkömmlichen kontinuierlichen
Reaktoren, die Produktkonzentration im Gesamtreaktor er
höht. Hierdurch wird eine vorzeitige Produkthemmung ver
mieden.
Desweiteren ist es mit dem erfindungsgemäßen Verfahren
möglich, Substrat und ggf. erforderliche weitere Zusätze
gezielt einzudosieren, so daß eine Substrathemmung ver
mieden werden kann. Dies geschieht beispielsweise da
durch, daß in dem Beginn der Reaktionsstrecke nur relativ
niedrig konzentriertes Substrat eingespeist wird und wei
teres Substrat stufenweise über den Verlauf der Reakti
onsstrecke zudosiert wird, so daß eine maximale Konzen
tration nicht überschritten wird, dabei aber die volle
Fermentierungskapazität ausgenutzt wird. Entsprechendes
gilt für andere Zusätze, beispielsweise die bei der Er
zeugung von Milchsäure zur pH-Regulierung erforderliche
Lauge, etwa NaOH oder NH4OH.
Die Erfindung betrifft ferner einen Reaktor zur Durchfüh
rung dieses Verfahrens mit wenigstens einem Einlaß für
Substrat, Mikroorganismus und ggf. erforderlichen weiteren
Zusätzen sowie einem Auslaß für Produktphase, einer Ein
richtung zur Retention bzw. Rückführung des Mikroorga
nismus sowie Einrichtungen zur Steuerung von Temperatur,
Durchfluß und anderer wesentlicher Parameter, bei dem es
sich um einen Rohrreaktor mit einem inneren Durchmesser
handelt, der in Verbindung mit der für den im wesentli
chen vollständigen Umsatz des Substrats benötigten Strö
mungsgeschwindigkeit des Mediums und dessen Viskosität
eine turbulente Strömung ergibt.
Das erfindungsgemäße Verfahren und der dazu entwickelte
Rohrreaktor bringen eine Reihe von konstruktiven und ap
parativen Vorteilen mit sich. So ist die bauliche Gestal
tung außerordentlich einfach und kostengünstig und ferner
eine einfache Anpassung an den jeweils interessierenden
Mikroorganismus möglich. Substrat- und Nährsalzkonzentra
tion und Strömungsgeschwindigkeit sowie Zellmasse, pH-
Wert und andere Parameter können sehr einfach über do
sierte Einspeisung bzw. -entnahme gesteuert werden. Rei
nigung und Sterilisation der Anlage sind sehr sicher, da
die gesamte innere Oberfläche totraumfrei umspült wird.
Der erfindungsgemäß verwandte Rohrreaktor hat ein ausge
sprochen hohes Oberflächen/Volumen-Verhältnis, das einen
Transfer von Wärme und ein zuverlässiges Scale-up für je
den Produktionsmaßstab ermöglicht. Über die außerordent
lich lange Reaktionsstrecke können Temperaturgradienten
aufgebaut werden, wodurch sich der temperaturabhängige
Wachstums- und Produktbildungsprozeß leicht beeinflussen
läßt. In Verbindung mit der sehr einfach zu steuernden
Substratkonzentration lassen sich in jedem Bereich des
Reaktors die optimalen Wachstums- und Produktbil
dungsbedingungen einstellen. Apparate und Meßgeräte zur
Prozeßkontrolle lassen sich überall integrieren, so daß
eine sehr genaue Überwachung des Verfahrensablaufs mög
lich ist.
Zusammengefaßt ausgedrückt liegt das charakteristische
Hauptmerkmal und die sowohl wirtschaftlich wie ökologisch
neuartige Eigenschaft des Rohrreaktors zur fermentativen
Milchsäuregewinnung in der Möglichkeit, eine vollständige
Ausbeute und hohe Produktivität bei insgesamt sehr nied
rigem Energieeinsatz zu ermöglichen.
Über mehrere experimentelle Zwischenstufen wurde in ver
schiedenen Reaktoren der Fermentationsprozeß in bezug auf
die Substratzusammensetzung und Zellkonzentrationen so
weit optimiert, daß sehr kurze Fermentationszeiten bis
zum vollständigen Stoffumsatz im Bereich von 60 bis 90
min erreicht werden konnten. Bei zu langen Umsatzzeiten
wäre die erforderliche Rohrlänge technisch unbeherrsch
bar. Auf der Basis dieser Ergebnisse wurde bei der Ent
wickung letztlich ein Rohrreaktor mit L = 630 m mit
einem Rohrdurchmesser von 50 mm installiert sowie mit den
erforderlichen Instrumenten und Apparaten zur Zellreten
tion (Membran, Zentrifuge) und Zellrückführung, zur Pro
zeßkontrolle und zur Regelung versehen. Mit einem Reakti
onsvolumen von 1,2 m3 und einem Volumendurchsatz an Fer
mentationssubstrat von etwa 750 l/h konnte der Proto
typreaktor experimentell in einem industrienahen Maßstab
nachweisen, daß das Konzept der fermentativen Milchsäure
gewinnung in turbulenter Rohrströmung praxisgerecht und
produktionstechnisch umsetzbar ist. Die Produktivität des
Reaktors liegt bei einer Zelldichte bis zu 20 g Trocken
substanz/l bei bis 35 g Lactat/(lh), wohingegen die der
zeit in der Industrie eingesetzten Reaktoren nicht mehr
als durchschnittliche 1 bis 2 g/(lh) aufweisen.
Claims (11)
1. Verfahren zur kontinuierlichen Gewinnung von mikro
biellen Fermentierungsprodukten und/oder mikrobieller
Zellmasse in einem Fermentierungsreaktor, dem Substrat
und ggf. Mikroorganismus kontinuierlich zugeführt und
Produktphase unter gegebenenfalls vollständiger oder
teilweiser Retention der Zellmasse entnommen wird, da
durch gekennzeichnet, daß das Verfahren in einem Rohr
reaktor in einem dafür geeigneten Medium durchgeführt
wird, der von dem Medium turbulent durchströmt wird,
und daß in Abhängigkeit von einer für den Organismus
spezifischen Verweilzeit frisches Substrat zugeführt
wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß
es zur Gewinnung von Milchsäure und/oder Milchsäure
bakterien verwandt wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeich
net, daß die Strömung im Rohrreaktor eine
Pfropfenströmung ist.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, gekenn
zeichnet durch eine Reynoldszahl der Strömung von
2500.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch
gekennzeichnet, daß entlang der Reaktionsstrecke Tem
peraturgradienten zur optimalen Substratverwertung
aufgebaut werden.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch
gekennzeichnet, daß entlang der Reaktionsstrecke Sub
strat und/oder ggf. benötigte Zusätze zugesetzt wer
den.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch
gekennzeichnet, daß die Strömungsgeschwindigkeit der
gestalt eingestellt wird, daß am Ende des Rohrreaktors
das Substrat im wesentlichen zu Produkt umgesetzt ist.
8. Reaktor zur kontinuierlichen Gewinnung von mikro
biellen Fermentierungsprodukten und/oder mikrobieller
Zellmasse nach Anspruch 1 mit wenigstens einem Einlaß
für Substrat, Mikroorganismus und ggf. erforderliche
weitere Zusätze sowie einem Auslaß für Produktphase,
einer Einrichtung zur Retention bzw. Rückführung des
Mikroorganismus sowie Einrichtungen zur Überwachung
und Steuerung von Temperatur, Durchfluß und anderer
wesentlicher Parameter, dadurch gekennzeichnet, daß es
sich um einen Rohrreaktor mit einem inneren Durchmes
ser handelt, der in Verbindung mit der für den im we
sentlichen vollständigen Umsatz des Substrats benötig
ten Strömungsgeschwindigkeit des Mediums und dessen
Viskosität eine turbulente Strömung ergibt.
9. Reaktor nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, daß
der innere Durchmesser des Rohres 40 bis 120 mm be
trägt.
10. Reaktor nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, daß
die Reynoldszahl der Strömung Re 2500 ist.
11. Reaktor nach einem der Ansprüche 8 bis 10, gekenn
zeichnet durch eine Gesamtlänge der Rohrstrecke von 50
bis 1000 m.
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