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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Vermeidung von Reisekrankheit in einem autonomen Fahrzeug mit den Merkmalen nach Anspruch 1, eine Steuereinrichtung mit den Merkmalen nach Anspruch 3, ein Computerprogrammprodukt mit den Merkmalen nach Anspruch 4 und ein Fahrzeug mit den Merkmalen nach Anspruch 5.
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Fahrzeugnutzer von autonom fahrenden Fahrzeugen können anstelle des Führens eines Fahrzeugs eine Vielzahl anderer Tätigkeiten, beispielsweise Lesen oder Schreiben, ausführen. Hierdurch kann es vermehrt zum Auftreten von Symptomen einer Reisekrankheit kommen. Falls ein vestibuläres Empfinden des Menschen nicht mit dem visuellen Empfinden übereinstimmt, kann dies zu mangelndem Komfort und insbesondere auch zu Symptomen der Reisekrankheit (Kinetose) führen. Nebentätigkeiten eines Fahrzeugnutzers im Kraftfahrzeug können zur Folge haben, dass der Fahrzeugnutzer die Umgebung nicht ganzheitlich wahrnehmen kann und folglich die aktuelle Bewegung des Fahrzeugs nicht einschätzen sowie zukünftige Bewegungen des Kraftfahrzeugs nicht antizipieren kann. Ein Fahrstil und ein Design des Kraftfahrzeugs, beispielsweise die Wahl eines Sitzes oder einer Innenraumgestaltung, sowie eine Interaktion des Kraftfahrzeugs mit den Fahrzeuginsassen sind maßgeblich für ein Auftreten von Symptomen einer Reisekrankheit des Fahrzeugnutzers, welcher Nebentätigkeiten durchführen kann.
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US 2017/0313326 A1 beschreibt ein sensorisches Stimulationssystem für ein autonomes Fahrzeug. Je nach Manöver kann das Stimulationssystem einen Satz von visuellen Stimulationen bestimmen. Passagiere des autonomen Fahrzeugs können eine visuelle Anzeige des jeweiligen Manövers erhalten.
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Aus „Phasic electrodermal responses evoked by instantaneous logitudinal accelerations for a self driving car environment“ von D. G. M. Laubner, D. Thinnes, P. Delarber, F. Dauth, I. Bagci, F. I. Corona-Strauss und D. J. Strauss, ist bekannt, wie ausgehend von einer elektrodermalen Reaktion auf eine Reisekrankheit geschlossen werden kann.
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Aus „Correlation of Subjective Motion Sickness Level with EEG Power Bands and Phase Amplitude Coupling“ von P. J. Schäfer, P. Delarber, D. Laubner, D. Thinnes, P. Flotho, F. Dauth, I. Bagci, F. I. Corona-Strauss und D. J. Strauss ist bekannt, wie ausgehend von verschiedenen Markern auf einen Grad an Reisekrankheit geschlossen werden kann.
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Aus „autonomic nervous system correlates of motion sickness during hoghly automated driving“ von D. Thinnes, D. G. M. Laubner, F. Dauth, I. Bagci, D. J. Strauss und F. I. Corona-Strauss ist bekannt, dass ausgehend von einem galvanischen Hautwiderstand oder einer Herzrate auf eine Reisekrankheit geschlossen werden kann.
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Der vorliegenden Erfindung liegt ausgehend vom Stand der Technik die Aufgabe zu Grunde, eine verbesserte Methode zum Vermeiden von Reisekrankheit vorzuschlagen, welche den Komfort eines Fahrzeugnutzers erhöht.
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Die vorliegende Erfindung schlägt ausgehend von der vorgenannten Aufgabe ein Verfahren zur Vermeidung von Reisekrankheit in einem autonomen nach Anspruch 1, eine Steuereinrichtung nach Anspruch 3, ein Computerprogrammprodukt nach Anspruch 4 und ein Fahrzeug nach Anspruch 5 vor. Weitere vorteilhafte Ausgestaltungen und Weiterbildungen gehen aus den Unteransprüchen hervor.
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Bei einem Verfahren zur Vermeidung von Reisekrankheit in einem autonomen Fahrzeug, wird wenigstens ein durchzuführendes Fahrmanöver des Fahrzeugs geplant. Für jeden während des wenigstens einen Fahrmanövers durchzuführenden Eingriff in eine Fahrdynamik des Fahrzeugs wird eine Reisekrankheits-Potential ermittelt. Ausgehend von dem Reisekrankheits-Potential werden wenigstens zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Eingriffe in die Fahrdynamik des Fahrzeugs während des wenigstens einen Fahrmanövers derart geplant und durchgeführt, dass ein gesamtes Reisekrankheits-Potential unterhalb eines Schwellenwerts verbleibt.
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Das Fahrzeug kann hierbei ein Landfahrzeug sein. Beispielsweise ist das Fahrzeug ein PKW, ein NKW, eine Landmaschine, eine Baumaschine o. ä. Das Fahrzeug ist als autonomes Fahrzeug ausgeformt. Dies heißt, dass es automatisierte Funktionen durchführen kann. Beispielsweise kann das Fahrzeug automatisierte Funktionen ab SAE J3016 Autonomiestufe Level 4 ausführen. Beispielsweise können automatisierte Funktionen des Fahrzeugs das autonome oder teilautonome Fahren sein. Das Fahrzeug wird von einem Fahrzeugnutzer genutzt. Der Fahrzeugnutzer ist hierbei beispielsweise ein Fahrer des Fahrzeugs, kann aber auch ein anderer Fahrzeuginsasse sein. Der Fahrzeugnutzer muss seine Aufmerksamkeit während der Fahrt mit dem Fahrzeug nicht mehr ununterbrochen auf den Verkehr richten, sondern kann sich mit Nebentätigkeiten beschäftigen. Dies begünstigt das Auftreten der Reisekrankheit, wie bereits erwähnt.
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Die Reisekrankheit, oder Motion Sickness, ist hierbei zu verstehen als eine Art Krankheit des Fahrzeugnutzers aufgrund von Fahrzeugbewegungen mit Symptomen wie unregelmäßige Atmung, Übelkeit, Schwindel, Blässe und Erbrechen.
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Das Fahrzeug weist eine Steuereinrichtung auf. Diese ist dazu eingerichtet, die automatisierten Funktionen des Fahrzeugs anzusteuern. Zudem dient die Steuereinrichtung dazu, eine Fahrmanöver-Planung für das Fahrzeug durchzuführen. Ein Fahrmanöver kann beispielsweise ein Halten einer Fahrspur, ein Wechsel der Fahrspur, ein doppelter Wechsel der Fahrspur, eine Verzögerung oder eine Beschleunigung sein. Die Fahrmanöver können zusätzlich z. B. mit einer sportlichen, einer vorsichtigen oder mit einer regulären Fahrweise umgesetzt werden.
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Die Steuereinrichtung weist wenigstens eine Schnittstelle auf, über welche sie mit einer Aktuatorik eines Antriebssystems des Fahrzeugs verbunden werden kann, so dass ein Daten- und Signalaustausch erfolgen kann. In anderen Worten kann die Steuereinrichtung die Aktuatorik des Antriebssystems des Fahrzeugs ansteuern und somit in eine Fahrdynamik des Fahrzeugs eingreifen. Das Antriebssystem weist z. B. einen Motor, ein Getriebe, ein Lenksystem, ein Bremssystem o. ä. auf. Die Steuereinrichtung kann diese Aktuatorik ansteuern und es kann beispielsweise eine Geschwindigkeit, eine Beschleunigung und eine Verzögerung des Fahrzeugs angepasst werden. Dies stellt jeweils einen Eingriff in die Fahrdynamik dar. Weiterhin kann die Steuereinrichtung diese Aktuatorik ansteuern und es können dadurch die Lenkwinkel an den Rädern des Fahrzeugs angepasst werden. Dies stellt ebenfalls einen Eingriff in die Fahrdynamik dar. Es wird also beispielsweise eine Lenkung, eine Bremskraft und eine Energiebereitstellung ausgehend von den Anforderungen durch die Steuereinrichtung beeinflusst. Ausgehend von z. B. der Fahrmanöver-Planung kann die Steuereinrichtung Steuersignale für die Aktuatorik des Antriebssystems des Fahrzeugs generieren, so dass in die Fahrdynamik des Fahrzeugs eingegriffen wird und das Fahrzeug sich gemäß einer im Zuge der Fahrmanöver-Planung geplanten Trajektorie bewegt. Im Allgemeinen wird beeinflussen Eingriffe in die Fahrdynamik somit eine Bewegung des Fahrzeugs in Richtung einer Längsachse, einer Querachse und/oder einer Hochachse, sowie Gier-, Nick- und/oder Wankbewegungen.
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Die Steuereinrichtung weist zudem wenigstens eine Schnittstelle auf, über welche sie mit wenigstens einem Umfeldsensor des Fahrzeugs verbunden werden kann, so dass ein Daten- und Signalaustausch erfolgen kann. Der Umfeldsensor kann beispielsweise als eine Kamera, ein Radar-Sensor, ein Lidar-Sensor, ein UltraschallSensor, oder als ein anderer geeigneter Umfeldsensor ausgeformt sein. Bei mehreren Umfeldsensoren kann eine Kombination aus mehreren Umfeldsensoren, die sich jeweils durch eine andere Sensortechnik auszeichnen, eingesetzt werden. Beispielsweise kann die Auswertung der Umfelddaten, die von dem wenigstens einen Umfeldsensor bezüglich der direkten Umgebung des Fahrzeugs generiert werden, mittels der Steuereinrichtung erfolgen. Diese Steuereinrichtung kann sich dazu beispielsweise eines Computerprogrammprodukts bedienen. Das Computerprogrammprodukt kann beispielsweise eine künstliche Intelligenz umfassen, die ein trainiertes künstliches neuronales Netz aufweist. Die Umfelddaten sind nötig, um die Fahrmanöver des Fahrzeugs planen und ausführen zu können.
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Für jeden während des wenigstens einen Fahrmanövers durchzuführenden Eingriff in die Fahrdynamik des Fahrzeugs wird eine Reisekrankheits-Potential ermittelt. Dabei beschreibt ein Reisekrankheits-Potential dasjenige Potential jedes Eingriffs in die Fahrdynamik, welches dieses aufweist, um bei dem wenigstens einen Fahrzeugnutzer eine Reisekrankheit, bzw. Symptome der Reisekrankheit hervorzurufen. In anderen Worten bildet das Reisekrankheits-Potential die Wahrscheinlichkeit ab, mit welcher bei dem Fahrzeugnutzer bei Durchführung des Eingriffs in die Fahrdynamik zur Umsetzung des Fahrmanövers die Reisekrankheit, bzw. Symptome der Reisekrankheit ausgelöst wird.
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Dieses Reisekrankheits-Potential kann beispielsweise aus einer Datenbank abgerufen werden, in welcher für verschiedene Eingriffe in die Fahrdynamik entsprechende Reisekrankheits-Potentiale hinterlegt sind. Die Datenbank kann dabei beispielsweise in einer Cloud oder einem anderen geeigneten Datenspeicher vorliegen und an das Fahrzeug kommuniziert werden, wenn dieses diese Daten anfordert. Beispielsweise kann das Anfordern von der Steuereinrichtung initiiert werden. Alternativ dazu kann die Datenbank fahrzeugseitig vorliegen, beispielsweise in einem Langzeitspeicher. Diese Datenbank kann beispielsweise mittels Testdaten, die das Ergebnis verschiedener Versuche oder Studien sind, befüllt worden sein.
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Zusätzlich kann diese Datenbank während des Fahrbetriebs des Fahrzeuges erweitert werden mittels Daten zu Vitalparametern des wenigstens einen Fahrzeugnutzers, die während Fahrten des wenigstens einen Fahrzeugnutzers mit dem Fahrzeug erhoben werden. Somit kann die Datenbank individualisiert werden. Beispielsweise können die auf den Fahrzeugnutzer individualisierten Daten der Datenbank bezüglich der Reisekrankheits-Potentiale mittels eines selbstlernenden Algorithmus ermittelt werden, z. B. kann ein Muster und/oder eine Gesetzmäßigkeit in den Vitalparametern, insbesondere zu zugehörigen Fahrmanövern, erkannt werden. Der selbstlernende Algorithmus kann beispielsweise eingerichtet sein, um nach der Lernphase unbekannte Daten zu beurteilen, insbesondere um einen Transfer durchzuführen. Der selbstlernende Algorithmus kann beispielsweise auf einem symbolischen Ansatz oder einem nicht-symbolischen Ansatz beruhen, beispielsweise entsprechend eines neuronalen Netzwerkes.
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Das Reisekrankheits-Potential kann beispielsweise mittels eines Reisekrankheits-Index (Motion Sickness Index / MSI) dargestellt werden. Der MSI ist aus dem Stand der Technik, z. B. aus ISO 2631-1 bekannt und stellt einen objektiven Wert zur Beurteilung eines Reisekrankheits-Potentials für Fahrmanöver dar. Der MSI kann beispielsweise mittels eines Rechenmodells bestimmt werden, wobei diese Rechenmodelle ausgewählt sein können aus einer Gruppe von Modellen umfassend ein HFR-Modell, ein 6DOF-SVC-Modell, eine multiple lineare Regression, ein selbstlernender Algorithmus und ein neuronales Netzwerk. Die genannten Modelle nehmen im Wesentlichen in der Reihenfolge Ihrer Nennung an Komplexität zu und bei der Höhe der Abweichungen ab, werden also genauer. Input für diese Rechenmodelle sind jeweils Fahrdynamik-Daten.
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Ausgehend von dem Reisekrankheits-Potential werden wenigstens zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Eingriffe in die Fahrdynamik des Fahrzeugs während des wenigstens einen Fahrmanövers derart geplant und durchgeführt, dass ein gesamtes Reisekrankheits-Potential unterhalb eines Schwellenwerts verbleibt. Der Schwellenwert stellt dabei ein maximales Reisekrankheits-Potential dar, welches nicht überschritten werden soll. Dieses maximale Reisekrankheits-Potential stellt beispielsweise denjenigen Wert dar, bei welchem der wenigstens eine Fahrzeugnutzer mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% Symptome der Reisekrankheit zeigt. Der Schwellenwert kann vorzugsweise werksseitig festgelegt sein, kann alternativ dazu aber auch vom wenigstens einen Fahrzeugnutzer selbst festgelegt werden.
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Die wenigstens zwei Eingriffe in die Fahrdynamik folgen unmittelbar aufeinander. Dies heißt, dass nach dem ersten Eingriff in die Fahrdynamik ein zweiter Eingriff in die Fahrdynamik folgt, der direkt an den ersten Eingriff anschließt, ohne dass zwischen diesen beiden Eingriffen eine zeitlich ausgedehnte Pause von wenigstens einer Minute vorliegt, in welcher kein Eingriff in die Fahrdynamik stattfindet. Selbstverständlich können mehr als zwei Eingriffe in die Fahrdynamik unmittelbar aufeinander folgen. Wenn dies der Fall ist, wird das gesamte Reisekrankheits-Potential für die Gesamtheit der unmittelbar aufeinanderfolgenden Eingriffe in die Fahrdynamik betrachtet, so dass dieses unterhalb des Schwellenwerts verbleibt.
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Das gesamte Reisekrankheits-Potential berechnet sich aus den jeweiligen Reisekrankheits-Potentialen der einzelnen Eingriffe in die Fahrdynamik, die unmittelbar aufeinanderfolgen. Dazu wird ein geeignetes Rechenmodell eingesetzt. In diesem Rechenmodell kann beispielsweise abgebildet sein, dass das Reisekrankheits-Potential jedes Eingriffs in die Fahrdynamik sich addiert. Zusätzlich kann abgebildet sein, dass das Reisekrankheits-Potential jedes Eingriffs in die Fahrdynamik nach einer gewissen Zeitspanne abklingt, so dass das Reisekrankheits-Potential des ersten Eingriffs mit einem Korrekturfaktor versehen werden muss.
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Beispielsweise kann es bei einer Fahrt des Fahrzeugs nötig sein, dass das Fahrzeug ein weiteres, langsamer fahrendes Fahrzeug überholen möchte. Allerdings kann das Überhol-Fahrmanöver erst durchgeführt werden, wenn die Überholspur zum Überholen frei ist. Ist diese durch ein Drittfahrzeug blockiert, muss die Steuereinrichtung, die die Fahrmanöver plant, das Fahrzeug zunächst stark abbremsen lassen, um nicht auf das weitere Fahrzeug aufzufahren. Die Geschwindigkeit des Fahrzeugs wird somit abrupt verringert, was einen ersten Eingriff in die Fahrdynamik darstellt. Dieses starke Abbremsen weist ein erstes Reisekrankheits-Potential auf, da dies eine unerwartete Bewegung für den Fahrzeugnutzer darstellt, welcher diese nicht erwartet, wenn er seine Aufmerksamkeit nicht auf den Verkehr gerichtet hat.
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Wenn das Drittfahrzeug die Überholspur freigegeben hat, kann die Steuereinrichtung das Fahrzeug auf die Überholspur ausscheren und das weitere Fahrzeug überholen lassen. Der Lenkwinkel an den Rädern des Fahrzeugs wird somit angepasst, so dass die Spur gewechselt werden kann. Dies stellt einen zweiten Eingriff in die Fahrdynamik dar. Diese Lenkwinkeländerung weist ein zweites Reisekrankheits-Potential auf, da die Fliehkräfte, die bei einer starken Lenkwinkeländerung auf den Fahrzeugnutzer wirken, unerwartet hoch sein können, wenn der Fahrzeugnutzer seine Aufmerksamkeit nicht auf den Verkehr gerichtet hat. Zudem wird die Geschwindigkeit des Fahrzeugs erhöht. Dies stellt einen dritten Eingriff in die Fahrdynamik dar. Diese Beschleunigung weist ein drittes Reisekrankheits-Potential auf, da der Fahrzeugnutzer nicht abschätzen kann, wie stark die Beschleunigung ausfallen wird, wenn er seine Aufmerksamkeit nicht auf den Verkehr gerichtet hat.
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Aus diesen drei Reisekrankheits-Potentialen der drei Eingriffe in die Fahrdynamik wird ein gesamtes Reisekrankheits-Potential ermittelt. Liegt dieses unterhalb des Schwellenwerts, können die Eingriffe unproblematisch durchgeführt werden. Ist dies nicht der Fall, wird wenigstens einer der Eingriffe angepasst, so das das gesamte Reisekrankheits-Potential unterhalb des Schwellenwerts liegt. Beispielsweise kann von der Steuereinrichtung ein weniger großer Lenkwinkel vom Lenksystem angefordert werden, so dass das Reisekrankheits-Potential des zweiten Eingriffs geringer ist als bei einem größeren Lenkwinkel. Zusätzlich oder alternativ dazu kann von der Steuereinrichtung eine geringere Beschleunigung angefordert werden, so dass das Reisekrankheits-Potential des dritten Eingriffs geringer ist als bei einer stärkeren Beschleunigung. Dadurch sinkt das gesamte Reisekrankheits-Potential unter den Schwellenwert ab.
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Vorteilhaft am vorgestellten Verfahren ist, dass bereits bei der Fahrmanöver-Planung Reisekrankheits-Potentiale einbezogen werden können. Dadurch wird für jeden Fahrzeugnutzer der Fahrkomfort erhöht.
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Nach einer weiterbildenden Ausführungsform werden zusätzlich Vitalparameter des wenigstens einen Fahrzeugnutzers ermittelt. Mittels der Vitalparameter wird ein Reisekrankheits-Wert ermittelt. Ausgehend von dem Reisekrankheits-Potential und von dem Reisekrankheits-Wert werden wenigstens zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Eingriffe in die Fahrdynamik des Fahrzeugs während des wenigstens einen Fahrmanövers derart geplant und durchgeführt, dass ein gesamtes Reisekrankheits-Potential unterhalb des Schwellenwerts verbleibt. Selbstverständlich können bei mehreren Fahrzeugnutzern die Vitalparameter von jedem Fahrzeugnutzer ermittelt werden.
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Die bereits beschriebene Steuereinrichtung weist zusätzlich wenigstens eine Schnittstelle auf, über welche sie mit wenigstens einem Sensor zur Überwachung der Vitalparameter wenigstens eines Fahrzeugnutzers verbunden werden kann, so dass ein Daten- und Signalaustausch erfolgen kann. Selbstverständlich können mehrere Sensoren zur Überwachung der Vitalparameter mit der Steuereinrichtung verbunden werden.
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Der wenigsten eine Sensor zur Überwachung der Vitalparameter ist beispielsweise ausgeformt als eine Kamera, ein Messgerät zur Erfassung eines Hautwiderstands, ein Blut-Sauerstoff-Messgerät, eine Vorrichtung zur Erfassung eines Elektroenzephalogramms, ein Handmessgerät, ein temporär verwendbares Messgerät oder ein Wearable. Ein Wearable ist ein am Körper zu tragendes Messgerät. Selbstverständlich können mehrere Sensoren genutzt werden, um einen oder mehrere Vitalparameter des wenigstens einen Fahrzeugnutzers zu überwachen. Beispielsweise kann der wenigstens eine Sensor zur Überwachung der Vitalparameter zum Erfassen eines galvanischen Hautwiderstands, einer Herzrate, einer Körpertemperatur, einer Sauerstoffsättigung eines Blutes oder einer Atemluft, o. ä. dienen. Die Auswertung der von dem wenigstens einen Sensor ermittelten Vitalparameter kann von der Steuereinrichtung durchgeführt werden. Alternativ dazu kann die Auswertung von einer Auswerteeinrichtung vorgenommen werden, die sensorseitig vorgesehen ist.
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Ausgehend von den Vitalparametern kann darauf geschlossen werden, ob und wie stark der wenigstens eine Fahrzeugnutzer unter Reisekrankheitssymptomen leidet. Beispielsweise kann ein gewisser galvanischer Hautwiderstand, eine gewisse Herzrate, eine gewisse Körpertemperatur, eine gewisse Sauerstoffsättigung des Blutes oder der Atemluft einzeln oder miteinander kombiniert auf Symptome der Reisekrankheit schließen lassen. Der Zusammenhang zwischen diesen gewissen ermittelten Vitalparametern und den Symptomen der Reisekrankheit ist z. B. aus dem o. g. Stand der Technik bekannt.
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Mittels der Vitalparameter wird der Reisekrankheits-Wert ermittelt. Der Reisekrankheits-Wert stellt ein individuelles Maß dafür dar, wie sehr der wenigstens eine Fahrzeugnutzer unter Symptomen der Reisekrankheit leidet. Dieses Maß ist vorzugsweise für jeden Fahrzeugnutzer individuell bestimmt. Beispielsweise kann durch einen selbstlernenden Algorithmus eine Datenbank erstellt werden, in welcher für jeden Fahrzeugnutzer Vitalparameter abgelegt sind, die verknüpft sind mit entsprechenden Reisekrankheits-Werten. Dadurch findet eine Individualisierung statt, wodurch das vorgestellte Verfahren genauer und weniger fehleranfällig wird.
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Der Reisekrankheits-Wert wird vorzugsweise in derselben Einheit dargestellt wie das Reisekrankheits-Potential. Der Reisekrankheits-Wert stellt in anderen Worten das für den wenigstens einen Fahrzeugnutzer individualisierte und aktuell bestimmte Reisekrankheits-Potential dar. Zudem wird mit dem Reisekrankheits-Wert abgebildet, ob und wie sehr bei dem wenigstens einen Fahrzeugnutzer bereits Symptome der Reisekrankheit vorliegen.
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Ausgehend von dem Reisekrankheits-Potential und von dem Reisekrankheits-Wert werden wenigstens zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Eingriffe in die Fahrdynamik des Fahrzeugs während des wenigstens einen Fahrmanövers derart geplant und durchgeführt, dass ein gesamtes Reisekrankheits-Potential unterhalb des Schwellenwerts verbleibt. Das gesamte Reisekrankheits-Potential berechnet sich aus den jeweiligen Reisekrankheits-Potentialen der einzelnen Eingriffe in die Fahrdynamik, die unmittelbar aufeinanderfolgen und aus dem Reisekrankheits-Wert. Dazu wird ein geeignetes Rechenmodell eingesetzt. In diesem Rechenmodell kann beispielsweise abgebildet sein, dass das Reisekrankheits-Potential jedes Eingriffs in die Fahrdynamik und der Reisekrankheits-Wert sich addieren. Zusätzlich kann abgebildet sein, dass das Reisekrankheits-Potential jedes Eingriffs in die Fahrdynamik nach einer gewissen Zeitspanne abklingt, so dass das Reisekrankheits-Potential des ersten Eingriffs mit einem Korrekturfaktor versehen werden muss.
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Durch das Einbeziehen des Reisekrankheits-Wertes in die Berechnung des gesamten Reisekrankheits-Potentials kann in vorteilhafter Weise auf den wenigstens einen Fahrzeugnutzer individuell eingegangen werden. Dadurch kann verhindert werden, dass sich die bei dem wenigstens einen Fahrzeugnutzer vorliegende oder anbahnende Reisekrankheit durch Eingriffe in die Fahrdynamik verschlimmert.
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Eine Steuereinrichtung für ein Fahrzeug weist Mittel auf, um das Verfahren durchzuführen, das bereits in der vorherigen Beschreibung beschrieben wurde. Diese Steuereinrichtung wurde bereits teilweise beschrieben. Die Steuereinrichtung kann beispielsweise als ECU oder Domain-ECU ausgeformt sein. Die Steuereinrichtung ist dazu eingerichtet, dass beispielsweise ein Computerprogrammprodukt auf dieser ausgeführt werden kann.
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Das Computerprogrammprodukt umfasst Befehle, die bei einer Ausführung des Programms durch die beschriebene Steuereinrichtung bereits beschriebene Verfahren ausführen. Das Computerprogrammprodukt kann beispielsweise auf einem Datenträger oder als herunterladbarer Datenstrom verkörpert sein.
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Ein Fahrzeug weist eine Steuereinrichtung auf, die bereits in der vorherigen Beschreibung beschrieben wurde. Das Fahrzeug weist zudem wenigstens einen Sensor zur Überwachung von Vitalparameter wenigstens eines Fahrzeugnutzers auf. Dieser wenigstens eine Sensor ist mit der Steuereinrichtung über deren dafür vorgesehene Schnittstelle verbunden. Weiterhin weist das Fahrzeug ein Antriebssystem auf, welches wiederum eine Aktuatorik aufweist. Die Steuereinrichtung ist mittels ihrer dafür vorgesehenen Schnittstelle mit der Aktuatorik des Antriebssystems verbunden. Zudem weist das Fahrzeug wenigstens einen Umfeldsensor auf. Dieser wenigstens eine Umfeldsensor ist mit der Steuereinrichtung über deren dafür vorgesehene Schnittstelle verbunden. Das Fahrzeug ist als autonomes Fahrzeug ausgeformt, das z. B. dazu befähigt ist, automatisierte Funktionen durchzuführen.
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Anhand der im Folgenden erläuterten Figur wird ein Ausführungsbeispiel und Details der Erfindung näher beschrieben. Es zeigt:
- 1 eine schematische Darstellung Verfahrens zur Vermeidung von Reisekrankheit nach einem Ausführungsbeispiel.
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1 zeigt eine schematische Darstellung Verfahrens V zur Vermeidung von Reisekrankheit nach einem Ausführungsbeispiel. In einem ersten Schritt 101 des Verfahrens V wird ein Fahrmanöver 1 geplant. Diese Planung wird von einer Steuereinrichtung eines Fahrzeugs durchgeführt, wobei die Steuereinrichtung dazu eingerichtet ist, automatisierte Funktionen des Fahrzeugs zu steuern, z. B. autonome Fahrfunktionen ab Level 4. Das Fahrzeug ist daher als ein autonomes Fahrzeug ausgeformt. Die Steuereinrichtung ist zu diesem Zweck mit einer Umgebungssensorik verbunden, welche die Umgebung des Fahrzeugs erfassen kann. Zwischen der Steuereinrichtung und der Umgebungssensorik kann somit ein Daten- und Signalaustausch erfolgen. Weiterhin ist die Steuereinrichtung mit einer Aktuatorik eines Antriebssystems des Fahrzeugs verbunden und kann diese ansteuern, so dass automatisierte Funktionen durchgeführt werden können. Zwischen der Steuereinrichtung und der Aktuatorik des Antriebssystems des Fahrzeugs kann somit ein Daten- und Signalaustausch erfolgen.
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Das Fahrmanöver 1, das von dem Fahrzeug umgesetzt werden soll, weist zwei Eingriffe 2a, 2b in die Fahrdynamik auf. Diese beiden Eingriffe 2a, 2b in die Fahrdynamik sind nötig, um das Fahrmanöver 1 durchführen zu können. Beispielsweise kann es sich bei dem Fahrmanöver 1 um ein Ausweichmanöver handeln, bei welchem das Fahrzeug einem Hindernis ausweicht. Dabei weist das Fahrmanöver 1 einen ersten Eingriff 2a in die Fahrdynamik auf, der einem Verzögern des Fahrzeugs entspricht, so dass das Fahrzeug seine Geschwindigkeit verringert. Zudem weist das Fahrmanöver 1 einen zweiten Eingriff 2b in die Fahrdynamik auf, der zeitlich unmittelbar an den ersten Eingriff 2a anschließt. Dieser zweite Eingriff 2b entspricht einem Ändern des Lenkwinkels an den Rädern des Fahrzeugs, so dass das Hindernis umfahren wird.
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Beide Eingriffe 2a, 2b weisen für einen Fahrzeugnutzer des Fahrzeugs ein Reisekrankheits-Potential Pa, Pb auf. Dieses wird für jeden der beiden Eingriffe 2a, 2b in einem zweiten Schritt 102 des Verfahrens V separat ermittelt. Dabei weist der erste Eingriff 2a das erste Reisekrankheits-Potential Pa auf. Dabei weist der zweite Eingriff 2b das zweite Reisekrankheits-Potential Pb auf.
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Beide Reisekrankheits-Potentiale Pa, Pb können zu einem gesamten Reisekrankheits-Potential Pges zusammengefasst werden. Dieses liegt im hier gezeigten Beispiel oberhalb eines vorbestimmten Schwellenwerts S. Dieser Schwellenwert S bezeichnet dasjenige gesamte Reisekrankheits-Potential Pges, an welchem bei z. B. wenigstens 50% der Fahrzeugnutzer starke Symptome der Reisekrankheit auftreten, wie beispielsweise Übelkeit oder Kurzatmigkeit. Der Schwellenwert S ist beispielsweise werksseitig vorbestimmt.
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Ausgehend von den beiden Reisekrankheits-Potentialen Pa, Pb und in Anbetracht des vorbestimmten Schwellenwerts S werden in einem dritten Schritt 103 des Verfahrens V die beiden Eingriffe 2a, 2b in die Fahrdynamik, die zur Umsetzung des Fahrmanövers 1 nötig sind, adaptiert, so dass deren Reisekrankheits-Potentiale Pa, Pb weniger hoch sind. Das Ergebnis ist der adaptierte erste Eingriff 2a* und der adaptierte zweite Eingriff 2b*. Beispielsweise wird bei dem adaptierten ersten Eingriff 2a* eine weniger starke Verzögerung gewählt. Beispielsweise wird bei dem adaptierten zweiten Eingriff 2b* ein kleinerer Lenkwinkel gewählt. Dadurch ist das gesamte Reisekrankheits-Potential Pges derart geändert, dass dieses unterhalb des Schwellenwerts S liegt. Das Fahrzeug weicht zwar immer noch dem Hindernis aus, allerdings wird das Fahrmanöver sanfter ausgeführt.
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Zusätzlich können in einem optionalen vierten Schritt 104 Vitalparameter 4 des Fahrzeugnutzers sensorisch ermittelt werden. Beispielsweise können als Vitalparameter 4 ein galvanischer Hautwiderstand, eine Herzrate, eine Körpertemperatur, eine Sauerstoffsättigung eines Blutes oder einer Atemluft sensorisch erfasst werden. Die Sensorik zur Erfassung dieser Vitalparameter 4 ist dabei mit der Steuereinrichtung verbunden, so dass ein Daten- und Signalaustausch erfolgen kann. Ausgehend von den Vitalparametern 4 kann darauf geschlossen werden, ob und wie stark der wenigstens eine Fahrzeugnutzer unter Reisekrankheitssymptomen leidet. Beispielsweise kann ein gewisser galvanischer Hautwiderstand, eine gewisse Herzrate, eine gewisse Körpertemperatur, eine gewisse Sauerstoffsättigung des Blutes oder der Atemluft einzeln oder miteinander kombiniert auf Symptome der Reisekrankheit schließen lassen.
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Anschließend kann in einem ebenfalls optionalen fünften Schritt 105 des Verfahrens V ein Reisekrankheits-Wert W ermittelt werden. Dieser Reisekrankheits-Wert W stellt ein individuelles Maß dafür dar, wie sehr der wenigstens eine Fahrzeugnutzer unter Symptomen der Reisekrankheit leidet. Der Reisekrankheits-Wert W weist dieselbe Einheit auf wie die Reisekrankheits-Potentiale Pa, Pb. Der Reisekrankheits-Wert W kann mit den Reisekrankheits-Potentiale Pa, Pb zusammengefasst werden zum gesamten Reisekrankheits-Potential Pges.
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Der Reisekrankheits-Wert W fließt danach in den dritten Schritt 103 des Verfahrens V ein. Ausgehend von den beiden Reisekrankheits-Potentialen Pa, Pb und ausgehend von dem Reisekrankheits-Wert W und in Anbetracht des vorbestimmten Schwellenwerts S werden im dritten Schritt 103 des Verfahrens V die beiden Eingriffe 2a, 2b in die Fahrdynamik, die zur Umsetzung des Fahrmanövers 1 nötig sind, adaptiert, so dass deren Reisekrankheits-Potentiale Pa, Pb noch niedriger sind als ohne die beiden optionalen Verfahrensschritte 104, 105. Das Ergebnis ist wiederum der adaptierte erste Eingriff 2a* und der adaptierte zweite Eingriff 2b*. Dadurch ist das gesamte Reisekrankheits-Potential Pges derart geändert, dass dieses unterhalb des Schwellenwerts S liegt.
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Vorteilhaft am vorgestellten Verfahren V ist, dass bereits bei der Fahrmanöver-Planung Reisekrankheits-Potentiale Pa, Pb einbezogen werden können. Dadurch wird die Fahrt mit dem Fahrzeug für den Fahrzeugnutzer komfortabler.
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Bezugszeichenliste
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- 101
- erster Schritt
- 102
- zweiter Schritt
- 103
- dritter Schritt
- 104
- vierter Schritt
- 105
- fünfter Schritt
- 1
- Fahrmanöver
- 2a
- erster Eingriff in die Fahrdynamik
- 2b
- zweiter Eingriff in die Fahrdynamik
- 2a*
- adaptierter erster Eingriff in die Fahrdynamik
- 2b*
- adaptierter zweiter Eingriff in die Fahrdynamik
- 4
- Vitalparameter
- Pa
- Reisekrankheits-Potential
- Pb
- Reisekrankheits-Potential
- Pges
- gesamtes Reisekrankheits-Potential
- S
- Schwellenwert
- V
- Verfahren
- W
- Reisekrankheits-Wert
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
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Zitierte Patentliteratur
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- US 2017/0313326 A1 [0003]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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