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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines zumindest teilweise vergüteten Stahlblechbauteils, wobei das Verfahren folgende Schritte umfasst:
- - Bereitstellen eines Stahlblechs, wobei das bereitgestellte Stahlblech eine Mikrostruktur aufweist, welche im Wesentlichen aus ferritischen und/oder perlitischen Gefügebestandteilen und unvermeidbaren Gefügebestandteilen besteht,
- - zumindest teilweises Austenitisieren des Stahlblechs bei einer Temperatur von mindestens Ac3,
- - zumindest teilweises Presshärten des zumindest teilweise austenitisierten Stahlblechs zu einem zumindest teilweise pressgehärteten Stahlblechbauteil, wobei das zumindest teilweise austenitisierte Stahlblech auf eine Temperatur unterhalb von Ms abgekühlt wird.
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Weiterhin ist ein zumindest teilweise vergütetes Stahlblechbauteil Gegenstand der Erfindung.
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Die Herstellung von Stahlblechbauteilen mittels Warmumformen hat sich bereits industriell etabliert, insbesondere zur Herstellung von Karosserieteilen wie zum Beispiel zur Herstellung von sicherheitsrelevanten A-Säulen, B-Säulen oder Längs- als auch Querträgern. Diese Stahlblechbauteile können im direkten wie auch im indirekten Warmumformverfahren hergestellt werden. Dabei werden ebene Platinen (direkt) oder bereits vorgeformte bzw. endabmessungsnahe (kalt)geformte Halbzeuge/Teile (indirekt) aus einem Stahlblech, insbesondere aus einem härtbaren Stahlblech, auf eine Temperatur erwärmt, bei welcher abhängig von der Zusammensetzung des verwendeten Stahlblechs eine Gefügeumwandlung innerhalb des Stahlblechs eintritt. Mit Ac1 beginnt die Gefügeumwandlung in Austenit und mit Erreichen von Ac3 bzw. oberhalb von Ac3 liegt ein im Wesentlichen vollständig austenitisches Gefüge vor. Die Erwärmung oberhalb von mindestens Ac1 wird in Fachkreisen auch „Austenitisieren“ genannt, insbesondere wenn eine vollständige Umwandlung in Austenit erfolgen soll (>= Ac3). Nach der Erwärmung wird das warme (austenitisierte) Stahlblech in ein Umformwerkzeug eingelegt und warm umgeformt. Dabei wird im Zuge oder nach Beendigung des Warmumformens das noch warme Stahlblech derart gekühlt, vorzugsweise innerhalb des Umformwerkzeugs, welches vorzugsweise aktiv gekühlt wird, so dass das Gefüge in ein hartes Gefüge aus Martensit und/oder Bainit, vorzugsweise im Wesentlichen aus Martensit, umwandelt. In Fachkreisen wird die Abkühlung respektive Abschreckung des Stahlblechs durch Einwirken eines (Härte-)Werkzeugs, welches die Endkontur des herzustellenden Blechbauteils aufweist, auch „Presshärten“ genannt. Erwärmungs- und Abkühlkurven zur Einstellung der geforderten Gefügestruktur sind abhängig von der chemischen Zusammensetzung des verwendeten, härtbaren Stahlblechs und lassen sich aus sog. ZTA- bzw. ZTU-Schaubildern entnehmen bzw. ableiten. Mittels Warmumformung ist die Einstellung einer im Wesentlichen martensitischen Gefügestruktur mit hohen Festigkeiten möglich. Mit dem teilweisen bzw. teilbereichsweisen Presshärten von insbesondere Mangan-Bor-Stählen zur Herstellung von Strukturbauteilen im Fahrzeugbereich ist eine gute Balance zwischen Festigkeit und Gewicht gefunden worden.
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Pressgehärtete Strukturbauteile haben jedoch den Nachteil, dass sie aufgrund des eingestellten harten Gefüges nur ein sehr geringes Dehnungsverhalten aufweisen. Um die Bruchdehnung eines Bauteils zu verbessern, ist es bekannt, die gehärteten Bauteile einem Anlassen zu unterziehen, wodurch das Bruchdehnungsverhalten verbessert werden kann, jedoch auch eine Reduzierung der durch das Härten eingestellte Festigkeit zur Folge hat, s. beispielsweise die Offenlegungsschrift
DE 10 2008 055 514 A1 der Anmelderin. Ferner ist aus der
DE 10 2005 054 847 B3 ein hochfestes Stahlbauteil bekannt, bei dem der Bruchdehnungswert A5 durch einen Anlassvorgang im Temperaturbereich zwischen 320 und 400°C auf 6% bis 12% erhöht werden kann.
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Aufgabe ist daher, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, welches die Herstellung eines zumindest teilweise vergüteten Stahlblechbauteils in einer Art und Weise erlaubt, dass das resultierende Stahlblechbauteil eine im Vergleich zum Stand der Technik verbesserte Eigenschaft aufweist und wirtschaftlich herstellbar ist.
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Die Aufgabe wird mit einem Verfahren zur Herstellung eines zumindest teilweise vergüteten Stahlblechbauteils mit den Merkmalen des Anspruches 1, mit einem zumindest teilweise vergüteten Stahlblechbauteil mit den Merkmalen des Anspruches 11 sowie mit einem Strukturbauteil mit den Merkmalen des Anspruchs 16 gelöst.
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Gemäß einer ersten Lehre der Erfindung zur Herstellung eines zumindest teilweise pressgehärteten Stahlblechbauteils umfasst das erfindungsgemäße Verfahren folgende Schritte:
- - Bereitstellen eines Stahlblechs;
- - zumindest teilweises Austenitisieren des Stahlblechs bei einer Temperatur T1 von mindestens Ac3;
- - zumindest teilweises Presshärten des zumindest teilweise austenitisierten Stahlblechs zu einem zumindest teilweise pressgehärteten Stahlblechbauteil, wobei das zumindest teilweise austenitisierte Stahlblech auf eine Temperatur unterhalb von Ms abgekühlt wird;
- - zumindest teilweises Anlassen des zumindest teilweise pressgehärteten Stahlblechbauteils bei einer Temperatur T2 zu einem zumindest teilweise vergüteten Stahlblechbauteil, wobei das zumindest teilweise Anlassen bei einer Temperatur T2 zwischen 175°C und 280°C für eine Dauer t2 zwischen 240 und 3600 s durchgeführt wird, und wobei das vergütete Stahlblechbauteil im vergüteten Bereich martensitische und/oder bainitische Gefügebestandteile, Fe-epsilon-Karbide und unvermeidbare Gefügebestandteile aufweist.
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Durch das gezielte zumindest teilweise Anlassen des zumindest teilweise pressgehärteten Stahlblechbauteils bei einer Temperatur T2 zwischen 175°C und 280°C für eine Dauer t2 zwischen 240 und 3600s werden Spannungen im zumindest teilweise pressgehärteten Bereich des Stahlblechbauteils, in welchem eine Mikrostruktur aus Martensit und/oder Bainit mit mindestens 95% und unvermeidbaren Gefügebestandteilen von bis zu 4,5 % vorherrscht, zumindest bereichsweise gelöst, dadurch, dass der bedingt durch die Phasenumwandlung in „strukturellen“ Fehlordnungen eingelagerte Kohlenstoff in der Mikrostruktur des zumindest teilweise pressgehärteten Stahlblechbauteils während des zumindest teilweise Anlassens seigert und/oder ausscheidet, und sich Fe-epsilon-Karbide (Fe2C) bilden können. Durch das zumindest teilweise Anlassen, welches bei einer Temperatur oberhalb der zum Einbrennlackieren konventionellen Temperatur von ca. 170°C erfolgt, wobei T2 > T3 gewählt wird, wird eine Steigerung des Kohlenstoffs und/oder eine Ausscheidung zu Fe-epsilon-Karbiden (Fe2C) ermöglicht, welche zu einer im Wesentlichen verbesserten, insbesondere höheren Energieaufnahme eines Bauteils bei einer Crashbelastung und somit zu einer verbesserten plastischen Verformung führen können. Der positive Effekt der Seigerung und/oder Ausscheidens tritt erst bei einer Temperatur T2 von mindestens 175°C, insbesondere von mindestens 190°C, vorzugsweise von mindestens 210°C auf. Die Dauer t2 beträgt mindestens 240s, insbesondere mindestens 600s, vorzugsweise mindestens 1200s. Um die Mikrostruktur des zumindest teilweise pressgehärteten Stahlblechbauteils durch die Temperaturbeaufschlagung nicht negativ zu beeinflussen, ist die Temperatur T2 auf maximal 280°C, insbesondere auf maximal 260°C, vorzugsweise auf maximal 250°C begrenzt. Auch die Dauer t2 ist auf maximal 3600s, insbesondere auf maximal 3000s, vorzugsweise auf maximal 2400s begrenzt. Das zumindest teilweise Anlassen kann sich positiv auf die Eigenschaften, insbesondere auf die Duktilität und Zähigkeit, des zumindest teilweise vergüteten Stahlblechbauteils bemerkbar machen.
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Das bereitgestellte Stahlblech weist eine Mikrostruktur auf, welche im Wesentlichen aus ferritischen und/oder perlitischen Gefügebestandteilen und unvermeidbaren Gefügebestandteilen besteht. Unvermeidbare Gefügebestandteile sind prozessbedingte Bestandteile und können bis zu 5% betragen. Als herstellungsbedingte, unvermeidbare Gefügebestandteile im Stahlblech können einzeln oder in Kombination aus Bainit, Martensit, Zementit, Austenit und/ oder Restaustenit bestehen. Somit kann Ferrit vorzugsweise mindestens 95% in der Mikrostruktur des Stahlblechs betragen, wobei Perlit dann als unvermeidbare Verunreinigung zu sehen ist, oder es kann Perlit vorzugsweise mindestens 95% in der Mikrostruktur des Stahlblechs vorhanden sein, wobei Ferrit dann als unvermeidbare Verunreinigung zu sehen ist, oder alternativ eine Kombination aus Ferrit und Perlit vorzugsweise mit zusammen mindestens 95% in der Mikrostruktur des Stahlblechs.
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Das zumindest teilweise Austenitisieren des Stahlblechs kann beispielsweise in einem Ofen, vorzugsweise in einem Durchlaufofen, bevorzugt in einem Rollenherdofen durchgeführt werden.
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Das zumindest teilweise Anlassen des zumindest teilweise pressgehärteten Stahlblechs kann beispielsweise in einem Ofen, vorzugsweise in einem Umluft- oder Kammerofen durchgeführt werden. Alternativ kann das zumindest teilweise Anlassen des zumindest teilweise pressgehärteten Stahlblechs auch in einem Werkzeug stattfinden.
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Das Anlassen kann direkt nach dem Presshärten erfolgen. Alternativ kann zugelassen werden, dass sich das zumindest teilweise pressgehärtete Stahlblechbauteil auf Umgebungstemperatur abkühlt und zu einem späteren Zeitpunkt, insbesondere nach einem weiteren Prozessschritt, beispielsweise nach einem Teilbeschnitt und/oder nach einem Verbinden mit einem weiteren Blechbauteil (in einer Baugruppe verbaut wird), einem zumindest teilweisen Anlassen zugeführt wird.
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Kenngrößen wie Ac3, Ms etc. sind abhängig von der verwendeten Stahlzusammensetzung und lassen sich aus sogenannten ZTU- bzw. ZTA-Diagrammen ableiten.
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Weitere vorteilhafte Ausgestaltungen und Weiterbildungen gehen aus der nachfolgenden Beschreibung hervor. Ein oder mehrere Merkmale aus den Ansprüchen, der Beschreibung wie auch der Zeichnung können mit einem oder mehreren anderen Merkmalen daraus zu weiteren Ausgestaltungen der Erfindung verknüpft werden. Es können auch ein oder mehrere Merkmale aus den unabhängigen Ansprüchen durch ein oder mehrere andere Merkmale verknüpft werden.
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Gemäß einer Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird das zumindest teilweise Austenitisieren des Stahlblechs insgesamt für eine Dauer zwischen 60 und 1200s durchgeführt. Um sicherzustellen, dass eine vollständige Umwandlung in dem zumindest teilweise austenitisierten Bereich des Stahlblechs vorliegt, wird die Austenitisierung insbesondere insgesamt für mindestens 120s, vorzugsweise insgesamt für mindestens 180s durchgeführt. Um eine Vergrößerung der Austenitkörner im Wesentlichen zu verhindern, welche zu schlechteren Eigenschaften im zumindest teilweise vergüteten Stahlblechbauteil führen kann, wird die Austenitisierung insbesondere insgesamt bis maximal 600s, vorzugsweise insgesamt bis maximal 360s durchgeführt.
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Gemäß einer Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird das zumindest teilweise austenitisierte Stahlblech zum Presshärten zumindest einem Presshärtewerkzeug zugeführt, wobei die Zuführung innerhalb von 3 bis 16s erfolgt. Um sicherzustellen, dass das zumindest teilweise austenitisierte Stahlblech nicht zu stark abkühlt, erfolgt die Zuführung insbesondere innerhalb von maximal 12s, vorzugsweise innerhalb von 10s, bevorzugt innerhalb von 8s, so dass die Temperatur des zumindest teilweise austenitisierten Stahlblechs im austenitisierten Bereich beim Einlegen nicht Ac1 -100 K unterschreitet.
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Gemäß einer Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird das zumindest teilweise vergütete Stahlblechbauteil lackiert und einem Lackeinbrennschritt für eine Dauer t3 zwischen 600 bis 1800s bei einer Temperatur T3 zwischen 150 und 220°C zugeführt.
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Gemäß einer Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird ein Stahlblech mit folgender chemischer Zusammensetzung in Gew.-% bereitgestellt:
C | = 0,25 bis 0,5, insbesondere 0,28 bis 0,45, vorzugsweise 0,31 bis 0,39, |
Si | = 0,01 bis 0,5, insbesondere 0,05 bis 0,45, vorzugsweise 0,05 bis 0,4, |
Mn | = 0,1 bis 3,0, insbesondere 0,5 bis 2,7, vorzugsweise 0,5 bis 2,2, |
Al | = 0,01 bis 0,1, insbesondere 0,015 bis 0,08, vorzugsweise 0,016 bis 0,05, |
sowie optional eines oder mehrerer Legierungselemente aus der Gruppe (P, S, Cr, Cu, Mo, N, Ni, Nb, Ti, V, B, Sn, As, Ca, Co, W):
P | bis | 0,05, insbesondere bis 0,04, vorzugsweise bis 0,03, |
S | bis | 0,05, insbesondere bis 0,02, vorzugsweise bis 0,01, |
Cr | bis | 0,5, insbesondere 0,01 bis 0,4, vorzugsweise 0,02 bis 0,5, |
Cu | bis | 0,3, insbesondere bis 0,2, vorzugsweise bis 0,1, |
Mo | bis | 0,3, insbesondere bis 0,2, vorzugsweise bis 0,1, |
N | bis | 0,05, insbesondere bis 0,02, vorzugsweise bis 0,01, |
Ni | bis | 0,3, insbesondere bis 0,2, vorzugsweise bis 0,1, |
Nb | bis | 0,2, insbesondere bis 0,1, vorzugsweise bis 0,08, |
Ti | bis | 0,2, insbesondere 0,005 bis 0,1, vorzugsweise 0,01 bis 0,05, |
V | bis | 0,1, insbesondere bis 0,08, vorzugsweise bis 0,03, |
B | bis | 0,01, insbesondere 0,0005 bis 0,008, vorzugsweise 0,001 bis 0,005, |
Sn | bis | 0,1, insbesondere bis 0,08, vorzugsweise bis 0,03, |
As | bis | 0,01, insbesondere bis 0,008, vorzugsweise bis 0,005, |
Ca | bis | 0,01, insbesondere bis 0,008, vorzugsweise bis 0,005, |
Co | bis | 0,01, insbesondere bis 0,008, vorzugsweise bis 0,006, |
W | bis | 0,1, insbesondere bis 0,08, vorzugsweise bis 0,03, |
Rest Fe und unvermeidbare Verunreinigungen.
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Alle Angaben zu Gehalten der in der vorliegenden Anmeldung angegebenen Legierungselemente sind auf das Gewicht bezogen in Gew.-%. Die als optional angegebenen Legierungselemente können alternativ auch als Verunreinigungen in Gehalten unterhalb der angegebenen Mindestgrenzen toleriert werden, ohne die Eigenschaften des Stahls zu beeinflussen, vorzugsweise nicht zu verschlechtern.
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Das Stahlblech kann gemäß einer Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens als vorgeformtes Teil bereitgestellt werden. Das vorgeformte Teil kann im Wesentlichen bereits der endabmessungsnahen Geometrie entsprechen und somit einem Presshärten ohne wesentliches Warmumformen zugeführt werden (indirekte Warmumformung). Gemäß einer alternativen Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens kann das Stahlblech als im Wesentlichen ebene Platine bereitgestellt werden, wobei vor dem zumindest teilweisen Presshärten das zumindest teilweise austenitisierte Stahlblech warm umgeformt wird, insbesondere um die gewünschte Endgeometrie zu erhalten (direkte Warmumformung). Dabei kann das Warmumformen und zumindest teilweise Presshärten in einem Warmumform- und Presshärtewerkzeug durchgeführt werden oder alternativ zunächst in einem oder mehreren Werkzeugen das zumindest teilweise austenitisierte Stahlblech warm umgeformt werden und anschließend in einem oder mehreren Werkzeugen das zumindest teilweise austenitisierte Stahlblech pressgehärtet werden.
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Das Stahlblech kann eine konstante Dicke bis zu 10,0 mm, insbesondere bis 6,0 mm, vorzugsweise bis zu 3,5 mm, bevorzugt bis zu 2,0 mm aufweisen. Das Stahlblech weist eine Dicke von mindestens 0,5 mm, insbesondere von mindestens 0,8 mm, vorzugsweise von mindestens 1,0 mm auf. Das Stahlblech kann sowohl warmgewalzt, als auch kaltgewalzt sein. Alternativ kann auch ein ebenes Stahlblech oder ein vorgeformtes Stahlblech mit variierender Dicke (tailor rolled blank) bereitgestellt werden. Des Weiteren kann unter Stahlblech auch ein „tailored product“ verstanden werden, welches aus mindestens zwei, insbesondere stoffschlüssig, miteinander verbundenen Stahlblechen mit unterschiedlicher Dicke und/oder Güte, als ebenes Halbzeug (Stahlblech) oder als vorgeformtes Teil (Stahlblech), als „patchwork blank“ oder „tailor welded blank“ besteht. Darüber hinaus kann das Stahlblech auch mit einer Beschichtung versehen sein, wobei vorzugsweise eine metallische Beschichtung auf der Basis von Aluminium oder Zink zum Einsatz kommt. Diese kann über einen Schmelztauch-, elektrolytischen oder coil coating Prozess auf das aufgewickelte oder bereits vorgeschnittene Stahlblech aufgebracht werden. Zusätzlich kann das Stahlblech mit der Beschichtung bereits einem Vordiffusionsvorgang unterzogen worden sein. Alternativ kann auch ein unbeschichtetes Stahlblech zur Anwendung kommen.
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Gemäß einer zweiten Lehre betrifft die Erfindung ein zumindest teilweise vergütetes Stahlblechbauteil, insbesondere hergestellt nach dem erfindungsgemäßen Verfahren, wobei das Stahlblechbauteil in dem zumindest teilweise vergüteten Bereich eine Mikrostruktur aus Martensit und/oder Bainit mit mindestens 95 % und unvermeidbaren Gefügebestandteilen von bis zu 4,5 % und eine Zugfestigkeit Rm >= 1650 MPa, eine Dehngrenze RP0,2 >= 1200 MPa, eine Bruchdehnung A80 > 4,5% und einen Biegewinkel α > 50° nach VDA 238-100 aufweist, die Mikrostruktur in dem zumindest teilweise vergüteten Bereich des Stahlblechbauteils zusätzlich Fe-epsilon-Karbide (Fe2C) aufweist.
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Je nachdem, ob das Stahlblechbauteil einer direkten oder indirekten Warmumformung unterzogen wird, wird bei der direkten Warmumformung aus einem ebenen Halbzeug ein zumindest teilweise warmumgeformtes und pressgehärtetes Stahlblechbauteil erzeugt.
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Der Biegewinkel wird nach VDA 238-100 ermittelt, mit der Probenlage quer zur Walzrichtung und der Biegeachse längs zur Walzrichtung. Der Biegewinkel beträgt insbesondere α > 55°, vorzugsweise α > 60°. Die mechanischen Kenngrößen Rm, RP0,2 und A80 werden nach DIN EN ISO 6892 (Tabelle B.1, Probenform 2) ermittelt, wobei Rm insbesondere > 1800 MPa, vorzugsweise > 1860 MPa ist, wobei Rp0,2 insbesondere > 1300 MPa, vorzugsweise > 1410 MPa ist, wobei A80 insbesondere > 5,1%, vorzugsweise > 5,6% ist.
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Die Mikrostruktur in dem zumindest teilweise vergüteten Stahlblechbauteil kann auch einen Restaustenitgehalt von mindestens 0,5% aufweisen. Der Restaustenitgehalt ist auf maximal 4%, insbesondere auf maximal 3%, vorzugsweise auf maximal 2,5% beschränkt.
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Martensit kann sowohl nicht angelassenen, als auch angelassenen Martensit umfassen. Bainit, falls vorhanden, kann sowohl unteren, als auch oberen, als auch acicular ausgeprägten Bainit umfassen.
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Unvermeidbare Gefügebestandteile können in Form von Ferrit, Perlit und/oder Zementit vorhanden sein. Die unvermeidbaren Gefügebestandteile sind insbesondere < 4,5%, vorzugsweise < 3,0%, bevorzugt < 2,0%, besonders bevorzugt < 1,0%. Die angegebenen Gefügebestandteile respektive Mikrostruktur werden durch Auswertung von licht- oder elektronenmikroskopischen Untersuchungen bestimmt und sind daher als Flächenanteile in Flächen-% zu verstehen. Eine Ausnahme hiervon bildet der Gefügebestandteil/Mikrostruktur Austenit bzw. Restaustenit, welcher als Volumenanteil in Vol.-% angegeben wird, beispielsweise ermittelt mittels EBSD (Elektronenrückstreubeugung), und insbesondere im Schliff als Flächenanteil betrachtet werden kann.
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Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die Ausführungen des erfindungsgemäßen Verfahrens verwiesen.
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Gemäß einer erfindungsgemäßen Ausgestaltung weist das Stahlblechbauteil im pressgehärteten Bereich eine maximale Kraftaufnahme Fmax von mindestens 40 kN und/oder eine aufgenommene Energie E von mindestens 4000 J auf, jeweils ermittelt durch einen quasistatischen 3-Punkt-Biegeversuch. Der quasistatische 3-Punkt-Biegversuch wird an einem hutförmig umgeformten Profil auf einem Prüfstand über eine 3-Punkt-Biegung durchgeführt, wobei das Profil auf zwei Rollen mit jeweils einem Rollendurchmesser von 50 mm mit einem Abstand von 300 mm aufgelegt wird, ein Stempel mit einem Stempelradius von 25 mm zwischen die zwei Rollen mit einer Verfahrgeschwindigkeit von 20 mm/s und einem maximalen Verfahrweg von 135 mm durch Einwirken auf das Profil eingefahren wird. Die Stempelkraft, die während der Verformung des Profils notwendig ist, wird gemessen. Daraus ergibt sich die maximale Kraftaufnahme Fmax. Aus der Stempelkraft kann ebenfalls die aufgenommene Energie E abgeleitet werden, welche als Integral über die Kraft-Weg-Kurve respektive der Fläche unterhalb der Kraft-Weg-Kurve bestimmbar ist. Die maximale Kraftaufnahme kann insbesondere mindestens 50 kN, vorzugsweise mindestens 60 kN betragen. Die aufgenommene Energie E kann insbesondere mindestens 5000 J, vorzugsweise mindestens 6000 J entsprechen. Insbesondere kann zusätzlich ein Schließblech durch Widerstands-Punktschweißen auf der Rückseite an den Flanschen des hutförmigen Profils angebunden sein, welches beispielsweise eine Zugfestigkeit zwischen 300 und 400 MPa aufweisen kann.
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Gemäß einer erfindungsgemäßen Ausgestaltung weist das Stahlblechbauteil einen hohen Widerstand gegen plastische Verformung mit einem Widerstandsindex WI von mindestens 530 kN*KJ*GPa auf, wobei WI bestimmt wird durch das Produkt aus maximaler Kraftaufnahme Fmax in kN, insbesondere gemessen am quasistatischen 3-Punkt-Biegeversuch am Hutprofil, aufgenommene Energie E in kJ, insbesondere gemessen am quasistatischen 3-Punkt-Biegeversuch am Hutprofil, und RP0,2 in GPa aus dem Zugversuch nach DIN 6892. Insbesondere beträgt WI mindestens 540 kN*KJ*GPa, vorzugsweise mindesten 550 kN*KJ*GPa.
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Gemäß einer erfindungsgemäßen Ausgestaltung ist das Stahlblechbauteil vollständig vergütet. Im Gegensatz zu einem teilweise vergüteten Stahlblechbauteil, welches durchaus andersartige Mikrostrukturen aufweisen kann, welche insbesondere weicher sind als die pressgehärteten und vergüteten Bereiche, weist der gesamte Querschnitt bei einem vollständig vergüteten Stahlblechbauteil ein Härtegefüge auf, welches eine Mikrostruktur aus Martensit und/oder angelassenem Martensit und/oder Bainit mit mindestens 95%, Fe-epsilon-Karbiden (Fe2C) und unvermeidbaren Gefügebestandteilen von bis zu 4,5% und zusätzlich einen Restaustenitgehalt von mindestens 0,5% bis maximal 4% aufweist.
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Eine dritte Lehre der Erfindung betrifft ein Strukturbauteil, insbesondere für ein Kraftfahrzeug, hergestellt aus einem erfindungsgemäßen Stahlblechbauteil, welches insbesondere nach einem erfindungsgemäßen Verfahren hergestellt ist, wobei das Strukturbauteil lackiert ist.
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Im Folgenden werden konkrete Ausgestaltungen der Erfindung mit Bezugnahme auf die Zeichnung im Detail näher erläutert. Die Zeichnung und begleitende Beschreibung der resultierenden Merkmale sind nicht beschränkend auf die jeweiligen Ausgestaltungen zu lesen, dienen jedoch der Illustration beispielhafter Ausgestaltung. Weiterhin können die jeweiligen Merkmale untereinander wie auch mit Merkmalen der obigen Beschreibung genutzt werden für mögliche weitere Entwicklungen und Verbesserungen der Erfindung, speziell bei zusätzlichen Ausgestaltungen, welche nicht dargestellt sind.
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Eine Untersuchung wurde an 14 unbeschichteten, kaltgewalzten Stahlblechen 1 ...14 mit jeweils einer Dicke von 1,5 mm durchgeführt, welche mit folgender Zusammensetzung in Gew.-% bereitgestellt wurden:
- C=0,332%, Si=0,24%, Mn=1,22%, Al=0,038%, P=0,008%, S=0,001%, Cr=0,12%, Cu=0,03%, Nb=0,001%, Mo=0,01, N=0,0048%, Ti=0,036%, Ni=0,03%, B=0,002%, Sn=0,001%, As=0,002, Ca=0,0008%, Co=0,005%, W=0,01%, Rest Fe und unvermeidbare Verunreinigungen.
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Die Mikrostruktur bestand aus > 95 % Ferrit und/oder Perlit und der Rest aus herstellungsbedingten, unvermeidbaren Gefügebestandteilen. In Abhängigkeit von der Zusammensetzung konnte Ac3 mit ca. 815°C, Ac1 mit ca. 715°C und Ms mit ca. 413°C bestimmt werden. Die Stahlbleche 1...14 wurden jeweils als im Wesentlichen ebene Platinen bereitgestellt, wurden in einem Durchlaufofen bei unterschiedlichen Temperaturen T1 mit unterschiedlicher Dauer t1 zumindest teilweise, in diesem Beispiel vollständig austenitisiert. Die Unterschiede sind in Tabelle 1 aufgeführt. Tabelle 1
Stahlblech | T1 [°C] | t1 [s] | T2 [°C] | t2 [min] | KTL |
1 | 840 | 300 | - | - | nein |
2 | 840 | 360 | - | - | nein |
3 | 840 | 360 | - | - | ja |
4 | 840 | 360 | 200 | 30 | ja |
5 | 840 | 360 | 250 | 30 | ja |
6 | 880 | 240 | - | - | nein |
7 | 880 | 240 | - | - | ja |
8 | 880 | 240 | 200 | 30 | ja |
9 | 880 | 240 | 250 | 30 | ja |
10 | 920 | 240 | - | - | nein |
11 | 920 | 240 | - | - | ja |
12 | 920 | 240 | 200 | 30 | ja |
13 | 920 | 240 | 250 | 30 | ja |
14 | 920 | 240 | 220 | 30 | ja |
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Nach dem Austenitisieren wurden die jeweiligen austenitisierten Stahlbleche 1...14 aus dem Ofen entnommen und zum Presshärten zumindest einem Presshärtewerkzeug zugeführt, wobei die Zuführung innerhalb von maximal 10 s erfolgte. Unter Zuführung ist in diesem Sinne die Transportzeit gemeint, die sich auf den Zeitpunkt zwischen der vollständigen Entnahme des austenitisierten Stahlblechs aus dem Ofen bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Werkzeug beim Zufahren der Presse zum ersten Mal in Kontakt mit dem austenitisierten Stahlblech tritt, bezieht. Da die Stahlbleche als im Wesentlichen ebene Platinen bereitgestellt wurden, war es erforderlich, diese vor dem Presshärten warm umzuformen, um die gewünschte Geometrie, in diesem Fall ein hutförmiges Profil herzustellen. Das Presshärtewerkzeug war als Kombiwerkzeug ausgebildet, heißt, dass das Warmumformen und Presshärten in einem Warmumform- und Presshärtewerkzeug durchgeführt wurde. Nach Erreichen des unteren Totpunktes erfolgte das Presshärten unter Druck und insbesondere durch eine aktive Kühlung des Warmumform- und Presshärtewerkzeugs konnte schnell eine Abkühlung und somit Umwandlung des austenitischen Gefüges in ein Härtegefüge erfolgen, wobei das Werkzeug solange im geschlossenen Zustand (unterer Totpunkt) gehalten wurde, bis das pressgehärtete Stahlblechbauteil auf eine Temperatur TB unterhalb von 150°C abgekühlt wurde. An den pressgehärteten Stahlblechbauteilen 4, 5, 8, 9 und 12 bis 14 wurde ein zumindest teilweises Anlassen, in diesem Fall ein vollständiges Anlassen, bei einer Temperatur T2 und eine Dauer t2, vgl. Tabelle 1, in einem Ofen, beispielsweise einem Umluftofen durchgeführt. Nicht alle unterschiedlich wärmebehandelten Stahlblechbauteile wurden anschließend lackiert. Das Lackieren erfolgte in der Form, dass die entsprechend gekennzeichneten Stahlblechbauteile einer KTL-Behandlung mit Einbrennen bei einer Temperatur von 170°C für 1200 s unterzogen wurden, vgl. Tabelle 1.
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An den flachen Bereichen der hergestellten hutförmigen unterschiedlich wärmebehandelten und teilweise lackierten Stahlblechbauteilen lagen Bereich mit homogenen Blechdicken vor, so dass diese Bereiche für weiterführende Untersuchungen besonders geeignet waren, insbesondere um mechanische Kenngrößen zu ermitteln. Es wurden je Kenngröße mindestens 6 mechanische Kennwerte ermittelt und daraus der Mittelwert bestimmt, welcher in der Tabelle 2 jeweils repräsentativ für die Zugfestigkeit Rm, Dehngrenze RP0,2 und Bruchdehnung A80 im Zugversuch nach DIN EN ISO 6982 (Tabelle B.1, Probenform 2), für den Plättchenbiegeversuch zur Ermittlung des Biegewinkels α nach VDA 238-100 und für die maximale Kraftaufnahme Fmax und die aufgenommene Energie E gemäß Drei-Punkt-Biegeversuch am (Hut-)Profil bestimmt wurde, wobei insbesondere vor dem Drei-Punkt-Biegeversuch ein Schließblech per Widerstandspunktschweißen an den Flanschen des Profils angebunden wurde.
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Auch die Mikrostruktur wurde mittels Lichtmikroskopie und EDX untersucht, wobei die Mikrostruktur aus > 95 % Martensit und/oder Bainit, Fe-epsilon-Karbide (Fe2C), < 2 % Restaustenit und der Rest aus unvermeidbaren Gefügebestandteilen bestand. Tabelle 2
| Rm [MPa] | RP0,2 [MPa] | A80 [%] | α [°] | Fmax [kN] | E [J] | WI [kN*kJ*GPa] |
1 | 1988 | 1338 | 6,8 | 51,2 | 37,8 | 2598 | 131 |
2 | 2000 | 1348 | 6,47 | 53,8 | 38,3 | 2963 | 153 |
3 | 1903 | 1510 | 6,23 | 56 | 38,1 | 4164 | 240 |
4 | 1820 | 1508 | 6,65 | 57,8 | 69,5 | 6064 | 636 |
5 | 1683 | 1438 | 5,43 | 57,4 | 63,3 | 6098 | 556 |
6 | 1988 | 1330 | 6,07 | 52,7 | 38,6 | 3407 | 175 |
7 | 1893 | 1490 | 5,98 | 60,1 | 60,2 | 5875 | 527 |
8 | 1825 | 1498 | 6,18 | 64,2 | 70,6 | 6588 | 697 |
9 | 1673 | 1430 | 5,33 | 58,3 | 75,2 | 6637 | 713 |
10 | 1950 | 1295 | 5,93 | 52,7 | 39,1 | 4385 | 222 |
11 | 1883 | 1463 | 6,08 | 64,9 | 61,5 | 5796 | 522 |
12 | 1798 | 1433 | 5,68 | 66,3 | 71,5 | 6510 | 667 |
13 | 1660 | 1393 | 5,65 | 64,9 | 74,5 | 6400 | 664 |
14 | 1740 | 1433 | 5,6 | 62,6 | 81,0 | 7016 | 815 |
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Wie aus der Tabelle 2 zu entnehmen, ist, hat das Anlassen einen im Wesentlichen positiven Effekt und führt insbesondere zu einem hohen Widerstand gegen plastische Verformung des vergüteten Stahlblechbauteils, s. WI in Tabelle 2. Im Vergleich zu den (nur) pressgehärteten bzw. auch zu den pressgehärteten und lackierten Stahlblechbauteilen können die Vorteile der vergüteten Stahlblechbauteile durch die erfindungsgemäße Anlassbehandlung gezeigt werden.
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Hier nicht dargestellt, können Stahlblechbauteile hergestellt werden, welche nur teilweise austenitisiert, anschließend nur teilweise pressgehärtet und final nur teilweise vergütet werden.
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Durch das erfindungsgemäße Verfahren können Stahlblechbauteile mit besonders hohem Widerstand gegen plastische Verformung und im Falle plastischer Verformung mit einem duktilen Verhalten bei plastischer Verformung hergestellt werden, insbesondere Karosserieteile, vorzugsweise für ein Kraftfahrzeug, wie zum Beispiel A-Säulen, B-Säulen oder Längsals auch Querträger, aber auch Kombinationen daraus, zum Beispiel ein Türring. Das erfindungsgemäße Verfahren ist nicht nur auf monolithische dickenkonstante Stahlbleche anwendbar, sondern auch auf monolithische in der Dicke variierende Stahlbleche (tailor rolled blanks). Des Weiteren ist das erfindungsgemäße Verfahren auch allgemein auf tailored products anwendbar, beispielsweise mindestens zwei miteinander verbundene Stahlbleche in Form von „patched blanks“ oder „tailor welded blanks“ mit unterschiedlicher Dicke und/oder Güte.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102008055514 A1 [0004]
- DE 102005054847 B3 [0004]