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Stand der Technik
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Nach aktuellem Stand der Technik sind verschiedene Systeme zur Verbesserung des Insassenschutzes im Falle von Fahrzeugcrashs bekannt. Mit Hilfe verschiedener Sensor-Technologien kann die Situation innerhalb und außerhalb des Fahrzeuges erfasst werden. Mit Hilfe geeigneter Rechner und Algorithmen ist somit schon heute eine Interpretation und Klassifikation der Situation sowohl vor als auch während und nach einem Crash möglich. In Abhängigkeit der so detektierten Situation werden bestimmte Aktionen durchgeführt, die dem Insassenschutz dienen. Beispiel hierfür ist die Ausgabe von Warnungen (optisch, akustisch, haptisch) an den Fahrer, die Einleitung von Notbremsungen des Fahrzeugs, die Aktivierung von Rückhaltesystemen (z.B. von Gurtstraffer- oder Airbagsystemen) oder aber auch die Auslösung eines automatischen Notrufs (häufig auch e-Call genannt).
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Offenbarung der Erfindung
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Hiervon ausgehend soll ein weiteres System zum Insassenschutz in einer Unfallsituation vorgestellt werden, welches den Schutz einer Person weiter verbessert.
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Hier beschrieben werden soll ein Verfahren zum Schutz eines Fahrzeuginsassen in einer Unfallsituation aufweisend die folgenden Schritte:
- a) Empfangen eines Eingangssignals, welches einen Hinweis auf eine Unfallsituation beinhaltet,
- b) Auswerten des Eingangssignals, um ein Ausgangssignal zu erzeugen welches zur Ansteuerung eines Stimulations-Aktuators dient mit welchem ein Reflex des Fahrzeuginsassen gezielt stimuliert wird, und
- c) Bereitstellen des Ausgangssignals zur Ansteuerung des Stimulations-Aktuators.
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Die Begriffe „Fahrzeuginsasse“ und „Insasse“ werden im Folgenden synonym füreinander verwendet.
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Das Eingangssignal kann das Ausgangssignal eines Steuergerätes sein, welches in dem Kraftfahrzeug zur Beurteilung einer (möglichen) Unfallsituation dient. Das Eingangssignal kann direkt von einem Sensor zur Detektierung einer Unfallsituation (insbesondere von einem sogenannten Pre-Crash-Sensor) stammen.
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Das Eingangssignal, welches einen Hinweis auf eine Unfallsituation liefert, geht besonders bevorzugt auf das Signal eines Umfeldsensors zur Überwachung des Fahrzeug-Umfeldes zurück. Solche Umfeldsensoren werden häufig auch als PreCrash-Sensoren bezeichnet. Typische Messverfahren solcher Sensoren sind z.B. Radar, Video, Lidar, Ultraschall etc.
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Besonders vorteilhaft ist das Verfahren, wenn der Reflex, der mit dem Stimulations-Aktuator stimuliert wird, ein Lidschluss-Reflex des Fahrzeuginsassen ist
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Der sogenannte „Lidschluss-Reflex wird auch Orbicularis-oculi-Reflex, Kornealreflex oder Blinkreflex genannt. Dieser Reflex ist ein reflektorischer Schutzmechanismus des Auges. Er wird meist durch mechanische Einwirkungen auf die Hornhaut und die nähere Augenumgebung ausgelöst und äußert sich durch ein rasches Verschließen der Augenlider. Er dient dem Schutz der Augen vor Fremdkörpern, vor Austrocknung und vor Schädigung des Augapfels. Ein unwillkürlicher Lidschluss tritt auch bei starker Lichtreizung auf das Auge sowie bei spontanen akustischen Reizen, sowie als Folge auf einen Schreckreiz auf. Der Reflex vollzieht sich innerhalb etwa 250 ms.
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Der Lidschluss-Reflex tritt insbesondere auch dann auf, wenn sich Fremdkörper schnell auf das Auge zubewegen oder aber auch grelles Licht ins Auge scheint.
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Das Verfahren kann aber nicht nur zur gezielten Stimulierung eines Lidschluss-Reflexes verwendet werden. Es ist auch möglich das Verfahren für die Stimulierung eines anderen Reflexes zu verwenden, welcher für den Schutz des Fahrzeuginsassen positiv sein kann.
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Besonders vorteilhaft ist das hier beschriebene, wenn in Schritt b) abgewogen wird, ob die Vorteile des Reflexes zum Schutze des Insassen die Nachteile einer möglichen Beeinträchtigung der Reaktionsfähigkeit des Fahrzeuginsassen durch den Reflex in der vorliegenden Unfallsituation überwiegen und das Ausgangssignal nur in diesem Fall bereitgestellt wird.
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Berücksichtigt wird hier beispielsweise, ob die Reaktionsfähigkeit eines Insassens, der der Fahrer des Kraftfahrzeugs zum Handling der vorliegenden Unfallsituation noch benötigen wird und ob der auszulösende Reflex den Insassen dabei behindert. Dies wird abgewogen gegenüber dem möglichen zusätzlichen Schutz des Insassen durch den Reflex.
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Das hier beschriebene Verfahren macht sich also einen menschlichen Reflex (insbesondere den Lidschluss-Reflex) zu nutze. Während einer Unfallsituation bzw. insbesondere in einer Situation kurz vor Eintreten des Unfalls (während der PreCrash-Phase) kann es sehr hilfreich sein, diesen Selbstschutzmechanismus des menschlichen Auges zu nutzen. In einer Unfallsituation können bewegliche Objekte (Splitter oder Ähnliches) das menschliche Auge leicht beschädigen. Der Lidschluss-Reflex schützt hiervor.
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Ziel des hier beschriebenen Verfahrens ist es im Zusammenspiel mit weiteren (klassischen) Insassenschutzsystemen eine weitere Reduktion des Verletzungsrisikos eines Fahrzeuginsassen in einer Unfallsituation zu ermöglichen. Hierzu wird der „Faktor Mensch“ (z.B. mögliche Eigenbewegung des Insassen vor dem Crash) insbesondere bereits während der PreCrash-Phase geeignet ausgenutzt. In Labortests ist dieser „Faktor Mensch“ durch die Verwendung von Crashtest-Dummies unter standardisierten Testbedingungen weitgehend ausgeschlossen. Insofern zielt das erfindungsgemäße Verfahren auf einen Nutzen im realen Crashgeschehen. Übliche Crashtest-Dummies sind nicht in der Lage entsprechende menschliche Reflexe, die das hier beschriebene Verfahren nutzt zu simulieren.
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In diesem speziellen Fall dient das erfindungsgemäße System zur gezielten Auslösung des menschlichen Lidschlussreflexes während der PreCrash-Phase.
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Im Unterschied zu herkömmlichen Aktuatoren (z.B. Warnton, Gurtstraffern) geht das hier beschriebene Verfahren über den Stand der Technik dadurch hinaus, dass es eine reflexbedingte Eigenbewegung des menschlichen Körpers auslöst, um die Situation bereits vor dem Crash im Kontext des Insassenschutzes positiv zu beeinflussen. Im Zusammenspiel mit klassischen Insassenschutzsystemen ist somit eine weitere Verbesserung, d.h. Reduktion des Verletzungsrisikos, möglich.
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Besonders vorteilhaft ist das Verfahren, wenn in Schritt a) anhand des Eingangssignals die erkannte Unfallsituation eine Vorphase zu einem Zusammenstoß des Fahrzeugs mit einem Hindernis ist.
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Das Hindernis kann ein weiteres Fahrzeug sein. Das Hindernis kann aber genauso auch ein ruhendes Hindernis sein, wie beispielsweise eine Wand oder ein Baum.
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Besonders vorteilhaft ist das Verfahren außerdem, wenn bei der Auswertung des Eingangssignals und der Erzeugung des Ausgangssignals (Schritt b) geprüft wird, ob der Fahrzeuginsasse eine Brille trägt oder nicht. Die Erzeugung des Ausgangssignals kann dann in Abhängigkeit davon geschehen, ob der Fahrzeuginsasse eine Brille trägt oder nicht.
Gegebenenfalls wird ein Ausgangssignal in Schritt b) nur erzeugt, wenn der Fahrzeuginsasse eine Brille trägt.
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Insbesondere, wenn vor einem Zusammenstoß der Lidschlussreflex ausgelöst wird, um die Augen vor Splittern, herumfliegenden Gegenständen oder der eigenen Brille des Fahrzeuginsassen zu schützen führt dies zu einem beachtlichen zusätzlichen Schutz des Augenlichtes des Insassen.
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Ein Vorteil des beschriebenen Verfahrens ist, dass gezielt das Auftreten eines menschlichen Reflexes gefördert wird, der unter normalen Bedingungen bei dem Fahrzeuginsassen grundsätzlich auftreten sollte. Das Auftreten des menschlichen Reflexes wird durch das Verfahren also gefördert bzw. unterstützt.
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Ein wichtiger Teilaspekt des beschriebenen Verfahrens ist, dass es keine bzw. wenig störende Interaktion mit bzw. Einflüsse auf andere (herkömmliche) Insassenschutz-Systeme hat. Bei einem Ausbleiben des menschlichen Reflex trotz Stimulation stehen die anderen (herkömmlichen) Insassenschutz-Systeme weiterhin uneingeschränkt zur Verfügung. Menschliche Reflexe haben aber aufgrund biophysiologischer Gesetzmäßigkeiten bei gezielter Stimulation eine sehr hohe Reproduzierbarkeit.
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Das beschriebene Verfahren kann auf Fahrzeuginsassen an verschiedenen Sitzpositionen im Fahrzeug angewendet werden, beispielsweise für Insassen auf dem Fahrersitz, Insassen auf dem Beifahrersitz oder Insassen auf weiteren Sitzplätzen. Bevorzugt ist an jeder Sitzposition ein Stimulationsaktuator vorhanden, mit welchem der Reflex für den an dieser Sitzposition sitzenden Fahrzeuginsassen gezielt hervor gerufen werden kann.
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Das beschriebene Verfahren ist darüber hinaus auch für die verschiedensten Unfallsituationen (bzw. Crash-Typen anwendbar), beispielsweise für Front-, Heck-, Seiten-, Rollover-Crashs. Bevorzugt wird in Schritt b) ermittelt, um welchen Crashtyp es sich handelt und ob die Ansteuerung des Aktuators zur Stimulation des Lidschluss-Reflexes vorteilhaft ist.
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Besonders bevorzugt ist das Verfahren, wenn in Schritt a) mindestens ein Eingangssignal empfangen wird, welches eine Information hinsichtlich einer Kopf- und/oder Augenposition eines Fahrzeuginsassen (5) beinhaltet.
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Dieses mindestens eine Eingangssignal kann ein weiteres Eingangssignal neben einem in Schritt a) empfangenen Eingangssignal von einem Unfall-Sensor sein. Bevorzugt wird das Ausgangssignal zur Ansteuerung des Stimulations-Aktuators nur dann erzeugt bzw. in Abhängigkeit von der Kopf- und/oder Augenposition des Fahrzeuginsassen erzeugt, um eine in Folge einer bestimmten Kopf- und/oder Augenposition ungeeignete zusätzliche Stimulation zu vermeiden. Ganz besonders bevorzugt kann mit dem Innenraum-Sensor sogar festgestellt werden, ob ein Reflex bereits ohne Stimulation in ausreichendem Maße auftritt. Das Ausgangssignal für den Stimulations-Aktuator wird dann nur ausgegeben, wenn kein ausreichender Reflex auftritt.
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Der Innenraumsensor ist beispielsweise eine Innenraum-Kamera. Der Innenraumsensor kann aber auch jedes andere Sensorprinzip nutzen, welches geeignet ist den Innenraum des Kraftfahrzeuges zu überwachen.
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Besonders bevorzugt erfolgt in Schritt b) eine Datenfusion & Situations-Interpretation Daten eines Umfeldsensors des Kraftfahrzeuges zur Erkennung einer Unfallsituation sowie von Daten hinsichtlich des Innenraums des Kraftfahrzeugs. Diese verschiedenen Sensor-Informationen werden in Schritt b) zusammengeführt. Ganz besonders bevorzugt erfolgt z.B. die Erstellung eines Fahrzeug-Umfeld-Modells, sowie eines Insassen-Modells. Aus diesen beiden Modellen wird die Wahrscheinlichkeit und ggf. auch die Möglichkeit eines zusätzlichen Schutzes des Insassen mit Hilfe des beschriebenen Verfahrens bzw. mit Hilfe der (zusätzlichen) Stimulation der Reflexe des Insassen erkannt.
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Im Rahmen von Schritt b) erfolgt insbesondere auch eine Interpretation der Sensordaten und Bewertung hinsichtlich Crash-Kritikalität (z.B. Kollisionswahrscheinlichkeit)
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Hier auch beschrieben werden soll eine Vorrichtung zum Schutz eines Fahrzeuginsassen in einer Unfallsituation, mit einem Steuergerät welches zur Durchführung des zuvor beschriebenen Verfahrens eingerichtet ist, umfassend einen Eingang für ein Eingangssignal und einen Ausgang für ein Ausgangssignal.
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Die weiter oben beschriebenen Vorteile und Ausgestaltungsmerkmale des beschriebenen Verfahrens sind auf die hier beschriebene Vorrichtung anwendbar und übertragbar. Gleiches gilt für die im Folgenden erläuterten besonderen Vorteile und Ausgestaltungsmerkmale der beschriebenen Vorrichtung, die auf das beschriebene Verfahren anwendbar und übertragbar sind.
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Bevorzugt weist die Vorrichtung einen Stimulations-Aktuator (3) auf, der an den Ausgang angeschlossen ist, wobei der Stimulations-Aktuator für eine Position zwischen einem Insassen und einer Windschutzscheibe in dem Kraftfahrzeug vorgesehen ist. Wenn die Vorrichtung in einem herkömmlichen Kraftfahrzeug eingebaut ist, dann ist der Stimulations-Aktuator vorzugsweise an dieser Position angeordnet.
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Bei automatischen Fahrzeugen, bei denen ggfs. kein Insasse mehr aktiv in die Fahraufgabe eingebunden ist, kann der Stimulations-Aktuator an alternativen Einbauorten verbaut sein. Zum Beispiel ist eine Integration von Stimulations-Aktuatoren in Sitze möglich.
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Weiter bevorzugt ist die Vorrichtung, wenn diese einen Innenraum-Sensor zur Überwachung des Innenraums des Kraftfahrzeuges aufweist, welcher an den Eingang des Steuergerätes angeschlossen ist.
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Wie weiter oben schon im Zusammenhang mit dem beschriebenen Verfahren erläutert, dient der Stimulations-Aktuator insbesondere zum Auslösen des Lidschluss-Reflexes bei einem Fahrzeuginsassen.
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Der Stimulations-Aktuator kann dabei verschiedene Sinne des Menschen ansprechen.
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In bevorzugten Ausführungsvarianten ist der Stimulations-Aktuator in einen Innenspiegel des Kraftfahrzeugs integriert. In weiteren bevorzugten Ausführungsvarianten ist der Stimulations-Aktuator im Dachhimmel angeordnet oder im Armaturenbrett des Kraftfahrzeugs (regelmäßig auch Konsole genannt).
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Der Stimulations-Aktuator kann je nach Ausführungsform aber auch im Bereich der Windschutzscheibe angeordnet bzw. integriert sein.
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Besonders bevorzugt sind optische Stimulation-Aktuatoren
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Bei dieser Variante von Stimulations-Aktuatoren wird der Lidschluss mit Hilfe eines optischen Reizes ausgelöst. Dieses Verfahren ist insbesondere auch für Brillenträger geeignet, weil ein optischer Reiz auch durch eine Brille zum Auge des Fahrzeuginsassen gelangt.
Bei einem optischen Stimulations-Aktuator handelt es sich beispielsweise um eine helle Leuchte (z.B. eine Leuchte mit LED-Technologie), die in das Auge des Fahrzeuginsassen leuchtet.
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Ein solcher Stimulationsaktuator kann optional einen Strahl-Teiler aufweisen, um mit einem Leuchtmittel 2 oder mehrere Strahlen erzeugen zu können. So können mit einem Leuchtmittel Stimulationen für mehrere Augen eines Insassen oder verschiedener Insassen erzeugt werden.
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Weiterhin kann der Stimulations-Aktuator eine Ablenk-Vorrichtung (mechanisch oder optisch, vgl. LED-Scheinwerfer), umfassen, mit welchem ein Lichtstrahl gezielt zu einem Auge bzw. in die Augen des jeweiligen Fahrzeuginsassen gelenkt werden kann.
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Gemäß weiteren Ausführungsvarianten umfasst der Stimulations-Aktuator eine diffuse Lichtquelle und/oder einen diskreten Diffusor, um eine breite Abdeckung des abgegebenen Lichtes zu erzielen bzw. um einen Stimulations-Impuls unabhängig von der genauen Position des Auges des Fahrzeuginsassen zum Auge des Fahrzeuginsassen zu bringen.
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Weiter bevorzugt sind auch Varianten mit mehreren Stimulations-Aktuatoren, die z.B. seitlich im Fahrzeug, in Rücksitzen etc. angeordnet sind, um die Insassen je nach aktueller Pose und Blickrichtung erreichen zu können.
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Weiter bevorzugt ist der Stimulations-Aktuator dazu eingerichtet ein Hologramm eines Objekt zu erzeugen und damit ein Objekt zu simulieren, dass sich schnell auf das Auge zubewegt. Ein solches simuliertes Objekt kann den Reflex beim Fahrzeuginsassen sehr zuverlässig auslösen. Dies ist beispielsweise von 3d-Objekten in einem 3d-Kino bekannt, die sich schnell auf den Betrachter zu bewegen.
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Besonders bevorzugt ist außerdem, wenn der Stimulations-Aktuator einen akustischen Stimulations-Aktuator umfasst.
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Bei dieser Variante des erfindungsgemäßen Verfahrens wird der Lidschluss mit Hilfe eines akustischen Reizes ausgelöst. Ein akustischer Stimulations-Aktuator umfasst insbesondere einen Lautsprecher oder eine Sirene. Besonders bevorzugt ist, wenn ein derartiger Stimulations-Aktuator einen Stereo-Ton bzw. einen Mehrkanal Ton erzeugt. Weiterhin bevorzugt ist, wenn der akustische Stimulations-Aktuator einen Surround-Klang erzeugt, der sich für den Insassen empfunden akustisch auf den Insassen zu bewegt. Durch einen solchen akustischen Reiz kann ein Reflex beim Insassen ausgelöst werden.
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Weiterhin bevorzugt ist, wenn der Stimulations-Aktuator einen taktilen Stimulations-Aktuator umfasst.
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Eine taktile Stimulation zur Erzeugung eines Reflexes beruht auf der Oberflächensensibilität des menschlichen Auges. Es eignet sich insbesondere für Insassen, die keine Brille tragen.
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Bei dieser Variante wird beispielsweise der Lidschlussreflex mit Hilfe eines Druckluft-Stoßes auf die Augenregion des Insassen ausgelöst. Ein solcher Stimulations-Aktuator ist also beispielsweise in der Lage einen Druckluft-Impuls zu erzeugen. Je nach Leistungsfähigkeit der (optional vorhandenen) Innenraumsensorik sind die Augenpositionen des Insassen auf wenige Millimeter genau bekannt. Ein geeignet ausgeführter taktiler Stimulations-Aktuator hat beispielsweise eine optional vorhandene Ablenkeinheit, mit welcher der Druckluft-Stoß gezielt in die gewünschte Richtung zum Auge des Insassen gelenkt werden kann.
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In einer bevorzugten Ausführungsform besteht der Stimulations-Aktuator aus einem Pneumatik-System zur taktilen Stimulation des Lidschlussreflexes. Im Falle einer bevorstehenden Kollision wird während der PreCrash-Phase von dem Steuergerät bzw. dem der Unfallsensorik ein Trigger-Signal erzeugt, welches zur Ansteuerung für ein pneumatisches Ventil des Stimulations-Aktuators dient. Das pneumatische Ventil wird dann geöffnet und das Ausströmen von Luft aus einem Überdruck-Behälter tritt auf. Eine (z.B. mechanisch ausgeführte und ebenfalls elektrisch steuerbare) Umlenkeinheit sorgt für eine Ablenkung des Luftstrahls, der mit Hilfe einer Düse stark gebündelt und damit punktförmig auf das Auge des Insassen auftrifft.
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Aufgrund der spontanen Schreckreaktion des Menschen tritt der Lidschlussreflex im Allgemeinen an beiden Augen auf, auch wenn nur ein Auge gezielt angesprochen wird (beispielsweise von einem Luftstrahl). Daher reicht es häufig, wenn mit dem Stimulations-Aktuator nur ein Auge eines Insassen stimuliert wird.
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Alternativ kann das oben beschriebene System 2-kanalig ausgeführt werden, so dass beide Augen des Insassen parallel taktil, optisch oder akustisch, insbesondere durch unabhängige Luftstrahlen angeregt werden. In einer weiteren Ausführungsform ist eine fächer- oder kegelförmige Aufspreizung eines einzigen Luftstrahls möglich, was mit Hilfe einer entsprechend geformten Ausströmöffnung einer Düse erreicht werden kann. In diesem Fall ist es möglich, mit einem einzigen Luftstrahl einen breiteren Bereich und bei normaler Sitzposition des Insassen beide Augen zu erreichen.
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Das Verfahren, die Vorrichtung sowie das technische Umfeld werden nachfolgend anhand der Figuren näher erläutert. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Figuren bevorzugte Ausführungsbeispiele zeigen, nur schematisch sind und das Verfahren und die Vorrichtung hierauf nicht begrenzt sind. Es zeigen:
- 1: ein Kraftfahrzeug mit einer beschriebenen Vorrichtung, eingerichtet zur Durchführung des beschriebenen Verfahrens,
- 2: ein Ablaufdiagramm des beschriebenen Verfahrens, und
- 3 eine mögliche Ausführungsvariante eines taktilen Stimulations-Aktuators.
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In 1 ist ein Kraftfahrzeug 1 gezeigt, welches einen Innenraum 14 hat in welchem hier beispielhaft ein Insasse 5 Platz genommen hat. In dem Kraftfahrzeug 1 ist ein Innenraum-Sensor 4 zur Überwachung des Innenraums 14 des Kraftfahrzeuges 1 unter dem Dachhimmel 2 des Kraftfahrzeuges 1 angeordnet. Dort ist auch ein Stimulations-Aktuator 3 angeordnet. Der Innenraum-Sensor 4 und der Stimulations-Aktuator können an einer beliebigen geeigneten Position im Kraftfahrzeug, beispielsweise auch an oder in einer Konsole 6 des Kraftfahrzeuges 1, an der Windschutzscheibe 12 oder an einer anderen geeigneten Position 13 angeordnet sein.
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Das Kraftfahrzeug 1 hat darüber hinaus mindestens einen Unfall-Sensor 15 mit welchem eine Unfallsituation des Kraftfahrzeuges 1 sensiert werden kann. Der Unfall-Sensor 15, der Innenraum-Sensor 4 und der Stimulations-Aktuator 3 sind über ein Steuergerät 9 miteinander verbunden und bilden zusammen mit dem Steuergerät bevorzugt die hier beschriebene Vorrichtung 16. Der Innenraum-Sensor 4 und der Unfall-Sensor 15 sind dabei an einen Eingang 10 des Steuergerätes 9 angeschlossen. Der Stimulations-Aktuator 3 ist an einen Ausgang 11 des Steuergerätes 9 angeschlossen.
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Der Stimulations-Aktuator 3 ist so angeordnet, dass er bevorzugt am Kopf 7 des Insassen 5 und ganz besonders bevorzugt am Auge 8 des Insassen 5 gezielt einen Reflex auslösen kann, um den Insassen 5 bzw. dessen Kopf 7 bzw. dessen Auge 8 zu schützen.
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Die in der 3 dargestellte Ausführungsvariante des taktilen Stimulations-Aktuator 3 weist einen Überdruckbehälter 17 auf, in welchem unter Überdruck stehende Luft bereit gehalten wird. Darüber hinaus existiert eine Umlenkeinheit 18 mit welcher ein Luftstrahl 19 gezielt in Richtung zu einem Auge 8 eines Insassen des Kraftfahrzeuges gelenkt werden kann. Der Stimulations-Aktuator ist durch eine Ansteuerung der Umlenkeinheit 18 und eines Ventils 20 ansteuerbar. Das Ausgangssignal eines Steuergerätes dient also zum Ansteuern der Umlenkeinheit 18 und/oder des Ventils 20.