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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines wenigstens teilweise automatisierten Fahrzeugs, wie eines Personenkraftwagens oder eines Lastkraftwagens. Insbesondere betrifft die Erfindung das automatisierte Vorhersagen von einem Fahrmanöver, insbesondere einem Spurwechsel oder einem Spurhalten eines anderen Fahrzeugs (Alter-Fahrzeug) in der Umgebung eines mit einem Fahrerassistenzsystem ausgestatteten und mit Hilfe des Fahrerassistenzsystems teilweise automatisiert betriebenen Fahrzeugs (Ego-Fahrzeug) durch das Fahrerassistenzsystem und mit Hilfe des Verfahrens.
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DE 10 2016 009762 A1 offenbart ein Steuerungssystem, das eine Gesamtwahrscheinlichkeit für einen Fahrspurwechsel eines Alter-Fahrzeugs aus einer bewegungsbasierten Wahrscheinlichkeit und einer verkehrssituationsbasierten Wahrscheinlichkeit für einen Spurwechsel des Alter-Fahrzeugs berechnet. Nach Maßgabe der Gesamtwahrscheinlichkeit kann das System ein Signal ausgeben, um eine Geschwindigkeitsanpassung des Ego-Fahrzeugs oder ein Fahrmanöver des Egofahrzeugs durchzuführen. In anderen Worten antizipiert das bekannte System basierend auf einer Gesamtwahrscheinlichkeit für einen Spurwechsel eines Alter-Fahrzeug einen solchen Spurwechsel und passt die Fahrt des Ego-Fahrzeugs im Voraus entsprechend an. Das bekannte System erkennt Spurwechsel mitunter zu spät und hat eine zu hohe Falscherkennungsrate.
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Unter dem Antizipieren eines Spurwechsel eines anderen Fahrzeugs ist zu verstehen, dass bevor ein Spurwechsel stattfindet, was durch Überfahren einer Spurmarkierung oder Unterschreiten eines Mindestabstandes zur Spurmarkierung mit anschließendem Überfahren der Spurmarkierung bis auf eine benachbarte Spur definiert werden kann, durch Beobachtung des anderen Fahrzeug dieser Spurwechsel vorhergesagt wird, also bevor das Definitionskriterium teilweise oder vollständig erfüllt ist.
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Unter Falscherkennung von Spurwechseln ist zu verstehen, dass in einem Vorhersagezeitraum ein Spurwechsel für ein anderes Fahrzeug vorhergesagt wird, das andere Fahrzeug jedoch die Spur nicht wechselt. Solche Falscherkennungen können das Vertrauen der Nutzer in ein Fahrerassistenzsystem und dessen Akzeptanz bei dem Nutzer verringern.
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Es ist die Aufgabe der Erfindung, die Nachteile des Stands der Technik zu überwinden, insbesondere ein Verfahren zum Betreiben eines wenigstens teilweise automatisierten Fahrzeugs bereitzustellen, das abrupte Fahrmanöver beim Einscheren eines anderen Fahrzeugs auf die Spur des eigenen Fahrzeugs und die Falscherkennung von Spurwechseln vermeidet.
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Diese Aufgabe wird durch das erfindungsgemäße Verfahren zum wenigstens teilweise automatisierten Betreiben eines Fahrzeugs gelöst. Demgemäß werden
- a) Situationsdaten des Fahrzeugs mittels eines Umfeldsensors und eines Betriebssensors des Fahrzeugs bestimmt;
- b) Bewegungsdaten eines anderen, in der Umgebung des Fahrzeugs befindlichen Fahrzeugs mittels des Umfeldsensors des Fahrzeugs bestimmt,
- c) anhand der Bewegungsdaten und der Situationsdaten durch ein Fahrerassistenzsystem für mehrere mögliche Fahrmanöver des anderen Fahrzeugs jeweils ein Wahrscheinlichkeitsmaß und ein Vorhersageunsicherheitsmaß bestimmt,
- d) ein Fahrmanöver des anderen Fahrzeugs unter Verwendung des Wahrscheinlichkeitsmaß und des Vorhersageunsicherheitsmaß prädiziert, und
- e) abhängig vom prädizierten Fahrmanöver des anderen Fahrzeugs, eine Fahraktion für das Fahrzeug bestimmt und an ein Fahraktionssteuergerät übertragen.
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Fahrmanöver sind insbesondere genau und ausschließlich die Fahrmanöver Spurhalten, Spurwechsel nach rechts und Spurwechsel nach links. Das Fahrzeug, das mit dem erfindungsgemäßen Verfahren teilweise automatisiert betrieben wird, wird auch als eigenes Fahrzeug oder Ego-Fahrzeug bezeichnet. Dieses Fahrzeug umfasst ein Fahrerassistenzsystem, dass dazu eingerichtet und ausgelegt ist, das erfindungsgemäße Verfahren auszuführen und die Fahraktionen eines Insassen des Fahrzeugs, die zumindest zeitweise das Fahrzeug, also das Ego-Fahrzeug kontrolliert, zu unterstützen oder ganz zu übernehmen.
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Bevorzugte Situationsdaten sind insbesondere ausschließlich der Längsabstand zwischen dem eigenen Fahrzeug und dem anderen Fahrzeug entlang der Fahrbahn sowie die Längsrelativgeschwindigkeit entlang der Fahrbahn zwischen dem eigenen und dem anderen Fahrzeug. Bevorzugte Bewegungsdaten sind insbesondere ausschließlich solche, welche die Bewegung des anderen Fahrzeugs hinsichtlich einer Fahrerassistenzaufgabe des eigenen Fahrzeugs unmittelbar physikalisch charakterisieren, also Längsgeschwindigkeit, d.h. die Geschwindigkeit entlang der Fahrbahn und Quergeschwindigkeit des anderen Fahrzeugs sowie der Querabstand zwischen dem eigenen und dem anderen Fahrzeug. Vorzugsweise sind die Situationsdaten und die Bewegungsdaten ausschließlich Längs- und Quergeschwindigkeiten des Fahrzeugs und des anderen Fahrzeugs, sowie daraus direkt ableitbare Größen, wie Beschleunigung, Abstand, Relativgeschwindigkeit und/oder Relativabstand.
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Unter einem anderen, in der Umfeld des Fahrzeugs befindlichen Fahrzeug, ist ein solches Fahrzeug zu verstehen, für das mittels zumindest eines Umfeldsensors, vorzugsweise eines Umfeldsensors des eigenen Fahrzeugs, Bewegungsdaten bestimmbar sind, also Messungen der Bewegung des anderen Fahrzeugs insbesondere relativ zu dem eigenen Fahrzeug. Die Umfeld ist beispielsweise durch den Messbereich von einem Umfeldsensor oder mehreren Umfeldsensoren begrenzt, wie einem Kamera-, Lidar-, Radar-, und/oder Ultraschallsensorsystem oder einer beliebigen Kombination mittels Sensordatenfusion arbeitender Sensorsysteme.
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Das Wahrscheinlichkeitsmaß gibt insbesondere wie wahrscheinlich ein jeweiliges Fahrmanöver bei den momentan vorliegenden Situationsdaten und Bewegungsdaten ist. Das Vorhersageunsicherheitsmaß gibt an, welche Unsicherheit bezüglich der bestimmten Wahrscheinlichkeit besteht. Durch die Berücksichtigung von Wahrscheinlichkeitsmaß und Vorhersageunsicherheitsmaß für alle möglichen der betrachteten Fahrmanöver wird eine robustere Aussage über das zu erwartende Fahrmanöver des anderen Fahrzeugs möglich. Die Situationsdaten und Bewegungsdaten umfassen Informationen über einen begrenzten Zeitraum vor dem Zeitpunkt, an dem das Wahrscheinlichkeitsmaß und das Vorhersageunsicherheitsmaß bestimmt werden.
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In einer besonderen Ausgestaltung werden das Wahrscheinlichkeitsmaß und das Vorhersageunsicherheitsmaß mittels eines Gauß-Prozesses bestimmt. Es wird also ein Gauß-Prozess-Modell verwendet, um das Wahrscheinlichkeitsmaß und das Vorhersageunsicherheitsmaß zu bestimmen. Insbesondere werden zunächst unbekannte Parameter des Gauß-Prozesses in wenigstens einem Optimierungsschritt auf Basis von Trainingsdatensätzen, die auf Situations-, Bewegungsdaten und zugeordneten bekannten, bzw. manuell vorklassifizierten oder getagten Fahrmanövern basieren, bestimmt. Mit Hilfe des Gauß-Prozesses wird anstelle eines einfachen Prädiktionswert hinsichtlich der Fahrmanöverbestimmung eine mittlere Wahrscheinlichkeit für die Fahrmanöver angegeben unter Berücksichtigung verschiedenster statistisch unter Berücksichtigung momentan erfasster Bewegungs- und Situationsdaten möglicher Varianten des Fahrmanövers. Eine Vielzahl von Faktoren, wie Fahrstil oder Gemütszustand ein Fahrers, beeinflusst ein jeweiliges aktuelles Fahrmanöver eines anderen Fahrzeugs. Gleichwohl sind diese Faktoren nicht aus den Situationsdaten und/oder Bewegungsdaten mit ausreichender Vorhersagekraft modellierbar, so dass die statistische Sichtweise auf die zu Grunde liegenden Daten und die sich ergebenden potentiellen Fahrmanöver von Vorteil ist.
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In einer besonderen Ausgestaltung wird eine Kovarianzmatrix des Gauß-Prozesses aus Vorhersagewerten eines Neuronalen Netzes berechnet. Insbesondere sind die Vorhersagewerte des neuronalen Netzes aus einem Trainingsdatensatz von mehreren Bewegungs- und Situationsdatensatzpaaren gewonnen. Die Kombination des Gauß-Prozesses mit eine neuronalen Netz stellt im Vergleich zur bloßen Nutzung eines neuronalen Netzes bei der Vorhersage von Fahrmanövern einen Fortschritt dar, weil das Vorhersageunsicherheitsmaß angibt, ob diese Vorhersage Fahrmanövers eine hohe Qualität oder nicht hat.
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In einer besonderen Ausgestaltung werden Parameter des Gauß-Prozesses und/oder des neuronalen Netzes in einem gemeinsamen Optimierungsschritt bestimmt. Insgesamt wird damit eine höhere Qualität der Parameter des neuronalen Netzes erreicht. Insbesondere ist der Gauß-Prozess derart modelliert, dass er Parameter des neuronalen Netzes und des Gauß-Prozesses umfasst.
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In einer Ausgestaltung ist das neuronale Netz ein Feed-Forward-Netz ist. In einer anderen, bevorzugten Ausgestaltung ist das neuronale Netz ein rückgekoppeltes neuronales Netz, insbesondere ein rückgekoppeltes neuronales Netz mit gated-Neuronen oder long-term-short-memory-Neuronen ist. In einer Ausgestaltung ist das neuronale Netz ein faltendes neuronales Netz ist. Faltende neuronale Netze werden üblicherweise mit dem englischem Ausdruck convolutional neural network bezeichnet. Vorzugsweise ist das faltende neuronale Netz lediglich eindimensional ausgestaltet.
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In einer Ausgestaltung wird das neuronale Netzes vor einem gemeinsamen Optimierungsschritt durch Optimierung des Gauß-Prozesses zur Bestimmung von Grundparametern des Neuronalen Netzes trainiert. Es wird also ein Basismodell für die Vorhersage oder Klassifikation von Situations- und Bewegungsdaten in Fahrmanöver bereitgestellt, dessen Parameter durch anschließende Kopplung mit dem Gauß-Prozess, also dem Bilden eines erweiterten Modells unter Verwendung der Ausgangswerte des neuronalen Netzes im Gauß-Prozess, nochmals optimiert werden.
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In einer bevorzugten Ausgestaltung ist eine Kovarianzfunktion des Gauß-Prozesses eine quadratisch exponentielle Funktion. Vorzugsweise umfasst die Kovarianzfunktion einen Rauschanteil. Mit Hilfe des Rauschanteils wird eine Überanpassung der Parameter des Gauß-Prozesses bei der Parameteroptimierung vermieden.
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Bei der Bestimmung des Wahrscheinlichkeitsmaßes und des Vorhersageunsicherheitsmaßes werden für die jeweiligen Fahrmanöver erfasste Situationsdaten, Bewegungsdaten einbezogen. Vorzugsweise ist die Anzahl der jeweiligen Fahrmanöver in Trainingsdatensätzen gleich groß.
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Insbesondere werden als Wahrscheinlichkeitsmaß der mittlerer Erwartungswert für ein jeweiliges Fahrmanöver und als Vorhersageunsicherheitsmaßes die zugehörige Standardabweichung berechnet.
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In einer Ausgestaltung umfasst das Bestimmen der Bewegungsdaten, dass Bewegungsdaten aus gemessenen Bewegungsdaten mit einem Fahrermodell für das andere Fahrzeug vorhergesagt werden. Insbesondere wird das Fahrermodell mittels der Umfeldsensoren des eigenen Fahrzeugs bestimmt. Vorzugsweise wird das Fahrermodell aus Bewegungs- und/oder Situationsdaten über einen Fahrermodellbeobachtungszeitraum geschätzt, der ein Mehrfaches des Beobachtungszeitraum für die Vorhersage des Fahrmanövers beträgt. Somit kann der ein jeweiliger gegebenenfalls aggressiver oder defensive Fahrstil des anderen Fahrzeugs berücksichtigt werden.
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In einer Ausgestaltung wird bei der Bestimmung der Fahraktion, das Vorhersageunsicherheitsmaß als Parameter verwendet wird. Insbesondere wird das eigene Fahrzeug gebremst oder beschleunigt. Vorzugsweise wird eine Geschwindigkeits- und/oder eine Brems- oder Beschleunigungsänderung abhängig von dem Vorhersageunsicherheitsmaß eingestellt.
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Insbesondere umfasst das Bestimmen der Fahraktion, dass eine Fahrtrajektorie unter Annahme wenigstens einer prädizierten Trajektorie des anderen Fahrzeugs berechnet wird. Vorzugsweise wird eine der wenigstens einen prädizierten Trajektorie des anderen Fahrzeugs als Extremfalltrajektorie berechnet. Insbesondere wird die Extremfalltrajektorie abhängig von dem Vorhersageunsicherheitsmaß berechnet.
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In einer Ausgestaltung wird ein Spurwechsel prädiziert, indem für ein jeweiliges der Fahrmanöver das Wahrscheinlichkeitsmaß um das Vorhersageunsicherheitsmaß erhöht oder erniedrigt wird und die sich ergebenden Wahrscheinlichkeitsmaße der Fahrmanöver miteinander verglichen werden. Für eine optimistische Vorhersage von Spurwechseln wird insbesondere das Wahrscheinlichkeitsmaß für das Fahrmanöver Spurhalten um das zugehörige Vorhersageunsicherheitsmaß verringert und für die Fahrmanöver Spurwechsel nach links sowie Spurwechsel nach rechts, die jeweiligen Wahrscheinlichkeitsmaße um die zugehörigen Vorhersageunsicherheitsmaße erhöht.
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Insbesondere werden die Situationsdaten und die Bewegungsdaten, aus denen das Fahrmanöver des anderen Fahrzeugs vorhergesagt werden, über einen Beobachtungszeitraum bestimmt, der bezüglich des Vorhersagezeitpunkts in der Vergangenheit liegt. Insbesondere sind die Situationsdaten und Bewegungsdaten gemäß einem Zeitschritt diskret aufgelöst. Alternativ oder zusätzlich erstreckt sich der Beobachtungszeitraum sich bezüglich des Vorhersagezeitpunkts in die Zukunft. Insbesondere wird für die Situationsdaten und/oder die Bewegungsdaten jeweils wenigstens einen Datenpunkt vorhergesagt. Insbesondere wird der wenigstens eine Datenpunkt mittels eines Fahrermodells vorhergesagt. Insbesondere liegt der Beobachtungszeitraum in einem ersten Betriebsmodus bezüglich des Vorhersagezeitpunkts ausschließlich in der Vergangenheit liegt und sich in einem zweiten Betriebsmodus des Vorhersagezeitpunkts in die Zukunft erstreckt, wobei zwischen dem ersten Betriebsmodus und dem zweiten Betriebsmodus in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit des eigenen Fahrzeugs gewechselt wird.
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Eine oder mehrere Ausführungen der Erfindung haben den Vorteil, dass ein Spurwechsel eines anderen Fahrzeugs möglichst früh erkannt und möglichst selten ein Spurwechsel für ein anderes Fahrzeug in einem Vorhersagezeitraum vorhergesagt wird, in dem kein Spurwechsel stattfindet.
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Weitere Merkmale, Vorteile und Eigenschaften der Erfindung werden anhand der Beschreibung bevorzugter Ausführungen der Erfindung unter Verweis auf die Figuren erklärt, die zeigen:
- 1: eine Verkehrssituation, in der das erfindungsgemäße Verfahren zu Einsatz kommen kann;
- 2: einen schematischen Überblick über eine erste Variante des Vorhersagemodells, das beim erfindungsgemäßen Verfahren zum Einsatz kommt;
- 3: einen schematischen Überblick über eine zweite Variante des Vorhersagemodells, das bei einer zweiten Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahren zum Einsatz kommt;
- 4a: ein Diagramm, das Bewegungsdaten eines anderen Fahrzeugs zeigt;
- 4b: ein Diagramm, das Vorhersagewerte für Fahrmanöver eines neuronalen Netzes zeigt, wie es als Teil des erfindungsgemäßen Verfahrens zum Einsatz kommen kann;
- 4c: ein Diagramm, das qualitativ den Verlauf des mittleren Erwartungswerts für Fahrmanöver eines anderen Fahrzeugs zeigt;
- 4d: ein Diagramm, das qualitativ den Verlauf der Standardabweichung betreffend die Vorhersage der 4c.
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1 zeigt eine Verkehrssituation auf einer mehrspurigen Straße. Das eigene Fahrzeug 10 ist mit einem Fahrerassistenzsystem ausgestattet, das gemäß dem erfindungsgemäßen Verfahren arbeitet. Aufgabe des Fahrerassistenzsystems kann beispielsweise die Längsgeschwindigkeitsregelung hinsichtlich eines sicheren Abstands zu vorausfahrenden Fahrzeugen, das Ausführen einer automatische Notbremsung bei drohender Kollision sein. Um abrupte Fahraktionen bei der Ausführung z.B. einer Abstands-Längsgeschwindigkeitsregelung durch das Fahrerassistenzsystem möglichst zu vermeiden, ist es wünschenswert, dass dem Fahrerassistenzsystem möglichst frühzeitig Informationen über erwartete, also in kurzer Zeit beginnende und erst in der Zukunft vorbestimmte Kriterien erfüllende Fahrspurwechsel anderer, im Umfeld des eigenen Fahrzeugs 10 fahrender Fahrzeuge bereitgestellt werden. Das Fahrerassistenzsystem kann solche Informationen, z.B. einen bevorstehenden Spurwechsel nach rechts des anderen Fahrzeugs 22, um einen Überholvorgang zu beenden, bei der Bestimmung einer Fahraktion frühzeitig berücksichtigen. Zum Beispiel kann die Geschwindigkeit des eigenen Fahrzeugs 10 bereits leicht reduziert werden, um ein plötzliches Abbremsen zu vermeiden, das notwendig wäre, wenn der Spurwechsel mit geringem Abstand zum eigenen Fahrzeug erst zu einem späteren Zeitpunkt erkannt würde.
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Das Fahrerassistenzsystem des Fahrzeugs 10 umfasst als Umfeldsensorik eine in Vorwärtsfahrrichtung blickende Kamera und einen 360° Radarsensor, um die vor und seitlich des eigenen Fahrzeugs 10 im Umfeld befindlichen Fahrzeuge 22, 24, 26, 28 und deren Bewegungen detektieren zu können. Nimmt man Einschränkung des Detektionsbereichs hin, kann auch nur ein vorwärtsblickender Radarsensor als Umfeldsensor vorgesehen sein. Mit in Rückwärtsfahrrichtung blickenden Sensoren können auch sich hinter dem eigenen Fahrzeug 10 befindliche andere Fahrzeuge 42, 46 erfasst werden. Mit der Umfeldsensorik werden Bewegungsdaten der im Umfeld befindlichen Fahrzeuge 22, 24, 26, 42, 46 und, soweit eine teilweise Verdeckung es erlaubt, für das Fahrzeug 28 erfasst. Bewegungsdaten charakterisieren die Bewegung der jeweiligen anderen Fahrzeuge durch die Längs- und Quergeschwindigkeit und den Querabstand zum eigenen Fahrzeug. Mittels der Betriebssensorik des eigenen Fahrzeugs 10 werden die Eigengeschwindigkeiten in Längs- und Querrichtung erfasst und daraus Situationsdaten bezüglich der anderen Fahrzeuge, nämlich Relativabstände und Relativgeschwindigkeiten, bestimmt.
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Das erfindungsgemäße Verfahren ist im Weiteren für die Vorhersage eines Fahrmanövers eines anderen Fahrzeugs 22 beschreiben. Das Verfahren kann gleichwohl für beliebig viele andere Fahrzeuge im Umfeld des eigenen Fahrzeugs 10 ausgeführt werden. Als Fahrmanöver werden für das andere Fahrzeug Spurwechsel nach links, Spurwechsel nach rechts oder Spurhalten vorhergesagt. Grundsätzlich ist es jedoch möglich, dass bei der Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens auch andere Fahrmanöver prädiziert werden, für die sich ein Wahrscheinlichkeitsmaß und ein Unsicherheitsmaß aus den Bewegungsdaten und den Situationsdaten vorhersagen lässt.
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Es werden also mit Hilfe wenigstens eines Umfeldsensors des Fahrerassistenzsystems des eigenen Fahrzeugs 10 Bewegungsdaten des anderen Fahrzeugs 22 und Situationsdaten bestimmt. Wie im Weiteren näher beschrieben ist, werden für die zu prädizierenden Fahrmanöver, hier Spurwechsel nach links oder rechts oder Spurhalten, jeweils ein Wahrscheinlichkeitsmaß und ein Vorhersageunsicherheitsmaß bestimmt. Sowohl das Wahrscheinlichkeitsmaß als auch das Vorhersageunsicherheitsmaß werden bei der Prädiktion des Fahrmanövers einbezogen. Zum Beispiel wird das Wahrscheinlichkeitsmaß um das zugehörige Vorhersageunsicherheitsmaß erniedrigt, bevor ein Vergleich mit einem für ein anderes Fahrmanöver bestimmtes Wahrscheinlichkeitsmaß angestellt wird. Das Wahrscheinlichkeitsmaß für das andere Fahrmanöver kann ebenfalls um das Vorhersageunsicherheitsmaß erniedrigt werden. Bei dieser Art der Prädiktion wird ein besonders konservative Vorhersage vorgenommen.
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Im Hinblick auf die Effizienz des Verfahrens ist hier entscheidend, dass ausschließlich mit Bewegungsgrößen des anderen Fahrzeugs gearbeitet wird, also für die Vorhersage keine Verarbeitung von Kamerabilddaten der Verkehrsszene benötigt wird.
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Besondere Robustheit des Verfahrens wird durch die Berücksichtigung eines Wahrscheinlichkeitsmaßes und eines Vorhersageunsicherheitsmaßes ermöglicht, welche sich ergeben, indem ein mit einem neuronalen Netz gekoppelter Gauß-Prozesses zur Vorhersage der Fahrmanöver eingesetzt wird. Das gekoppelte Vorhersagemodell wird mit Verweis auf das Schema in 2 erläutert.
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Das Vorhersagemodell umfasst ein neuronales Netz 200 und einen Gauß-Prozess 300. Ausgangspunkt für eine Fahrmanövervorhersage für ein anderes Fahrzeug sind Bewegungsdaten des anderen Fahrzeugs und Situationsdaten. Die Bewegungsdaten und Situationsdaten sind zeitlich diskretisierte Daten vorbestimmter Länge und bilden einen mehrdimensionalen Merkmalsvektor 210. Dieser wird einem neuronalen Netzes 200 übergeben. Der Ausgangsvektor 220 umfasst die Klassen der vorherzusagenden Fahrmanöver. Das neuronale Netz 200 ist charakterisiert durch dessen Struktur und dessen Parameter. Unter Struktur sind sowohl dessen Aufbau als auch die gewählten Aktivierungsfunktionen zu verstehen. Vorteilhaft ist für das erfindungsgemäße Verfahren die Verwendung eines rückgekoppelten LSTM Netzes. Das neuronale Netz 200 bildet die den Merkmalsvektor 210 auf einen Ausgangvektor 220 ab, wobei zwischen Merkmalsvektor 210 und vorherzusagenden Ausgangsvektor 220 eine nichtlinearer Funktionszusammenhang besteht, der mehrere zunächst unbekannte Parameter umfasst. Der Netz 200 vorhergesagten Ausgangsvektor 220 wird auf bekannter Fahrmanöver hin für eine Satz von Trainingsdaten durch Optimierung angepasst, wobei die Parameter des neuronalen Netzes angepasst werden, um eine Kostenfunktion zu minimieren, welche wiederum von den Parametern abhängt.
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Der Gauß-Prozess ist durch eine Erwartungswertfunktion und eine Kovarianzfunktion bezüglich der Eingangsdaten des Gauß-Prozesses bestimmt. Der Zusammenhang ist statistisch durch die Kovarianzfunktion und deren Parameter beschrieben. Es stehen verschiedene Kovarianzfunktionen für eine Modellierung zur Auswahl, von denen einen geeignete bei der Modellierung ausgewählt wird. Vorzugsweise wird hier eine exponentiell quadratische Funktion als Kovarianzfunktion eingesetzt. Besonders vorteilhaft ist eine exponentiell quadratische Funktion, die um einen Rauschterm erweitert ist. Dieser resultiert in einem flexibleren Verlauf der Kovarianzfunktion, so dass das Modell nicht exakt jeden Datenpunkt abbilden muss. Der Gauß-Prozesses wird mittels größter Ähnlichkeitsschätzung (maximum likelihood estimation) optimiert. Im Ergebnis werden die Parameter des Gauß-Prozesses derart optimiert, dass diese die Trainingsdaten bestmöglich erklären.
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Der Gauß-Prozesses wird im Speziellen auf Basis des jeweiligen Ausgangsvektors 220 der Trainingsdaten des neuronalen Netzes modelliert, der Gauß-Prozess anders gesagt dem neuronalen Netz nachgeschaltet. Den Gauß-Prozess 300 wird somit sowohl durch Parameter des Gauß-Prozesses selbst, also Parameter der Kovarianzfunktion, als auch durch Parameter des neuronalen Netzes bestimmt. Bei der Optimierung des Gauß-Prozesses auf Basis von Trainingsdaten, können somit in einem Optimierungsschritt sowohl die Parameter des Gauß-Prozesses 300 also auch die Parameter des neuronalen Netzes 200 bestimmt und/oder optimiert werden.
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Diese Optimierung wird üblicherweise vorab mit Trainingsdaten durchgeführt. Eine Optimierung, um die Parameter anzupassen, kann zusätzlich während des Betriebs des eieigenen Fahrzeugs 10 immer wieder vorgenommen werden, in dem aus den laufend aufgenommen Daten mittels einer Bewertungsmetrik eine neu.
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Sind der Gauß-Prozess und das neuronale Netz parametriert, kann mit für beliebige Bewegungs- und Situationsdaten bestimmte werden, was der mittlere Erwartungswert dafür ist, dass diese einem bestimmten Fahrmanöver entsprechen und wie groß die Standardabweichung bezüglich dieser Vorhersage ist. Es wird nunmehr nicht mehr nur klassifiziert, sondern zudem angegeben, wie sicher sich das System bezüglich der Klassifizierung ist. Dazu wird aus unbekannten Situations- und Bewegungsdaten mit dem neuronalen Netz 200, das einen Ausgangsvektor 220 ermittelt und dem Gauß-Prozess, der ausgibt, welcher der mittlere Erwartungswert und die Standardabweichung für die Fahrmanöver ist.
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Aus den Informationen der der Gauß-Prozess ausgibt, also dem mittleren Erwartungswert und der Standardabweichung, beide als diskrete Zeitreihendaten, werden prädiziert, welches Fahrmanöver tatsächlich vorliegt, wie durch Block 400 schematisch dargestellt ist.
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Vorzugsweise wird eine Grundparametrierung des neuronalen Netzes bestimmt, bevor der Gauß-Prozess einschließlich des neuronalen Netzes optimiert werden. Für die Auffindung der Grundparametrierung wird wie in 3 gezeigt, das neuronale Netz nach dem Ausgangsvektor 220 um eine zusätzliche Schicht 230 erweitert, die mit einer softmax Aktivierungsfunktion eine normierte Wahrscheinlichkeit für die Fahrmanöver bestimmt.
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Die 4a bis 4b zeigen Beispieldaten, an denen qualitativ die Vorteile der Erfindung verdeutlicht werden. 4a zeigt die Bewegungsdaten des anderen Fahrzeugs 22, nämlich den Verlauf des Querabstands und der Quergeschwindigkeit. Die Daten beschreiben im letzten Drittel des Diagramms einen leichten Abfall, der die Verringerung der Querabstands und eine Erhöhung der Quergeschwindigkeit anzeigt.
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4b zeigt die Vorhersage eines neuronalen Netzes, bei dem der Ausgangsvektor 220, wie in 3 gezeigt auf eine Schicht 230 mit softmax Aktivierungsfunktion geführt wird, um normierte Wahrscheinlichkeiten bezüglich der drei betrachteten Fahrmanöver Spurhalten und Spurwechsel nach recht oder links auszugeben. Qualitativ ist es mit Hilfe lediglich des neuronalen Netzes erst spät möglich zu bestätigen, dass ein Spurwechsel wahrscheinlicher als ein Spurhalten ist.
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4c zeigt die Standardabweichung für die Fahrmanöver, die mit Hilfe des mit dem neuronalen Netz gekoppelten Gauß-Prozesses ermittelt wird. An dieser lässt sich zu einem sehr frühen Zeitpunkt ablesen, dass die Aussage über das Fahrmanöver nicht mehr sicher ist. Bereits in dieser Phase könnte das Fahrerassistenzsystem vorsorgliche Maßnahmen durchführen, wie die eigene Geschwindigkeit zu reduzieren.
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Der Erwartungswert in 4d sinkt für das Manöver Spurhalten (µLK) relativ steil ab. Der Erwartungswert für das Manöver Spurwechsel nach rechts (µLCR) übersteigt deutlich früher den Erwartungswert für Spurhalten. Eine Prädiktion des Spurwechsels kann somit früher erfolgen.
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Bezugszeichenliste
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- 10
- eigenes Fahrzeug
- 22, 24, 26, 28
- anderes Fahrzeug vorne
- 42, 46
- anderes Fahrzeug hinten
- 200
- neuronales Netz
- 210
- Merkmalsvektor
- 220
- Ausgangsvektor
- 230
- Schicht
- 300
- Gauß-Prozess
- 400
- Block
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102016009762 A1 [0002]