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Verfahren zur Herstellung von hochmolekularen Alkalimetall-Anlagerungsverbindungen
Es ist bekannt, daß polycyclische Kohlenwasserstoffe, wie Naphthalin und Anthracen,
sowie arylsubstituierte Äthylene mit mindestens zwei Arylsubstituenten, z. B. 1,2-Diphenyläthylen,
mit Alkalimetallen gefärbte Anlagerungsverbindungen bilden.
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In flüssigem Ammoniak oder auch in Gegenwart eines geeigneten aktiven
Äthers, z. B. Tetrahydrofuran, der die entstehenden Anlagerungsverbindungen durch
Komplexbildung stabilisiert, sowie eines »Metallüberträgers«, z. B. Naphthalin-Natrium,
konnten dann auch einfachere Äthylenderivate, z. B. Styrol, Butadien, Isopren, mit
den Alkalimetallen in hochreaktive Metalladdukte übergeführt werden. Diese Metalladdukte
sind Radikalanionen und vereinigen in sich die Reaktionsweise von Radikalen und
die von Carbanionen. Als Radikale haben sie die Tendenz, unter Radikalkombination
zu dimerisieren. Diese Reaktion wird nur unterbunden, wenn infolge hoher Resonanzstabilisierung
das Radikalanion selbst sehr beständig ist oder wenn aus sterischen Gründen die
Radikalkombination erschwert oder verhindert wird.
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Es wurde nun gefunden, daß hochmolekülare Alkalimetall-Anlagerungsverbindungen
an äthylenisch ungesättigte Doppelbindungen eines polymeren Kohlenwasserstoffs dadurch
hergestellt werden können, daß Kohlenwasserstoffpolymere oder Kohlenwasserstoffcopolymere,
die kettenständige oder seitenkettenständige, äthylenisch ungesättigte Doppelbindungen
enthalten, mit Alkalimetallen in Gegenwart eines unter den Reaktionsbedingungen
inerten Lösungs-oder Dispergiermittels, insbesondere eines Äthers, unter Schutzgasatmosphäre
bei Temperaturen zwischen -100 und +200"C und vorzugsweise unter Zusatz eines mehrkernigen
aromatischen Kohlenwasserstoffs umgesetzt werden.
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Da die hochmolekularen Anlagerungsverbindungen der Alkalimetalle
meist charakteristisch gefärbt sind, läßt sich der erfolgreiche Verlauf des erfindungsgemäßen
Verfahrens in vielen Fällen am Auftreten der Eigenfarbe des hochmolekularen Anlagerungskomplexes
verfolgen.
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Bei diesen hochmolekularen Anlagerungsverbindungen sind dieRadikalstellen,
die durch dimerisierende Kombination zur Vernetzung der Polymeren führen würden,
sterisch so stabilisiert, daß die hochpolymeren Alkalimetall-Anlagerungsverbindungen
unter den Reaktionsbedingungen gewöhnlich im Reaktionsmedium gelöst bleiben.
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Unter Kohlenwasserstoffpolymeren oder Kohlenwasserstoffcopolymeren,
die kettenständige oder seitenkettenständige, äthylenisch ungesättigte Doppelbindungen
enthalten, sind sowohl die natürlich vor-
kommenden als auch solche zu verstehen,
die durch Polymerisation eines zweifach oder mehrfach äthylenisch ungesättigten
Kohlenwasserstoffs oder durch Copolymerisation eines oder mehrerer zwei- oder mehrfach
äthylenisch ungesättigter Kohlenwasserstoffe mit einem oder mehreren einfach äthylenisch
ungesättigten Kohlenwasserstoffen entstehen und die mittlere Molekulargewichte zwischen
etwa 103 und 107 haben. Für ihre Herstellung wird an dieser Stelle kein Schutz beansprucht.
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Beispielsweise eignen sich Polymere des Butadiens, Isoprens, z. B.
auch die natürlich vorkommenden, wie Kautschuk und Guttapercha, des Dimethylbutadiens,
Diallyls, Vinylcyclopentens, Vinylcyclohexens sowie der o-, m- und p-Isomeren von
Styrolderivaten mit äthylenisch ungesättigten Seitengruppen von 2 bis 10 Kohlenstoffatomen,
z. B. von Divinylbenzolen, Allyl-, Propenyl- und Butenylstyrolen bzw.
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4- Vinylphenylbuten - (1), oder Copolymere dieser Monomeren mit einfach
äthylenisch ungesättigten Kohlenwasserstoffen, wie Äthylen, Propylen, Isobutylen,
Styrol, Vinyltoluolen, ou-Methylstyrol, Vinylnaphthalin oder höheren Styrolderivaten
mit Alkyl-oder Arylsubstituenten. Ebenfalls können ternäre oder quaternäre Gemische
verschiedener Monomeren zur Herstellung der Kohlenwasserstoffpolymeren oder -copolymeren
verwendet werden, z. B. Gemische von Äthylen, Propylen und Butadien.
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Die sterische Anordnung der Monomereinheiten in den Kohlenwasserstoffpolymeren
oder -copolymeren, die äthylenisch ungesättigte Doppelbindungen enthalten, ist auf
den Verlauf des erfindungsgemäßen Verfahrens ohne Einfluß. So kann z. B. in gleicher
Weise ein isotaktisches, syndiotaktisches oder ataktisches Polybutadien-(1,2) oder
ein taktisches cis-Polybutadien
-(1,4) oder trans-Polybutadien-(1,4)
verwendet werden.
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Zu der erfindungsgemäßen Umsetzung sind alle Metalle der 1. Hauptgruppe
des Periodensystems befähigt, doch eignen sich aus Gründen der Wirtschaftlichkeit
und der leichteren Handhabung besonders Natrium und Lithium. Die Metalle werden
vorzugsweise schon mit einer oxyd- bzw. hydroxydfreien Oberfläche eingesetzt, doch
kann z. B. auch durch Zusatz von- Glasstücken zum Reaktionsgemisch die Bildung einer
blanken Metalloberfläche erst im Reaktionsgefäß erfolgen.
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Es ist für die Durchführung der Reaktion von Vorteil,- in einem Reaktionsmedium
zu arbeiten, indem sich die Kohlenwasserstoffpolymeren oder -copolymeren, die äthylenisch
ungesättigte Doppelbindungen enthalten, lösen. Wegen der großen Reaktionsfähigkeit
der Alkalimetalle und der erfindungsgemäß hergestellten Alkalimetall-Additionsverbindungen
sind die Lösungs- bzw. Dispergiermittel auf Kohlenwasserstoffe und Äther beschränkt.
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Besonders geeignet sind »aktive« Äther, die sich durch hervorragende
Komplexbildungseigensch aften auszeichnen, z. B. Dimethyläther, Tetrahydrofuran
und Äthylenglykoldimethyläther. Doch kann das erfindungsgemäße Verfahren auch in
anderen Äthern oder auch in Kohlenwasserstoffen oder Mischungen von Äthern oder
Kohlenwasserstoffen mit »aktiven« Äthern in allen Mischungsverhältnissen durchgeführt
werden. Andere Äther sind z. B. offenkettige, wie Diäthyläther, Di-n-butyläther,
Diamyläther, oder cyclische, wie Dioxan. Geeignete Kohlenwasserstofflösungsmittel
sind aliphatische, wie n-Pentan, n-Hexan, n-Heptan, cycloaliphatische, wie Cyclohexan,
Cycloheptan, sowie aromatische, wie Benzol, Toluol, die Xylole, Tetrahydronaphthalin,
Dekahydronaphthalin oder Gemische derselben.
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Bei Verwendung niedrigsiedender Lösungs- oder Dispergiermittel kann
ohne Schaden für die erfindungsgemäße Umsetzung unter Anwendung von Drücken gearbeitet
werden, die gegebenenfalls bis auf 200 atm gesteigert werden können.
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Wegen der außerordentlich großen Reaktivität der hochmolekularenAnlagerungsverbindungenvonAlkalimetallen
an ungesättigte Kohlenwasserstoffpolymere ist es zur Durchführung des erfindungsgemäßen
Verfahrens unerläßlich, Lösungs- bzw. Dispergiermittel nur in gut getrocknetem Zustand
zu verwenden. Es ist jedoch auch möglich, die Trocknung der Lösungs-bzw. Dispergiermittel
»in sitz« durchzuführen, indem man mit einem mindestens dem Wassergehalt des Lösungs-
bzw. Dispergiermittels entsprechenden Überschuß Alkalimetall arbeitet. Die Umsetzung
nach dem erfindungsgemäßen Verfahren findet dann erst statt, wenn alle sie inhibierenden
Verunreinigungen, vor allem protonenliefernde Substanzen, wie Wasser, Alkohole,
Säuren u. a., durch überschüssiges Alkalimetall aufgezehrt sind.
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Von besonderem Vorteil ist es, die Reaktionsmischung während der
Umsetzung in Bewegung zu halten durch Rühren der Reaktionsmischung oder durch Schütteln
oder Rollen des Reaktionsgefäßes.
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Außerdem ist es notwendig, unter einer Schutzgasatmosphäre zu arbeiten,
die den Zutritt von Luftsauerstoff oder Feuchtigkeit verhindert. Als Schutzgase
eignen sich Stickstoff, Wasserstoff und die Edelgase, die gegebenenfalls durch eine
dem Reaktionsgefäß vorgeschaltete Gasreinigungsanlage von Sauer-
stoffanteilen und
Wasserdampf befreit werden. Die Verwendung von Edelgasen als Schutzgase ist im Fall
der Umsetzung mit Lithium unerläßlich. Beim Arbeiten in größeren Reaktionsgefäßen
ist ein geringer Überdruck des Schutzgases von Vorteil.
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Die erfindungsgemäße Umsetzung wird gewöhnlich bei Temperaturen zwischen
-100 und +200°C, insbesondere zwischen -80 und +150"C durchgeführt. Die Reaktionstemperatur
richtet sich z. B. nach dem verwendeten Lösungs- oder Dispergiermittel. So findet
die Reaktion bei Verwendung von »aktiven« Äthern schon bei tiefen Temperaturen statt.
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Dagegen ist in Kohlenwasserstoffen als Reaktionsmedium die Anwendung
höherer Temperaturen von Vorteil.
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Vorzugsweise wird das erfindungsgemäße Verfahren in Gegenwart eines
mehrkernigen aromatischen Kohlenwasserstoffs durchgeführt, der als Metall-»Überträger«
wirkt.
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Als mehrkernige aromatische Kohlenwasserstoffe eignen sich alle Vertreter
dieser Stoffklasse, die mit Alkalimetallen hochreaktive Anlagerungskomplexe bilden
und die mindestens zwei direkt verbundene Benzolkerne enthalten, z. B. bicyclische
aromatische Kohlenwasserstoffe, wie Biphenyl, Naphthalin, tricyclische, wie Anthracen,
Phenanthren, p-Terphenyl, sowie auch höhercyclische Kohlenwasserstoffe. Für die
erfindungsgemäße Durchführung der Reaktion genügt die Gegenwart katalytischer Mengen
an mehrkernigen aromatischen Kohlenwasserstoffen, z. B.
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0,01 bis 0,3 Mol pro 1 Mol Doppelbindungen im polymeren Kohlenwasserstoff,
jedoch findet die erfindungsgemäße Umsetzung auch in Gegenwart größerer Mengen an
mehrkernigen aromatischen Kohlenwasserstoffen statt. Ebenso ist es für das erfindungsgemäße
Verfahren nicht von Bedeutung, ob alle Reaktionspartner gleichzeitig im Reaktionsgefäß
zur Umsetzung gebracht werden, ober ob die Kohlenwasserstoffpolymeren oder -copolymeren
mit äthylenisch ungesättigten Doppelbindungen mit katalytischen oder auch stöchiometrischen
Mengen an vorgebildeten Metall-Aromatenkomplexen zur Umsetzung gebracht werden.
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Die polymeren Anlagerungsverbindungen von Metallen der 1. Hauptgruppe
des Periodensystems an äthylenisch ungesättigte Doppelbindungen eines polymeren
Kohlenwasserstoffs stellen wertvolle und hochaktive Polymerisationskatnlysatoren
für anionische Polymerisationen dar. Außerdem wirken sie für Polymere, die geeignete
reaktionsfähige Gruppen enthalten, als Vernetzer.
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Die nachstehenden Beispiele veranschaulichen das erfindungsgemäße
Verfahren. Die Gewichts- und Volumteile stehen in gleicher Beziehung zueinander
wie Gramm und Milliliter.
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Beispiel 1 6,3 Gewichtsteile eines Styrol-p-Allylstyrol-Copolymeren
einer mittleren molaren Zusammensetzung von 2 Molekülen Styrol pro Molekül p-Allylstyrol
im Copolymeren und einem mittleren Molekulargewicht von etwa 2 106 werden in 500
Volumteilen trockenem Tetrahydrofuran gelöst und in einem geschlossenem Reaktionsgefäß,
das vorher durch gründliches Spülen mit trockenem, reinem Stickstoff von Sauerstoff
befreit wurde, mit 2 Gewichtsteilen Natriummetall unter Zusatz von 3 Millimol Biphenyl
und einigen
Glasstücken rasch geschüttelt. Der Zusatz der Glasstücke
bewirkt, daß die Oberfläche des Natriummetalls blank bleibt und so eine raschere
Umsetzung ermöglicht. Nach etwa 2stündigem Schütteln hat die Lösung eine leuchtend
orangerote Farbe angenommen.
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Sie wird von überschüssigem Natrium und den Glasstücken in geschlossener,
mit Stickstoff gefüllter Apparatur durch eine weite Glasfritte abfiltriert und ist
außerordentlich empfindlich gegenüber Sauerstoff, Wasser oder Alkoholen, mit denen
sie unter rascher Entfärbung reagiert. Außerdem initiieren diese orangeroten Lösungen
der hochmolekularen Natrium-Anlagerungsverbindungen die anionische Polymerisation
der typisch anionisch polymerisierbaren Monomeren, z. B. Methylmethacrylat, Acrylnitril,
2- und 4-Vinylpyridin.
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Beispiel 2 3 Gewichtsteile des schon im Beispiel 1 verwendeten Styrol-p-Allylstyrol-Copolyineren
werden in 200 Volumteilen Tetrahydrofuran gelöst und analog Beispiel 1 unter Ausschluß
von Feuchtigkeit und in einer Atmosphäre von Argon mit 1,5 GewichtsteilenLithiummetall
umgesetzt. Nach mehrstündigem intensivem Schütteln der Reaktionsmischung unter Zusatz
einiger Glasstücke entstebt eine hellbraune Suspension, die außerordentlich empfindlich
gegenüber Sauerstoff, Wasser und Alkoholen ist und die die anionische Polymerisation
der typisch anionisch polymerisierbaren Monomeren initiiert.
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Beispiel 3 2 Gewichtsteile eines Styrol-Divinylbenzol-Copolymeren,
hergestellt durch anionische Copolymerisation von Styrol und Divinylbenzol im Molverhältnis
4 : 1 mit n-Butyllithium, werden in 200 Volumteilen Tetrahydrofuran gelöst und analog
Beispiel 1 unter Zusatz von 0,2 Gewichtsteilen Biphenyl mit 1 Gewichtsteil Natriummetall
umgesetzt, bis die vorübergehend grüngefärbte Lösung eine tiefdunkelrote Farbe angenommen
hat. Sie wird unter Ausschluß von Luft und Feuchtigkeit durch eine weite Glasfritte
filtriert und initiiert ebenfalls die Polymerisation der typisch anionisch polymerisierbaren
Monomeren. Ganz analog verläuft die Umsetzung, wenn man an Stelle von Natrium Kalium
verwendet.
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Beispiel 4 5 Gewichtsteile eines Polybutadiens, hergestellt durch
Polymerisation von Butadien mit Butyllithium in n-Heptan, werden in 150 Volumteilen
Tctrahydrofuran gelöst und analog Beispiel 1 unter Zusatz von 0,2 Gewichtsteilen
Naphthalin mit 0,2 Gewichtsteilen
Natrium umgesetzt. Hierbei verschwindet das Natrium
völlig, und die zunächst tiefgrüne Lösung nimmt eine rote Farbe an und initiiert
unter Luft- und Feuchtigkeitsausschluß die Polymerisation von Vinylmonomeren.
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Beispiel 5 5 Gewichtsteile eines Polyisoprens, hergestellt durch
Polymerisation mit Butyllithium in Diäthyläther, werden in 70 Volumteilen Tetrahydrofuran
gelöst und analog Beispiel 1 unter Zusatz von 0,2 Gewichtsteilen Naphthalin mit
2 Gewichtsteilen Natrium umgesetzt, bis die zunächst tiefgrüne Lösung eine rotbraune
Farbe angenommen hat. Nach dem üblichen Abfiltrieren des nicht umgesetzten Natriummetalls
initiiert diese Lösung die anionische Polymerisation von Vinylmonomeren.
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Beispiel 6 4 Gewichtsteile eines ternären Copolymerisates aus Äthylen,
Propylen und Butadien (etwa 20: 50: 30), hergestellt durch Polymerisation des Monomerengemisches
mit einem Ziegler-Katalysator aus Triäthylaluminium und Titantetrachlorid, werden
in 200 Volumteilen Tetrahydrofuran gelöst und analog Beispiel 1 unter Zusatz von
0,2 Gewichtsteilen Naphthalin oder Biphenyl mit 2 Gewichtsteilen Natrium umgesetzt,
bis die zunächst tiefgrüne Lösung eine rötliche Färbung angenommen hat. Die auf
die übliche Weise vom Nafriumüberschuß befreite Lösung initiiert die Polymerisation
von Vinylmonomeren.