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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betrieb eines Kraftfahrzeugs. Des Weiteren betrifft die Erfindung ein Kraftfahrzeug, das insbesondere dazu eingerichtet ist, das erfindungsgemäße Verfahren durchzuführen.
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Moderne Kraftfahrzeuge weisen regelmäßig Fahrerassistenzsysteme auf, die einen Fahrer des Kraftfahrzeugs unterstützen sollen, bspw. indem sie den Fahrer entlasten oder Eingriffe vornehmen, die ein durchschnittlicher Fahrer kaum oder gar nicht vornehmen kann. Unter letztere Kategorie fallen bspw. Antiblockiersysteme, Fahrdynamikregelungen und dergleichen. Unter erstere Kategorie fallen ebenfalls die vorgenannten Systeme, Spurhalteassistenten etc., gegebenenfalls in Kombination mit einer (zumindest teilweisen autonomen) Fahrautomatik. Derartige Fahrerassistenzsysteme berechnen die Lenk- oder sonstigen Eingriffe für die gewünschte Trajektorie (d. h. den gewünschten Fahrweg) regelmäßig anhand eines virtuellen (mathematischen) Fahrzeugmodells, das als Fahrzeugmodellgrößen Fahrwerks-Parameter wie Radstand oder Gierverstärkung des Kraftfahrzeugs enthält. Das gilt sowohl für manuellen als auch für automatisierten Fahrbetrieb. Die Fahrwerks-Parameter spiegeln dabei den Konstruktionszustand des Fahrzeugs mit dem vorgesehenen Reifenmodell und ohne (oder zumindest mit einer standardisierten) Beladung wieder.
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Erkanntermaßen sind die Fahrwerks-Parameter von Modell zu Modell unterschiedlich, so dass für jedes Fahrzeugmodell ein eigenes Fahrzeugmodell, d. h. ein zugeordneter Datensatz erstellt werden muss. Üblicherweise werden hierzu standardisierte Testfahrten durchgeführt. Jede tatsächliche Veränderung am Kraftfahrzeug (z. B. höhere Zuladung, andere Bereifung, Alterung und dergleichen) führt dabei meist aber auch zu einer Änderung der Werte des Fahrzeugmodells, so dass Berechnungen, die auf den werksseitigen Werten basieren, ungenau werden können.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, für Fahrerassistenzsysteme eine präzisere Parametrierung zu ermöglichen.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch ein Verfahren zum Betrieb des Kraftfahrzeugs mit den Merkmalen des Anspruchs 1. Außerdem wird diese Aufgabe erfindungsgemäß gelöst durch ein Kraftfahrzeug mit den Merkmalen des Anspruchs 10. Weitere vorteilhafte und teils für sich erfinderische Ausführungsformen und Weiterbildungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen und der nachfolgenden Beschreibung dargelegt.
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Das erfindungsgemäße Verfahren dient zum vorzugsweise automatisierten (insbesondere autonomen) Betrieb eines Kraftfahrzeugs. Das (erfindungsgemäße) Kraftfahrzeug weist dabei ein Fahrwerk mit wenigstens einem Vorderrad und mit wenigstens einem Hinterrad auf.
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Verfahrensgemäß wird dabei anhand wenigstens einer Größe, die für eine aktuelle Fahrsituation charakteristisch ist, ermittelt, ob es sich bei der aktuellen Fahrsituation um eine stabile, d. h. insbesondere stationäre Fahrsituation handelt. Hierzu wird überprüft, ob die jeweilige Größe ein vorgegebenes, der jeweiligen Größe zugeordnetes Kriterium erfüllt. Wenn eine stabile Fahrsituation erkannt wird, werden daraufhin aktuelle (Ist-)Werte einer Anzahl von Fahrzeugmodellgrößen mittels einer Schätzung ermittelt. Ein voreingestelltes, vorzugsweise werksseitig vorgegebenes Fahrzeugmodell, das die Fahrzeugmodellgrößen enthält, wird dann um die aktuellen Werte der Fahrzeugmodellgröße oder der gegebenenfalls mehreren Fahrzeugmodellgrößen aktualisiert. Dieses aktualisierte Fahrzeugmodell wird (insbesondere im weiteren Fahrbetrieb) für eine Trajektoriensteuerung eines Fahrerassistenzsystems herangezogen. Die wenigstens eine Größe und das jeweilige zugeordnete Kriterium (zur Erkennung der aktuellen Fahrsituation) werden dabei ausgewählt aus einer Gruppe umfassend:
- ◦ einen insbesondere absoluten (d. h. insbesondere mittels eines spezifisch zugeordneten Sensors erfassten) Lenkwinkel einer Vorderachse und/oder einer Hinterachse, der geringer und/oder größer ist als ein Schwellwert,
- ◦ eine vorzugsweise absolute Lenkgeschwindigkeit der Vorderachse und/oder der Hinterachse, die geringer als ein Schwellwert ist,
- ◦ eine vorzugsweise absolute Gierrate (auch als „Giergeschwindigkeit“ bezeichnet), die geringer als ein Schwellwert ist,
- ◦ eine Fahrgeschwindigkeit des Kraftfahrzeugs, die geringer und/oder größer als ein Schwellwert und/oder konstant ist,
- ◦ eine insbesondere absolute Gierbeschleunigung, die geringer als ein Schwellwert ist,
- ◦ eine Ableitung der insbesondere absoluten Querbeschleunigung, die geringer als ein Schwellwert ist,
- ◦ eine Ableitung einer insbesondere absoluten Vertikalbeschleunigung, die geringer als ein Schwellwert ist,
- ◦ eine absolute Abweichung zwischen der Querbeschleunigung und dem Produkt aus Gierrate und Fahrgeschwindigkeit, die nicht größer als ein Schwellwert ist,
- ◦ der Lenkwinkel der Vorderachse, die Querbeschleunigung und die Gierrate weisen gleiche Vorzeichen auf,
- ◦ ein Zustand von vorzugsweise allen vorhandenen Stabilitätsregelungssystemen ist inaktiv,
- ◦ ein Signal, das für Vorliegen von Niederschlag charakteristisch ist, weist einen für fehlenden Niederschlag charakteristischen Wert auf, und
- ◦ eine vorzugsweise absolute Längsbeschleunigung, die geringer als ein Schwellwert ist.
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Für eine möglichst sichere Erkennung der stabilen Fahrsituation werden zweckmäßigerweise mehrere der vorstehend genannten Größen auf Erfüllung des jeweils zugeordneten Kriteriums überwacht. Vorzugsweise wird auch überwacht, ob die Querbeschleunigung kleiner als ein zugeordneter Schwellwert ist.
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Mit anderen Worten wird während des Fahrbetriebs des Kraftfahrzeugs in geeigneten Fahrsituationen (nämlich die anhand der vorstehenden Kriterien erkannten stabilen Fahrsituationen) das aktuell hinterlegte Fahrzeugmodell, konkret dessen Fahrzeugmodellgrößen - zumindest relevante Modellgrößen daraus - aktualisiert („geupdated“). Dadurch können sich von Fahrt zu Fahrt . oder über die Lebensdauer des Kraftfahrzeugs ändernde Modellgrößen aktuell gehalten werden und somit auch eine möglichst präzise Trajektoriensteuerung und/oder sonstige Lenk- und/oder Bremseingriffe möglichst präzise durchgeführt werden. So können ein beladungsbedingt geänderter Radstand, alterungsbedingt geänderte Eigenschaften des Fahrwerks (z. B. Dämpferverhalten und dergleichen) oder ähnliche Einflüsse fortlaufend berücksichtigt werden. Die Nutzung stabiler Fahrsituationen ist dahingehend vorteilhaft, da hierbei Änderungen des Fahrverhaltens (plötzliche Lenkbewegungen, Bremseingriffe und dergleichen), die Einfluss auf die aktuelle Geometrie des Fahrwerks haben können, nur mit vergleichsweise geringer Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind.
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Als Signal, das auf das Vorliegen von Niederschlag hindeutet, wird beispielsweise ein Ausgangssignal eines Regensensors und/oder einer Kamera herangezogen. Zusätzlich oder alternativ wird auch betrachtet, ob zumindest der Frontscheibenwischer (über einen längeren Zeitraum als zum Reinigen der Frontscheibe erforderlich) aktiv ist.
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Die Fahrgeschwindigkeit wird beispielsweise anhand von satellitengestützten Ortsinformationen und/oder Raddrehzahlen oder dergleichen ermittelt.
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Zur Ermittlung der Gierrate, der verschiedenen Beschleunigungen und der Lenkwinkel werden bevorzugt jeweils zugeordnete Sensoren (bspw. Drehsensoren, Beschleunigungssensoren, Winkelsensoren und dergleichen) herangezogen.
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Optional werden die vorstehend beschriebenen Größen zur Erkennung der stabilen Fahrsituation gefiltert, um bspw. Signalrauschen bei der Erkennung unberücksichtigt zu lassen.
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In einer zweckmäßigen Verfahrensvariante wird als zusätzliches Kriterium für die stabile Fahrsituation herangezogen, dass die oder die jeweilige Größe das jeweils zugeordnete Kriterium über eine vorgegebene Zeitdauer (bspw. 2 bis 5 Sekunden) durchgehend erfüllt. Dadurch ist eine vergleichsweise verlässliche Erkennung der Stabilität der aktuellen Fahrsituation vereinfacht.
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In einer bevorzugten Verfahrensvariante wird als stabile Fahrsituation insbesondere eine stationäre Kurvenfahrt herangezogen. Dies ist dahingehend vorteilhaft, dass viele Fahrzeugmodelle die Gierrate, Lenkwinkel oder zumindest damit in Zusammenhang stehende Parameter enthalten. Diese lassen sich erkanntermaßen bei einer Kurvenfahrt vergleichsweise einfach messtechnisch erfassen. Alternativ oder auch zusätzlich wird als stabile Fahrsituation (auch) eine stationäre Geradeausfahrt herangezogen.
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Zur Erkennung der stationären Kurvenfahrt werden als Größen und Kriterien insbesondere herangezogen, dass der insbesondere absolute Lenkwinkel der Vorderachse und/oder der Hinterachse geringer und/oder größer als ein Schwellwert ist, die insbesondere absolute Lenkgeschwindigkeit der Vorderachse und/oder der Hinterachse geringer als ein Schwellwert ist, die insbesondere absolute Querbeschleunigung geringer als ein Schwellwert ist, die insbesondere absolute Gierrate geringer als ein Schwellwert ist, die Fahrgeschwindigkeit geringer und/oder größer als ein Schwellwert ist, die insbesondere absolute Gierbeschleunigung geringer als ein Schwellwert ist, die Ableitung der insbesondere absoluten Querbeschleunigung geringer als ein Schwellwert ist, die Ableitung der insbesondere absoluten Vertikalbeschleunigung geringer als ein Schwellwert ist, die absolute Abweichung zwischen der Querbeschleunigung und dem Produkt aus Gierrate und Fahrgeschwindigkeit nicht größer als ein Schwellwert ist, die Vorzeichen der Lenkwinkel Vorderachse, Querbeschleunigung und Gierrate gleich sind, keine Stabilisierungsregelsysteme im Eingriff sind und/oder kein Niederschlag (d. h. insbesondere kein Regen oder Schnee) erkannt wird.
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Zur Erkennung der stationären Geradeausfahrt werden als Größen und Kriterien insbesondere herangezogen, dass die Fahrgeschwindigkeit sich nicht ändert, d. h. konstant ist, die insbesondere absolute Fahrgeschwindigkeit geringer und/oder größer als ein Schwellwert ist, der insbesondere absolute Lenkwinkel der Vorderachse und/oder Hinterachse geringer und/oder größer als ein Schwellwert ist, die insbesondere absolute Lenkgeschwindigkeit der Vorderachse und/oder der Hinterachse geringer als ein Schwellwert ist, die insbesondere absolute Querbeschleunigung geringer als ein Schwellwert ist, die insbesondere absolute Längsbeschleunigung geringer als ein Schwellwert ist und/oder die insbesondere absolute Gierrate geringer als ein Schwellwert ist.
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In einer weiteren zweckmäßigen Verfahrensvariante wird während der Schätzung der aktuellen Werte der Fahrzeugmodellgrößen ein insbesondere agilisierender Eingriff von Fahrwerkregelsystemen unterbunden. Mit anderen Worten wird ein Stellverbot an diese Fahrwerkregelsysteme ausgegeben. Dadurch kann vorteilhafterweise eine kurzfristige, die Ermittlung der aktuellen Werte verfälschende Beeinflussung der Fahrsituation oder der zu bestimmenden Werte selbst verhindert werden. In diesem Fall wird die Schätzung mithin nicht nur passiv beobachtend, sondern aktiv, eine Reduktion der Eingriffe der Fahrwerkregelsysteme fordernd, durchgeführt.
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Als Schätzung der aktuellen Werte der Fahrzeugmodellgrößen wird in einer bevorzugten Verfahrensvariante eine Differenz zwischen einem voreingestellten (bspw. werksseitig oder aus einer vorhergehenden Bestimmung ermittelten) Sollwert der Gierrate und einem aktuellen, vorzugsweise messtechnisch erfassten Istwert der Gierrate minimiert. In einfacher Variante wird aus einem Fahrzeugmodell, vorzugsweise dem sogenannten Einspurmodell eine Gleichung ausgeleitet, die die Gierrate und die zu aktualisierende Fahrzeugmodellgröße enthält und anschließend der hinterlegte Sollwert der Gierrate durch den aktuellen Istwert ersetzt. Anschließend kann der aktualisierte Wert der zu aktualisierenden Fahrzeugmodellgröße ausgelesen werden. Optional wird auch eine tatsächliche Minimierung dahingehend durchgeführt, dass der Sollwert der Gierrate schrittweise an den aktuellen Istwert angeglichen wird, um Sprünge zwischen den hinterlegten und den aktuellen Werten der Fahrzeugmodellgrößen innerhalb eines vorgegebenen Bereichs zu halten.
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In einer bevorzugten Verfahrensvariante wird - insbesondere während einer stationären Kurvenfahrt - anhand der (aktuellen) Gierrate als Fahrzeugmodellgröße ein Istwert eines Radstands zwischen der Vorderachse und der Hinterachse ermittelt. Dabei wird vorzugsweise folgende, aus dem Einspurmodell abgeleitete Formel angewendet:
wobei L den Radstand, V die Fahrgeschwindigkeit, δv den Lenkwinkel der Vorderachse, öh den Lenkwinkel der Hinterachse und ψ̇ die Gierrate bezeichnet.
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In einer alternativen oder optional zusätzlichen Verfahrensvariante wird der Istwert des Radstands während einer stationären Geradeausfahrt ermittelt. Insbesondere wird dazu ein zeitlicher Abstand einer vertikalen Anregung der Räder der Vorderachse und der Hinterachse sowie die aktuelle Fahrgeschwindigkeit herangezogen. Bspw. wird bei stationärer Geradeausfahrt, bei der die Fahrgeschwindigkeit vorzugsweise unterhalb eines vorgegebenen Schwellwerts liegt, ein Überfahren einer Bodenwelle, eines Schlaglochs oder dergleichen, als vertikale Anregung herangezogen. Die Detektion dieser vertikalen Anregung wird insbesondere anhand der Signale (oder insbesondere zeitlichen Ableitungen daraus) von Federwegsensoren an den jeweiligen Rädern oder Achsen, von Raddrehzahlsensoren und/oder von Vertikalbeschleunigungssensoren an den Achsen, anhand einer Nickrate (oder deren Ableitung) des Fahrzeugs, anhand einer Wankrate (oder deren Ableitung) des Fahrzeugs, anhand des Luftdrucks in einer Luftfeder des Fahrwerks und/oder anhand eines Hydraulikdrucks in einem Dämpfersystem des Fahrwerks durchgeführt. Insbesondere wird in dem entsprechenden Signal (das bspw. der Vorderachse oder einem Vorderrad zugeordnet ist) ein Muster für eine Achse erfasst und überprüft, ob ein hinreichend ähnliches Muster (bspw. der gleiche Ausschlag einer Vertikalbeschleunigung) auch für die andere (insbesondere die hintere) Achse detektiert werden kann. Ist dies der Fall, wird anhand des zeitlichen Abstands der korrespondierenden Signalmuster (auch als „Anregungsprofil“ bezeichnet) zwischen der Vorder- und der Hinterachse und der aktuellen Fahrgeschwindigkeit der räumliche Abstand ermittelt, der dann gleich dem Radstand gesetzt wird. Dies stellt eine von dem Einspurmodell oder anderen Fahrzeugmodellen unabhängige und vergleichsweise einfache Vorgehensweise zur Ermittlung des Radstands dar.
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In einer weiterführenden Verfahrensvariante wird anhand der (insbesondere messtechnisch ermittelten) Gierrate und des (auf eine der vorstehenden Arten ermittelten) Istwerts des Radstands als (weitere) Fahrzeugmodellgröße eine charakteristische Geschwindigkeit ermittelt. Vorzugsweise wird dabei folgende, aus dem Einspurmodell abgeleitete Formel herangezogen:
wobei Vc die charakteristische Geschwindigkeit bezeichnet.
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In einer optionalen Weiterführung der Erfindung wird anhand der charakteristischen Geschwindigkeit als (wiederum weitere) Fahrzeugmodellgröße eine (insbesondere stationäre) Gierverstärkung ermittelt wird. Als (stationäre) Gierverstärkung wird dabei insbesondere das Verhältnis zwischen der (stationären) Gierrate und dem stationären Lenkradwinkel beschrieben. Zur Ermittlung der Gierverstärkung wird dabei insbesondere folgende, vorzugsweise aus dem Einspurmodell abgeleitete Formel herangezogen:
wobei GV die stationäre Gierverstärkung bezeichnet. Die maximale Gierverstärkung tritt dabei regelmäßig - zumindest bei einem untersteuernd ausgelegten Kraftfahrzeug - bei der charakteristischen Geschwindigkeit auf.
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Das erfindungsgemäße Kraftfahrzeug weist das Fahrwerk, das wenigstens eine Vorderrad (vorzugsweise zwei Vorderräder) und das wenigstens eine Hinterrad (vorzugsweise zwei Hinterräder, so dass insbesondere ein zweispuriges Kraftfahrzeug vorliegt) aufweist, sowie einen Fahrzeugcontroller auf. Der Fahrzeugcontroller ist dabei dazu eingerichtet ist, das vorstehend beschriebene Verfahren bevorzugt automatisch durchzuführen.
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In bevorzugter Ausgestaltung ist der Fahrzeugcontroller zumindest im Kern durch einen Mikrocontroller mit einem Prozessor und einem Datenspeicher gebildet, in dem die Funktionalität zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens in Form einer Betriebssoftware (Firmware) programmtechnisch implementiert ist, so dass das Verfahren - gegebenenfalls in Interaktion mit einem Fahrzeugnutzer - bei Ausführung der Betriebssoftware in dem Mikrocontroller automatisch durchgeführt wird. Der Controller kann im Rahmen der Erfindung alternativ aber auch durch ein nicht-programmierbares elektronisches Bauteil, z.B. einen anwenderspezifischen, integrierten Schaltkreis (auch kurz: „ASIC“), gebildet sein, in dem die Funktionalität zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens mit schaltungstechnischen Mitteln implementiert ist.
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Die Konjunktion „und/oder“ ist hier und im Folgenden insbesondere derart zu verstehen, dass die mittels dieser Konjunktion verknüpften Merkmale und Größen sowohl gemeinsam als auch als Alternativen zueinander ausgebildet sein bzw. herangezogen werden können.
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Nachfolgend wird ein Ausführungsbeispiel der Erfindung anhand einer Zeichnung näher erläutert. Darin zeigen:
- 1 in einer schematischen Seitenansicht ein Kraftfahrzeug mit einem Fahrzeugcontroller, und
- 2 in einem schematischen Ablaufdiagramm ein von dem Fahrzeugcontroller durchgeführtes Verfahren zum Betrieb des Kraftfahrzeugs.
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Einander entsprechende Teile und Größen sind in allen Figuren stets mit gleichen Bezugszeichen versehen.
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In 1 ist schematisch ein Kraftfahrzeug 1 dargestellt. Das Kraftfahrzeug 1 weist ein Fahrwerk (nicht näher dargestellt) auf. Das Fahrwerk umfasst dabei zwei Vorderräder 2 und zwei Hinterräder 4, so dass ein zweispuriges Fahrzeug vorliegt. Außerdem umfasst das Kraftfahrzeug 1 einen Fahrzeugcontroller 6. In diesem ist ein Fahrerassistenzsystem 8, das zum autonomen Fahren eingerichtet ist, implementiert. Dem Fahrerassistenzsystem 8 ist dabei ein mathematisches Fahrzeugmodell zugrunde gelegt, das mehrere Fahrzeugmodellgrößen enthält. In dem Fahrzeugcontroller 6 ist außerdem ein Modul 10 implementiert, das zur Schätzung aktueller Werte („Istwerte“) von konkret zwei Fahrzeugmodellgrößen eingerichtet ist. Der Fahrzeugcontroller 6 ist dabei dazu eingerichtet, ein im Folgenden näher beschriebenes Verfahren bevorzugt automatisch durchzuführen. Außerdem weist das Kraftfahrzeug 1 einen Regensensor 12, einen Gierratensensor 14 und einen Geschwindigkeitssensor 16 auf. Diese sind signalübertragungstechnisch mit dem Modul 10 gekoppelt. Das Fahrerassistenzsystem 8 ist mit den Vorderrädern 2 und den Hinterrädern 4, konkret deren Bremsen, sowie mit einem Lenksystem und einem Antriebsmotor des Kraftfahrzeugs 1 gekoppelt.
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Das Kraftfahrzeug 1, konkret dessen Fahrzeugcontroller 6 ist dazu eingerichtet, in einem ersten Schritt S1 des Betriebsverfahrens (dargestellt in 2), anhand von (Mess-)Größen, die für eine aktuelle Fahrsituation charakteristisch sind, zu ermitteln, ob es sich bei der aktuellen Fahrsituation um eine stabile Fahrsituation, konkret eine stationäre Kurvenfahrt handelt. Dabei überprüft das Modul 10 des Fahrzeugcontrollers 6, ob die jeweilige Größe ein vorgegebenes, der jeweiligen Größe zugeordnetes Kriterium erfüllt. Im vorliegenden Ausführungsbeispiel ermittelt das Modul 10, ob eine absolute - mittels des Gierratensensors 14 erfasste - Gierrate ψ̇ geringer als ein zugeordneter Schwellwert ist. Ferner prüft das Modul 10 mittels des Regensensors 12, ob Niederschlag (Regen oder Schnee) vorliegt. Außerdem prüft das Modul 10, ob die Fahrgeschwindigkeit V kleiner als ein zugeordneter Schwellwert ist.
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Stellt das Modul 10 fest, dass eine stabile Fahrsituation, d. h. die stationäre Kurvenfahrt vorliegt, schätzt das Modul 10 in einem zweiten Schritt S2 den Istwert eines Radstands L zwischen den Vorderrädern 2 und den Hinterrädern 4. Die Formel zur Ermittlung des Radstands L ist dabei aus dem sogenannten Einspurmodell abgeleitet. Da in dem Einspurmodell die Gierrate ψ̇ enthalten ist, wird ein aktuell hinterlegter Sollwert an den gemessenen Istwert der Gierrate ψ̇ angeglichen.
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Anhand der Gierrate ψ̇ und dem Radstand L wird in einem nachfolgenden Schritt S3 eine (aktuelle) charakteristische Geschwindigkeit Vc (ebenfalls anhand des Einspurmodells) ermittelt. Anschließend wird das Fahrzeugmodell mit den neu ermittelten Istwerten aktualisiert.
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In einem weiteren Schritt S4 wird das aktualisierte Fahrzeugmodell, konkret die aktualisierten Werte, an das Fahrerassistenzsystem 8 übergeben. Das Fahrerassistenzsystem 8 nutzt das aktualisierte Fahrzeugmodell für eine Trajektoriensteuerung, die bspw. bei Überhol- und/oder Ausweichmanövern bei assistierter oder autonomer Fahrt herangezogen wird, um das Kraftfahrzeug auf einer plausiblen und möglichst gering risikobehafteten Fahrroute steuern zu können.
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Der Gegenstand der Erfindung ist nicht auf das vorstehend beschriebene Ausführungsbeispiel beschränkt. Vielmehr können weitere Ausführungsformen der Erfindung von dem Fachmann aus der vorstehenden Beschreibung abgeleitet werden.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Kraftfahrzeug
- 2
- Vorderrad
- 4
- Hinterrad
- 6
- Fahrzeugcontroller
- 8
- Fahrerassistenzsystem
- 10
- Modul
- 12
- Regensensor
- 14
- Gierratensensor
- 16
- Geschwindigkeitssensor
- S1
- Schritt
- S2
- Schritt
- S3
- Schritt
- S4
- Schritt
- ψ̇
- Gierrate
- L
- Radstand
- V
- Fahrgeschwindigkeit
- Vc
- charakteristische Geschwindigkeit