DE19738611A1 - Automatische Notbremsfunktion - Google Patents
Automatische NotbremsfunktionInfo
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Description
Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren und eine Vorrichtung für eine Notbremsfunktion
eines Fahrzeuges gemäß den Oberbegriffen der Ansprüche 1 bzw. 13.
Zur Erhöhung der Sicherheit für Fahrzeug und Lenker im heutigen Straßenverkehr wird
neben dem Einsatz von fahrzeugübergreifenden Verkehrsleitsystemen zunehmend versucht,
den Fahrer bei Routinetätigkeiten sowie in außergewöhnlichen Fahrsituationen mit Hilfe von
Systemen zu unterstützen, die automatisch in die Steuerung des Fahrzeuges oder einzelner
Fahrzeugkomponenten eingreifen.
Ein erster Schritt hierzu war der Einsatz von Antiblockiersystemen (ABS) und
Antriebsschlupfregelungen (ASR) zur Erhöhung der Stabilität des Fahrzeuges in
längsdynamisch kritischen Situationen, d. h. bei Brems- und Beschleunigungsvorgängen.
Des weiteren finden sog. Fahrdynamikregelungen (FDR) bzw. Fahrstabilitätsregelungen
(FSR) Einsatz zur Erhöhung der Fahrstabilität in querdynamisch kritischen Situationen, also
insbesondere in Fahrsituationen, die durch einen Lenkradeinschlag des Fahrers
hervorgerufen und beeinflußt werden. FDR werten Sensorinformationen aus, die an
einzelnen Komponenten oder dem Gesamtfahrzeug durch geeignete Sensoren
abgenommen werden und korrelieren diese anhand spezieller Auswertealgorithmen.
Hierdurch wird es möglich, querdynamisch kritische Situationen zu erkennen und durch
gezielte Beeinflussung einzelner Parameter der Fahrzeugdynamik, z. B. Lenkradwinkel,
Fahrgeschwindigkeiten und -beschleunigungen, das Fahrzeug positiv in bezug auf die
querdynamisch kritische Situation zu beeinflussen. Hierbei spielt insbesondere auch die
Reibungssituation zwischen Fahrzeugreifen und Fahrbahn eine wichtige Rolle, da hiervon
die Kraftübertragung zwischen Fahrzeug und Fahrbahn aufgrund von Regeleingriffen direkt
abhängt. FDR arbeiten aber sozusagen blind in Bezug auf die Umgebung des Fahrzeuges,
die sich beispielsweise aus der Straßenumgebung und aufgrund anderer in der Nähe
befindlicher, sich bewegender Fahrzeuge ergibt. Somit können FDR allein nicht dazu
herangezogen werden, fahrphysikalisch sinnvolle Eingriffe in die Fahrzeugbewegung
daraufhin zu untersuchen, ob mit den Eingriffen auch sinnvolle Fahrbewegungen in bezug
auf in der Nähe befindliche, sich bewegende Fahrzeuge oder die Fahrbahnumgebung
hervorgerufen werden.
Es sind andererseits Systeme vorgeschlagen worden, die durch gezieltes Beschleunigen
bzw. Verzögern und/oder durch Ausweichmanöver eine Kollision des Fahrzeuges mit einem
Hindernis verhindern sollen. Derartige, als Collision Avoidance Systems (CAS) bezeichnete
Systeme sollen das Fahrzeug aus mittels Sensoren erkannten Kollisionssituationen dadurch
herausführen, daß durch eine vom Fahrer entkoppelte Lenkung und damit unabhängig vom
Fahrer auszuführende Lenkbewegungen sowie ebenfalls fahrerunabhängig gesteuerte
Beschleunigungen bzw. Verzögerungen des Fahrzeuges eine Kollision vermieden wird. In
der EP 0 582 236 wird ein neuronales Netzwerk vorgeschlagen, das mittels Auswertung von
laufend per CCD-Kamera aufgenommener Umgebungsbilder die Umgebung auf mögliche
Kollisionen auswertet und anhand zusätzlicher Signale des Fahrzustandes des Fahrzeuges
eine Beeinflussung von Fahrzeuggeschwindigkeit und Lenkbewegung vornimmt. Eine
andere Lösung schlägt die DE 43 02 527 vor, bei der durch Segmentierung des zu
überwachenden Straßenbereiches unter Einbeziehung von Zustandsinformationen des
Fahrzeuges Regeln abgeleitet werden, wie durch Brems- und Lenkoperationen einem
erkannten Hindernis ausgewichen werden kann. Hauptproblem dieser vorgeschlagenen
Systeme ist die Komplexität von CAS, die nur mittels einer stark ausgebauten Sensorik im
Fahrzeug sowie Regelungsstrategien sicher funktionieren können, die z. B. auch das Wissen
über freie Fluchtwege in einer vorgegebenen Fahrsituation benötigen. Da zu generierende
Ausweich- und Beschleunigungsstrategien nur mit einem Höchstmaß an plausibler
Absicherung der Reaktion ohne ein zusätzliches Sicherheitsrisiko für Fahrer und Fahrzeug
ausführbar sind, übersteigt die Komplexität von Aufwand und Zuverlässigkeit die Grenzen,
die von der Automobiltechnik derzeit geleistet werden können.
Aufgrund der Komplexität von CAS und den Schwierigkeiten bei der Realisierung wurde eine
Reihe von Einzelsystemen vorgeschlagen, mit denen einzelne Funktionen von CAS realisiert
werden können. Aus einer Reihe von Veröffentlichungen (z. B. DE 42 18 484 A1,
DE 43 28 304 A1) sind Abstandserfassungssysteme (ADR = Automatische Distanz
Regelung) bekannt, mit denen der Abstand eines Fahrzeuges von anderen Fahrzeugen und/oder
festen Gegenständen in Fahrtrichtung erfaßt und hinsichtlich eines notwendigen
Bremsverhaltens beeinflußt werden kann. Aus der EP 0 545 437 A2 ist ein Verfahren zur
Vermeidung von Kollisionen von Kraftfahrzeugen bekannt, mit dem in Fahrtrichtung
beabstandete Fahrzeuge erfaßbar sind und mittels Warnmeldungen der Fahrer bei
unzulässigen Annäherungen gewarnt wird. Der Fahrer hat dann aufgrund des noch nicht
erreichten Abstandsminimums Gelegenheit, selbst entsprechende Bremsvorgänge
einzuleiten. Bei Unterschreiten eines minimal zulässigen Abstandes wird dann das Fahrzeug
automatisch so abgebremst, daß sich der geforderte Abstand wieder einstellt. In der
GB 2 262 829 wird insbesondere das Bewegungsverhalten der beteiligten Fahrzeuge in die
Verzögerungsstrategie einbezogen, um nicht unnötige oder sogar gefährliche
Abbremsungen herbeizuführen. Nachteilig an derartigen Systemen ist es, daß die Warnung
vor einer Kollision bzw. die Korrektur der Bewegung des Fahrzeuges ständig und
weitgehend ohne Beeinflussungsmöglichkeit durch den Fahrer erfolgt. Aufgrund der
notwendigen Absicherung der Regelalgorithmen erfolgt eine Aktion der Systeme schon sehr
frühzeitig, um die Reaktion, z. B. das Abbremsen des Fahrzeuges, nicht zu abrupt ausführen
zu müssen. Hierdurch spricht das System auch schon in Situationen an, die von einem
mehr oder minder geübten Fahrer ohne Probleme noch selbst gemeistert worden wären.
Der Fahrer empfindet die ständigen und aus seiner Sicht nur in einer geringen Anzahl von
Fällen tatsächlich notwendigen Eingriffe als Bevormundung, wodurch die Akzeptanz
derartiger Systeme nur gering sein kann.
Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es daher, ein Verfahren und eine Vorrichtung der
gattungsgemäßen Art so weiterzubilden, die dem Fahrer ein Höchstmaß an
Entscheidungssouveränität beim Ausweichen gegenüber Hindernissen ermöglichen, ohne im
Falle einer tatsächlichen Kollisionssituation auf die Vorteile eines den Fahrer
unterstützenden Systems zur Kollisionsbegrenzung zu verzichten.
Die Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe ergibt sich in Zusammenwirken mit den
Merkmalen des Oberbegriffes aus den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruches 1 bzw.
13. Die Unteransprüche beschreiben bevorzugte Weiterbildungen des erfindungsgemäßen
Verfahrens und der erfindungsgemäßen Vorrichtung.
Es hat sich bei der Auswertung von Unfallstatistiken gezeigt, daß ein großer Teil aller Unfälle
mit Kollisionen zwischen Fahrzeugen und/oder der Straßenumgebung durch menschliches
Versagen, aufgrund sog. Fahraufgabenfehler und durch den physiologischen Fahrerzustand
bedingt wird. In diesen Fällen ist der Fahrer nur begrenzt in der Lage, durch gezielte
Aktionen die Kollision zu verhindern. Darüber hinaus ist festzustellen, daß bei einer ebenfalls
sehr hohen Prozentzahl von Kollisionsunfällen nur leicht oder sogar gar nicht gebremst
wurde. Gleichzeitig ist bei einer ähnlich hohen Anzahl von Kollisionsunfällen festzustellen,
daß die Unfallfolgen durch Verringerung der Fahrzeuggeschwindigkeit im Zeitpunkt des
Aufpralls signifikant zu verringern wäre.
Das erfindungsgemäße Verfahren geht daher von dem Grundgedanken aus, daß aufgrund
der Komplexität möglicher Kollisionssituationen der Fahrer des Fahrzeuges so lange wie
möglich die Gelegenheit haben soll, durch von ihm selbst vorzunehmende Handlungen wie
Brems- und/oder Lenkoperationen die Kollision zu vermeiden. Erst wenn sich aufgrund der
fahrphysikalischen Gegebenheiten, die sich aus dem Fahrzustand des Fahrzeuges sowie
der Kollisionskonstellation ergibt, eine Kollision eindeutig nicht mehr zu vermeiden ist, wird
durch eine automatisch ausgelöste und vorzugsweise möglichst starke Verzögerung des
Fahrzeuges dieses vor der Kollision so abgebremst, daß die Unfallfolgen für Fahrer und
Fahrzeug dadurch minimiert werden.
Hierzu erfaßt bei dem erfindungsgemäßen Verfahren ein an dem Fahrzeug vorgesehenes
Erfassungssystem laufend in oder nahe der Bewegungsrichtung des Fahrzeuges befindliche
Hindernisse und meldet diese an eine Auswerteeinheit weiter. Darüber hinaus sind an dem
Fahrzeug oder einzelnen seiner Baugruppen Sensoren für charakteristische Meßgrößen des
Fahrzeugzustandes bzw. des Bewegungsverhaltens des Fahrzeuges angeordnet, die
ebenfalls laufend diese Meßgrößen an die Auswerteeinheit weitermelden. Die
Auswerteeinheit ermittelt aus den weitergemeldeten Daten über die Hindernisse und den
Meßgrößen des Fahrzeugzustandes laufend Sollwerte zur Beeinflussung der
Fahrzeugbewegung. Diese Sollwerte werden jedoch nicht einfach wieder direkt für die
Fahrzeugbeeinflussung benutzt, sondern daraufhin untersucht, ob auch ohne diese
Sollwerte eine denkbare Kollision mit dem oder den Hindernissen noch verhindert werden
kann. Ist dies der Fall, so bleiben diese Sollwerte für die Fahrzeugbeeinflussung
unberücksichtigt und es bleibt dem Fahrer des Fahrzeuges die volle Entscheidungsfreiheit,
wie er selbst dem Hindernis ausweichen will. Erst bei Erreichen einer durch die
Auswerteeinheit festgestellten, fahrphysikalisch durch keine denkbare und sinnvolle
Fahrzeugbeeinflussung mittels Lenken und/oder Bremsen mehr zu um gehenden Kollision
des Fahrzeuges mit einem Hindernis wird eine automatische Notbremsung durch schnelle
Verzögerung des Fahrzeuges ausgelöst. Hierdurch wird erst in Kollisionssituationen, in
denen auch ein noch so geübter Fahrer durch selbstbestimmte Fahraktionen der Kollision
nicht mehr ausweichen kann, dafür gesorgt, daß die Unfallfolgen durch die damit erreichbare
geringere Geschwindigkeit im Kollisionszeitpunkt automatisch und ohne eventuell
kontraproduktive Aktionen des Fahrers verringert werden.
In einer Weiterbildung der Erfindung wird die fahrphysikalische Grenze für ein mögliches
Ausweichen vor dem Hindernis und damit die Auslösung der Notbremsfunktion für vom
Fahrer vornehmbare separate Brems- oder Lenkbewegungen sowie Kombinationen hiervon
bestimmt. Der Fahrer kann unterschiedlich auf eine sich abzeichnende Kollisionssituation
dadurch reagieren, daß er entweder nur bremst oder nur lenkt, um dem Hindernis
auszuweichen. Darüber hinaus kann er, wie dies auch in Sicherheitstrainings unterrichtet
wird, durch verschiedene sinnvolle Kombinationen von Lenk- und Bremsaktionen dem
Hindernis ausweichen, die zu ganz unterschiedlichem Fahrzeugverhalten und damit
Fahrresultaten beim Ausweichen führen können. Vorteilhafterweise wird der
Auslösezeitpunkt für die erfindungsgemäße automatische Notbremsfunktion durch
Auswertung von einigen oder allen derartigen Ausweichstrategien bestimmt, um eine
Notbremsung erst dann hervorzurufen, wenn keine der denkbaren Ausweichstrategien mehr
zum Erfolg führen kann.
In einer Weiterbildung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird zur Vermeidung einer
Kollision mit dem Hindernis allein durch Bremsen der Auslösezeitpunkt für die Notbremsung,
ab dem fahrphysikalisch eine Kollision nicht mehr zu umgehen ist, dadurch bestimmt, daß im
Auslösezeitpunkt der notwendige Anhalteweg gerade größer ist als der Abstand mischen
Hindernis und Fahrzeug im wesentlichen in Bewegungsrichtung. Dieser Zeitpunkt läßt sich
anhand von dem Fachmann vertrauten physikalen Größen zur Bestimmung des
Anhalteweges berechnen und muß hier nicht weiter erläutert werden. Dieser Anhalteweg
muß dann allein mit der von der Erfassungseinrichtung festgestellten Entfernung zum
Hindernis vergleichen werden.
In einer anderen Weiterbildung des erfindungsgemäßen Verfahrens mit einem Umgehen des
Hindernisses allein durch Lenkbewegungen bestimmt sich der Zeitpunkt, ab dem
fahrphysikalisch eine Kollision nicht mehr zu umgehen ist, dadurch, daß bei dem durch die
am Fahrzeug angeordneten Sensoren gemessenen Bewegungszustand des Fahrzeuges der
erforderliche Ausweichradius zum Umgehen des Hindernisses kleiner als ein sich aus dem
Bewegungszustand der Fahrzeuges errechnender Ausweichradius ist. Hierbei wird
vorteilhafterweise die Berechnung des Ausweichradius' in jeder Fahrsituation anhand des
Kamm'schen Kreises vorgenommen, einer dem Fachmann vertrauten und daher hier nicht
weiter erläuterten Berechnungsmethode.
Besonders vorteilhaft ist es, in die Berechnung des Fahrzeugzustandes aufgrund der am
Fahrzeug angeordneten Sensoren und der von ihnen ermittelten Werte auch den laufend
ermittelten Kraftbeiwert bzgl. der Kraftübertragung zwischen Reifen des Fahrzeuges und der
Fahrbahn einzubeziehen, wodurch auch eine Änderung der Reibungsverhältnisse während
der Bewegung des Fahrzeuges berücksichtigt wird und zur Verbesserung des
Notbremsverhaltens bzw. des Auslösezeitpunktes beitragen kann. Auch kann hierdurch
durch gezielte Beeinflussung der Verzögerungswerte eine maximal mögliche
Geschwindigkeitsreduzierung in Abhängigkeit vom Straßenzustand erfolgen.
Zur Erzielung einer besonders großen Geschwindigkeitsreduzierung aufgrund der
Notfallsituation sollte die automatische Bremsung mit maximalem Bremsdruck erfolgen, da
die verbleibende Restgeschwindigkeit im Aufprallzeitpunkt direkt ein Maß für die
Aufprallenergie und damit für die Belastung der Insassen darstellt. In einer Weiterbildung
erfolgt die Verzögerung bis zum Stillstand des Fahrzeuges.
Es ist von besonderem Vorteil, wenn die Verzögerung nach dem Ansprechen der
Notbremsfunktion unabhängig von Handlungen des Fahrers durch Lenkbewegungen
und/oder Bremsen erfolgt, da eine Kollision aufgrund der strengen Ansprechbedingungen
der automatischen Notbremsung sowieso nicht mehr zu vermeiden ist und eventuelle
Aktionen des Fahrers einen Teil der Wirkung der Notbremse wieder zunichte machen
könnten. Eine Vollbremsung mit maximaler Bremsverzögerung, ggf. unter Einschaltung von
Funktionen eines Antiblockiersystems und/oder einer Fahrdynamikregelung, wird im
Normalfall die deutlichste Verringerung der Unfallfolgen bewirken.
In einer Weiterbildung wird nach Erkennen eines kritischen Hindernisses und vor Auslösen
der Notbremsfunktion das Erfassungssystem im wesentlichen das erkannte
Kollisionshindernis erfassen, um auch schon geringere Änderungen der Kollisionssituation
sicher und möglichst zeitnah zu erkennen und in die Entscheidung zum Auslösen der
Notfallbremse einzubeziehen. Darüber hinaus können die hinsichtlich ihrer
Kollisionswahrscheinlichkeit nicht so kritischen eventuellen weiteren Hindernisse dann
bezüglich der Auslösung der Notbremsfunktion vernachlässigt werden, wenn eine Kollision
mit dem kritischsten Hindernis schon fast nicht mehr umgangen werden kann. Die weitere
Beobachtung der anderen möglichen Hindernisse benötigt hierbei nur unnötig Kapazität der
Erfassungseinrichtung und der Auswerteeinrichtung.
Das Verfahren zur Notbremsung wird besonders vorteilhaft bei niedrigen bis mittleren
Geschwindigkeiten des Fahrzeuges, vorzugsweise bei Geschwindigkeiten unterhalb von 120 km/h,
eingesetzt, da anhand von Auswertungen von Unfalldaten bekannt ist, daß oberhalb
von ca. 100-120 km/h nur noch wenige Kollisionsunfälle passieren und dabei die Unfallfolgen
so schwer sind, daß ein optimales Bremsen keine wesentliche Minderung der Folgen
bewirken würde.
Die erfindungsgemäße Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens zur automatischen
Notbremsung weist als Voraussetzung ein unabhängig von der Bedienung durch den Fahrer
frei ansteuerbares Bremssystem auf. Dieses Bremssystem wird nach Auslösen der
Notbremsung von den Aktionen des Fahrers völlig abgekoppelt, um den höchstmöglichen
Geschwindigkeitsabbau automatisch erzielen zu können. Hierzu weist das Bremssystem
neben hohen erzielbaren Bremswirkungen eine geringe Ansprechverzögerung auf, so daß
eine Betätigung der Bremse unmittelbar eine Verzögerung bewirkt. Besonders vorteilhaft ist
es, wenn die Vorrichtung mit einem Antiblockiersystem und/oder einer elektronischen
Blockierverhinderung und/oder einer Fahrdynamikregelung kombiniert ist, da dann der
Fahrzeugzustand auch während der Bremsung und bei kritischen Straßenverhältnissen
besser kontrollierbar bleibt. Da derartige Systeme mittlerweile in viele Fahrzeugen
serienmäßig eingebaut sind, kann die Vorrichtung zur automatischen Notfallbremsung
vorteilhafterweise auch mit den bekannten Systemen verbunden oder in diese integriert
werden.
Die erfindungsgemäße Vorrichtung für die Erfassung des Bewegungszustandes des
Fahrzeuges weist zumindest Sensoren für die Erfassung von Lenkwinkel,
Fahrzeuggeschwindigkeit und/oder Fahrzeuggierwinkel auf, um die aktuelle
Fahrzeugsituation und deren Veränderungen erfassen zu können. Ggf. können auch die in
Antiblockiersystemen oder Fahrdynamikregelungen enthaltenen Sensoren gleichzeitig hierzu
genutzt werden.
Von besonderem Vorteil ist es, wenn die Vorrichtung Sensoren und Auswerteeinrichtungen
zur Bestimmung des Kraftbeiwertes µ zwischen Straße und Reifen des Fahrzeuges
aufweist, mit denen der jeweilige Straßenzustand erfaßt werden kann. Hieraus können dann
Werte für die maximal mögliche Verzögerung gewonnen werden, die beispielsweise bei
nasser oder glatter Straße auch während des Bremsvorganges ständigen Veränderungen
unterliegen können.
Als Sensoren zur Erfassung der Umgebung werden vorzugsweise Radar- oder
Lasersensoren eingesetzt, die dem Fachmann in ihrer Anwendung vertraut sind. Es sind
aber auch alle anderen Arten von Sensoren denkbar, die eine ausreichende Vorausschau
über den Bewegungsbereich des Fahrzeuges erlauben und für den Einsatz unter rauhen
Fahrzeugbedingungen geeignet sind.
Eine besonders vorteilhafte Ausbildung des erfindungsgemäßen Verfahrens und der
erfindungsgemäßen Vorrichtung zur automatischen Notbremsung zeigt die Zeichnung.
Es zeigen:
Fig. 1 eine potentielle Unfallsituation an einer Kreuzung mit einem stehenden und
einem kreuzenden Fahrzeug;
Fig. 2 eine Auffahrsituation auf einem geraden Straßenabschnitt;
Fig. 3 Struktur einer Signalverarbeitung der automatischen Notbremse.
In der Fig. 1 ist eine typische potentielle Unfallsituation in einem Kreuzungsbereich
dargestellt, bei der ein fahrendes Fahrzeug 1 in die Gefahr einer Kollision mit einem jenseits
der Kreuzung 7 stehenden Fahrzeug 2 und einem kreuzenden Fahrzeug 3 kommt. Dem
stehenden Fahrzeug 2 kann der Fahrer des Fahrzeuges 1 aufgrund des großen Abstandes
noch durch Lenkbewegungen entlang der Ausweichbahn 5 noch ausweichen, ohne daß es
zu einer Kollision kommt. Hierzu ist zwischen dem stehenden Fahrzeug 2 und dem
Fahrbahnrand 9 noch ausreichend Platz.
Bezüglich des kreuzenden Fahrzeuges 3 kann der Fahrer des Fahrzeuges 1 aber nicht
ausweichen, wobei es egal ist, ob er entlang seiner ursprünglichen Fahrtrichtung 4
weiterfährt oder entlang der Ausweichbahn 5 ausweicht. Je nach dem Verhältnis der
Geschwindigkeiten von Fahrzeug 1 und Fahrzeug 3 kommt es im Bereich des
Kollisionspunktes 8 als ungefährer Schnittpunkt der Bewegungsrichtung 4 des Fahrzeuges 1
bzw. der Bewegungsrichtung 6 des Fahrzeuges 3 im Bereich des Kollisionspunktes 8 zu
einer Kollision. In dieser Ausgangssituation ist die automatische Notbremsfunktion von
großer Bedeutung, da durch sie der Schaden an den Fahrzeugen und Fahrern minimiert
werden kann, wenn z. B. Fahrzeug 1 mit einer derartigen Funktion ausgestattet ist und mit
größtmöglicher Verzögerung automatisch abgebremst wird.
In der Fig. 2 ist eine typische Auffahrsituation auf einer geraden Fahrbahn 10 dargestellt,
bei der sich ein mit einer Anfangsgeschwindigkeit in Richtung des Pfeiles 16 bewegendes
Fahrzeug 1 von hinten einem stehenden Fahrzeug 2 nähert. Im vorderen Bereich des
Fahrzeuges 1 ist eine nur schematisch angedeutete Erfassungseinrichtung 12 angeordnet,
die in einem durch seine Grenzen angedeuteten Erfassungsbereich 13 die Fahrbahn 10 auf
Hindernisse absucht. Das stehende Fahrzeug 2 befindet sich innerhalb des
Erfassungsbereiches 13, wobei in der dargestellten Situation das fahrende Fahrzeug 1 sich
in einem Abstand 15 hinter dem stehenden Fahrzeug 2 befindet.
Erkennt nun der Fahrer des Fahrzeuges 1 rechtzeitig das Hindernis, so kann er durch
Bremsen und/oder Lenken dafür sorgen, daß er sein Fahrzeug 1 entweder hinter dem
Fahrzeug 2 zum Stehen bekommt oder entlang einer angedeuteten Ausweichbahn 14
ausweicht. Die in der Fig. 2 dargestellte Ausweichbahn 14 soll gerade den Grenzfall einer
Ausweichbewegung darstellen, bei der das Fahrzeug 1 gerade noch dem Fahrzeug 2
ausweichen kann. Abhängig von der Geschwindigkeit des Fahrzeuges 1 in Richtung des
Pfeiles 16 sowie dem Fahrbahnzustand und weiteren Einflußgrößen betreffend das
Fahrzeug 1 wird nun abhängig auch vom Abstand 15 das Fahrzeug 1 noch rechtzeitig
bremsen, ausreichend um das Fahrzeug 2 herumgelenkt werden können oder einer Kollision
auch mit allen denkbaren Lenk- und Bremsbewegungen nicht mehr ausweichen können.
Liegt der letzte Fall vor, so wird es aufgrund der Auswertung der Daten des
Erfassungssystems 12 und der nicht weiter angegebenen Sensoren an dem Fahrzeug 1 von
der Auswerteeinrichtung 12 erkannt und die automatische Notbremsung eingeleitet.
In der Fig. 3 ist in einer sehr schematisierten Darstellung der Ablauf der Entscheidung über
die Auslösung der automatischen Notbremsfunktion dargestellt, wie sie in einer denkbaren
Ausführungsform der Erfindung ablaufen kann. Hierzu werden die von der
Erfassungseinrichtung 12 bereitgestellten Umgebungsdaten 17 sowie die Sensorsignale 19
der verschiedenen innerhalb des Fahrzeuges angeordneten Sensoren 18 in der
Auswerteeinrichtung 20 zusammengeführt. Diese Daten werden im einfachsten Fall auf die
Einhaltung eines ausreichenden Anhalteweges a < amin untersucht, in weiteren, auch
alternativen Auswertungsschritten kann beispielsweise der Ausweichradius R überprüft
werden. Sind beide Kriterien unterschritten, wird ein Auslösesignal 22 an die
Verzögerungseinrichtung 21 abgegeben, das einerseits die von dem Bremspedal 23 des
Fahrers kommenden Steuersignal übersteuert und zum anderen die höchste Verzögerung
durch maximale Betätigung der Bremse hervorruft. Dieser Zustand bleibt bis zum Stillstand
des Fahrzeuges 1 erhalten. Liegt hingegen keine Unterschreitung eines oder mehrerer
Grenzwerte vor, so wird kein Auslösesignal 22 abgegeben und der Fahrer kann allein mit
von seiner Bremse 23 abgegebenen Steuersignalen 24 und/oder nicht dargestellten
Lenkbewegungen dem Hindernis ausweichen und wird dabei in keiner Weise beeinflußt oder
gestört.
1
sich bewegendes Fahrzeug
2
stehendes Fahrzeug
3
kreuzendes Fahrzeug
4
Bewegungsrichtung des sich bewegenden Fahrzeug
5
Ausweichbahn
6
Bewegungsrichtung des kreuzenden Fahrzeuges
7
Kreuzungsbereich
8
Kollisionspunkt
9
Fahrbahnrand
10
Fahrbahn
11
Mittelstreifen
12
Erfassungseinrichtung
13
Erfassungsbereich
14
Ausweichradius
15
Anhalteweg/Fahrzeugabstand
16
Bewegungsrichtung
17
Daten Erfassungseinrichtung
18
Sensoren
19
Daten Sensoren
20
Auswerteeinrichtung
21
Verzögerungseinrichtung
22
Auslöseimpuls Notbremsung
23
Bremse Fahrer
24
Steuersignal Bremspedal Fahrer
Claims (19)
1. Verfahren zur Notbremsung eines Fahrzeuges, bei dem ein an dem Fahrzeug
vorgesehenes Erfassungssystem (12) laufend in oder nahe der Bewegungsrichtung
(16) des Fahrzeuges (1) befindliche Hindernisse (2, 3) erfaßt und an eine
Auswerteeinheit (20) weitermeldet,
an dem Fahrzeug (1) oder einzelnen seiner Baugruppen angeordnete Sensoren (18) charakteristische Meßgrößen (19) des Fahrzeugzustandes laufend an die Auswerteeinheit (20) weitermelden,
die Auswerteeinheit (20) aus den weitergemeldeten Daten (17) über die Hindernisse (2, 3) und den Meßgrößen (19) des Fahrzeugzustandes laufend Sollwerte zur Beeinflussung der Fahrzeugbewegung ermittelt,
dadurch gekennzeichnet, daß
erst bei Erreichen einer durch die Auswerteeinheit (29) festgestellten, fahrphysikalisch durch keine Fahrzeugbeeinflussung mittels Lenken und/oder Bremsen mehr zu umgehenden Kollision des Fahrzeuges (1) mit einem Hindernis (2, 3) eine automatische Notbremsung durch schnelle Verzögerung des Fahrzeuges (1) ausgelöst wird.
an dem Fahrzeug (1) oder einzelnen seiner Baugruppen angeordnete Sensoren (18) charakteristische Meßgrößen (19) des Fahrzeugzustandes laufend an die Auswerteeinheit (20) weitermelden,
die Auswerteeinheit (20) aus den weitergemeldeten Daten (17) über die Hindernisse (2, 3) und den Meßgrößen (19) des Fahrzeugzustandes laufend Sollwerte zur Beeinflussung der Fahrzeugbewegung ermittelt,
dadurch gekennzeichnet, daß
erst bei Erreichen einer durch die Auswerteeinheit (29) festgestellten, fahrphysikalisch durch keine Fahrzeugbeeinflussung mittels Lenken und/oder Bremsen mehr zu umgehenden Kollision des Fahrzeuges (1) mit einem Hindernis (2, 3) eine automatische Notbremsung durch schnelle Verzögerung des Fahrzeuges (1) ausgelöst wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die fahrphysikalische
Grenze für ein mögliches Ausweichen vor dem Hindernis (2, 3) und damit die
Auslösung der Notbremsfunktion für vom Fahrer vornehmbare Brems- und/oder
Lenkbewegungen bestimmt wird.
3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß zur Vermeidung einer
Kollision mit dem Hindernis (2, 3) durch Bremsen der Zeitpunkt, ab dem
fahrphysikalisch eine Kollision nicht mehr zu umgehen ist, dann vorliegt, wenn der
notwendige Anhalteweg (15) größer ist als der Abstand des Fahrzeuges (1) im
wesentlichen in Bewegungsrichtung (16) von dem Hindernis (2, 3).
4. Verfahren nach Anspruch 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, daß bei Umgehen des
Hindernisses (2, 3) durch Lenkbewegungen der Zeitpunkt, ab dem fahrphysikalisch
eine Kollision nicht mehr zu umgehen ist, dann vorliegt, wenn bei dem gemessenen
Bewegungszustand des Fahrzeuges (1) der erforderliche Ausweichradius (14) zum
Umgehen des Hindernisses (2, 3) kleiner als ein sich aus dem Bewegungszustand der
Fahrzeuges (1) errechnender Ausweichradius ist.
5. Verfahren nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Berechnung des
Ausweichradius' (14) in jeder Fahrsituation anhand des Kamm'schen Kreises erfolgt.
6. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß
in die Berechnung des Fahrzeugzustandes aufgrund der Meßgrößen (19) der am
Fahrzeug angeordneten Sensoren (18) auch der laufend ermittelte Kraftbeiwert bzgl.
der Kraftübertragung zwischen Reifen des Fahrzeuges (1) und der Fahrbahn (10)
eingeht.
7. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Verzögerung des
Fahrzeuges (1) durch Bremsen erfolgt.
8. Verfahren nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß die Bremsung mit
maximalem Bremsdruck erfolgt.
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 7 oder 8, dadurch gekennzeichnet, daß
Verzögerung bis zum Stillstand des Fahrzeuges (1) erfolgt.
10. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß
die Verzögerung nach dem Ansprechen der Notbremsfunktion unabhängig von
Handlungen des Fahrers durch Lenkbewegungen und/oder Bremsen erfolgt.
11. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß
nach Erkennen eines kritischen Hindernisses (2, 3) und vor Auslösen der
Notbremsfunktion das Erfassungssystem (12) im wesentlichen das Kollisionshindernis
(2, 3) erfaßt.
12. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß
das Verfahren zur Notbremsung nur bei niedrigen bis mittleren Geschwindigkeiten des
Fahrzeuges (1), vorzugsweise bei Geschwindigkeiten unterhalb von 120 km/h,
eingesetzt wird.
13. Vorrichtung für die Durchführung des Verfahrens zur Notbremsung eines Fahrzeuges
(1) nach einem der Ansprüche 1 bis 12.
14. Vorrichtung nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, daß die Vorrichtung ein
unabhängig von der Bedienung durch den Fahrer ansteuerbares Bremssystem
aufweist.
15. Vorrichtung nach Anspruch 14, dadurch gekennzeichnet, daß das Bremssystem eine
geringe Ansprechverzögerung aufweist.
16. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 13 bis 15, dadurch gekennzeichnet, daß die
Vorrichtung mit einem Antiblockiersystem und/oder einer elektronischen
Blockierverhinderung und/oder Fahrdynamikregelung kombiniert ist.
17. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 13 bis 16, dadurch gekennzeichnet, daß die
Vorrichtung für die Erfassung des Bewegungszustandes des Fahrzeuges Sensoren
(18) für die Erfassung von Lenkwinkel, Fahrzeuggeschwindigkeit und/oder
Fahrzeuggierwinkel aufweist.
18. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 13 und 17, dadurch gekennzeichnet, daß die
Vorrichtung Sensoren (18) und Auswerteeinrichtungen zur Bestimmung des
Kraftbeiwertes µ zwischen Straße und Reifen aufweist.
19. Vorrichtung nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, daß die Sensoren
Erfassungseinrichtung (12) für die Umgebung vorzugsweise Radar- oder
Lasersensoren sind.
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