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Verfahren zum Brennen von Kalkmergeln. Hydraulische Kalke werden aus
Kalkmergeln gewonnen, die mehr als 74 Prozent Kälziumkarbonat und mehr als ro Prozent
Tonsubstanz enthalten. Werden die Kalkmergel bei zu niedriger Temperatur gebrannt,
so findet keine hinreichende Bindung zwischen Kalk und Hydraulefaktoren statt. Das
Brennprodukt hat bei zu schwachem Brande auch bei günstiger Zusammensetzung der
Kalkmergel keine oder nur sehr geringe hydraulische Eigenschaften; bei Wasserbenetzung
zerfällt dasselbe rasch und vollständig, und als Mörtelbildner verhält es sich ähnlich,
wie aus hochprozentigem Kalkgestein erbrannter Fettkalk. Bei Anwendung zu hoher
Brenntemperaturen bilden sich immer die das Wassererhärtungsvermögen bedingenden
Kalkaluminate und Kalksilikate, aber der freie Ätzkalk geht in mehr oder minder
hohem Maße feste Lösungen mit denselben ein, und - das Ofenerzeugnis verliert die
Fähigkeit, bei der Berührung mit Wasser freiwillig abzulöschen. Der Kalk ist überbrannt,
und der Hydratationsprozeß setzt sich nach dem Abbinden des Mörtels - unter den
bekannten gefährlichen Treiberscheinungen fort.
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Für das Brennen hydraulischer Kalke gilt nun als Grundregel, dieselben
zur möglichst vorteilhaften Entwickelung der hydraulischen Eigenschaften bei den
höchsten noch zulässigen Temperaturen zu brennen; dabei muß aber die Brenntemperatur
zur Verhütung der Treibgefahr des Erzeugnisses dahin begrenzt werden, daß ein Überbrennen
des Kalkes vermieden wird und ein freiwilliger Löschprozeß, also ein möglichst vollkommenes
Zerfallen des gebrannten. Kalkes bei Wasserbenetzung, gesichert bleibt.
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Die praktische Durchführung der anerkannten Grundregel ist nun sehr
schwierig. Die Kalkmergel sind selten einheitlich zusammengesetzt, und nicht nur
die verschiedenen Schichten eines Kalkmergellagers zeigen erhebliche Unterschiede
in Kalk- und Tonsubstanz, sondern auch die einzelnen Schichten selbst sind des öfteren
ungleichmäßig zusammengesetzt. Daraus folgt, daß selbst bei Anwendung vollkommener
Brennapparate, die eine weitgehende Regelung der Temperatur gestatten, die Einhaltung
der richtigen Temperaturhöhe schwierig ist, weil kalkreicheres und kalkärmeres Gestein
ständig wechselnd dem Ofen zugeführt werden. Unmöglich ist die Einhaltung einer
bestimmt begrenzten Brenntemperatur in den gewöhnlichen, in der Kalkindustrie üblichen
Schacht-und Ringöfen, weil in den verschiedenen Teilen dieser Öfen immer verschiedene
Temperatüren_ herrschen; hier häufen sich also die Fehler.'
Nun will man mit
Recht bei der Herstellung, hydraulischer Kalke in erster Linie das Überbrennen und
damit die Treibgefahr vermeiden und brennt der Sicherheit halber daher unter Verzicht
auf die volle Entwickelung der hydraulischen Eigenschaften des Kalkes denselben
im allgemeinen mit zu niedriger Temperatur. Daher kommt es, daß die handelsüblichen
hydraulischen Kalke,
auch wenn sie aus günstig zusammengesetztem
Rohgestein erbrannt sind, -als Mörtelbildner ein iweit ,geringeres Wassererhärtungsvermögen
und,- auch geringere Festigkeiten aufweisen, als nach der Zusammensetzung des Rohgesteins
erwartet 'werden könnte.
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Das nahstehend beschriebene Verfahren löst nun die Aufgabe, die hydraulischen
Eigenschaften der Kalkmergel durch ein geeignetes Brenn- und Aufbereitungsverfahren
unter sicherer Beseitigung jeglicher Treibgefahr voll nutzbar zu machen.
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Von der bekannten Tatsache ausgehend, daß eine Entsäuerung des Kalziumkarbonäts
der Mergel im allgemeinen schon bei goo° C Brenntemperatur stattfindet, «nährend
bei dieser Temperatur die Bildung der Kalkaluminate und Kalksilikate noch nicht
in erheblichem Umfange erfolgt, wird ein Teil des zu brennenden Gesteins, _ welcher
als »Masse I« bezeichnet werden möge, bei einer Temperatur gebrannt, die jedenfalls
über goo° liegt, aber sich nicht allzu hoch darüber erhebt; es wird also die Masse
I bei einer -Temperatur gebrannt, bei welcher die Bildung der Kälkalurninate und
Kalksilikate allemal wirksam eingeleitet wird. Die Brenntemperatur wird im allgemeinen
bei iooo° C liegen, nvobei die Eigenart der Brennöfen Schwankungen nach oben oder
unten bedingen mag. Die Höhe der Brenntemperatur ist von Fall zu Fall zu ermitteln,
und sie ist richtig gewählt, wenn das gebrannte Produkt bei genügender Wasserbenetzung
rasch und nahezu vollständig unter starker Wärmeentwickelung zerfällt; ohne daß
sich überbrannte Teile in erheblicher Menge in der zerfallenen Masse vorfinden.
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Der andere Teil des Gesteins, welcher als »Masse II« bezeichnet werden
soll, wird bei wesentlich erhöhter Temperatur so scharf gebrannt, daß .eine Sinterung
des Scherbens zwar eingeleitet wird, die Temperatur aber unter der eigentlichen
Sinterungstemperatur bleibt. Die Höhe der Brenntemperatur ist ebenfalls von Fall
zu Fall zu ermitteln.; dieselbe ist richtig gewählt, wenn die gebrannte Masse auch
bei ausgiebiger Wasserbenetzung nur zum Teil und unter Zurücldassung einer größeren
Menge von schwer löschbaren Grießen langsam zerfällt.
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Bei AnNvendung von Ringöfen kann man . durch entsprechende Befeuerung
der einzelnen Kammern die Brenntemperaturen für die Massen I und II leicht regeln,
während man bei Anwendung von Schachtöfen die Massen in verschiedenen Öfen getrennt
brennen wird.
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Die Masse I hat allemal- eine erhebliche Z_öschenergie bei mäßig entwickelten
hydraulischen Eigenschaften des Produkts. Die Masse II dagegen ist löschträge, ihre
hydraulischen Eigenschaften sind aber sehr hoch entwickelt,und das bei der unvollkommenen
Hydratation entstehende Zerfallsprodukt ist durchsetzt mit Krebszementen, welche
die Mineralbestandteile des echten Portland-7ementes, angereichert durch Atzkalk
in fester Lösung, enthalten.
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Die Aufbereitung des hydraulischen Kalkes erfolgt nun in der Weise,
daß die scharf gebrannte Masse II durch ausgiebige Wasserbenetzung zum Zerfallen
gebracht wird -und dann gemeinsam mit der Masse I, die nicht mit Nasser benetzt
werden darf, in einer Mühle fein vermahlen wird, oder daß die Scharfbrandnasse II
_ gegebenenfalls nach Wasserbehandlung fein gemahlen und als Feinmehl der Masse
beigegeben wird. Das in dieser Weise erzeugte Feinmehl bzw. Gemisch wird einem Trockenlöschprozeß
unterworfen,wobei alle treibgefährlichen Teilchen desselben beruhigt werden.
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Alle bisher bekannt gewordenen und, empfohlenen Brennmethoden zielen
darauf ab, die Kalkmergel mit einer gleichmäßigen Mitteltemperatur, die entsprechend
der mittleren Zusammensetzung des Gesteins als möglichst vorteilhafte Durchschnittstemperatur
gewählt wird, zu brennen. Das Brennprodukt wird sorgfältig sortiert; und die überbrannten
Stücke werden ausgelesen, während zu schwach gebrannte Stücke dem Ofen wieder zugeführt
werden. Nur die südfranzösische Kalkindustrie- hat mit sehr umständlichen Fabrikationsmethoden
sich den stark wechselnden Ergebnissen dieser Brennmethode angepaßt; sie fabriziert
durch ein mehrfach wiederholtes Lösch-, Sicht;- und Mahlverfahren drei Fertigerzeugnisse
aus dem Ofenerzeugnis: Leichtkalk, Schwerkalk und sogenannten Crappier-Zement. Das
Verfahren ist aber teuer und. verwickelt. - ' Bei der hier beschriebenen Brenn-
und Aufbereitungsmethode wird unter Nutzbarmachung-des ganzen Ofeninhalts ein einheitliches
und vollkommen gleichmäßiges Fertigerzeugnis mit hohen hydraulischen Eigenschaften
erzielt. Das mit der niederen Temperatur gebrannte Gestein liefert ein Produkt von
hoher Löschfähigkeit mit mäßig entwikkelten hydraulischen Eigenschaften; das mit
hoher Temperatur erbrannte Gestein liefert ein löschträges Produkt, dessen hydraulische
Eigenschaften erheblich über das Maß' gesteigert sind, welches bei dem Brennen der
Gesamtmasse auch mit einer möglichst vorteilhaften Durchschnittstemperatur überhaupt
erreicht werden könnte.
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Durch die Art der Aufbereitung werden nun die Fehler, welche den Enzelerzeug-
-nissen,
jedes für sich allein betrachtet, anhaften, vollkommen
ausgeglichen. Die hydrau- i lischen Eigenschaften -der schwach gebrannten Partie
werden aufgebessert, und die treibgefährlichen Eigenschaften der scharf gebrannten,
hoch hydraulischen Partie werden mit Hilfe der Löschenergie der leicht gebrannten
Partie wirksam beseitigt. Das Endergebnis ist ein unbedingt treibfreier hydraulischer
Kalk.
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Unzweifelhaft ist es technisch und wirtschaftlich vorteilhaft, den
hydraulischen Kalk durch einfache Fabrikationsmethoden derart zu verbessern, daß
er die` durch Zementzusatz erzielbaren Eigenschaften in sich selbst trägt.