-
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Prädiktion eines querdynamischen Stabilitätsverhaltens einer gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration eines Fahrzeugs. Ferner betrifft die Erfindung ein Fahrerassistenzsystem für ein Fahrzeug, ein Fahrzeug und ein Computerprogrammprodukt.
-
Ein erfahrener Berufskraftfahrer kann bereits aufgrund seiner Erfahrung beurteilen, ob sich ein Fahrzeug stabilitätskritisch verhalten wird. Die von einem geübten Fahrer gewählte Fahrweise ist den gegebenen Randbedingungen anpasst und ermöglicht ein sicheres Steuern des Fahrzeugs. Die zu einer korrekten Beurteilung der gegenwärtigen Situation benötigte Erfahrung, stellt sich allerdings in der Regel erst nach mehreren Praxisjahren ein.
-
Ein unerfahrener Fahrer kann hingegen eine korrekte Beurteilung des zu erwartenden Fahrzeugverhaltens nicht oder nur teilweise vornehmen. Auch sogenannte virtuelle Fahrer, die autonome Fahrzeuge steuern oder Teilaufgaben beim Steuern autonomer Fahrzeuge übernehmen, können eine korrekte Beurteilung des Stabilitätsverhaltens bisher nicht gewährleisten. Dies birgt das Risiko einer der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration unangemessenen Fahrweise und in der Folge auch einer erhöhten Unfallgefahr. Bekannte Stabilitätssysteme stabilisieren Fahrzeuge ausschließlich reaktiv und zwar dann, wenn sich eine signifikante Abweichung zwischen einem Soll-Verhalten und einem Ist-Verhalten des Fahrzeugs aufgebaut hat. So greifen herkömmliche Stabilitätssysteme in der Regel erst im Grenzbereich ein, sodass verglichen mit einer stabilen Fahrt erheblich mehr Platz benötigt wird, um den instabilen Zustand auszuregeln. Es besteht daher der Bedarf, querdynamische Instabilitäten eines Fahrzeugs zuverlässig vorherzusagen und gegebenenfalls durch eine angepasste Fahrweise zu vermeiden.
-
DE 10 2007 008 486 A1 offenbart ein Verfahren zur Regelung der Fahrstabilität eines Nutzfahrzeugs während eines Spurwechselmanövers bei dem in Abhängigkeit von mehreren Eingangsbedingungen Drücke für einzelne Bremsen des Nutzfahrzeugs ermittelt werden, so dass durch radindividuelle Bremseneingriffe die Fahrstabilität erhöht wird, mit den Schritten: Vorhersagen eines instabilen Fahrverhaltens beim Wechsel von einer ersten Kurvenbahn in eine zweite Kurvenbahn, Beaufschlagen des kurveninneren Rades mit einem Bremsdruck bei vorhergesagtem instabilen Fahrverhalten. Bei dem offenbarten Verfahren wird das instabile Fahrverhalten unter Berücksichtigung einer ersten Bedingung mit den Schritten, Ermitteln eines für die Stabilität des Nutzfahrzeugs erforderlichen Reibwerts, Ermitteln eines geschätzten ausgenutzten Reibwerts, Vergleichen des geschätzten Reibwerts mit dem für die Stabilität des Nutzfahrzeugs erforderlichen Reibwert, und Feststellen, dass die erste Bedingung erfüllt ist, wenn der geschätzte Reibwert unterhalb des für die Stabilität des Nutzfahrzeugs erforderlichen Reibwerts liegt, ermittelt. Allerdings erfolgt die Vorhersage des instabilen Fahrverhaltens im Verfahren gemäß
DE 10 2007 008 486 A1 nur bei einem Übergang von der ersten Kurvenbahn in die zweite Kurvenbahn und somit in Reaktion auf eine unangemessene Fahrweise oder eine Gefahrensituation.
-
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein querdynamisches Stabilitätsverhalten einer gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration eines Fahrzeugs zuverlässig zu prädizieren und so eine angepasste Fahrzeugführung zu ermöglichen.
-
In einem ersten Aspekt wird die Aufgabe gelöst durch ein Verfahren zur Prädiktion eines querdynamischen Stabilitätsverhaltens einer gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration eines Fahrzeugs, mit den Schritten: Ermitteln von zwei oder mehr geometrischen Charakteristika der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration; Ermitteln von zwei oder mehr Lastcharakteristika der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration; Generieren eines individualisierten Fahrzeugmodells der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration aus einem Fahrzeuggrundmodell des Fahrzeugs unter Verwendung der geometrischen Charakteristika und der Lastcharakteristika; Prädizieren von dynamischen Eigenschaften der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration unter Verwendung des individualisierten Fahrzeugmodells; und Definieren zumindest eines Fahrdynamikgrenzwerts für das Fahrzeug basierend auf den dynamischen Eigenschaften der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration.
-
Besonders bevorzugt ist das Fahrzeug eine Nutzfahrzeug. Ein Nutzfahrzeug (Nfz), auch Nutzkraftwagen (Nkw), ist ein Kraftfahrzeug, das nach seiner Bauart und Einrichtung zum Transport von Personen oder Gütern bestimmt ist, oder zum Ziehen von Anhängern, aber kein Personenkraftwagen oder Kraftrad ist, sondern beispielsweise ein Omnibus, ein Lastkraftwagen, eine Zugmaschine oder ein Kranwagen. Im Rahmen der vorliegenden Offenbarung kann das Nutzfahrzeug ein einfaches Nutzfahrzeug, das häufig englisch als rigid vehicle bezeichnet wird, oder auch ein Fahrzeugzug aus einem Zugfahrzeug und einem oder mehreren Anhängerfahrzeugen sein. Ein typisches Beispiel eines Fahrzeugzugs umfasst eine Sattelzugmaschine und einen Sattelauflieger.
-
Das erfindungsgemäße Verfahren ermöglicht es, Instabilitäten zu verhindern, die schon bei genauer Analyse der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration vorhersehbar sind und daher in Form von Beschränkungen an den Fahrer weitergegeben werden können. Dabei macht sich die Erfindung die Erkenntnis zunutze, dass das querdynamische Stabilitätsverhalten des Fahrzeugs erheblich von der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration beeinflusst wird. Durch das Berücksichtigen der geometrischen Charakteristika und der Lastcharakteristika ermöglicht das erfindungsgemäße Verfahren eine zuverlässige Prädiktion der dynamischen Eigenschaften des Fahrzeugs in dessen gegenwärtiger Konfiguration. Wenn die geometrischen Charakteristika und Lastcharakteristika der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration bekannt sind, können daraus Fahrdynamikgrenzwerte für die gegenwärtige Fahrzeugkonfiguration abgeleitet werden. Ein Einhalten der Fahrdynamikgrenzwerte gewährleistet im Regelbetrieb eine sichere und stabile Fahrt des Fahrzeugs. Eingriffe herkömmlicher Stabilitätssysteme, häufig auch als Electronic Stability Control (ESC) oder Elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP®) bezeichnet, werden minimiert, da das Fahrzeug im Betrieb die Eingriffsschwellen solcher Systeme nicht mehr erreicht. Es soll jedoch verstanden werden, dass in Ausnahmesituationen, beispielsweise im Falle eines Schadens an einem Reifen des Fahrzeugs, trotz Einhalten des Fahrdynamikgrenzwerts Instabilitäten des Fahrzeugs auftreten können.
-
Die gegenwärtige Fahrzeugkonfiguration betrifft sowohl fahrzeugspezifische Aspekte als auch ladungsspezifische Aspekte. Ferner kann die gegenwärtige Fahrzeugkonfiguration auch einen Reibschlussbeiwert zwischen dem Fahrzeug und einer vom Fahrzeug befahrenen Fahrbahn umfassen. Die geometrischen Charakteristika repräsentieren eine Geometrie des Fahrzeugs. Neben oder anstelle von geometrischen Abmessungen können die geometrischen Charakteristika vorzugsweise auch Mengenangaben (beispielsweise eine Anzahl der Achsen des Fahrzeugs) enthalten. Geometrische Charakteristika sind insbesondere die Fahrdynamik des Fahrzeugs definierende Geometriegrößen, wie vorzugsweise ein Radstand des Fahrzeugs, Achsabstände zwischen Achsen des Fahrzeugs, eine Spurbreite des Fahrzeugs, ein Abstand zwischen einer Hinterachse des Fahrzeugs und einem Kupplungspunkt eines Anhängers und/oder eine Konstruktionsform eines Anhängerfahrzeugs (beispielsweise Deichselanhänger oder Zentralachsanhänger). Im Vergleich zu Fahrzeugen mit einem Zentralachsanhänger oder einem Sattelauflieger weisen Fahrzeuge mit einem Deichselanhänger einen zusätzlichen Knickpunkt auf, weshalb Fahrzeugkonfigurationen mit Deichselanhänger bezüglich dynamischer Eigenschaften häufig kritischer sind, als Fahrzeuge mit Zentralachsanhänger oder Sattelauflieger. Eine Konstruktionsform des Anhängerfahrzeugs kann mittels einer geometrischen Charakteristika berücksichtigt werden.
-
Die gegenwärtige Fahrzeugkonfiguration umfasst neben den geometrischen Charakteristika des Fahrzeugs ferner auch Lastcharakteristika. Die Lastcharakteristika repräsentieren auf das Fahrzeug wirkende Lasten, die beispielsweise aus dem Eigengewicht des Fahrzeugs und aus einer Ladung des Fahrzeugs resultieren können. So ist eine gegenwärtige Fahrzeugkonfiguration eines unbeladenen Fahrzeugs verschieden von einer gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration desselben Fahrzeugs im beladenen Zustand. Eine Lastcharakteristik kann vorzugsweise eine Radlast, eine Achslast, eine Fahrzeuggesamtmasse, eine Masse eines Fahrzeugteils und/oder eine Schwerpunktlage des Fahrzeugs oder eines Fahrzeugteils sein oder umfassen. Ferner bevorzugt können die Lastcharakteristika auch Daten umfassen, die eine Radlast, eine Achslast, eine Fahrzeuggesamtmasse und/oder eine Masse eines Fahrzeugteils repräsentieren.
-
Das Prädizieren der dynamischen Eigenschaften der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration erfolgt modellbasiert und ist daher vorausschauend möglich. So ist ein Verhalten des Fahrzeugs vorhersagbar. In einer bevorzugten Ausgestaltung ist das Fahrzeugmodell ein Einspurmodell des Fahrzeugs. Vorzugsweise ist das Fahrzeuggrundmodell des Fahrzeugs ein parametrisiertes Modell. Dieses Modell kann durch Setzen der Charakteristika der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration als Werte der Parameter individualisiert werden. Das Individualisieren des Fahrzeuggrundmodells kann vorzugsweise auch dadurch erfolgen, dass ein Zugfahrzeugmodell durch ein der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration entsprechendes Anhängerfahrzeugmodell ergänzt wird. Das Fahrzeuggrundmodell kann vorzugsweise im Fahrzeug oder entfernt von diesem vorgespeichert sein. Alternativ kann das Fahrzeuggrundmodell aber auch während des Verfahrens, vorzugsweise durch eine Steuereinheit, generiert werden.
-
Die dynamischen Eigenschaften können vorzugsweise ein Gierverhalten des Zugfahrzeugs, ein Knickverhalten des Anhängerfahrzeugs oder der Anhängerfahrzeuge, Eigenkreisfrequenzen des Fahrzeugs und/oder Dämpfungsmaße des Fahrzeugs beziehungsweise des von dem Fahrzeug gebildeten dynamischen Systems umfassen.
-
Eine weitere der Erfindung zugrundeliegende Erkenntnis besteht darin, dass bei modernen Fahrzeugen eine Vielzahl von geometrischen Charakteristika und Lastcharakteristika bereits bekannt sind, da diese vielfältig in verschiedenen Fahrzeugsystemen, wie beispielsweise einem elektronischen Bremssystem, verarbeitet werden. Das Verfahren kann daher besonders ökonomisch durchgeführt werden, insbesondere da auf gesonderte Sensorik oftmals verzichtet werden kann. Die Schritte des Verfahrens werden vorzugsweise durch eine Steuereinheit ausgeführt. Die Steuereinheit ist vorzugsweise eine Bremssteuereinheit eines Bremssystems des Fahrzeugs. An einer Bremssteuereinheit eines modernen Bremssystems werden bereits viele der geometrischen Charakteristika und/oder Lastcharakteristika (zu anderen Zwecken) bereitgestellt und/oder verarbeitet, sodass diese Charakteristika bereits an der Bremssteuereinheit vorliegen können. Ferner liegen an einer Bremssteuereinheit oftmals eine Vielzahl von Sensordaten von Sensoren des Fahrzeugs vor. Indem die Bremssteuereinheit zum Ausführen des Verfahrens vorgesehen wird, kann eine dem Verfahren entsprechende Funktionalität besonders einfach in ein Fahrzeug integriert werden.
-
In einer ersten bevorzugten Ausführungsform des Verfahrens umfasst das Generieren eines individualisierten Fahrzeugmodells der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration: Approximieren einer Massenverteilung der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration in zumindest einer Fahrzeuglängsrichtung unter Verwendung der geometrischen Charakteristika und der Lastcharakteristika; und Generieren eines individualisierten Fahrzeugmodells der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration aus einem Fahrzeuggrundmodell des Fahrzeugs unter Verwendung der geometrischen Charakteristika und der approximierten Massenverteilung. Aus den Lastcharakteristika und den geometrischen Charakteristika kann auf eine Massenverteilung des Fahrzeugs geschlossen werden. Diese Massenverteilung erlaubt wiederrum Rückschlüsse auf eine Schwerpunktlage des Fahrzeugs in der Fahrzeuglängsrichtung oder umfasst diese. Eine bekannte Schwerpunktlage ermöglicht eine besonders exakte Prädiktion der dynamischen Eigenschaften. Die Güte der Approximation ist abhängig von der Qualität und/oder Quantität der verfügbaren Charakteristika. Bei hoher Anzahl und Qualität der Charakteristika kann die approximierte Massenverteilung der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration der real vorliegenden Massenverteilung der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration sehr nahekommen beziehungsweise mit dieser übereinstimmen. Stehen nur begrenzte Informationen zur Verfügung, kann die Massenverteilung, beispielsweise unter Verwendung von Hebelgesetzen, näherungsweise bestimmt werden. Es soll verstanden werden, dass unter Verwendung der Lastcharakteristika beispielsweise auch dann auf eine Massenverteilung der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration geschlossen werden kann, wenn beispielsweise nur für eine Achse des Fahrzeugs Achslastinformationen verfügbar sind.
-
Vorzugsweise ist der Fahrdynamikgrenzwert eine maximal zulässige Fahrzeuggeschwindigkeit, eine maximal zulässige Querbeschleunigung, eine maximal zulässige Fahrzeugbeschleunigung, eine maximal zulässige Fahrzeugverzögerung, ein maximal zulässiger Lenkwinkelgradient, eine maximal zulässige Lenkfrequenz oder ein minimal zulässiger Kurvenradius des Fahrzeugs. Mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens können auch mehrere Fahrdynamikgrenzwerte für das Fahrzeug definiert werden, sodass beispielsweise als ein erster Fahrdynamikgrenzwert eine maximal zulässige Fahrzeuggeschwindigkeit und als ein zweiter Fahrdynamikgrenzwert eine maximal zulässige Querbeschleunigung definiert wird. Die maximal zulässige Fahrzeuggeschwindigkeit ist nicht zwingend eine Geschwindigkeit, bei deren Überschreiten durch das Fahrzeug unmittelbar eine Instabilität des Fahrzeugs auftritt. Vielmehr kann eine Instabilität nur bei Vorliegen einer entsprechenden Anregung auftreten, beispielsweise dann, wenn ein Ausweichmanöver nötig ist. Vorzugsweise kann die maximal zulässige Fahrzeuggeschwindigkeit so gewählt sein, dass bei dieser Fahrzeuggeschwindigkeit auch bei plötzlichen Ausweichmanövern und/oder bei Kurvenfahrten noch eine stabile Fahrt des Fahrzeugs gewährleistet ist.
-
Bevorzugt umfassen die geometrischen Charakteristika zumindest eine Anzahl der Achsen des Fahrzeugs und einen Achsabstand zwischen Achsen des Fahrzeugs. Besonders bevorzugt umfassen die geometrischen Charakteristika alle Achsabstände zwischen den Achsen des Fahrzeugs. Das Verfahren kann aber auch dann durchgeführt werden, wenn nur einige oder keine Achsabstände bekannt sind. So kann bei bekannter Fahrzeuglänge ein Achsabstand des Fahrzeugs vorzugsweise auch approximiert werden. Räder der Achsen des Fahrzeugs stellen den Kontaktpunkt des Fahrzeugs zur Fahrbahn dar. Der Achsabstand beeinflusst das dynamische Verhalten des Fahrzeugs und eignet sich besonders als geometrische Charakteristik der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration. Wenn zumindest eine Anzahl der Achsen des Fahrzeugs und ein Achsabstand von den ermittelten geometrischen Charakteristika umfasst sind, dann kann das dynamische Verhalten des Fahrzeugs mit hoher Genauigkeit und vergleichsweise geringem Rechenaufwand prädiziert werden. Weitere oder alternativ bevorzugte geometrische Charakteristika sind oder umfassen beispielsweise eine Lage eines Kupplungspunkts zur Hinterachse des Zugfahrzeugs, eine Lage eines Mittelpunkts einer von mehreren Achsen gebildeten Achsgruppe des Anhängerfahrzeugs, eine Spurbreite des Fahrzeugs und/oder ein Radstand des Fahrzeugs oder eines Teilfahrzeugs des Fahrzeugs.
-
In einer bevorzugten Weiterbildung weist das Verfahren ferner auf: Durchführen des Ermittelns der zwei oder mehr geometrischen Charakteristika, des Ermittelns der zwei oder mehr Lastcharakteristika, des Generierens des individualisierten Fahrzeugmodells, des Prädizierens von dynamischen Eigenschaften der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration und des Definierens des zumindest einen Fahrdynamikgrenzwerts während einer Fahrzeugaktivierung des Fahrzeugs, und erneutes Durchführen zumindest des Prädizierens von dynamischen Eigenschaften der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration und des Definierens des zumindest einen Fahrdynamikgrenzwerts, falls eine Änderung zumindest einer der Prädiktion der dynamischen Eigenschaften zugrundeliegenden Charakteristik detektiert wird. Die Fahrzeugaktivierung ist das Versetzen des Fahrzeugs in einen fahrbereiten Zustand. Häufig wird die Fahrzeugaktivierung auch als Inbetriebnahme bezeichnet, wobei hiervon nicht ausschließlich eine Erstinbetriebnahme nach einer Herstellung des Fahrzeugs umfasst sein soll. Bei herkömmlichen Fahrzeugen erfolgt die Fahrzeugaktivierung in der Regel durch Betätigen der Zündung des Fahrzeugs. Das Durchführen der vorgenannten Schritte während der Fahrzeugaktivierung gewährleistet, dass die gegenwärtige Fahrzeugkonfiguration zuverlässig erfasst und der Prädiktion zugrunde gelegt wird. Beispielsweise wird auch berücksichtigt, wenn das Fahrzeug im deaktivierten Zustand beladen wurde. Das erneute Durchführen des Prädizierens der dynamischen Eigenschaften und des Definierens des zumindest einen Fahrdynamikgrenzwerts, falls eine Änderung einer der Prädiktion der dynamischen Eigenschaften zugrundeliegenden Charakteristik detektiert wird, stellt sicher, dass der Fahrdynamikgrenzwert stets an die gegenwärtige Fahrzeugkonfiguration angepasst ist. Wenn das Fahrzeug beispielsweise im aktivierten Zustand (bei laufendem Motor) beladen wird, verändert sich das dynamische Verhalten des Fahrzeugs unter Umständen signifikant. In der Folge des Beladens ändert sich aber auch eine der Prädiktion zugrundeliegende Lastcharakteristik, sodass die Prädiktion erneut durchgeführt und der Fahrdynamikgrenzwert erneut definiert beziehungsweise an die geänderten Gegebenheiten angepasst wird. Auf diese Weise wird der durch das Verfahren bereitgestellte Zugewinn an Sicherheit weiter erhöht. Die vorgenannten Schritte werden während der Fahrzeugaktivierung durchgeführt, wobei die Schritte nicht mit der Fahrzeugaktivierung abgeschlossen sein müssen. Vorzugsweise können die vorgenannten Schritte auch durch die Fahrzeugaktivierung ausgelöst werden.
-
Bevorzugt werden eine oder mehrere der ermittelten Charakteristika nach Beginn einer Fahrt des Fahrzeugs plausibilisiert. Ferner bevorzugt wird das Verfahren erneut durchgeführt, falls eine oder mehrere der Charakteristika unplausibel sind. In diesem Fall wird das Ergebnis der Plausibilisierung beim erneuten Durchführen des Verfahrens vorzugsweise berücksichtigt. Das Plausibilisieren erhöht die Sicherheit, da Charakteristika ermittelt und ausgeschlossen werden können, die von einem Fahrzeugsystem inkorrekt bereitgestellt werden. Kurz nach Beginn einer Fahrt des Fahrzeugs ist beispielsweise ein Zeitraum von fünf Minuten, vorzugsweise drei Minuten, besonders bevorzugt einer Minute, nach Beginn einer Fahrt des Fahrzeugs. Der Beginn einer Fahrt ist der Moment, wenn das Fahrzeug einen Stillstand verlässt beziehungsweise sich zu bewegen beginnt. Kurz nach Beginn der Fahrt kann vorzugsweise auch ein Zeitraum sein, indem das Fahrzeug nach einem initialen Stillstand erstmalig bis zu einer vorbestimmten Geschwindigkeit beschleunigt wird. Die vorbestimmte Geschwindigkeit beträgt vorzugsweise 30 km/h, weiter bevorzugt 25 km/h, weiter bevorzugt 20 km/h, weiter bevorzugt 15 km/h, besonders bevorzugt 10 km/h. Aufgrund einer stets vorliegenden Begrenzung der von einem Antrieb des Fahrzeugs bereitstellbaren Antriebsleistung, vergeht ein Mindestzeitraum, bis das Fahrzeug die vorbestimmte Geschwindigkeit aus dem Stillstand erreicht. Dieser Mindestzeitraum kann bevorzugt zum Plausibilisieren einer oder mehrerer Charakteristika genutzt werden, da die Fahrzeuggeschwindigkeit in diesem Fall gering und ein Risiko für Instabilitäten vernachlässigbar ist. Vorzugsweise wird eine Lastcharakteristik, die eine Gesamtmasse des Fahrzeugs repräsentiert, plausibilisiert, während das Fahrzeug bis zu der vorbestimmten Geschwindigkeit beschleunigt wird. So kann bei einer horizontalen Fahrbahn aus einem bekannten Antriebsmoment eines Antriebs des Fahrzeugs und aus einem Zeitraum, der benötigt wird, um das Fahrzeug auf die vorbestimmte Geschwindigkeit zu beschleunigen, auf die Gesamtmasse des Fahrzeugs geschlossen und diese so plausibilisiert werden. Ferner kann eine ermittelte geometrische Charakteristik, die ein angekuppeltes Anhängerfahrzeug des Fahrzeugs repräsentiert, plausibilisiert werden, indem aus einer benötigten Antriebsleistung zum Erreichen einer korrespondierenden Beschleunigung auf eine Gesamtmasse des Fahrzeugs geschlossen wird. So wird beispielsweise zum Beschleunigen eines Fahrzeugzugs, der ein Zugfahrzeug und ein Anhängerfahrzeug aufweist, eine erheblich größere Antriebsleistung zum Erreichen einer Beschleunigung von 1 m/s2 benötigt, als bei einem leeren Zugfahrzeug. Das Ermitteln der geometrischen Charakteristik, die ein angekuppeltes Anhängerfahrzeug repräsentiert, erfolgt vorzugsweise durch Auswerten von Signalen, die auf einem Anhängernetzwerk, besonders bevorzugt einem ISO11992 CAN, bereitgestellt werden.
-
In einer bevorzugten Ausgestaltung weist das Verfahren ferner auf: Bereitstellen des Fahrdynamikgrenzwerts an einer Schnittstelle. Vorzugsweise ist oder umfasst die Schnittstelle eine Mensch-Maschine-Schnittstelle, die besonders bevorzugt eine Warnleuchte, ein Head-up-Display, eine digitale Anzeige und/oder einen Lautsprecher umfasst. Das Bereitstellen des Fahrdynamikgrenzwerts an einer Mensch-Maschine-Schnittstelle, ermöglicht eine einfache Wahrnehmung des Grenzwerts durch einen menschlichen Fahrer, sodass dieser den Fahrdynamikgrenzwert beim Steuern des Fahrzeugs berücksichtigen kann. Beispielsweise kann eine maximal zulässige Fahrzeuggeschwindigkeit auf einem Tacho des Fahrzeugs angezeigt werden. Weiter bevorzugt kann die Schnittstelle als Netzwerkschnittstelle, besonders bevorzugt CAN-Schnittstelle ausgebildet sein. Über eine solche Netzwerkschnittstelle kann der Grenzwert vorzugsweise einem Fahrassistenzsystem des Fahrzeugs oder einem Positionsregler des Fahrzeugs bereitgestellt werden. Vorzugsweise wird der Fahrdynamikgrenzwert nur dann an der Schnittstelle bereitgestellt, wenn dieser verletzt wird. So kann die maximal zulässige Fahrzeuggeschwindigkeit beispielsweise nur dann von einem Head-up-Display angezeigt werden, wenn das Fahrzeug sich mit einer Geschwindigkeit bewegt, die größer ist, als die maximal zulässige Fahrzeuggeschwindigkeit. Vorzugsweise weist das Verfahren ferner auf: Limitieren einer von einem Fahrzeugaktuator bereitstellbaren Fahrdynamikgröße unter Verwendung des an der Schnittstelle bereitgestellten Fahrdynamikgrenzwerts. Die Fahrdynamikgröße ist vorzugsweise eine Fahrzeuggeschwindigkeit des Fahrzeugs. Vorzugsweise kann eine Steuereinheit des Fahrzeugs eine Fahrzeuggeschwindigkeit des Fahrzeugs basierend auf der als Fahrdynamikgrenzwert definierten maximal zulässigen Fahrzeuggeschwindigkeit limitieren. So kann beispielsweise die maximal zulässige Fahrzeuggeschwindigkeit nicht (unbewusst) vom Fahrer überschritten werden, da ein maximales Motormoment eines Antriebsmotors des Fahrzeugs von der Steuereinheit limitiert wird. Bevorzugt kann beim Einlenken in eine Kurve das Fahrzeug automatisch auf eine Fahrzeuggeschwindigkeit verzögert werden, die zu einer maximal zulässigen Querbeschleunigung korrespondiert.
-
Bevorzugt weist das Verfahren ferner auf: Berücksichtigen des an der Schnittstelle bereitgestellten Fahrdynamikgrenzwerts durch einen virtuellen Fahrer bei einer Trajektorienplanung für das Fahrzeug. Der virtuelle Fahrer ist eine Einheit, die zumindest Teilaufgaben einer autonomen Steuerung des Fahrzeugs unternimmt. Die zumindest eine Teilaufgabe der autonomen Steuerung des Fahrzeugs umfasst die Trajektorienplanung. Der virtuelle Fahrer führt die Trajektorienplanung durch und erhält eine Trajektorie, die zum Erfüllen einer Fahraufgabe, wie beispielsweise einer autonomen Fahrt von Punkt A zu Punkt B, vorgesehen ist. Die Trajektorie umfasst zumindest einen geplanten Fahrpfad (Soll-Fahrpfad), der von dem Fahrzeug zum Erfüllen der Fahraufgabe zu befahren ist. Ferner umfasst die Trajektorie zumindest eine fahrdynamische Vorgabe. Diese fahrdynamische Vorgabe ist oder umfasst vorzugsweise eine zum Befahren des Fahrpfads vorgegebene Geschwindigkeit oder einen vorgegebenen Geschwindigkeitsverlauf. Der virtuelle Fahrer plant die Trajektorie basierend auf Umweltinformationen, die vorzugsweise von verschiedenen Umweltsensoren des Fahrzeugs bereitgestellt werden. So kann das Fahrzeug beispielsweise eine Kamera aufweisen, die eine in Fahrtrichtung vor dem Fahrzeug liegende Umgebung erfasst. Auf Grundlage der von der Kamera bereitgestellten Umweltinformationen plant der virtuelle Fahrer dann die zu befahrende Trajektorie. Gemäß der bevorzugten Weiterbildung des Verfahrens berücksichtigt der virtuelle Fahrer bei der Trajektorienplanung darüber hinaus auch den Fahrdynamikgrenzwert. So kann beispielsweise die zum Befahren des Fahrpfads vorgesehene Geschwindigkeit auf 60 km/h beschränkt werden (der Fahrdynamikgrenzwert ist dann eine maximal zulässige Fahrzeuggeschwindigkeit von 60 km/h), obwohl auf der zu befahrenden Straße eine Geschwindigkeit von 80 km/h verkehrsrechtlich zulässig ist. Der virtuelle Fahrer kann die Trajektorienplanung vorzugsweise unter Verwendung von Kartendaten durchführen. Die Trajektorienplanung kann, insbesondere unter Verwendung von Kartendaten, auch ohne Umweltinformationen erfolgen. So kann der virtuelle Fahrer vorzugsweise anstelle einer Autobahnroute eine langsamere aber kürzere Landstraßen route planen. Dies ist insbesondere dann bevorzugt, wenn eine maximal zulässige Fahrzeuggeschwindigkeit als Fahrdynamikgrenzwert definiert ist, die kleiner ist, als eine zulässige Geschwindigkeit auf einer zur Autobahnroute gehörenden Autobahn. In diesem Fall kann beispielsweise ein zu erreichendes Ziel auf der kürzeren Landstraßen route schneller erreicht werden als auf der längeren Autobahnroute, da aufgrund der Vorgabe einer maximal zulässigen Fahrzeuggeschwindigkeit auf einer Autobahnroute kein Geschwindigkeitsvorteil erreicht werden kann.
-
In einer bevorzugten Weiterbildung weist das Verfahren ferner auf: Ermitteln eines gegenwärtigen Reibschlussbeiwerts für das Fahrzeug, wobei der gegenwärtige Reibschlussbeiwert für das Fahrzeug beim Prädizieren der dynamischen Eigenschaften berücksichtigt wird. Das Ermitteln des gegenwärtigen Reibschlussbeiwerts für das Fahrzeug ist vorliegend im Sinne einer Approximation zu verstehen, die einem gewissen Approximationsfehler unterliegen kann. Durch das Ermitteln des gegenwärtigen Reibschlussbeiwerts für das Fahrzeug wird die Güte der Prädiktion der dynamischen Eigenschaften der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration weiter verbessert, da der gegenwärtige Reibschlussbeiwert in der Realität großen Schwankungen unterliegt. So kann der zwischen Fahrzeug und Fahrbahn herrschende Reibschlussbeiwert bei Nässe oder Eis gegenüber trockenen Bedingungen erheblich reduziert sein. Hieraus resultiert ein erheblicher Einfluss auf die dynamischen Eigenschaften des Fahrzeugs. Wenn der gegenwärtige Reibschlussbeiwert beim Prädizieren der dynamischen Eigenschaften berücksichtigt wird, dann wirkt sich dies gegebenenfalls auf den definierten Fahrdynamikgrenzwert aus und die Sicherheit beim Betreiben des Fahrzeugs wird erhöht. Ohne den Schritt des Ermittelns des gegenwärtigen Reibschlussbeiwerts kann das Verfahren vorzugsweise basierend auf einem vordefinierten oder vorgespeicherten Reibschlussbeiwert erfolgen.
-
Bevorzugt werden beim Prädizieren der dynamischen Eigenschaften der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration historische Regeleingriffe eines Stabilitätsregelsystems für vergleichbare Fahrzeugkonfigurationen berücksichtigt. Ein solches Stabilitätsregelsystem ist vorzugsweise ein Antiblockiersystem (ABS), eine Antriebsschlupfregelung (ASR) und/oder ein ESC. Ein zu groß gewähltes Antriebsmoment an Rädern des Fahrzeugs führt insbesondere bei nasser oder glatter Fahrbahn zu einem erheblichen Reifenschlupf (Durchdrehen der Räder). Eine Antriebsschlupfregelung verhindert oder minimiert diesen Reifenschlupf durch einen darauf angepassten Eingriff in das Motormoment und Einbremsen des durchdrehenden Rades. Aufgrund geringerer Radlasten tritt ein vorbeschriebener Antriebsschlupf insbesondere bei unbeladenen bzw. leichten Fahrzeugen auf. Ist für einen vergleichbaren Beladungszustand (eine vergleichbare Fahrzeugkonfiguration) bereits ein Eingriff der ASR erfolgt (ein historischer Regeleingriff), kann dies vorteilhaft auch beim Prädizieren der dynamischen Eigenschaften der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration berücksichtigt werden. So kann beispielsweise ein maximales Antriebsmoment, das von Antriebsrädern des Fahrzeugs für die gegenwärtige Fahrzeugkonfiguration auf die Fahrbahn aufgebracht werden kann, an dem historischen Regeleingriff orientiert werden. Vorzugsweise weist das Verfahren auf: Ermitteln eines Eingriffs eines Stabilitätsregelsystems und Ermitteln einer den Eingriff auslösenden Überschreitung einer Fahrdynamikgröße.
-
Vorzugsweise ist eine vergleichbare Fahrzeugkonfiguration eine Fahrzeugkonfiguration mit gleichen geometrischen Charakteristika und einer maximalen Verschiebung des Schwerpunkts der vergleichbaren Fahrzeugkonfiguration zur Schwerpunktlage der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration in einem Bereich von bis zu 1 m in einer oder mehreren Raumrichtungen, insbesondere von bis zu 0,5 m, weiter insbesondere von bis zu 0,3 m. Bevorzugt kann die vergleichbare Fahrzeugkonfiguration auch durch eine identische Achsanzahl des Zugfahrzeugs und/oder des Anhängerfahrzeugs gekennzeichnet sein. Ferner bevorzugt kann eine Fahrzeugkonfiguration vergleichbar sein, wenn das Anhängerfahrzeug identisch zum Anhängerfahrzeug der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration ist oder wenn der Modelltyp des Anhängerfahrzeugs identisch ist. Vorzugsweise ist das Fahrzeug der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration mit dem Fahrzeug der vergleichbaren Fahrzeugkonfiguration identisch. Die Fahrzeugkonfigurationen können sich dann bevorzugt aufgrund einer Beladung des Fahrzeugs und/oder aufgrund eines Liftstatus einer Liftachse unterscheiden.
-
Bevorzugt weist das Verfahren ferner auf: Überwachen eines Ist-Fahrzeugverhaltens des Fahrzeugs im Betrieb; Abgleichen des Ist-Fahrzeugverhaltens mit einem Soll-Fahrzeugverhalten, das unter Verwendung des individualisierten Fahrzeugmodells ermittelt wird; und Detektieren einer Instabilität, falls das Ist-Fahrzeugverhalten von dem Soll-Fahrzeugverhalten abweicht. Es soll verstanden werden, dass vorzugsweise auch nur Teilaspekte des Ist-Fahrzeugverhaltens des Fahrzeugs überwacht und/oder nur Teilaspekte des Ist-Fahrzeugverhaltens mit dem Soll-Fahrzeugverhalten abgeglichen werden können. Vorzugsweise kann das Detektieren einer Instabilität nur dann erfolgen, falls das Ist-Fahrzeugverhalten um einen Toleranzwert von dem Soll-Fahrzeugverhalten abweicht. So kann eine Instabilität des Zugfahrzeuges beispielsweise beim Durchfahren einer Kurve daran erkannt werden, dass eine reale Gierrate des Fahrzeugs (Drehrate um die Hochachse) nicht einer erwarteten Gierrate entspricht, die aus dem Lenkwinkel oder einer bereitgestellten Trajektorie (im Falle eines virtuellen Fahrers) ableitbar ist. Durch Vergleich dieser Gierraten miteinander kann unter Berücksichtigung einer geforderten Kurvenrichtung zwischen einer Über- oder Untersteuersituation entschieden werden.
-
Vorzugsweise erfolgt das Überwachen des Ist-Fahrzeugverhaltens durch Überwachen eines Knickwinkels zwischen Zugfahrzeug und Anhängerfahrzeug, der aus einem Knickwinkelsignal eines Knickwinkelsensors ermittelt wird. Ferner bevorzugt ist das Soll-Fahrzeugverhalten ein unter Verwendung des Fahrzeugmodells ermittelter Soll-Knickwinkel. Das Überwachen des Knickwinkels erlaubt ein Überwachen einer Zuggesamtstabilität des Fahrzeugzugs. Auf diese Weise kann eine Instabilität des Anhängers (Einknicken oder Ausbrechen) ermittelt werden, falls sich in einer Fahrsituation des Fahrzeugs ein Knickwinkel einstellt, der vom Soll-Knickwinkel abweicht.
-
In einer bevorzugten Ausgestaltung weist das Verfahren ferner auf: Durchführen einer Sicherheitsoperation, falls das Fahrzeug im Betrieb einen oder mehrere der an der Schnittstelle bereitgestellten Fahrdynamikgrenzwerte überschreitet. Die Sicherheitsoperation ist ein Verfahrensschritt, der ausgeführt wird, falls in Folge einer Überschreitung des Fahrdynamikgrenzwerts eine Instabilität des Fahrzeugs droht.
-
Vorzugsweise ist die Sicherheitsoperation ein Versetzen eines Stabilitätsregelsystems des Fahrzeugs in einen präventiven Anregelmodus und/oder das Aufbringen eines zusätzlichen Giermoments bei einem Einlenken des Fahrzeugs. Durch das Aufbringen eines zusätzlichen Giermoments kann vorzugsweise ein Untersteuern des Fahrzeugs bei einer Kurvenfahrt kompensiert werden. Durch das Versetzen des Stabilitätsregelsystems in den präventiven Anregelmodus wird ein frühzeitiges Eingreifen des Stabilitätsregelsystems, vorzugsweise eines ESC, erreicht, sodass gegebenenfalls auftretenden Instabilitäten des Fahrzeugs frühzeitig erkannt und ausgeglichen werden. In diesem Fall ist ein Lenkwinkel geringer, als dies ohne die präventive Maßnahme der Fall wäre. Eine Lenkarbeit beziehungsweise ein Integral des Lenkwinkels, der zum Durchfahren einer Kurve benötigt wird, wird reduziert. Vorzugsweise ist eine Eingriffsschwelle des Stabilitätsregelsystems des Fahrzeugs im präventiven Anregelmodus gegenüber einem regulären Anregelmodus reduziert. Mittels der bevorzugten Weiterbildung kann so ein bereits vorhandenes Stabilitätsregelsystem des Fahrzeugs genutzt werden, um Instabilitäten frühzeitig zu kompensieren.
-
Bevorzugt ist das Fahrzeug ein Nutzfahrzeug, das ein aus einem Zugfahrzeug und zumindest einem Anhängerfahrzeug gebildeter Fahrzeugzug ist, wobei das individualisierte Fahrzeugmodell ein individualisiertes Gesamtfahrzeugmodell des Fahrzeugzugs ist. Das individualisierte Gesamtfahrzeugmodell ermöglicht eine besonders exakte Prädiktion der dynamischen Eigenschaften der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration, da der wechselseitige Einfluss zwischen Zugfahrzeug und Anhängerfahrzeug bei der Prädiktion berücksichtigt wird. Vorzugsweise umfassen die geometrischen Charakteristika der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration geometrische Charakteristika des Anhängerfahrzeugs. Die Lastcharakteristika der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration umfassen bevorzugt Lastcharakteristika des Anhängerfahrzeugs. Vorzugsweise werden die geometrischen Charakteristika und/oder Lastcharakteristika des Anhängerfahrzeugs basierend auf Signalen ermittelt, die an einem Anhänger-Fahrzeugbus, vorzugsweise einem CAN-Bus, besonders bevorzugt einem SAE J11992 CAN-Bus bereitgestellt werden.
-
In einer bevorzugten Weiterbildung ist das individualisierte Gesamtfahrzeugmodell des Fahrzeugzugs ein reduziertes individualisiertes Fahrzeugmodell, falls zu einem Fahrzeugteil des Fahrzeugzugs keine geometrischen Charakteristika oder Lastcharakteristika ermittelt werden können. Die Fahrzeugteile sind das Zugfahrzeug und die Anhängerfahrzeuge des Fahrzeugzugs. Das reduzierte individualisierte Fahrzeugmodell ist vorzugsweise ein Fahrzeugmodell, das nur diejenigen Bestandteile des Fahrzeugzugs repräsentiert, zu denen die Charakteristika, Achslasten, etc. ermittelt worden sind. Können beispielsweise nur Charakteristika des Zugfahrzeugs eines Fahrzeugzugs ermittelt werden, ist das reduzierte individualisierte Fahrzeugmodell ein individualisiertes Fahrzeugmodell des Zugfahrzeugs ohne das Anhängerfahrzeug. Das reduzierte individualisierte Fahrzeugmodell ist gegenüber dem individualisierten Gesamtfahrzeugmodell dahingehend reduziert, dass dessen Repräsentation der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration gegenüber dem individualisierten Gesamtfahrzeugmodell von geringerer Güte ist. Das reduzierte individualisierte Fahrzeugmodell gewährleistet, dass die Prädiktion auch dann durchgeführt werden kann, wenn die ermittelbaren Charakteristika nicht ausreichen, um eine realitätsnahe Repräsentation der gesamten gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration zu ermöglichen. Vorzugsweise kann der Fahrzeugteil, für den keine geometrischen Charakteristika oder Lastcharakteristika ermittelt werden können, in dem reduzierten individualisierten Fahrzeugmodell durch ein nichtindividualisiertes Grundmodell repräsentiert werden. Bevorzugt kann in dem reduzierten individualisierten Fahrzeugmodell ein Referenzanhängermodell für ein Anhängerfahrzeug berücksichtigt werden, wenn nur für das Zugfahrzeug des Fahrzeugzugs geometrische Charakteristika und Lastcharakteristika ermittelt werden können. Ein Fahrzeugteil, zu dem keine geometrischen Charakteristika oder Lastcharakteristika ermittelbar sind, wird vorzugsweise bei der Prädiktion nicht berücksichtigt oder bei der Prädiktion durch ein vereinfachtes Grundmodell repräsentiert. Es soll verstanden werden, dass für einen Fahrzeugteil, für den zwar keine Lastcharakteristika aber geometrische Charakteristika ermittelt werden können, zumindest die geometrischen Charakteristika in dem reduzierten individualisierten Fahrzeugmodell berücksichtigt werden können und umgekehrt.
-
Vorzugsweise ist das individualisierte Gesamtfahrzeugmodell des Fahrzeugzugs ein reduziertes individualisiertes Fahrzeugmodell, falls die Lastcharakteristika einen unbeladenen Zustand des Anhängerfahrzeugs repräsentieren. Die Erfinder haben erkannt, dass unbeladene Anhängerfahrzeuge nur in sehr seltenen Fällen zu Instabilitäten des Fahrzeugs führen. Das heißt für einen Fahrzeugzug mit unbeladenem Anhängerfahrzeug gehen Instabilitäten in der Regel vom Zugfahrzeug oder einem anderen beladenen Anhängerfahrzeug aus. Im Falle eines unbeladenen Anhängerfahrzeugs kann eine zuverlässige Prädiktion der dynamischen Eigenschaften der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration auch unter Verwendung eines reduzierten individualisierten Fahrzeugmodells erreicht werden, das beispielsweise nur das Zugfahrzeug berücksichtigt. Dies erlaubt ein besonders ressourcenschonendes Durchführen des Verfahrens.
-
In einem zweiten Aspekt löst die Erfindung die eingangs genannte Aufgabe durch ein Fahrerassistenzsystem für ein Fahrzeug, insbesondere Nutzfahrzeug. Vorzugsweise ist das Fahrerassistenzsystem dazu ausgebildet, das Verfahren gemäß einer der vorstehend genannten bevorzugten Ausführungsformen des ersten Aspekts der Erfindung auszuführen. Vorzugsweise weist das Fahrerassistenzsystem für ein Fahrzeug, eine Steuereinheit auf, die ausgebildet ist zum Ermitteln von zwei oder mehr geometrischen Charakteristika einer gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration des Fahrzeugs, Ermitteln von zwei oder mehr Lastcharakteristika der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration, Generieren eines individualisierten Fahrzeugmodells der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration aus einem Fahrzeuggrundmodell des Fahrzeugs unter Verwendung der geometrischen Charakteristika und der Lastcharakteristika der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration, Prädizieren von dynamischen Eigenschaften der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration unter Verwendung des individualisierten Fahrzeugmodells, Definieren zumindest eines Fahrdynamikgrenzwerts für das Fahrzeug basierend auf den dynamischen Eigenschaften der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration, und zum Bereitstellen des Fahrdynamikgrenzwerts an einer Schnittstelle der Steuereinheit.
-
Gemäß einem dritten Aspekt der Erfindung wird die eingangs genannte Aufgabe gelöst durch ein Fahrzeug mit zumindest zwei Achsen, das ein Fahrerassistenzsystem gemäß dem zweiten Aspekt der Erfindung aufweist. Es soll verstanden werden, dass das Fahrerassistenzsystem gemäß dem zweiten Aspekt der Erfindung sowie das Fahrzeug gemäß dem dritten Aspekt der Erfindung gleiche und ähnliche Unteraspekte aufweisen, wie sie insbesondere in den abhängigen Ansprüchen niedergelegt sind.
-
In einem vierten Aspekt löst die Erfindung die eingangs genannte Aufgabe durch ein Computerprogrammprodukt mit Programmcode-Mitteln, die auf einem computerlesbaren Datenträger gespeichert sind, um das Verfahren nach einer der vorstehend genannten bevorzugten Ausführungsformen des ersten Aspekts der Erfindung auszuführen, wenn das Computerprogrammprodukt auf einer Recheneinheit ausgeführt wird. Vorzugsweise ist die Recheneinheit eine Recheneinheit eines Fahrerassistenzsystems gemäß dem zweiten Aspekt der Erfindung.
-
Ausführungsformen der Erfindung werden nun nachfolgend anhand der Zeichnungen beschrieben. Diese sollen die Ausführungsformen nicht notwendigerweise maßstäblich darstellen, vielmehr sind die Zeichnungen, wenn dies zur Erläuterung dienlich ist, in schematisierter und/oder leicht verzerrter Form ausgeführt. Im Hinblick auf Ergänzungen der aus den Zeichnungen unmittelbar erkennbaren Lehren wird auf den einschlägigen Stand der Technik verwiesen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass vielfältige Modifikationen und Änderungen betreffend die Form und das Detail einer Ausführungsform vorgenommen werden können, ohne von der allgemeinen Idee der Erfindung abzuweichen. Die in der Beschreibung, in den Zeichnungen sowie in den Ansprüchen offenbarten Merkmale der Erfindung können sowohl einzeln als auch in beliebiger Kombination für die Weiterbildung der Erfindung wesentlich sein. Zudem fallen in den Rahmen der Erfindung alle Kombinationen aus zumindest zwei der in der Beschreibung, den Zeichnungen und/oder den Ansprüchen offenbarten Merkmale. Die allgemeine Idee der Erfindung ist nicht beschränkt auf die exakte Form oder das Detail der im Folgenden gezeigten und beschriebenen bevorzugten Ausführungsformen oder beschränkt auf einen Gegenstand, der eingeschränkt wäre im Vergleich zu dem in den Ansprüchen beanspruchten Gegenstand. Bei angegebenen Bemessungsbereichen sollen auch innerhalb der genannten Grenzen liegende Werte als Grenzwerte offenbart und beliebig einsetzbar und beanspruchbar sein. Der Einfachheit halber sind nachfolgend für identische oder ähnliche Teile oder Teile mit identischer oder ähnlicher Funktion gleiche Bezugszeichen verwendet.
-
Weitere Vorteile, Merkmale und Einzelheiten der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung der bevorzugten Ausführungsformen sowie anhand der Zeichnungen; diese zeigen in:
- 1 eine gegenwärtige Fahrzeugkonfiguration eines Nutzfahrzeugs gemäß einem ersten Ausführungsbeispiel;
- 2 eine gegenwärtige Fahrzeugkonfiguration eines Nutzfahrzeugs gemäß einem zweiten Ausführungsbeispiel;
- 3 ein schematisches Ablaufdiagramm für ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel des Verfahrens;
- 4 ein individualisiertes Fahrzeugmodell gemäß einem Ausführungsbeispiel;
- 5 ein Diagramm, das für verschiedene Fahrzeugkonfigurationen einen Verlauf der geringsten Dämpfung über die Fahrzeuggeschwindigkeit illustriert;
- 5 eine schematische Darstellung eines Nutzfahrzeugs während einer Kurvenfahrt;
- 7 eine schematische Darstellung eines Nutzfahrzeugs während einer Kurvenfahrt mit überhöhter Geschwindigkeit;
- 8 ein schematisches Ablaufdiagramm einer bevorzugte Ausgestaltung eines Generierens eines individualisierten Fahrzeugmodells;
- 9a ein Fahrzeuggrundmodell; und
- 9b ein reduziertes individualisiertes Fahrzeugmodell.
-
1 illustriert ein Fahrzeug 300 das hier ein als ein Fahrzeugzug 302, der ein Zugfahrzeug 304 und ein Anhängerfahrzeug 306 aufweist, ausgebildetes Nutzfahrzeug 300 ist. Das Zugfahrzeug 304 ist ein Lastwagen mit einer ersten Ladefläche 308 und das Anhängerfahrzeug 306 ist ein mit dem Zugfahrzeug 304 verbundener Deichselanhänger, der eine zweite Ladefläche 310 aufweist. Auf der ersten Ladefläche 308 ist eine erste Ladung 312 angeordnet, während die zweite Ladefläche 310 mit einer zweiten Ladung 314 beladen ist. 1 soll verdeutlichen, dass ein Gewicht der zweiten Ladung 314 auf der zweiten Ladefläche 310 des Anhängerfahrzeugs 306 in etwa doppelt so groß ist, wie ein Gewicht der ersten Ladung 312 auf der ersten Ladefläche 308 des Zugfahrzeugs 304.
-
Das in 1 gezeigte Nutzfahrzeug 300 ist durch eine gegenwärtige Fahrzeugkonfiguration 3 gekennzeichnet. Diese gegenwärtige Fahrzeugkonfiguration 3 umfasst sowohl geometrische Charakteristika 5 als auch Lastcharakteristika 7. Die Charakteristika 5, 7 der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration 3 des Nutzfahrzeugs 300 sind in 1 zur besseren Übersicht nur anhand einiger geometrischer Charakteristika 5 und Lastcharakteristika 7 verdeutlicht. Als geometrische Charakteristika 5 sind beispielhaft ein Achsabstand L11 zwischen zwei Achsen 316 des Zugfahrzeugs 304, ein Kupplungsabstand L13 zwischen einer Hinterachse 318 und einem Kupplungspunkt 320 des Zugfahrzeugs 304 und ein Liftachsenabstand L12 zwischen der Hinterachse 318 und einer Liftachse 322 des Zugfahrzeugs 304 dargestellt. Die geometrischen Charakteristika 5 der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration 3 umfassen ferner einen Liftstatus 324 der Liftachse 322. Bei abgesenkter Liftachse 322 ändert sich der fahrdynamisch wirksame Radstand des Zugfahrzeugs 304 und zwar von dem in 1 gezeigten Achsabstand L11 zu einer Summe aus dem Achsabstand L11 und dem halben Liftachsenabstand L12. Das dynamische Verhalten des Nutzfahrzeugs 3 wird durch den Radstand beeinflusst, wobei der Liftstatus 324 der Liftachse 322 eine diesen Einfluss unmittelbar kennzeichnende geometrische Charakteristik 5 ist. Weitere geometrische Charakteristika 5 des gezeigten Nutzfahrzeugs 300 sind beispielsweise eine Deichsellänge einer Deichsel des Anhängerfahrzeugs 306 oder ein Radstand des Anhängerfahrzeugs 306, die jedoch in 1 nicht explizit gekennzeichnet sind.
-
Die Lastcharakteristika 7 kennzeichnen die in der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration 3 auf das Nutzfahrzeug 300 wirkenden Lasten, die hier aus dem Eigengewicht des Nutzfahrzeugs 300, aus der ersten Ladung 312 und aus der zweiten Ladung 314 resultieren. Die Lastcharakteristika 7 sind in 1 vereinfacht als auf die Hinterachse 318 des Zugfahrzeugs 304 und eine Vorderachse 326 des Anhängerfahrzeugs 306 wirkende Lasten verdeutlicht. Wie bereits erläutert wurde, ist das Anhängerfahrzeug 306 stärker beladen, als das Zugfahrzeug 304, sodass die auf die Hinterachse 318 des Zugfahrzeugs 304 wirkende Last geringer ist, als die auf die Vorderachse 326 des Anhängerfahrzeugs 306 wirkende Last. Dies wird durch die Länge der die Lastcharakteristika 7 repräsentierenden Pfeile verdeutlicht.
-
Hier ist die auf die Hinterachse 318 des Zugfahrzeugs 304 wirkende Lastcharakteristik 7 eine Achslast der Hinterachse 318. Diese Achslast wird von einer elektronisch steuerbaren Luftfederung 327 des Nutzfahrzeugs 300 ermittelt. Als weitere Lastcharakteristik 7 ermittelt die elektronisch steuerbare Luftfederung 327 die auf die Vorderachse 326 des Anhängerfahrzeugs 306 wirkende Achslast. Im vorliegenden Ausführungsbeispiel sind neben der ermittelten Achslast auf der Hinterachse 318 des Zugfahrzeugs 304 auch eine Gesamtmasse des Zugfahrzeugs 304 und der Liftstatus 324 der Liftachse 322 bekannt, sodass eine Achslast auf einer Vorderachse 330 des Zugfahrzeugs 304 rechnerisch ermittelt werden kann. Ferner kann basierend auf der Achslast der Vorderachse 326 des Anhängerfahrzeugs 306 und einer bekannten Gesamtmasse des Anhängerfahrzeugs 306 auch eine Achslast auf einer Hinterachse des Anhängerfahrzeugs 306 ermittelt werden. Die Lastcharakteristika 7 können im vorliegenden Ausführungsbeispiel also einerseits unmittelbar messtechnisch erfasst werden und andererseits mittelbar durch Berechnung ermittelt werden.
-
Die Fahrzeugkonfiguration 3 kann für dasselbe Nutzfahrzeug 300 in Abhängigkeit der geometrischen Charakteristika 5 und der Lastcharakteristika 7 variieren. So wäre eine Fahrzeugkonfiguration des Nutzfahrzeugs 300 von der in 1 gezeigten gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration 3 verschieden, wenn die Liftachse 322 des Nutzfahrzeugs 300 abgesenkt wäre (d.h. der Liftstatus wäre zu dem in 1 gezeigten Liftstatus 324 verschieden) oder, wenn die erste Ladung 312 und die zweite Ladung 314 vertauscht wären. 1 soll verdeutlichen, dass die gegenwärtige Fahrzeugkonfiguration 3 situationsabhängig ist und einen aktuellen Zustand des Nutzfahrzeugs 5 repräsentiert.
-
Ein weiterer Faktor, der von der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration 3 umfasst sein kann, ist ein gegenwärtiger Reibschlussbeiwert 9 zwischen dem Nutzfahrzeug 300 und einer in 1 mittels einer Strichlinie angedeuteten Fahrbahn 328. Selbst bei identischer geometrischer Konfiguration des Nutzfahrzeugs 3 und identischer Ladungssituation kann aufgrund verschiedener Fahrbahnverhältnisse beziehungsweise aufgrund eines verschiedenen Reibschlussbeiwerts 9, die gegenwärtige Fahrzeugkonfiguration 3 des Nutzfahrzeugs 300 variieren. Insbesondere anhand des Reibschlussbeiwerts 9 wird unmittelbar verständlich, dass die gegenwärtige Fahrzeugkonfiguration 3 des Nutzfahrzeugs 300 sich auch während des Betriebs des Nutzfahrzeugs 300 verändern kann. So kann beispielsweise der Reibschlussbeiwert 9 während einer Fahrt des Nutzfahrzeugs 300 dann abnehmen, wenn Regen einsetzt.
-
2 zeigt ein als Fahrzeugzug 302 ausgebildetes Nutzfahrzeug 300. Der Fahrzeugzug 302, weist ein als Sattelzugmaschine ausgebildetes Zugfahrzeug 304 und ein als Sattelauflieger ausgebildetes Anhängerfahrzeug 306 auf. Identische oder ähnliche Komponenten der Nutzfahrzeuge 300 gemäß 1 und 2 sind mit gleichen Bezugszeichen gekennzeichnet. Ein Nutzfahrzeug 300, wie es in 2 dargestellt ist, wird typischerweise in Europa in großer Verbreitung eingesetzt. Das Zugfahrzeug 304 besitzt zwei Achsen 316, wobei die Vorderachse 330 des Zugfahrzeugs 304 gelenkt ist. Dieses Zugfahrzeug 304 zieht einen dreiachsigen Sattelauflieger.
-
Nachfolgend wird eine bevorzugte Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens 1 im Wesentlichen unter Bezugnahme auf 2 und 3 erläutert. Gegebenenfalls können einzelne Aspekte, die insbesondere das Nutzfahrzeug 300 betreffen, auch unter Bezug auf 1 erläutert sein.
-
In einem ersten Schritt des in 3 schematisch dargestellten Verfahrens 1 erfolgt ein Ermitteln 11 von zwei oder mehr geometrischen Charakteristika 5. Die erste ermittelte geometrische Charakteristik 5 ist hier der Achsabstand L11 zwischen den Achsen 316 des Zugfahrzeugs 300, der hier auch dem Radstand des Zugfahrzeugs 304 entspricht. Als weitere geometrische Charakteristik 5 wird ein Anhängerkupplungsabstand L22 ermittelt. Der Anhängerkupplungsabstand L22 ist als Abstand zwischen dem Kupplungspunkt 320 und einer Achsgruppenmitte 332 einer Achsgruppe 334 des Anhängerfahrzeugs 306 definiert. Auch für das Fahrzeug 300 gemäß 2 werden einzelne geometrische Charakteristika 5 auf Grundlage anderer zuvor ermittelter geometrischer Charakteristika 5 berechnet. So wird im vorliegenden Ausführungsbeispiel eine Position des Kupplungspunkts 320 innerhalb des Radstandes des Zugfahrzeuges 304 basierend auf einer vorbekannten Gesamtzuglänge, die gemäß EU-Richtlinie 96/53/EG vorgeschrieben ist, der Länge eines typischen richtlinienkonformen Anhängerfahrzeugs 306, und dem Radstand L11 des Zugfahrzeuges 304 ermittelt.
-
Parallel zum Ermitteln 11 der geometrischen Charakteristika 5 erfolgt ein Ermitteln 13 von zwei oder mehr Lastcharakteristika 7, die in 2 aus Gründen der Übersicht nicht dargestellt sind. Die Lastcharakteristika 7 umfassen im vorliegenden Ausführungsbeispiel auf die Vorderachse 330 und die Hinterachse 318 des Zugfahrzeugs 304 wirkende Achslasten. Ferner umfassen die Lastcharakteristika für das Nutzfahrzeug 300 gemäß 2 eine auf die Achsgruppenmitte 332 wirkende Achslast, welche die auf die einzelnen Achsen 316 der Achsgruppe 334 wirkenden Achslasten repräsentiert.
-
Das Ermitteln 11, 13 der geometrischen Charakteristika 5 und der Lastcharakteristika 7 wird bei einer Fahrzeugaktivierung 15 des Nutzfahrzeugs 300 erstmalig durchgeführt. Bereits beim Aktivieren einer Zündung des Nutzfahrzeugs 300 sind ein Fahrzeugtyp des Nutzfahrzeugs 300 sowie geometrische Charakteristika 5 (Anzahl der Achsen 316, Achsabstand L11) bekannt. Ferner sind weitere Eigenschaften der Achsen 316, wie der Liftstatus 324 der Liftachse 322 verfügbar. Diese sind als geometrische Charakteristika 5 in einem ESC-Steuergerät 336 des Nutzfahrzeugs 300 hinterlegt, da diese auch für herkömmliche Stabilitätsregelsysteme 360 benötigt werden. Im vorliegenden Falle weist das Anhängerfahrzeug 306 ein elektronisches Bremssystem (EBS) auf. Das Anhängerfahrzeug 306 ist über eine Anhängerschnittstelle 328, die hier als ISO11992-Schnittstelle ausgebildet ist, mit dem Zugfahrzeug 304 verbunden. Das Anhängerfahrzeug 306 stellt auf der Anhängerschnittstelle 328 Signale für das Zugfahrzeug 304 bereit, die genutzt werden, um die geometrischen Charakteristika 5 des Anhängerfahrzeugs 306 zu ermitteln. Die geometrischen Charakteristika 5 des Anhängerfahrzeugs 306 umfassen einen Modell-Typ des Anhängerfahrzeugs 306, eine Anzahl der Achsen des Anhängerfahrzeugs 306 sowie deren Abstände zum Kupplungspunkt 320. Diese geometrischen Charakteristika 5 des Anhängerfahrzeugs 306 werden hier unmittelbar an der ISO11992-Schnittstelle bereitgestellt, sodass das Ermitteln der Charakteristika des Anhängerfahrzeugs 306 ein Empfangen der korrespondierenden Signale ist. Darüber hinaus weist das EBS-Anhängerfahrzeug 306 Sensoren auf (in 3 nicht dargestellt), die den Achsen 316 zugeordnet sind. Diese Sensoren ermitteln an den sensierten Achsen 340 vorliegende Achslasten und stellen entsprechende Signale an der Anhängerschnittstelle 328 bereit. Aus diesen Signalen werden wiederum die Achslasten des Anhängerfahrzeugs 306 als Lastcharakteristika 7 ermittelt. Des Weiteren umfasst das Ermitteln 13 der Lastcharakteristika 7 hier ein Berechnen einer Achslast auf der Vorderachse 330 des Zugfahrzeugs 304.
-
Im Anschluss an das Ermitteln 11 der geometrischen Charakteristika 5 und das Ermitteln 13 der Lastcharakteristika 7 (Ermitteln 11 und 13 in 3), wird in einem nächsten Schritt des Verfahrens 1 ein individualisiertes Fahrzeugmodell 21 der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration 3 aus einem Fahrzeuggrundmodell 22 (vgl. 9a) des Nutzfahrzeugs 300 generiert (Generieren 19 in 3). 4 zeigt das individualisierte Fahrzeugmodell 21, das hier ein Einspurmodell 23 des Nutzfahrzeugs 300 ist. Das Einspurmodell 23 ist ein vereinfachtes Modell des Nutzfahrzeugs 300, das das Zugfahrzeug 304 und das Anhängerfahrzeug 306 aus 2 in deren Minimalkoordinaten abbildet, wobei die Fahrzeugbreite gegen Null geht und Hub-, Roll- oder Nickbewegungen des Nutzfahrzeugs 300 vernachlässigt werden. Im Einspurmodell 23 wurde die Achsgruppe 334 zur Vereinfachung durch eine resultierende Achse an der Achsgruppenmitte 332 ersetzt. In 4 ist das individualisierte Fahrzeugmodell 21 ein individualisiertes Gesamtfahrzeugmodell 24, das alle Fahrzeugteile des als Fahrzeugzug 302 ausgebildete Nutzfahrzeugs 300 repräsentiert. Das individualisierte Fahrzeugmodell 21 umfasst also ein (Teil-)Modell des Zugfahrzeugs 304 und ein (Teil-)Modell des Anhängerfahrzeugs 306.
-
Das Generieren 19 des individualisierten Fahrzeugmodells 21 erfolgt unter Verwendung der geometrischen Charakteristika 5 und der Lastcharakteristika 7. Hierfür wird in einem ersten Schritt eine Massenverteilung 25 der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration 3 in einer Fahrzeuglängsrichtung R1 approximiert (Approximieren 27 in 3). Aus den bekannten Achslasten auf der Vorderachse 330 und der Hinterachse 318 des Zugfahrzeugs 304 wird die Lage eines ersten Schwerpunkts 342 des Zugfahrzeugs 304 in Fahrzeuglängsrichtung R1 ermittelt. Der Achsabstand L11 ist eine der zuvor ermittelten geometrischen Charakteristika 5, sodass unter Anwendung einfacher Hebelgesetze auf die Lage des ersten Schwerpunkts 342 in Fahrzeuglängsrichtung R1 geschlossen werden kann. In analoger Weise wird beim Approximieren 27 der Massenverteilung 25 auch die Lage eines zweiten Schwerpunkts 344 des Anhängerfahrzeugs 306 in Fahrzeuglängsrichtung R1 ermittelt. Die Massenverteilung 25 umfasst einen Abstand L14 zwischen der Vorderachse 330 des Zugfahrzeugs 304 und dem ersten Schwerpunkt 342, einen Abstand L15 zwischen dem ersten Schwerpunkt 342 des Zugfahrzeugs 304 und der Hinterachse 318 des Zugfahrzeugs 304, einen Abstand L16 zwischen dem Kupplungspunkt 320 und dem ersten Schwerpunkt 342, einen Abstand L21 zwischen dem Kupplungspunkt 320 und dem zweiten Schwerpunkt 344 des Anhängerfahrzeugs 306, einen Abstand L23 zwischen dem Kupplungspunkt 320 und der Achsgruppenmitte 332 der Achsgruppe 334 des Anhängerfahrzeugs 306, eine erste Masse m1 des Zugfahrzeugs 304, die im ersten Schwerpunkt 342 angreift, und eine zweite Masse m2 des Anhängerfahrzeugs 306, die im zweiten Schwerpunkt 344 angreift.
-
Das Generieren 19 des individualisierten Fahrzeugmodells 21 umfasst im Anschluss an das Approximieren 27 der Massenverteilung 25 ferner ein Generieren 29 des individualisierten Fahrzeugmodells 21 des Nutzfahrzeugs 300 unter Verwendung der geometrischen Charakteristika 5 und der Massenverteilung 25. Hierzu wird ein parametrisiertes Fahrzeuggrundmodell 22 des Nutzfahrzeugs 300 durch Anwenden der geometrischen Charakteristika 5 und der Lastcharakteristika 7 individualisiert. Die ermittelten Charakteristika 5, 7 werden hier also als Parameterwerte in das Fahrzeuggrundmodell eingesetzt.
-
Neben den Charakteristika 5, 7 umfasst das individualisierte Fahrzeugmodell 21 Bewegungsfreiheitsgrade 31 des Nutzfahrzeugs 300 in Fahrzeuglängsrichtung R1 und einer Fahrzeugquerrichtung R2, die senkrecht zur Fahrzeuglängsrichtung R1 und einer Fahrzeughöhenrichtung R3 ist. Diese Freiheitsgrade sind in
4 eine erste Gierrate ̇ψ̇
1 des Zugfahrzeugs 304 um den ersten Schwerpunkt 342, eine Fahrzeuggeschwindigkeit V in Längsrichtung R1, eine Quergeschwindigkeit V
y des Zugfahrzeugs 304 in Fahrzeugquerrichtung R2, ein Knickwinkel φ zwischen Zugfahrzeug 304 und Anhängerfahrzeug 306 und eine Knickgeschwindigkeit φ̇. Die Bewegungsfreiheitsgrade 31 beschreiben die möglichen Bewegungsrichtungen des zwangsgekoppelten Fahrzeugzugs 302 und können als Zustandsvektor x wie folgt angegeben werden:
-
Ein Lenkwinkel δ des Nutzfahrzeugs 300 und ein Reibmoment M
D im Kupplungspunkt 320 des Nutzfahrzeugs 300 werden im individualisierten Fahrzeugmodell 21 als Eingangsgrößen berücksichtigt. Ein die Eingangsgrößen charakterisierender Eingangsgrößenvektor u ist wie folgt darstellbar:
-
Aus den Eingangsgrößen beziehungsweise dem Eingangsgrößenvektor u und einem Systemverhalten des individualisierten Fahrzeugmodells 21 resultieren für die gegenwärtige Fahrzeugkonfiguration 3 spezifische Werte der Bewegungsfreiheitsgrade 31 des Nutzfahrzeugs 300. Beispielsweise kann bei einer Geradeausfahrt des Nutzfahrzeugs 300, die durch einen Lenkwinkel δ von 0° gekennzeichnet ist, die Gierrate Ψ1 ebenfalls einen Wert von 0 haben. Das Nutzfahrzeug 300 fährt dann stabil geradeaus und vollführt keine Drehbewegung um dessen Hochachse.
-
Im Anschluss an das Generieren 19 des individualisierten Fahrzeugmodells 21 werden dynamische Eigenschaften der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration 3 unter Verwendung des individualisierten Fahrzeugmodells 21 prädiziert (Prädizieren 33 in
3). Hierfür werden Bewegungsgleichungen für das Nutzfahrzeug 300, die hier das individualisierte Fahrzeugmodell 21 repräsentieren, mittels geeigneter mathematischer Methoden gelöst. Im vorliegenden Ausführungsbeispiel werden die Bewegungsgleichungen für einen Betriebspunkt linearisiert, der eine stationäre Geradeausfahrt des Nutzfahrzeugs 300 repräsentiert, wodurch sich der aus den Freiheitsgraden gebildete Zustandsvektor x des Nutzfahrzeugs 300 wie folgt vereinfacht:
-
Bei der stationären Geradeausfahrt des Nutzfahrzeugs 300 sind die auftretenden Lenkwinkel δ und Knickwinkel φ gering, sodass in diesem Betriebspunkt die Bewegungsgleichungen linearisiert werden können und in Matrizenschreibweise darstellbar sind.
-
Auf Reifen der Achsen 316 wirkende Reifenrückstellkräfte, werden im individualisierten Fahrzeugmodell 21 durch Reifenschräglaufsteifigkeiten repräsentiert. Diese Reifenschräglaufsteifigkeiten, werden in diesem Ausführungsbeispiel linear modelliert und über eine empirische Beziehung an die jeweilige Achslast und einen Reibschlussbeiwert 32 zwischen der Fahrbahn 328 und dem Nutzfahrzeug 300 angepasst. Auf analoge Weise wird das Reibmoment MD im Kupplungspunkt 320 für die ermittelte Massenverteilung 25 ermittelt, wobei ein linearer Zusammenhang zwischen einer Last auf dem Kupplungspunkt 320 und dem Reibmoment MD verwendet wird. In anderen Ausführungsformen kann das Reibmoment aber auch als nichtlinearer Zusammenhang berücksichtigt werden.
-
Der Reibschlussbeiwert 32 kann grundsätzlich ein Vorgabewert sein. In diesem bevorzugten Ausführungsbeispiel umfasst das Verfahren aber ein Ermitteln 34 eines gegenwärtigen Reibschlussbeiwerts 32. Hierfür werden zunächst Witterungsbedingungen (in 3 nicht dargestellt) ermittelt. Anschließend wird der gegenwärtige Reibschlussbeiwert 32 dadurch ermittelt, dass aus einer vorgespeicherten Datenbank ein zu den ermittelten Witterungsbedingungen sowie den ermittelten Lastcharakteristika 7 korrespondierender Reibschlussbeiwert 32 ausgewählt wird. Vorzugsweise kann der Reibschlussbeiwert 32 aber auch gemessen oder auf andere Weise ermittelt werden.
-
Anschließend wird beim Prädizieren 33 der dynamischen Eigenschaften für den Betriebspunkt „stationäre Geradeausfahrt“ und für verschiedene Fahrzeuggeschwindigkeiten V (10, 20, 30, ...,120 km/h) je eine Dämpfung D und eine Eigenkreisfrequenz für die Eigenwerte des individualisierten Fahrzeugmodells 21 des Nutzfahrzeugs 300 berechnet. Dadurch wird ermittelt, welcher Fahrzeugteil des Nutzfahrzeugs 300 die geringste Dämpfung aufweist und ab welcher Fahrzeuggeschwindigkeit V ein vordefiniertes Mindestmaß der Dämpfung D unterschritten wird. Ferner repräsentieren auch die Eigenkreisfrequenzen selbst dynamische Eigenschaften des Nutzfahrzeugs 300.
-
5 illustriert für vier voneinander verschiedene gegenwärtigen Fahrzeugkonfigurationen 3, die mit Variante 1 bis Variante 4 (in 5 als Var 1 bis Var 4 abgekürzt) bezeichnet sind, den Verlauf der geringsten Dämpfung D des Nutzfahrzeugs 300 über die Fahrzeuggeschwindigkeit V. Die Dämpfungsmaße D für alle Fahrzeugkonfigurationen 3 nehmen mit steigender Fahrzeuggeschwindigkeit V des Nutzfahrzeugs 300 ab. Ein Vergleich von Variante 3 und Variante 4 verdeutlicht darüber hinaus den Einfluss der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration 3 auf die dynamischen Eigenschaften des Nutzfahrzeugs 300. Variante 4 repräsentiert eine Fahrzeugkonfiguration 3 mit einem hecklastig beladenen Anhängerfahrzeug 306, wie es in 1 gezeigt ist. Die Fahrzeugkonfiguration 3 gemäß Variante 4 weist aufgrund des hecklastigen Beladungszustands ein geringes Dämpfungsmaß D auf, sodass Lenkanregungen rasch zu einem Aufschaukeln des Nutzfahrzeugs 300 führen. Im Gegensatz dazu weist die Fahrzeugkonfiguration 3 gemäß Variante 3, die ein beladenes Zugfahrzeug 304 mit leerem Anhängerfahrzeug 306 repräsentiert, bei gleicher Fahrzeuggeschwindigkeit V ein erheblich höheres Dämpfungsmaß D auf, sodass Anregungen gedämpft und Instabilitäten verhindert werden. Eine Anregung, die bei Variante 4 bereits eine Instabilität des Nutzfahrzeugs 300 hervorruft, kann bei einem Nutzfahrzeug gemäß Variante 3 noch ausreichend gedämpft werden, sodass trotz der Anregung eine stabile Fahrt möglich ist.
-
Im vorliegenden Ausführungsbeispiel ist das Prädizieren 31 von dynamischen Eigenschaften mit Kenntnis des geringsten Dämpfungsmaßes D und der Eigenkreisfrequenzen des Nutzfahrzeugs 300 abgeschlossen. Als darauffolgender Schritt des Verfahrens 1 erfolgt ein Definieren 37 eines Fahrdynamikgrenzwerts 35 für das Nutzfahrzeug 300 basierend auf den dynamischen Eigenschaften der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration 3. Als ein erster Fahrdynamikgrenzwert 35 wird in diesem Ausführungsbeispiel eine maximal zulässige Lenkfrequenz 39 definiert, die kleiner ist, als die kleinste Eigenkreisfrequenz des Nutzfahrzeugs 300. Ein so definierter Fahrdynamikgrenzwert 35 verhindert, dass das Nutzfahrzeug 300 in eine Resonanz gerät, die dazu führen würde, dass sich das Nutzfahrzeug 300 bereits in Folge einer kleinen Auslenkung unkontrolliert aufschaukelt. Aufgrund des beschriebenen erfindungsgemäßen Verfahrens 1 sind die kritischen Eigenkreisfrequenzen bereits bei oder kurz nach der Fahrzeugaktivierung 15 bekannt und können beim Steuern des Nutzfahrzeugs 300 in Form des Fahrdynamikgrenzwerts 35 berücksichtigt werden.
-
Aus den ermittelten geringsten Dämpfungsmaßen D der Nutzfahrzeugkonfiguration 5 wird ein weiterer Fahrdynamikgrenzwert 35 ermittelt. Eine ideale Dämpfung für die Nutzfahrzeugkonfiguration 5 entspricht dem Dämpfungsmaß von D = 1 für die ermittelten Eigenwerte. Dieses Dämpfungsmaß stellt den aperiodischen Grenzfall dar, in dem sich eine angeregte Schwingung ohne Überschwingen wieder abbaut. in der Realität kann dieses ideale Dämpfungsmaß nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Stellaufwand realisiert werden. In der Praxis ist aber auch ein deutlich geringeres Dämpfungsmaß D für einen stabilen Betrieb des Nutzfahrzeugs 300 ausreichend. Wie vorstehend mit Bezug zu 5 erläutert wurde, sinkt das Dämpfungsmaß D mit steigender Fahrgeschwindigkeit V des Nutzfahrzeugs 300 ab. Dies bedeutet, dass die Gefahr von Instabilitäten des Nutzfahrzeugs 300 mit steigender Fahrgeschwindigkeit V zunimmt. Eine Fahrgeschwindigkeit V, bei welcher ein gefordertes Mindestdämpfungsmaß Dmin gerade noch gewährleistet ist, wird daher als nicht zu überschreitende maximal zulässige Fahrzeuggeschwindigkeit Vmax berechnet und als ein Fahrdynamikgrenzwert 35 definiert. Im vorliegenden Ausführungsbeispiel ist das Mindestdämpfungsmaß Dmin auf einen Wert von Dmin = 0.4 ausgelegt. So kann gemäß 5 ein Nutzfahrzeug 300 nach Variante 1 nur bis zu einer Fahrzeuggeschwindigkeit V von 40 km/h sicher bewegt werden, wohingegen für ein Nutzfahrzeug 300 gemäß Variante 3 noch bis zu einer Fahrzeuggeschwindigkeit V von 60 km/h ein sicherer Betrieb gewährleistet ist.
-
Basierend auf dem geringsten Dämpfungsmaß D wird ferner ein maximal zulässiger Lenkwinkelgradient δ̇ als weiterer Fahrdynamikgrenzwert 35 definiert. Vorzugsweise umfasst das individualisierte Fahrzeugmodell 21 auch eine Lage der Schwerpunkte 342, 344 in Fahrzeughöhenrichtung R3. So können eine maximal zulässige Querbeschleunigung 41 und ein minimal zulässiger Kurvenradius Rmin als Fahrdynamikgrenzwerte 35 definiert werden, deren Einhaltung ein Umkippen des Nutzfahrzeugs 300 bei einer Kurvenfahrt verhindert. Des Weiteren werden als Fahrdynamikgrenzwerte 35 eine maximal zulässige Fahrzeugbeschleunigung 43 und eine maximal zulässige Fahrzeugverzögerung 45 definiert.
-
Die vorbeschriebenen Schritte des Verfahrens 1 werden in diesem Ausführungsbeispiel von einem Fahrerassistenzsystem 200 des Nutzfahrzeugs 300 durchgeführt. Das Fahrerassistenzsystem 200 weist eine Steuereinheit 202 und eine Schnittstelle 204 auf. Die Steuereinheit 202 ist hier eine Bremssteuereinheit 345 eines Bremssystems 347 des Nutzfahrzeugs 300, kann aber auch eine Steuereinheit 202 eines anderen Fahrzeugsubsystems, eine Hauptsteuereinheit des Nutzfahrzeugs 300 oder eine gesondert vorgesehene Steuereinheit 202 sein oder umfassen.
-
Kurz nach Beginn einer Fahrt des Nutzfahrzeugs 300 plausibilisiert das Fahrerassistenzsystem 200 einige der zuvor ermittelten geometrischen Charakteristika 3 (Plausibilisieren 47 in 3). Das Fahrerassistenzsystem 200 plausibilisiert vorliegend den Liftstatus 324 der Liftachse 322 des Nutzfahrzeugs 300, der vorzugsweise auf einem SAE J1939 CAN-Bus des Nutzfahrzeugs 300 bereitgestellt wird. Hierfür ermittelt die Steuereinheit 202 des Fahrerassistenzsystems 200 eine Referenzdrehzahl nref eines Rades der Vorderachse 330 des Zugfahrzeugs sowie eine Raddrehzahl nLift eines Rades der Liftachse 322 des Anhängerfahrzeugs 304 und vergleicht diese miteinander. Gemäß der in 2 gezeigten Fahrzeugkonfiguration 3 ist die Liftachse 322 des Anhängerfahrzeugs 304 abgesenkt. Das Rad der Liftachse 322 und das Rad der Vorderachse 330 rollen auf der Fahrbahn 328 ab, sodass die Raddrehzahl nLift des Rades der Liftachse 322 mit der Referenzdrehzahl nref im Wesentlichen übereinstimmt. Die Steuereinheit 202 ermittelt die übereinstimmenden Drehzahlen nLift, nref und ermittelt, dass der Liftstatus 324, der die abgesenkte Liftachse 322 repräsentiert, plausibel ist.
-
Das Plausibilisieren 47 erfolgt kurz nach Beginn der Fahrt des Nutzfahrzeugs 300, sodass Fehler der ermittelten Charakteristika 5, 7 frühzeitig und in einem stabilitätsunkritischen Bereich der Fahrzeuggeschwindigkeit V erkannt werden. In diesem Ausführungsbeispiel erfolgt das Plausibilisieren 47 sobald die Fahrzeuggeschwindigkeit V nach der Fahrzeugaktivierung 15 erstmalig eine Plausibilisierungsgeschwindigkeit VP erreicht, die vorzugsweise einen Wert von 5 km/h hat. Die Plausibilisierungsgeschwindigkeit VP ist eine Mindestgeschwindigkeit, die das Plausibilisieren 47 auslöst. Die Mindestgeschwindigkeit gewährleistet, dass ausreichend große Unterschiede zwischen der ermittelten Charakteristik und einer realen Charakteristik auftreten. So ist im vorliegenden Ausführungsbeispiel ein zuverlässiges Detektieren unplausibler Charakteristika 5, 7 selbst dann möglich, wenn die Referenzdrehzahl nref und die Raddrehzahl nLift der Liftachse 322 nur mit geringer Genauigkeit erfasst werden.
-
Im Betrieb des Nutzfahrzeugs 300 können sich eine oder mehrere der geometrischen Charakteristika 5 oder der Lastcharakteristika 7 ändern. Wird beispielsweise beim Nutzfahrzeug 300 gemäß 1 die zweite Ladung 314 des Anhängerfahrzeugs 306 entfernt oder das Zugfahrzeug 304 betankt, ändern sich die Lastcharakteristika 7 und in der Folge auch dynamische Eigenschaften des Nutzfahrzeugs 300. Um dennoch eine stabile Fahrt des Nutzfahrzeugs 300 zu gewährleisten, ist in dem Verfahren 1 eine Rückkopplung vorgesehen. Diese Rückkopplung umfasst ein Überwachen 49 der ermittelten geometrischen Charakteristika 5 und der ermittelten Lastcharakteristika 7 und ein Detektieren 51 einer Änderung zumindest einer Charakteristik 5, 7. in Folge einer Detektion einer Änderung einer Charakteristik 5, 7, wird das individualisierte Fahrzeugmodell 21 aktualisiert bzw. erneut generiert, das Prädizieren 33 von dynamischen Eigenschaften der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration 3 wird wiederholt und einer oder mehrere der Fahrdynamikgrenzwerte 35 werden neu definiert. Die hierbei definierten Fahrdynamikgrenzwerte 35 können sich sowohl nach Art des Grenzwerttyps (Geschwindigkeitsgröße, Beschleunigung) als auch in der Höhe des Grenzwerts von den im initialen Durchgang des Verfahrens 1 definierten Fahrdynamikgrenzwerten 35 unterscheiden. Beispielsweise kann die maximal zulässige Fahrzeuggeschwindigkeit Vmax erhöht werden, wenn das Anhängerfahrzeug 300 entladen wird. Ein solches Entladen entspricht im Diagramm gemäß 5 einem Wechsel der Fahrzeugkonfiguration 3 von Variante 4 zu Variante 3.
-
Im Anschluss an das Definieren 37 der Fahrdynamikgrenzwerte 35 erfolgt ein Bereitstellen 53 der Fahrdynamikgrenzwerte 35 an der Schnittstelle 204 des Fahrerassistenzsystems 200. Die Schnittstelle 204 ist hier eine Netzwerkschnittstelle 206, die mit einem virtuellen Fahrer 346 des Nutzfahrzeugs 300 verbunden ist. Das Fahrerassistenzsystem 200 stellt die zuvor definierten Fahrdynamikgrenzwerte 35 über die Schnittstelle 204 an dem virtuellen Fahrer 346 bereit. Der virtuelle Fahrer 346 führt eine Trajektorienplanung 55 zum Erhalten einer Trajektorie T für das Nutzfahrzeug 300 durch und greift dafür auf von einem Umweltsensor 348 des Nutzfahrzeugs 300 bereitgestellte Umweltinformationen 350 zurück. Im Ausführungsbeispiel gemäß 2 ist der Umweltsensor 348 eine Kamera 352, die eine vor dem Nutzfahrzeug 300 liegende Umwelt erfasst. Das Nutzfahrzeug 300 kann in anderen Ausführungsformen vorzugsweise auch mehrere Umweltsensoren 348, vorzugsweise Radarsensoren, Lidarsensoren und/oder Kameras, aufweisen.
-
6, die eine Draufsicht auf das Nutzfahrzeug 300 zeigt, das durch eine Kurve 354 fährt, verdeutlicht, wie der Fahrdynamikgrenzwert 35 bei der Trajektorienplanung 55 berücksichtigt werden kann. Der virtuelle Fahrer 346 plant die Trajektorie T für das Nutzfahrzeug 300 zum Befahren der Kurve 354. Hierfür erfasst die Kamera 352 einen Verlauf der vor dem Nutzfahrzeug 300 liegenden Fahrbahn 328 als Umweltinformation 350. Als weitere Umweltinformation 350 erfasst die Kamera 352 eine Geschwindigkeitsbegrenzung 358, die auf einem Straßenschild 356 vorgegeben ist. Im dargestellten Streckenabschnitt entspricht die zulässige Geschwindigkeit einer vorgegebene Geschwindigkeitsbegrenzung 358 von 80 km/h. Ohne Vorgabe eines Fahrdynamikgrenzwerts 35 würde der virtuelle Fahrer 346 die Fahrzeuggeschwindigkeit V an der vorgegebenen Geschwindigkeitsbegrenzung 358 orientieren und für die Trajektorie T eine Fahrzeuggeschwindigkeit V von 80 km/h planen.
-
Das Nutzfahrzeug 300 verhält sich in der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration 3 aufgrund der hecklastigen Beladung aber bei 80 km/h bereits instabil. Ohne Eingriff eine Stabilitätsregelsystems 360 würde das Nutzfahrzeug 300 bei einem Durchfahren der Kurve 354 mit einer Fahrzeuggeschwindigkeit V von 80 km/h instabil werden. Diese Instabilität kann beispielsweise ein Übersteuern oder Untersteuern des Zugfahrzeugs 304 und/oder ein Einknicken oder Ausbrechen des Anhängerfahrzeugs 306 infolge eines Lenkimpulses umfassen. Dieses drohende Fahrzeugverhalten ist aufgrund der Prädiktion der dynamischen Eigenschaften des Nutzfahrzeugs 300 vorbekannt, sodass beim Definieren 37 des Fahrdynamikgrenzwerts 35 eine maximal zulässige Fahrzeuggeschwindigkeit Vmax von 60 km/h festgelegt wurde.
-
Um eine Instabilität des Nutzfahrzeugs 300 zu verhindern, stellt das Fahrerassistenzsystem 200 dem virtuellen Fahrer 346 diesen Fahrdynamikgrenzwert 35 an der Schnittstelle 204 bereit. Der virtuelle Fahrer 346 berücksichtigt den an der Schnittstelle 204 bereitgestellten Fahrdynamikgrenzwert 35 im Rahmen der Trajektorienplanung 55 und begrenzt eine von der Trajektorie T umfasste Fahrzeuggeschwindigkeit V des Nutzfahrzeugs 300 auf die maximal zulässige Fahrzeuggeschwindigkeit Vmax. Das Nutzfahrzeug 300 kann die Kurve 354 so in einem stabilen Fahrzustand durchfahren und Instabilitäten des Nutzfahrzeugs 300 treten nicht auf. Das Berücksichtigen 57 des Fahrdynamikgrenzwerts 35 ist in dem schematischen Ablaufdiagramm des Verfahrens 1 gemäß 3 verdeutlicht.
-
Das bevorzugte Verfahren 1 umfasst ferner ein Überwachen 59 eines Ist-Fahrzeugverhaltens 60 des Nutzfahrzeugs 300, das in diesem Ausführungsbeispiel durch die Steuereinheit 202 des Fahrerassistenzsystems 200 erfolgt. Die Steuereinheit 202 überwacht kontinuierlich die Fahrzeuggeschwindigkeit V und vergleicht diese im Anschluss mit der maximal zulässigen Fahrzeuggeschwindigkeit Vmax. Falls das Nutzfahrzeug 300 sich mit einer Fahrzeuggeschwindigkeit V bewegt, die größer ist, als die an der Schnittstelle 204 bereitgestellte maximal zulässige Fahrzeuggeschwindigkeit Vmax, wird eine Sicherheitsoperation 61 durchgeführt (Durchführen 63 in 3). Hier versetzt die Steuereinheit 202 des Fahrerassistenzsystems 200 das ESC-Steuergerät 336 des Nutzfahrzeugs 300 in einen präventiven Anregelmodus (Versetzen 65 in 3), sodass ein Stabilitätsregelsystem 360, das das ESC-Steuergerät 336 umfasst, im Falle einer Instabilität des Nutzfahrzeugs 300 frühzeitig korrigierende Steuereingriffe am Nutzfahrzeug 300 vornehmen kann.
-
7 zeigt das Nutzfahrzeug 300, das mit einer Fahrzeuggeschwindigkeit V, die größer ist als die maximal zulässige Fahrzeuggeschwindigkeit Vmax, in die Kurve 354 einfährt. An Vorderrädern 362 des Nutzfahrzeugs 300 ist zu einem Einlenken bereits ein Lenkwinkel δ vorgegeben. Ohne Fahrdynamikeingriff würde das Nutzfahrzeug 300 aufgrund der überhöhten Fahrzeuggeschwindigkeit V nach außen aus der Kurve getragen werden.
-
Neben dem Versetzten 65 des ESC-Steuergeräts 336 in den präventiven Anregelmodus stellt die Steuereinheit 202 des Fahrerassistenzsystems 200 als zusätzliche Sicherheitsoperation 61 beim Einlenken des Nutzfahrzeugs 300 eine Bremsstellgröße 67 an der Schnittstelle 204 bereit. Das Bereitstellen 69 der Bremsstellgröße 67 bewirkt, dass von einem mittelbar oder unmittelbar mit der Schnittstelle 204 verbundenen Bremsaktuator 362 des Bremssystems 347 eine Bremskraft FB an einem Kurven inneren Rad 364 des Nutzfahrzeugs 300 ausgesteuert wird. Diese Bremskraft verursacht ein zusätzliches Giermoment MG um die Hochachse des Nutzfahrzeugs 300. Das Giermoment MG bewirkt eine Drehung des Nutzfahrzeugs 300 und bewirkt so, dass das Nutzfahrzeug 300 der Kurve 354 folgen kann. Die von der Steuereinheit 202 des Fahrerassistenzsystems 200 vorgenommene Sicherheitsoperation 61 verhindert so das Untersteuern des Nutzfahrzeugs 300 und gewährleistet eine stabile Fahrt.
-
Neben dem Definieren 37 des Fahrdynamikgrenzwerts 35 und dem Durchführen 63 der Sicherheitsoperation 61 umfasst das Verfahren in dem gezeigten Ausführungsbeispiel ferner ein Detektieren 71 einer Instabilität des Nutzfahrzeugs 300. Als ein erster Schritt des Detektierens 71 erfolgt zunächst im Anschluss an das Überwachen 59 des Ist-Fahrzeugverhaltens 60 des Nutzfahrzeugs 300 ein Abgleichen 75 des Ist-Fahrzeugverhaltens 60 mit einem Soll-Fahrzeugverhalten 73. Das Soll-Fahrzeugverhalten 73 wird von der Steuereinheit 202 des Fahrerassistenzsystems 200 unter Verwendung des individualisierten Fahrzeugmodells 21 und unter Verwendung der Trajektorie T, die von dem virtuellen Fahrer 346 an der Schnittstelle 204 des Fahrerassistenzsystems 200 bereitgestellt wird, ermittelt. Falls beim Abgleichen 75 des Ist-Fahrzeugverhaltens 60 mit dem Soll-Fahrzeugverhalten 73 eine Abweichung ermittelt wird, erfolgt in einem nächsten Schritt das Detektieren 71 einer Instabilität des Nutzfahrzeugs 300. Das Detektieren 71 kann vorzugsweise zeitlich vor, parallel oder nach dem Definieren 37 des Fahrdynamikgrenzwerts 35 erfolgen. Dabei kann das Überwachen 59 des Ist-Fahrzeugverhaltens 60 auch unabhängig von den übrigen Schritten des Verfahrens 1 ausgeführt werden. So ist ein Überwachen 59 des Ist-Fahrzeugverhaltens 60 auch bereits dann möglich, wenn noch keine Prädiktion 33 der dynamischen Eigenschaften des Nutzfahrzeugs 300 vorgenommen wurde oder die Prädiktion 300 noch nicht abgeschlossen ist. Vorzugsweise wird ein zu einer detektierten Instabilität des Nutzfahrzeugs 300 korrespondierendes Signal an der Schnittstelle 204 bereitgestellt, sodass dieses vom virtuellen Fahrer 346 empfangen werden kann. So kann der virtuelle Fahrer 346 die detektierte Instabilität des Nutzfahrzeugs 300 berücksichtigen und vorzugsweise ausgleichen.
-
8 illustriert eine bevorzugte Ausgestaltung des Generierens 19, 29 des individualisierten Fahrzeugmodells 21, für den Fall, dass für das Anhängerfahrzeug 306 des Fahrzeugzugs 302 weder geometrische Charakteristika 5 noch Lastcharakteristika 7 ermittelt werden können. So wird in diesem zweiten Ausführungsbeispiel des Verfahrens 1 beim Ermitteln 11 geometrischer Charakteristika 5 lediglich erkannt, dass das Nutzfahrzeug 200 ein Anhängerfahrzeug 306 umfasst. Um das Prädizieren 33 der dynamischen Eigenschaften der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration 3 trotz fehlender Charakteristika 5, 7 des Anhängerfahrzeugs 306 zu ermöglichen, umfasst das Generieren 19, 29 des individualisierten Fahrzeugmodells 21 ein Vereinfachen 77 des individualisierten Gesamtfahrzeugmodells 24 zu einem reduzierten individualisierten Fahrzeugmodell 79. Hierfür wird zunächst das in 9a gezeigte Fahrzeuggrundmodell 22 des Fahrzeugzugs 302 reduziert (Reduzieren 81 in 3). Dabei wird ein das Anhängerfahrzeug 306 repräsentierende Modellteil aus dem Fahrzeuggrundmodell 22 entfernt. Anschließend erfolgt ein Individualisieren 83 des Fahrzeuggrundmodells 22 unter Verwendung der geometrischen Charakteristika 5 und der Lastcharakteristika 7 des Zugfahrzeugs 304, um das in 9b gezeigte reduzierte Fahrzeugmodell 79 zu erhalten, das nun nur das Zugfahrzeug 304 repräsentiert. Das Vereinfachen 77 kann ferner auch dann erfolgen, wenn die zum Anhängerfahrzeug 306 ermittelten Lastcharakteristika 7 einen unbeladenen Zustand des Anhängerfahrzeugs 306 kennzeichnen. in einem solchen Fall gehen Instabilitäten des Nutzfahrzeugs 300 in einer weit überwiegenden Zahl der Fälle von dem Zugfahrzeug 304 aus, sodass ein von der Steuereinheit 202 zu bewältigender Rechenaufwand durch Reduzieren des Fahrzeuggrundmodells 22 minimiert werden kann. Die übrigen an das Generieren 19, 29 anschließenden Schritte des Verfahrens 1 können dann wie vorstehend beschrieben erfolgen.
-
Bezugszeichen (Teil der Beschreibung):
-
- 1
- Verfahren
- 3
- gegenwärtige Fahrzeugkonfiguration
- 5
- geometrische Charakteristika
- 7
- Lastcharakteristika
- 9
- gegenwärtiger Reibschlussbeiwert
- 11
- Ermitteln geometrischer Charakteristika
- 13
- Ermitteln von Lastcharakteristika
- 15
- Fahrzeugaktivierung
- 19
- Generieren eines individualisierten Fahrzeugmodells
- 21
- individualisiertes Fahrzeugmodell
- 22
- Fahrzeuggrundmodell
- 23
- Einspurmodell
- 24
- individualisiertes Gesamtfahrzeugmodell
- 25
- Massenverteilung
- 27
- Approximieren der Massenverteilung
- 29
- Generieren des individualisierten Fahrzeugmodells unter Verwendung der geometrischen Charakteristika und der Massenverteilung
- 31
- Bewegungsfreiheitsgrade des Nutzfahrzeugs
- 32
- Reibschlussbeiwert
- 33
- Prädizieren von dynamischen Eigenschaften der gegenwärtigen Fahrzeugkonfiguration
- 34
- Ermitteln eines gegenwärtigen Reibschlussbeiwerts
- 35
- Fahrdynamikgrenzwert
- 37
- Definieren des Fahrdynamikgrenzwerts
- 39
- maximal zulässige Lenkfrequenz
- 41
- maximal zulässige Querbeschleunigung
- 43
- maximal zulässige Fahrzeugbeschleunigung
- 45
- maximal zulässige Fahrzeugverzögerung
- 47
- Plausibilisieren von Charakteristika
- 49
- Überwachen der ermittelten Charakteristika
- 51
- Detektieren einer Änderung zumindest einer Charakteristik
- 53
- Bereitstellen der Fahrdynamikgrenzwerte an einer Schnittstelle
- 55
- Trajektorienplanung
- 57
- Berücksichtigen des Fahrdynamikgrenzwerts bei der Trajektorienplanung
- 59
- Überwachen eines Ist-Fahrzeugverhaltens
- 60
- Ist-Fahrzeugverhalten
- 61
- Sicherheitsoperation
- 63
- Durchführen einer Sicherheitsoperation
- 65
- Versetzen eines Stabilitätsregelsystems in einen Anregelmodus
- 67
- Bremsstellgröße
- 69
- Bereitstellen der Bremsstellgröße
- 71
- Detektieren einer Instabilität
- 73
- Soll-Fahrzeugverhalten
- 75
- Abgleichen des Ist-Fahrzeugverhaltens mit dem Soll-Fahrzeugverhalten
- 77
- Vereinfachen des individualisierten Gesamtfahrzeugmodells
- 79
- reduziertes individualisierten Fahrzeugmodell
- 200
- Fahrerassistenzsystem
- 202
- Steuereinheit
- 204
- Schnittstelle
- 206
- Netzwerkschnittstelle
- 300
- Fahrzeug; Nutzfahrzeug
- 302
- Fahrzeugzug
- 304
- Zugfahrzeug
- 306
- Anhängerfahrzeug
- 308
- erste Ladefläche
- 310
- zweite Ladefläche 310
- 312
- erste Ladung
- 314
- zweite Ladung
- 316
- Achsen
- 318
- Hinterachse des Zugfahrzeugs
- 320
- Kupplungspunkt
- 322
- Liftachse
- 324
- Liftstatus
- 326
- Vorderachse des Anhängerfahrzeugs
- 327
- elektronisch steuerbare Luftfederung
- 328
- Fahrbahn
- 330
- Vorderachse des Zugfahrzeugs
- 332
- Achsgruppenmitte
- 334
- Achsgruppe
- 336
- ESC-Steuergerät
- 338
- Anhängerschnittstelle
- 340
- sensierte Achsen
- 342
- erster Schwerpunkt
- 344
- zweiter Schwerpunkt
- 345
- Bremssteuereinheit
- 346
- virtueller Fahrer
- 347
- Bremssystem
- 348
- Umweltsensoren
- 350
- Umweltinformationen
- 352
- Kamera
- 354
- Kurve
- 356
- Straßenschild
- 358
- Geschwindigkeitsbegrenzung
- 360
- Stabilitätsregelsystem
- 362
- Vorderräder
- 364
- Bremsaktuator
- 366
- Kurven inneres Rad
- D
- Dämpfungsmaß
- Dmin
- Mindestdämpfungsmaß
- FB
- Bremskraft
- L11
- Achsabstand
- L12
- Liftachsenabstand
- L13
- Kupplungsabstand
- L14
- Abstand Vorderachse Zugfahrzeug und erster Schwerpunkt
- L15
- Abstand Hinterachse Zugfahrzeug und erster Schwerpunkt
- L16
- Abstand Kupplungspunkt und erster Schwerpunkt
- L21
- Abstand Kupplungspunkt und zweiter Schwerpunkt
- L23
- Anhängerkupplungsabstand
- L23
- Abstand Kupplungspunkt und Achsgruppenmitte
- MD
- Reibmoment im Kupplungspunkt
- MG
- Giermoment
- m1
- Masse des Zugfahrzeugs
- m2
- Masse des Anhängerfahrzeugs
- nLift
- Raddrehzahl eines Rades der Liftachse
- nref
- Referenzdrehzahl
- Rmin
- minimal zulässiger Kurvenradius
- R1
- Fahrzeuglängsrichtung
- R2
- Fahrzeugquerrichtung
- R3
- Fahrzeughöhenrichtung
- T
- Trajektorie
- V
- Fahrzeuggeschwindigkeit in Fahrzeuglängsrichtung
- Vmax
- maximal zulässige Fahrzeuggeschwindigkeit
- VP
- Plausibilisierungsgeschwindigkeit
- Vy
- Fahrzeuggeschwindigkeit in Fahrzeugquerrichtung
- Var 1 bis Var 4
- Varianten von Fahrzeugkonfigurationen
- δ
- Lenkwinkel
- δ̇
- maximal zulässiger Lenkwinkelgradient
- φ
- Knickwinkel
- φ
- Knickgeschwindigkeit
- ψ̇1
- erste Gierrate
-
ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
-
Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
-
Zitierte Patentliteratur
-
- DE 102007008486 A1 [0004]