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Anstrich- und Bindemittel auf der Grundlage von wässerigen Alkalisilikatlösungen
Die gewöhnlich als Wasserglas bezeichneten und hauptsächlich in Anstrich-, Binde-
und Klebmitteln verwendeten wässerigen Lösungen von Alkalisilikaten besitzen den
Nachteil, daß sie bei sehr träger Durchhärtung eine unerwünschte Wasserempfindlichkeit
aufweisen, außerdem aber auch erhebliche Sprödigkeit, ungenügende Haft- und Klebefähigkeit
und schließlich noch unbefriedigende Verträglichkeit mit den für die an sich weitreichenden
Anwendungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehenden Zusatzstoffen zu eigen haben.
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Es wurde schon festgestellt, daß zum Erreichen rascherer Verfestigung
bis zur Unlöslichkeit ein möglichst hohes Verhältnis von Kieselsäure zu Alkali,
tunlichst oberhalb 3,5, von Vorteil ist. Jedoch beeinträchtigt die solchem alkaliarmen
Wasserglas zu eigne höhere Viskosität und Instabilität die Möglichkeiten der Lagerung
und der Verarbeitung in maßgeblicher Weise.
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Andere Verbesserungsvorschläge gehen dahin, dem Wasserglas Zusätze
von Säureamiden, wie Harnstoff, oder von Aldehyd-Ammoniak-Verbindungen, wie Hexamethylentetramin,
beizufügen. Derartige an sich nichtjonogene und praktisch neutral wirkende Stoffe
unterliegen im alkalischen Milieu des Wasserglases einer zum Freiwerden von Aldehyd
bzw. Säure einerseits, von Ammoniak andererseits führenden Zersetzung. Während Ammoniak
entweicht, bewirkt die mit dem Alkali des Wasserglases in Verbindung tretende Säure,
gleicherweise auch der unter Lufteinfluß in Säure übergehende Aldehyd, ein entsprechend
beschleunigtes Gelieren und Erhärten des Wasserglases. Ausreichend lagerfähiges
Wasserglas ist gemäß derartigen Verbesserungsvorschlägen daher auch nicht zu erzielen.
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Genau der gleiche Wirkungsmechanismus liegt in noch ausgeprägterer
Form dem Vorschlag zugrunde, dem Wasserglas zur Herstellung von rasch erhärtendem
säurefestem Kitt ein Salz des Ammoniums, wie z. B. Ammoniumhydrogenfluorid oder
Ammoniumrhodanid, oder auch das Salz einer gasförmigen Aminbase, wie Methylaminhydrochlorid,
beizufügen. Gelangen derartige Verbindungen mit Wasserglas in Berührung, so tritt
wiederum, während Ammoniak oder Methylamin freigesetzt wird und entweicht, die Säurekomponente
des angewandten Salzes mit dem Alkali des Wasserglases neutralisierend in Verbindung,
wodurch die Kieselsäure des Wasserglases aus der Solform in die Gelform übergeführt
und die Erhärtung des Wasserglases binnen kurzer Zeit bewirkt wird. Diese Arbeitsweise,
die ein rasches Entweichen und daher die flüchtige Form des benutzten alkalischeu
Mittels voraussetzt, läuft also auch nur auf eine modifizierte Säurezuführung hinaus.
Zur Erzielung von haltbaren Wasserglaslösungen mit verbesserten Eigenschaften ist
diese Methode demnach wenig geeignet.
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Die Erfindung verfolgt demgegenüber die Gewinnung von dauerhaft haltbaren
Anstrich- und Bindemitteln auf der Grundlage von wässerigen Alkalisilikatlösungen
mit maßgeblich verbesserten Eigenschaften hinsichtlich Wasserbeständigkeit, Haftfähigkeit,
Binde- und Klebkraft, Elastizität und wesentlich gesteigerter Aufnahmefähigkeit
für verschiedenste anorganische und organische Zusätze. Dies wird dadurch erreicht,
daß man zu den Alkalisilikatlösungen kleine Mengen von organischen Aminbasen ausgeprägter
Basizität und eines oberhalb 40° C liegenden Siedebereiches, wie primären, sekundären
oder tertiären Alkylaminen oder sich davon ableitenden Aminbasen, wie Alkylolaminen,
in Verbindung mit Säuren oder in Form von Salzen hinzufügt.
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Erfindungsgemäß verwendbare Salze sind beispielsweise diejenigen der
Butylamine, des Äthylendiamins oder aber auch der Alkylolamine, wie Äthanolamine,
Propanolamine oder Butanolamine. Brauchbarkeit gemäß der Erfindung besitzen überhaupt
alle Amine bzw. Aminbasen, welche auf Grund ausgeprägter Basizität ein echtes Salzbildungsvermögen
aufweisen.
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Die Salze der Aminbasen können sich von den verschiedensten Säuren
ableiten. Wie gefunden wurde, lassen sich entgegen der bisherigen Anschauung über
die hohe Elektrolytempfindlichkeit von Wasserglas derartige Salze von Aminbasen
bei vorsichtiger, auf rasche Verteilung bedachter Zuführung in begrenzter Menge
ohne jede Beeinträchtigung der Solstabilität und unter Erzielung eines überraschend
lagerbeständigen Wasserglasproduktes zuführen. Die Verträglichkeitsgrenze liegt,
je nach Art von dem angewandten Amin und der zur Salzbildung verwendeten Säure,
verschieden hoch.
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Optimale Verträglichkeit deckt sich nicht immer mit optimaler Wirksamkeit.
In der Regel liegt der
optimale Wirkungsgrad bei einer Zusatzmenge,
die merklich unterhalb der maximal verträglichen liegt. Auch wesentlich geringere
Zusätze bewirken schon erhebliche Verbesserungen. Vorzugsweise kommen daher, auf
Alkalisilikatlösungen von 30 bis 40'B6 bezogen, Zusatzmengen der erfindungsgemäßen
Aminsalze in Höhe von 0,5 bis 3 % in Betracht. Als besonders verträglich und geeignet
haben sich die Aminsalze der Phosphorsäure und außerdem die Aminsalze komplexbildender
Säuren, wie der anhydrischen Phosphorsäuren, erwiesen. Brauchbarkeit besitzen aber
auch die löslichen Aminsalze fast aller sonstigen stärkeren und schwächeren Säuren.
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Als vorteilhaft für die Konsistenz des erfindungsgemäß hergestellten
Wasserglases hat es sich erwiesen, die Aminsalze in basischer Form, d. h. mit einem
überschuß an Amin, beispielsweise im Falle der Phosphorsäure entsprechend dem Di-
oder Trinatriumphosphat als Di- oder Triaminphosphat in Anwendung zu bringen. Insbesondere
im Falle der Alkylolaminanwendung kann dadurch eine andernfalls eintretende Viskositätserhöhung
ausgeglichen und sogar eine Viskositätsminderung erzielt werden. Schließlich kann
auch, insbesondere bei Verwendung einbasischer Säuren, sogar freies wasserlösliches
Amin, in geringem überschuß neben dem Aminsalz angewandt, in der gleichen Richtung
günstig wirken.
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Im Gegensatz zum Bekannten benutzt die Erfindung Aminbasensalze, deren
Komponenten, sowohl Base als auch Säure, in der Alkalisilikatlösung verbleiben.
Das erfindungsgemäße Wasserglas-Anstrich-und Bindemittel besitzt zufolge dieses
Vorhandenseins von Säure und Base wesentlich gesteigerte Qualität, einerseits vorzügliche
Haltbarkeit, andererseits verbesserte Widerstandsfähigkeit, Elastizität, Haft- und
Klebefähigkeit und Verträglichkeit. Aus einem Verfahren, welches für Wasserglas
den Zusatz von Salzen des Ammoniaks oder flüchtiger Aminbasen vorschlug, konnte
wegen der Verflüchtigung des Ammoniaks oder Amins nicht auf derartige Wirkungen
von nichtflüchtigen Aminbasen geschlossen werden. Die vorbekannten Arbeitsweisen
führen unterscheidend auch zu instabilen rasch gelierenden Wasserglasprodukten.
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Zur Herstellung des erfindungsgemäßen Anstrich-und Bindemittels wird
grundsätzlich und zweckmäßig etwa so verfahren, daß man zur Alkalisilikatlösung
unter starkem Rühren eine 5- bis 20%ige Lösung des Aminsalzes in dünnem Strahl langsam
zufließen läßt. Wird diese Regel nicht genau beachtet, so kann bei zu langsamem
Rühren undioder z;: raschem Zufi aß der Aminsalzlösung infolge lokaler überkonzentration
des Aminsalzes die Verträglichkeitsgrenze lokal überschritten und Ausflockungserscheinungen
hervorgerufen werden, was durch sachgemäßes Arbeiten leicht vermieden werden kann.
Die andere Möglichkeit, dem Wasserglas die Salzkomponenten einzeln zuzuführen und
etwa zunächst die Aminbase und danach die Säure einzurühren, erfordert weit größere
Sorgfalt und besitzt daher geringeren praktischen Wert.
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Das erfindungsgemäße Anstrich- und Bindemittel kann auch durch Auflösen
einer in Form von leichtlöslichem Pulver hergestellten Mischung gewonnen werden,
die man durch Sprühtrocknung des zunächst in flüssiger Form fertig zubereiteten
Gemisches erhält. Man kann auch einem durch Sprühtrocknung hergestellten Wasserglaspulver
das Aminsalz in ebenfalls feinstmöglichem Verteilungszustand trocken völlig gleichmäßig
beimischen, so daß beim Auflösen in Wasser das flüssige Produkt in homogener gebrauchsfertiger
Form entstehen kann.
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Die erfindungsgemäßen Anstrich- und Bindemittel eignen sich für alle
Verwendungszwecke, die für das wohlfeile Wasserglas überhaupt in Betracht kommen,
sei es als Schutzanstrich für Mauerwerk und Beton, als Bindemittel für Farbanstriche,
als Feuerschutzanstrichmittel für Holz und anderes brennbare Material, als Klebstoff,
als Bindemittel für geschichtete anorganische oder organische Werk- und Baustoffe
u. dgl. auf Verfestigung gerichtete Anwendungszwecke. Das wesentlich verbesserte
Aufnahmevermögen für Pigmente einerseits, für Stoffe von Harz-, Öl-, Wachs- und
Bitumencharakter andererseits, bietet insbesondere für die Herstellung wetterfester
Farbanstriche wesentliche Vorteile.
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Beispiele Zu je 180 Volumteilen Natronwasserglas von 33° B6, die mittels
Rührwerkes in kräftiger Bewegung gehalten werden, läßt man in feinem gleichmäßigem
Strahl jeweils eine der folgenden Aminsalzlösungen zulaufen: I. 20 Volumteile einer
wässerigen Lösung, die 10% Diäthanolamin und 3,9°/o Orthophosphorsäure enthält.
Es entsteht eine völlig homogene klare Lösung.
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1I. 15 Volumteile einer wässerigen Lösung, die 10% Tributylamin und
4,2% Orthophosphorsäure enthält. Es entsteht eine homogene und stabile Lösung mit
einer winzigen äußerst feindispersen Trübung.
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I11. 15 Volumteile einer wässerigen Lösung, die 10% Triisopropanolamin
und 2,9% Pyrophosphorsäure enthält. Es entsteht eine völlig klare stabile Lösung.
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IV. 20 Volumteile einer wässerigen Lösung, die 10% Triäthylamin und
7,8% Milchsäure enthält. Es entsteht eine homogene haltbare Lösung.
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V. 25 Volumteile einer wässerigen Lösung, die 1.0% Monoäthanolamin
und 8,5% Pyrophosphorsäure enthält. Man erzielt eine stabile lagerfähige LösunI.