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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Lokalisierung eines Kurzschlusses in einem Gleichspannungssystem sowie eine elektrische Anlage mit elektronischen Schutzschaltern.
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Moderne Halbleiter-Leistungsschalter (englisch: Semiconductor Circuit Breaker, kurz SCCB, mitunter auch Solid State Circuit Breaker, kurz SSCB; im Folgenden wird die Abkürzung SCCB verwendet) sind in der Lage, elektrische Stromkreise im Kurzschlussfall sehr viel schneller abzuschalten als herkömmliche Leistungsschalter (englisch: Circuit Breaker). Das führt vorteilhafterweise dazu, dass am elektrischen Stromkreis und insbesondere an der Kurzschlussstelle keine weiteren, über die den Kurzschluss auslösende Beschädigung hinausgehenden Schäden auftreten. Insbesondere werden die Kurzschlussströme rasch und auf einen viel geringeren Wert begrenzt, wodurch der Kurzschlussstelle weniger Energie zugeführt wird.
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Entsprechend kommt es in von SCCB geschützten Stromkreisen meist nicht zu den typischen, durch die Umwandlung der Kurzschlussenergie in thermische Energie hervorgerufenen Kurzschlussmerkmalen wie Rauch- oder Geruchsentwicklung, Verfärbungen oder anderen sichtbaren Schäden, was die anschließende Fehlersuche erheblich erschwert.
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Aus der Veröffentlichungsschrift
WO 2020/221514 A1 ist ein Verfahren zum Betreiben eines Gleichspannungsnetzes bekannt, bei dem ein fehlerhaftes elektrisches Gerät anhand des Spannungsabfalls über einer Sicherung ermittelt wird, mittels welcher das elektrische Gerät mit einem DC-Bus verbunden ist. Bei mehreren angeschlossenen Geräten wird das elektrische Gerät mit der höchsten über der Sicherung anliegenden Spannung als fehlerhaftes Gerät ermittelt.
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Aus der Patentschrift
EP 2 719 043 B1 ist ein Verfahren bekannt, bei dem ein Abschnitt einer einseitig gespeisten Wechselspannungs-Energieversorgungsleitung als fehlerbehaftet ermittelt wird, indem eine Fehlerlokalisierungseinrichtung einen Stromsprung in einer an einem ersten Ende des Abschnitts angeordneten Messeinrichtung erkennt und das Ausbleiben einer Statusnachricht von einer an einem zweiten Ende des Abschnitts angeordneten Messeinrichtung auswertet, wobei die Messeinrichtungen Statusnachrichten nur erzeugen, wenn sie einen Stromsprung detektieren.
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Eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein verbessertes Verfahren zur Lokalisierung eines Kurzschlusses in einem Gleichspannungssystem anzugeben.
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Diese Aufgabe wird gelöst durch ein Verfahren mit den Merkmalen des unabhängigen Patentanspruchs 1 sowie durch eine elektrische Anlage mit elektronischen Schutzschaltern.
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Vorteilhafte Weiterbildungen der vorliegenden Erfindung sind in den Unteransprüchen angegeben.
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Ein Vorteil der Erfindung ist darin zu sehen, dass durch Auswertung von zwei Zeitpunkten die Lokalisierung eines Kurzschlusses in einem Gleichstromsystem ermöglicht wird. Moderne elektronische Schutzschalter weisen Strommessmittel im Hauptstrompfad auf sowie Auswertemittel, die (unter anderem) den Strom-Zeit-Verlauf auswerten und entscheiden, ob der Schutzschalter geschlossen bleibt oder ausgelöst wird. Diese Fähigkeit moderner elektronischer Schutzschalter macht sich die vorliegende Erfindung zunutze, um die genannten Zeitpunkte vorzugsweise aus einer Auswertung des von modernen elektronischen Schutzschaltern ohne zusätzliche Sensoren mit hoher Abtastrate ermittelbaren Strom-Zeit-Verlaufs zu gewinnen, oder es wird ein entsprechender Zeitstempel generiert, wenn ein elektronischer Schutzschalter während eines ansteigenden und schließlich zum Abschalten des elektronischen Schutzschalters führenden Stromverlaufs einen Referenzstromwert detektiert. Durch Auswertung der mit hoher Präzision ermittelbaren Zeitpunkte von mindestens zwei an der gleichen Gleichspannungsleitung angeschlossenen elektronischen Schutzschaltern kann dann anhand der Topologie, d.h. anhand der Anordnung der elektronischen Schutzschalter entlang der Gleichspannungsleitung, die Lokalisierung des Kurzschlusses kostengünstig erfolgen.
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Dabei können die erforderlichen Berechnungsschritte vorteilhaft durch ein zentrales Element, beispielsweise eine Steuerung oder kostengünstig durch einen der elektronischen Schutzschalter durchgeführt werden. Alternativ ist es möglich, die Berechnungsschritte auf mehrere elektronische Schutzschalter zu verteilen oder die Berechnungsschritte durch alle elektronischen Schutzschalter, die über die notwendigen Daten verfügen, durchführen zu lassen. Dies hat den Vorteil, dass die ungefähre Lage des Kurzschlusses dann auf allen Schutzschaltern des Systems zur Anzeige gebracht werden kann oder durch ein temporär drahtlos oder drahtgebunden koppelbares externes Gerät ausgelesen werden kann.
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Im folgenden werden Ausführungsbeispiele der vorliegenden Erfindung anhand von Zeichnungen näher erläutert.
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Darin zeigen:
- 1 ein Prinzipschaltbild eines Gleichspannungssystems gemäß eines Ausführungsbeispiels der vorliegenden Erfindung; und
- 2 ein vereinfachtes Ablaufdiagramm eines Ausführungsbeispiels des erfindungsgemäßen Verfahrens.
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1 ein Prinzipschaltbild eines Gleichspannungssystems 100 gemäß eines Ausführungsbeispiels der vorliegenden Erfindung. Das beispielhafte Gleichspannungssystem 100 weist eine Gleichspannungsleitung (engl.: Busbar) 104 auf, an welche im dargestellten Beispiel vier Komponenten 110, 120, 130, 140 angeschlossen sind. Dabei wurde ohne Beschränkung der Allgemeinheit eine Darstellung gewählt, die für viele Anwendungsfälle typisch ist: eine zentrale Komponente 140 speist elektrische Energie in das Gleichspannungssystem 100 ein, welche an einem ersten Anschluss 101 von einer ersten Komponente 110 entnommen werden kann, an einem zweiten Anschluss 102 von einer zweiten Komponenten 120 entnommen werden kann und an einem dritten Anschluss 103 von einer dritten Komponente 130 entnommen werden kann.
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Jede der genannten Komponenten ist über eine Sicherungsvorrichtung 111, 121, 131, 141 trennbar mit der Gleichspannungsleitung verbunden. Dabei kommen vorzugsweise für alle Sicherungsvorrichtungen elektronische Halbleiter-Leistungsschalter (SCCB) der eingangs genannten Art zum Einsatz, die jeweils Strommessmittel zum Messen des durch den jeweiligen Halbleiter-Leistungsschalter fließenden Stroms aufweisen. In anderen Ausführungsbeispielen der vorliegenden Erfindung sind nur ausgewählte Sicherungsvorrichtungen als SCCB ausgebildet und andere Sicherungsvorrichtungen sind beispielsweise als herkömmliche Leistungsschalter oder als Schmelzsicherungen ausgebildet. Die Auswahl herkömmlicher Leistungsschalter oder SCCB kann dabei abhängig von der jeweils angeschlossenen Komponente erfolgen.
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Für die vorliegende Erfindung ist es lediglich erforderlich, dass mindestens zwei der Sicherungsvorrichtungen 111-141 als elektronische Schutzschalter ausgebildet sind und über Strommessmittel zum Messen des durch den jeweiligen Halbleiter-Leistungsschalter fließenden Stroms verfügen. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit werden im Folgenden vorrangig die zweite Komponente 120 und die dritte Komponente 130 betrachtet, die mittels zweier SCCB 121, 131 trennbar mit der Gleichspannungsleitung 104 verbunden sind.
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Bei der ersten, zweiten und dritten Komponente 110-130 handelt es sich im betrachteten Beispiel um Verbraucher bzw. Lasten, welche die von der zentralen Komponente 140 eingespeiste Energie aus dem Gleichspannungssystem 100 entnehmen. In anderen Ausführungsbeispielen kann es sich bei einigen oder allen Komponenten 110-130 um Quellen handeln und bei der zentralen Komponente 140 um eine Komponente, welche im Fall eines Energieüberschusses im Gleichspannungssystem 100 diese Energie an ein übergeordnetes Netz (nicht dargestellt) abgibt.
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Relevant für die vorliegende Erfindung sind Komponenten, die neben der Kopplung an die Gleichspannungsleitung 103 mittels elektronischer Schutzschalter kapazitive Elemente aufweisen, beispielsweise Kondensatoren wie Stützkondensatoren. Dies sei im folgenden für die zweite und dritte Komponente angenommen. Die übrigen Komponenten, insbesondere die zentrale Komponenten 140, können natürlich ebenfalls kapazitive Elemente aufweisen.
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Kapazitive Elemente treten in Gleichspannungskomponenten häufig auf. Spannungswandler aller Art, beispielsweise Gleichspannung-zu-Gleichspannung (DC/DC) Wandler oder Gleichspannung-zu-Wechselspannung (DC/AC) Wandler, weisen praktisch immer kapazitive Elemente in Form von Kondensatoren, insbesondere im DC Zwischenkreis, auf. In einem typischen Anwendungsfall handelt es sich beim Gleichspannungsnetzwerk 100 um ein sogenanntes DC Microgrid, bei dem alle in 1 dargestellten Komponenten 110, 120, 130, 140 entsprechende Kondensatoren aufweisen.
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Zudem treten Kapazitäten in Erdungsschaltungen, sogenannten Earth Boxes, auf. Earth Boxes für Gleichspannungsanwendungen zeichnen sich dadurch aus, dass beide Pole über jeweils einen Kondensator mit dem Erdpotential verbunden sind. Entsprechend weisen Earth Boxes stets eine bestimmte Menge elektrischer Ladung und damit eine bestimmte Menge freisetzbarer elektrischer Energie auf. Mit Blick auf die 1 können einige oder alle zu den Komponenten führenden Gleichspannungsleitungen mittels Earth Box gesichert sein (nicht dargestellt).
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Im Fall eines Kurzschlusses entlang der Gleichspannungsleitung 104 werden in aller Regel die elektronischen Schutzschalter 121, 131 zumindest auch derjenigen Komponenten 120, 130 auslösen bzw. ausschalten, die kapazitive Elemente aufweisen, da diese Kapazitäten ihre Energie in den Kurzschluss abgeben, der deutlich niederohmiger sein wird als der übliche Energieflussweg weg von der jeweiligen Kapazität, und zwar unabhängig davon, ob die jeweilige Komponente 120, 130 eine Last oder eine Quelle ist.
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Tritt beispielsweise ein Kurzschluss am Punkt 103 auf, beginnen sich die Kapazitäten / Kondensatoren der dritten Komponente 130 in den Kurzschluss hinein zu entladen. Der dritte elektronische Schutzschalter 131 detektiert mittels seines Strommessmittels den Stromanstieg und den Absolutwert des Stroms und schaltet gemäß der im dritten elektronischen Schutzschalter hinterlegten Abschaltbedingungen ab, beispielsweise wenn der Stromanstieg einen bestimmten Wert übersteigt und/oder wenn der Absolutwert des durch den dritten elektronischen Schutzschalter 131 fließenden Stroms einen bestimmten Wert übersteigt.
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Gemäß der vorliegenden Erfindung wird nun als erster Zeitpunkt der Zeitpunkt ermittelt, zu dem der durch den dritten elektronischen Schutzschalter 131 fließende Strom vor bzw. während des Abschaltvorgangs einen bestimmten Referenzstromwert erreicht. Als Referenzstromwert, der weiter unten im Detail beschrieben ist, wird vorzugsweise ein Wert unterhalb des Stromwertes gewählt, bei dem der elektronische Schutzschalter 131 ausschaltet, kann aber in Ausführungsbeispielen auf diesen Wert festgelegt werden.
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Auch die Kapazitäten / Kondensatoren der zweiten Komponente 120 werden sich in den Kurzschluss im Punkt 103 hinein entladen. Aufgrund der Induktivität des Abschnitts der Gleichspannungsleitung zwischen dem Anschlusspunkt 102 der zweiten Komponente an die Gleichspannungsleitung 104 und dem Kurzschluss am Punkt 103 verzögert sich der Abfall der Leitungsspannung am Punkt 102 gegenüber dem Abfall der Leitungsspannung am Punkt 103 etwas, weswegen der Entladevorgang der Kapazitäten / Kondensatoren der zweiten Komponente 120 in den Kurzschluss zeitverzögert gegenüber dem Entladevorgang der Kapazitäten / Kondensatoren der dritten Komponente 130 einsetzt. Der zweite elektronische Schutzschalter 121 detektiert den Stromanstieg und den Absolutwert des Stroms mittels seines Strommessmittels und schaltet gemäß der im zweiten elektronischen Schutzschalter hinterlegten Abschaltbedingungen ab, beispielsweise wenn der Stromanstieg einen bestimmten Wert übersteigt und/oder wenn der Absolutwert des durch den zweiten elektronischen Schutzschalter 121 fließenden Stroms einen bestimmten Wert übersteigt.
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Gemäß der vorliegenden Erfindung wird nun als zweiter Zeitpunkt der Zeitpunkt ermittelt, zu dem der durch den zweiten elektronischen Schutzschalter 121 fließende Strom vor bzw. während des Abschaltvorgangs den Referenzstromwert erreicht.
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Die Ermittlung der beiden Zeitpunkte muss dabei nicht in Echtzeit erfolgen. Beispielsweise können die Strom-Zeit-Verläufe, die zum Abschalten der elektronischen Schutzschalter 121, 131 führen, in Speichermitteln (zwischen-)gespeichert werden und die Ermittlung der beiden Zeitpunkte, zu denen der durch die elektronischen Schutzschalter 121, 131 fließende Strom den Referenzstromwert erreicht, kann dann nachträglich anhand der gespeicherten Daten erfolgen, ggf. durch Interpolation der zeitdiskret ermittelten Messwerte. Die Speichermittel können dabei Bestandteil der elektronischen Schutzschalter sein oder Bestandteil einer Steuereinrichtung (nicht dargestellt) des Gleichspannungssystems 100, die ihrerseits in einem der elektronischen Schutzschalter integriert sein kann, welcher dann eine Art Master-Schutzschalter darstellt (nicht dargestellt). Für die im folgenden beschriebenen Schritte ist es lediglich erforderlich, dass die Zeitpunkte in einer Verarbeitungseinheit zusammengeführt werden und dass die jeweiligen Uhren bzw. Zeitstempelgeneratoren der elektronischen Schutzschalter 121, 131 synchronisiert sind oder etwaige Uhrenabweichungen nachträglich berücksichtigt werden. Datenaustausch und ggf. Uhrensynchronisation sind durch die gestrichelten Linien 105 angedeutet und können wie bereits erwähnt eine zentrale Steuer- bzw. Verarbeitungseinrichtung einschließen.
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Die elektronischen Schutzschalter 111, 141 weiter vom Kurzschluss entfernt liegender Komponenten 110, 140 schalten wiederum später ab, sofern die Komponenten 110, 140 Kapazitäten aufweisen oder Quellen sind. Dieses wiederum verzögerte Abschalten erfolgt aus den im Zusammenhang mit dem Abschalten des zweiten elektronischen Schutzschalters bereits erläuterten Gründen. In Ausgestaltungen der vorliegenden Erfindung werden auch für diese Schutzschalter die Zeitpunkte ermittelt, zu denen der durch sie fließende Strom den Referenzstromwert erreicht.
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In dem in 1 beispielhaft skizzierten Fall, in dem die Komponente 140 der Anbindung des Gleichspannungssystems 100 an ein übergeordnetes Netz dient, wird typischerweise der dieser Komponente zugeordnete elektronische Schutzschalter 141 eine andere Dimensionierung und/oder Auslösecharakteristik aufweisen als die elektronischen Schutzschalter der einzelnen Abzweige. Insbesondere wird dessen Nennstrom und Auslösestrom höher sein. Dabei kommt es nicht darauf an, ob Energie aus dem übergeordneten Netz entnommen wird (Komponenten 110, 120, 130 also primär Verbraucher sind) oder ob Energie in das übergeordnete Netz abgegeben wird (Komponenten 110, 120, 130 also Quellen sind, beispielsweise Quellen regenerativer elektrischer Energie wie Photovoltaik-Anlagen oder Energiespeicher wie beispielsweise Batterien oder Flywheels).
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Anhand von 2 wird das erfindungsgemäße Verfahren im folgenden mit weiteren Details erläutert. Das Verfahren startet im Schritt 210 mit der bereits erwähnten Ermittlung des ersten Zeitpunkts, zu welchem der durch den zuerst aufgrund eines Kurzschlusses in der Gleichspannungsleitung 104 ausschaltende elektronische Schutzschalter fließende Strom einem Referenzstromwert entspricht. Im hier beispielhaft betrachteten Fall, bei dem ein Kurzschluss am Punkt 103 vorliegt, ist dies der Zeitpunkt, zu dem der durch den dritten elektronischen Schutzschalter 131 fließende Strom vor oder während des Abschaltens erstmals den Referenzstromwert erreicht. Die Ermittlung kann dabei, wie bereits erwähnt, während des Abschaltvorgangs in Echtzeit oder Quasi-Echtzeit erfolgen oder nachträglich durch Auswertung gespeicherter Messwerte und deren Zeitstempel.
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Das Verfahren kann dabei gestartet werden, wenn in einem der elektronischen Schutzschalter des Gleichspannungssystems 100 ein auf einen Kurzschluss hindeutender Stromanstieg detektiert wird. Alternativ kann das Verfahren durch einen Bediener gestartet werden, der die Anlage 100 nach deren Abschalten aufgrund des Kurzschlusses untersucht, wobei in diesem Fall das Verfahren auf Basis gespeicherter Messwerte abläuft.
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Im Schritt 220 setzt sich das Verfahren mit der ebenfalls bereits erwähnten Ermittlung des zweiten Zeitpunkts, zu welchem der durch den aufgrund des Kurzschlusses in der Gleichspannungsleitung 104 als zweites ausschaltende elektronische Schutzschalter fließende Strom dem Referenzstromwert entspricht. Im hier beispielhaft betrachteten Fall, bei dem ein Kurzschluss am Punkt 103 vorliegt, ist dies der Zeitpunkt, zu dem der durch den zweiten elektronischen Schutzschalter 121 fließende Strom vor oder während des Abschaltens erstmals den Referenzstromwert erreicht. Die Ermittlung kann dabei wiederum während des Abschaltvorgangs in Echtzeit oder Quasi-Echtzeit oder nachträglich durch Auswertung gespeicherter Messwerte und deren Zeitstempel erfolgen.
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In einem oder mehreren optionalen Schritten 230 werden die in Schritt 220 beschriebenen Teilschritte für weitere elektronische Schutzschalter des Gleichspannungssystems 100 ausgeführt und weitere Zeitpunkte ermittelt.
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In Schritt 240 werden die in den Schritten 210, 220 und optional 230 ermittelten Zeitpunkte ausgewertet. Dabei wird insbesondere die Beziehung des ersten und des zweiten Zeitpunktes betrachtet, optional des ersten und jedes weiteren Zeitpunktes.
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In Betracht kommen in bevorzugten Ausführungsbeispielen insbesondere Differenzbildungen, d.h. es wird beispielsweise die Zeitdifferenz Δt zwischen dem zweiten Zeitpunkt t2 und dem ersten Zeitpunkt t1 ermittelt, d.h. Δt = t2 - t1. Dabei wird das Vorzeichen von Δt berücksichtigt
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Im bislang betrachteten Fall, bei dem der Kurzschluss am Punkt 103 auftritt, ist Δt positiv und entspricht dem größtmöglichen Wert.
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Liegt der Kurzschluss in der Mitte zwischen den Punkten 103 und 102 ist Δt = 0. „Mitte“ bezieht sich dabei auf die Leitungslänge zwischen den Punkten 102 und 103, unter der Voraussetzung, dass der Induktivitätsbelag der Gleichspannungsleitung 104 konstant ist oder nur geringfügig mit der Länge variiert.
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Liegt der Kurzschluss am Punkt 102 oder an einem anderen Punkt, der von Punkt 103 weiter entfernt ist als der Punkt 102, dann ist Δt negativ und entspricht dem kleinstmöglichen Wert.
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Damit kann in Ausführungsbeispielen in Schritt 240 anhand von Δt die Lage der Kurzschlussstelle zumindest annähernd bestimmt werden. Ist Δt = 0 dann befindet sich die Kurzschlussstelle etwa in der Mitte zwischen den Punkten 102 und 103, vorausgesetzt die Anschlussleitungen zwischen den Punkten 102 und 103 und den jeweiligen SCCB 121, 131 sind annähernd gleich lang. Ist Δt > 0 befindet sich der Kurzschluss zwischen der Mitte zwischen den Punkten 102 und 103 und dem Punkt 103 und ist Δt < 0 befindet sich der Kurzschluss zwischen der Mitte zwischen den Punkten 102 und 103 und dem Punkt 102 oder zwischen Punkt 102 und Punkt 101.
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Werden mehr als zwei Zeitpunkte t1, t2 ermittelt, idealerweise für alle SCCB 111-141 des Systems 100, so kann in Schritt 240 zunächst eine Sortierung der Zeitstempel in aufsteigender Reihenfolge vorgenommen werden. Anschließend wird das vorstehend beschriebene Verfahren mit der Maßgabe durchgeführt, dass t1 dem ersten, d.h. ältesten, Zeitstempel und t2 dem zweiten, d.h. zweitältesten, Zeitstempel entspricht.
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Alternativ oder zusätzlich kann, insbesondere wenn Δt ≠ 0, eine Ermittlung oder zumindest eine Abschätzung des Zeitpunktes t0 des Kurzschlusses vorgenommen werden, anhand dessen dann die Zeitdifferenzen zwischen den Zeitstempeln t1 bzw. t2 einerseits und t0 andererseits ermittelt und zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. In Formeln ausgedrückt:
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Dabei werden zur Vereinfachung der Betrachtung t1 und Δt1 dem zuerst auslösenden SCCB zugeordnet, wie oben bereits beschrieben, und t2 und Δt2 dem als zweites auslösenden SCCB zugeordnet.
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Dann gilt, falls das Verhältnis gemäß r = Δt1/Δt2 gebildet wird, dass r = 1 dem Fall entspricht, in welchem Δt = 0, d.h. der Abstand des Kurzschlusses zu den beiden zuerst auslösenden SCCB ist annähernd gleich, und im Übrigen ist r < 1 ein Maß dafür, wie weit entfernt der Kurzschluss von der Mitte in Richtung des zuerst auslösenden SCCB liegt.
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Wird das Verhältnis hingegen gemäß r' = Δt2/Δt1 gebildet, entspricht r = 1 ebenfalls dem Fall, in welchem Δt = 0, d.h. der Abstand des Kurzschlusses zu den beiden zuerst auslösenden SCCB ist annähernd gleich, und im Übrigen ist r' > 1 ein Maß dafür, wie weit entfernt der Kurzschluss von der Mitte in Richtung des zuerst auslösenden SCCB liegt. Aus dem Wert r bzw. r' kann mit dem bekannten Abstand zwischen den Punkten 102 zu 103 und dem Induktivitätsbelag auf den geometrischen Abstand näherungsweise geschlossen werden.
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Die Ermittlung oder Abschätzung des Zeitpunkts t0 kann in Ausführungsbeispielen der Erfindung anhand des Anstiegs des Stroms im zuerst auslösenden SCCB erfolgen, beispielsweise durch lineare Interpolation von im zuerst auslösenden SCCB gespeicherten Stromwerten vor und während der aufgrund des Kurzschlusses erfolgenden Abschaltung. Als t0 kann beispielsweise näherungsweise der Zeitpunkt ermittelt werden, zu dem der linear interpolierte Stromanstieg begann.
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Als Referenzstromwert, dessen Erreichen während des Ausschaltens der SCCB zumindest der Zeitpunkte t1, t2 bestimmt, wird in Ausführungsbeispielen der vorliegenden Erfindung wie erwähnt vorzugsweise ein Wert unterhalb des Stromwertes gewählt, bei dem der SCCB mit dem niedrigsten Nennstromwert im Gleichspannungssystem 100 im Kurzschlussfall abschaltet. In vielen praktischen Anwendungen von Gleichspannungssystemen 100 sind SCCB 111, 121, 131, 141 mit verschiedenen Nennstromwerten verbaut. Wie bereits erwähnt dient in dem in 1 beispielhaft skizzierten Fall die Komponente 140 der Anbindung des Gleichspannungssystems 100 an ein übergeordnetes Netz. Deswegen weist der dieser Komponente zugeordnete SCCB 141 in der Regel einen höheren Nennstrom auf als die SCCB 111, 121, 131 der einzelnen Abzweige 110, 120, 130.
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Ohne Beschränkung der Allgemeinheit sei angenommen, dass die die SCCB 111, 121, 131 der einzelnen Abzweige 110, 120, 130 den gleichen Nennstrom In aufweisen, beispielsweise In = 50A. Häufig wird eine Überschreitung des Nennstroms um einen bestimmten Wert für eine bestimmte Zeit toleriert, bevor der betreffende SCCB abschaltet, beispielsweise ein Überstrom von 20% für 30 Sekunden oder 1 Minute. In SCCB ist dieses Auslöseverhalten präzise parametrierbar, auch die zulässige Zahl der Wiederholungen solcher tolerierbarer Überstromereignisse in einer bestimmten Zeiteinheit kann beispielsweise parametriert werden, so dass beim Überschreiten dieser Zahl auch dann ausgelöst bzw. abgeschaltet wird, wenn das Einzelereignis für sich genommen als tolerierbar anzusehen wäre.
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Dieser tolerierbare Überstromwert bildet die Untergrenze für die Wahl des Referenzstromwertes Ir, im vorstehend beschriebenen Beispiel also Ir > 1,2 * In.
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Die Obergrenze für Ir ergibt sich aus dem maximalen Stromwert, der bei einer Kurzschlussabschaltung durch die SCCB 111, 121, 131 erreicht wird. Auch dieser Wert ist abhängig von der gewählten Parametrierung der SCCB. Beispielsweise kann ein SCCB parametriert sein, einen sehr hohen Einschaltstrom zu tolerieren und muss entsprechend in der Lage sein, einen Einschaltstrom von einem Kurzschlussereignis zu unterscheiden, beispielsweise anhand der Anstiegs des durch den SCCB fließenden Stroms und/oder der Dauer des Stromereignisses. In vielen praktischen Anwendungen dürfte der Stromwert, bei dem eine Kurzschlussabschaltung erfolgt, etwa dem 4-fachen bis 5-fachen des Nennstroms In betragen, vereinfachend also Ir < 4 * In.
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Damit kann als Referenzstromwert für die vorliegende Erfindung ein Wert gewählt werden, der folgende Bedingungen erfüllt: 1,2 * In < Ir < 4 * In, wobei In der niedrigste Nennstromwert der an die Gleichspannungsleitung 104 angeschlossenen SCCB 111, 121, 131, 141 ist.
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Als besonders geeignet haben sich Referenzstromwerte erwiesen, die von den vorstehend genannten Grenzwerten beabstandet sind, insbesondere 1,5 * In < Ir < 3 * In und bevorzugt Ir = 2 * In.
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In Schritt 250 wird das Ergebnis der vorstehend im Detail beschriebenen Berechnungen an einen Bediener ausgegeben oder zur Ausgabe vorbereitet und das Verfahren beendet.
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Wie bereits erwähnt kann das Verfahren in Echtzeit oder nach einem Kurzschlussereignis anhand der in den SCCB gespeicherten Daten durchgeführt werden. In einem besonders bevorzugten Ausführungsbeispiel kann dabei auf den Datenaustausch und die Uhrensynchronisation 105 zwischen den SCCB verzichtet werden. Dieses Ausführungsbeispiel wird im folgenden beschrieben.
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Es sei angenommen, dass zumindest zwei der SCCB aufgrund eines Kurzschlussereignisses ausgeschaltet bzw. ausgelöst haben, dies seien in Übereinstimmung mit der vorstehenden Beschreibung die SCCB 121 und 131. Ein Bediener verwendet ein portables Gerät, beispielsweise ein Smartphone mit einer geeigneten App, das zum Datenaustausch temporär mit diesen SCCB verbindbar ist (drahtlos mittels Funk oder Blinksignal oder drahtgebunden), und ruft die den im SCCB 121 gespeicherten Strom-Zeit-Verlauf im Zusammenhang mit der Kurzschlussabschaltung ab. Außerdem wird die Abweichung der Uhr des portablen Geräts und der Uhr des SCCB 121 festgestellt und gespeichert.
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Dieser Vorgang wird für den SCCB 131 wiederholt. Aus den Abweichungen der Uhren der beiden SCCB bezüglich der Uhr des portablen Geräts können die Zeitstempel der nicht synchronisierten Uhren der SCCB 121, 131 nachträglich in Beziehung zueinander gesetzt werden. Dieser Schritt kann natürlich entfallen, wenn die Uhren der SCCB synchronisiert sind.
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Anschließend ermittelt das portable Gerät gemäß des oben beschriebenen Verfahrens t1 und t2. Dabei kann als Referenzstromwert ein voreingestellter Wert verwendet werden. Alternativ kann das portable Gerät aber auch zunächst die abgerufenen Strom-Zeit-Verläufe analysieren und anhand dieser Analyse einen Referenzwert speziell für die jeweilige Auswertung festlegen, beispielsweise wenn die Abweichungen der Nennstromwerte der SCCB so groß sind, dass der Standardwert Ir = 2 * In zu nah an dem vom SCCB mit dem höheren Nennstromwert für zeitweise Überschreitung tolerierten Stromwert liegt. Generell kommen für Ir nur Werte infrage, die von beiden betrachteten SCCB während des jeweiligen kurzschlussbedingten Abschaltvorgangs durchlaufen werden und vorzugsweise während des Stromanstiegs nur einmal durchlaufen werden.
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Nachdem Ir festgelegt oder der Standardwert für Ir als geeignet festgestellt wurde, kann anhand der (ggf. nachträglich synchronisierten) Zeitstempel des Erreichens von Ir durch die beiden SCCB, die ggf. durch Interpolation der Abtastwerte für den Strom gewonnen wurden, das im Zusammenhang mit 2 erläuterte Verfahren auf dem portablen Gerät ausgeführt und das Ergebnis dem Bediener angezeigt werden.
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Anstelle mittels eines portablen Gerätes kann die vorstehend beschriebene Auswertung natürlich auch durch eine zentrale Einrichtung oder eine Leitstelle durchgeführt werden.
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Es sei darauf hingewiesen, dass die vorstehend beschriebenen Ausführungsbeispiele beliebig miteinander kombiniert werden können. Ferner sei darauf hingewiesen, dass der Begriff „Steuerung“, wie hier verwendet, einschließlich der in den SCCB eingesetzten Steuerungen, Prozessoren und Verarbeitungseinheiten im weitesten Sinne umfasst, also beispielsweise Universalprozessoren, digitale Signalprozessoren, anwendungsspezifische integrierte Schaltungen (ASICs), programmierbare Logikschaltungen wie FPGAs, diskrete analoge oder digitale Schaltungen und beliebige Kombinationen davon, einschließlich aller anderen dem Fachmann bekannten oder in Zukunft entwickelten Verarbeitungseinheiten. Prozessoren können dabei aus einer oder mehreren Vorrichtungen bestehen. Besteht ein Prozessor aus mehreren Vorrichtungen, können diese zur parallelen oder sequentiellen Verarbeitung von Instruktionen konfiguriert sein.