-
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Abschätzung einer momentanen Masse eines Kraftfahrzeugs gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1. Die Erfindung betrifft ferner ein Kraftfahrzeug mit einer Bremsanlage gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 9.
-
Auf dem Gebiet der Fahrzeugtechnik ist es bekannt, Systeme zur Steuerung bzw. Regelung der Fahrdynamik von Kraftfahrzeugen zu verwenden. Von besonderer Bedeutung ist dabei eine Ansteuerung eines Bremssystems des Kraftfahrzeugs. Beispiele solcher Systeme sind das Antiblockiersystem (ABS) und die Antriebsschlupfregelung (ASR). Bei der Verwendung von Fahrerassistenzsystemen mit ABS und/oder ASR ist eine möglichst genaue Kenntnis der Fahrzeugmasse von Bedeutung.
-
Allerdings kann sich die Fahrzeugmasse durch Zuladung in Form von Gepäck oder Fahrzeuginsassen oder durch eine mitzuziehende Anhängerlast stark verändern. Beispielsweise bei Personenkraftwagen sind Unterschiede in der Fahrzeugmasse von mehreren 100 kg, entsprechend einem erheblichen Anteil der Leermasse, nicht selten. Bei ungeübten Fahrern von Personenkraftwagen kann es zu Irritationen und sogar zu Gefahrenmomenten kommen, wenn ein in der gewohnten Weise ausgeübter Bremspedaldruck des Fahrers eine geringere Bremswirkung auslöst als erwartet.
-
Bei Nutzfahrzeugen ist eine relative Schwankungsbreite der Fahrzeugmasse durch die sehr viel größere mögliche Zuladung, die durchaus der Leermasse entsprechen kann, entsprechend größer, so dass weitaus ausgeprägtere Effekte zum Tragen kommen.
-
Aus dem Stand der Technik sind Geräte und Verfahren zur Ermittlung oder Abschätzung einer momentanen Fahrzeugmasse bekannt, die auf einer Bestimmung unterschiedlicher Messgrößen in dynamischen Fahrsituationen beruhen.
-
Beispielsweise beschreibt die
DE 42 28 413 A1 ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Bestimmung von Fahrzeugmasse und Fahrwiderstand. Die Masse des durch Vortriebskräfte in seine Längsrichtung bewegten Kraftfahrzeugs wird dadurch bestimmt, dass wenigstens zwei Längsbeschleunigungen zu wenigstens zwei unterschiedlichen Zeitpunkten erfasst werden und die zu diesen Zeitpunkten vorliegenden Vortriebskräfte erfasst werden. Aus der Differenz der Vortriebskräfte und der Differenz der Längsbeschleunigungen wird dann die Fahrzeugmasse bestimmt.
-
In der
US 5,482,359 A werden ein System und ein Verfahren zum Bestimmen einer Fahrzeugmasse relativ zu einer vorherigen Masse desselben Fahrzeugs vorgeschlagen, das ein Regelungssystem verwendet, um das Fahrzeug bei Beginn des Verfahrens auf eine bestimmte Verzögerung zu bringen. Die relative Masse des Fahrzeugs wird bestimmt durch ein Erfassen der an jeder der Fahrzeugachsen angelegten Bremsdruckwerte und Verarbeitung dieser Information, um die Gesamtbremskraft zu erhalten, die auf die Räder des Fahrzeugs angewendet wird. Da eine größere Masse eine größere Bremskraft benötigt, um dieselbe Verzögerung zu erreichen, zeigt die erforderliche Bremskraft die relative Fahrzeugmasse an. Eine geeignete Bremsbetriebsart wie Bremsverteilung, Dosierung oder ABS wird dann auf der Grundlage der relativen Fahrzeugmasse bestimmt, um die nachfolgenden Bremsmanöver besser zu steuern. In einer Ausführungsform wird die relative Fahrzeugmasse während der ersten 750 Millisekunden einer Testroutine für die Abschätzung eines Bremsfaktors bestimmt. Während dieses Zeitabschnitts werden übertragene Bremsdruckwerte mittels entsprechender Druckwandler und eine berechnete Geschwindigkeitsabnahme des Fahrzeugs erfasst. Die relative Fahrzeugmasse wird nach etwa 300 Millisekunden bestimmt, nachdem die Bremsdruckwerte stationäre Werte erreicht haben.
-
Die
US 6,980,900 B2 beschreibt ein Verfahren zur Ermittlung eines Schätzwerts der Masse eines Kraftfahrzeugs zur Verwendung bei der Steuerung eines Bremssystems des Kraftfahrzeugs, wobei für sämtliche Räder des Kraftfahrzeugs eine momentan am Rad angreifende Antriebs- und Trägheitskraft ermittelt wird und wobei die momentanen Antriebs- und Trägheitskräfte sämtlicher Räder sowie ein momentaner Windwiderstand des Kraftfahrzeugs summiert und durch dessen momentane Längsbeschleunigung dividiert werden, um den Schätzwert der Masse zu ermitteln. Zusätzlich werden der Rollwiderstand des Kraftfahrzeugs und/oder eine momentan am Rad angreifende Bremskraft für sämtliche Räder des Kraftfahrzeugs ermittelt und bei der Summierung berücksichtigt. Um zu vermeiden, dass eine Steigung bzw. ein Gefälle der Fahrbahnoberfläche in der zur Ermittlung des Massenschätzwertes verwendeten Beziehung von Kraft/Beschleunigung als höhere bzw. geringere Masse interpretiert wird, ist es in einer Ausgestaltung vorgesehen, in kurzen Zeitabständen eine momentane Steigung der Fahrbahnoberfläche zu berechnen und den erhaltenen Massenschätzwert unter Berücksichtigung der berechneten und ggf. einer Filterung unterzogenen Steigung zu korrigieren.
-
In der
DE 10 2007 045 998 A1 ist ein Verfahren zur beladungsabhängigen Erhöhung der Fahrstabilität eines Kraftfahrzeugs durch radindividuelle Bremskräfte unter Berücksichtigung der Gesamtmasse des Kraftfahrzeugs beschrieben. Das Verfahren umfasst ein Bestimmen eines ersten auf das Kraftfahrzeug wirkenden Antriebsmoments und einer zugeordneten ersten Beschleunigung des Kraftfahrzeugs, ein Bestimmen eines zweiten auf das Kraftfahrzeug wirkenden Antriebsmoments und einer zugeordneten zweiten Beschleunigung des Kraftfahrzeugs, ein Bestimmen der Gesamtmasse des Kraftfahrzeugs auf Basis beider Antriebsmomente und beider Beschleunigungen sowie ein Bestimmen von die Fahrstabilität des Kraftfahrzeugs erhöhenden radindividuellen Bremskräften unter Berücksichtigung der Gesamtmasse des Kraftfahrzeugs. Entweder die erste oder die zweite Beschleunigung kann im Wesentlichen gleich Null sein.
-
Die
DE 10 2013 211 243 A1 beschreibt ein Verfahren zur Ermittlung einer Fahrzeugmasse. Bei dem Verfahren wird die Fahrzeugmasse eines fahrenden Kraftfahrzeugs ermittelt, wobei ein Geschwindigkeitssignal, ein Längsbeschleunigungssignal, ein Bremssignal und ein Antriebssignal betrachtet werden, und wobei eine Kräftebilanz der Längsdynamik des Kraftfahrzeugs ausgewertet und das Längsbeschleunigungssignal von einem Inertialsensor gemessen wird. Eine Auswertung der Kräftebilanz der Längsdynamik erfolgt sowohl bei Beschleunigungs- als auch bei Bremsvorgängen, wobei eine Anzahl von Rohmassenwerten berechnet wird, und wobei die Fahrzeugmasse anhand einer statistischen Auswertung der Rohmassenwerte ermittelt wird, welche zumindest eine Mittelwertbildung umfasst.
-
Die
DE 10 2014 203 438 A1 beschreibt ein Verfahren zur Berechnung der Masse eines Fahrzeugs. Ein Fahrzeug mit einem Antriebsstrang wird auf der Basis einer Differenz zwischen einem vom Antriebsstrang übertragenen Drehmoment gesteuert, das gemessen wird, wenn das Fahrzeug eine konstante Geschwindigkeit ungleich Null hat, und dem Drehmoment, das gemessen wird, wenn das Fahrzeug beschleunigt. Das Antriebsstrang-Drehmoment kann durch einen Antriebsstrang-Drehmomentsensor gemessen werden. Die effektive Fahrzeugmasse wird aus der Drehmomentdifferenz berechnet. Die berechnete Masse des Fahrzeugs wird benutzt, um die Aktivierung eines Kollisionswarnsystems oder eines Kollisionsvermeidungssystems zu justieren.
-
Insbesondere auf die Ermittlung einer Fahrzeugmasse eines Nutzkraftfahrzeugs gerichtete Lösungsvorschläge sind ebenfalls aus dem Stand der Technik bekannt.
-
So beschreibt etwa die
US 5,549,364 A ein Gerät und ein Verfahren zur Einstellung der Bremskraftaufteilung zwischen einem Zugfahrzeug und einem Anhänger mittels eines Anhängerbremsventils in Abhängigkeit von einer Fahrzeuggesamtmasse aus Fahrzeug und Anhänger bzw. Auflieger. Um die Bremskraft eines Aufliegers oder Anhängers optimal zu adaptieren, ist es notwendig, die Koppelkräfte zwischen Fahrzeug und Anhänger bzw. Auflieger zu kennen. Eine Voraussetzung zur Bestimmung dieser Koppelkräfte ist die Kenntnis der Fahrzeuggesamtmasse. Diese wird aus einem Energieansatz aus ohnehin im Fahrzeug vorhandenen Messgrößen der Geschwindigkeit, einer Kenngröße der Bremsenergie und einer Kenngröße der Antriebsenergie ermittelt. Zu diesem Zweck werden zu drei Zeitpunkten drei Energiebilanzen erstellt, woraus sich dann die Fahrzeuggesamtmasse und der Hangneigungswinkel bestimmen lassen. In Abhängigkeit von der Fahrzeugmasse wird dann das Anhängerbremsventil eingestellt.
-
Die
US 6,144,928 A beschreibt ebenfalls ein Gerät und ein Verfahren zur Ermittlung der Fahrzeugmasse bzw. zur Erzeugung eines entsprechenden Signals, wobei insbesondere an ein Nutzkraftfahrzeug mit einem Zugfahrzeug und einem Anhänger/Auflieger gedacht ist. Das Fahrzeug weist dabei betätigbare Bremseinrichtungen auf, die insbesondere auf die Räder des Zugfahrzeugs und/oder auf die Räder des Anhängers/Aufliegers wirken. Im Laufe des Verfahrens wird wenigstens ein erster Beschleunigungswert, der die Fahrzeugbeschleunigung vor einer Betätigung der Bremseinrichtung repräsentiert, und wenigstens ein zweiter Beschleunigungswert, der die Fahrzeugbeschleunigung nach einer Betätigung der Bremseinrichtung repräsentiert, erfasst. Die Fahrzeugmasse bzw. das die Fahrzeugmasse repräsentierende Signal wird dann in Abhängigkeit von dem ersten und zweiten erfassten Beschleunigungswert ermittelt bzw. erzeugt.
-
Die
US 9,290,185 B2 beschreibt ein System und ein Verfahren zur Bestimmung eines von einem Kraftfahrzeug gezogenen Zuggewichts. Das Verfahren umfasst ein Bestimmen, dass ein oder mehrere Fahrzeugleistungsparameter innerhalb eines Schwellenbereichs liegen, ein Speichern einer Vielzahl von Datenpaaren, die eine Längsbeschleunigung und eine Antriebskraft umfassen, ein Bestimmen einer Steigung einer Linie, die eine lineare Annäherung an die Vielzahl von Datenpaaren darstellt, und ein Bestimmen des Zuggewichts, das durch das Kraftfahrzeug gezogen wird, indem das Gewicht des Kraftfahrzeugs von dem Wert abgezogen wird, der die Neigung der Linie darstellt. Fahrzeugleistungsparameter können von einer Querbeschleunigung, einer Motordrehzahl, einer Längsbeschleunigung, einer Getriebeauswahl, einem Anwenden von Bremsen, einem Betrieb von Energierückgewinnungssystemen oder einem Betrieb in besonderen Betriebsarten gebildet werden.
-
Angesichts des aufgezeigten Standes der Technik bietet das Gebiet der Vorrichtungen und Verfahren zur Bestimmung einer momentanen Fahrzeugmasse noch Raum für Verbesserungen.
-
Der Erfindung liegt insbesondere die Aufgabe zugrunde, ein vereinfachtes Verfahren zur Abschätzung einer momentanen Masse eines Kraftfahrzeugs, insbesondere eines zweiachsigen Kraftfahrzeugs, bereitzustellen.
-
Erfindungsgemäß wird die Aufgabe durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst. Die Aufgabe wird ferner durch ein Kraftfahrzeug gemäß Anspruch 9 gelöst. Weitere, besonders vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung offenbaren die abhängigen Unteransprüche.
-
Es wird darauf hingewiesen, dass die in der nachfolgenden Beschreibung einzeln aufgeführten Merkmale sowie Maßnahmen in beliebiger, technisch sinnvoller Weise miteinander kombiniert werden können und weitere Ausgestaltungen der Erfindung aufzeigen. Die Beschreibung charakterisiert und spezifiziert die Erfindung insbesondere im Zusammenhang mit den Figuren zusätzlich.
-
Das erfindungsgemäße Verfahren zur Abschätzung einer momentanen Masse eines Kraftfahrzeugs mit Bremsanlage umfasst zumindest folgende Schritte:
- Abbremsen des Kraftfahrzeugs mittels der Bremsanlage bis zum Stillstand auf einer Wegstrecke mit einer von Null verschiedenen Hanglage,
- Ermittlung einer von der Bremsanlage für den Stillstand auf zumindest eine Achse des Kraftfahrzeugs ausgeübten Bremskraft, und
- Abschätzung der momentanen Masse, basierend auf einer Steigung oder einem Gefälle der Hanglage, der ausgeübten Bremskraft und bekannten Abmessungen des Kraftfahrzeugs.
-
Die Erfindung beruht auf der Einsicht, dass die an einer Hanglage mit bekannter Steigung oder bekanntem Gefälle zum Erreichen des Stillstands erforderliche Bremskraft proportional zur momentanen Masse des Kraftfahrzeugs ansteigt.
-
Auf diese Weise kann eine Abschätzung der momentanen Masse in einer besonders einfachen Fahrsituation, nämlich dem Stillstand an einer von Null verschiedenen Hanglage, durchgeführt werden.
-
Unter einem „Kraftfahrzeug“ soll im Sinne dieser Erfindung insbesondere ein Personenkraftwagen, ein Lastkraftwagen oder ein Kraftomnibus verstanden werden.
-
Die bekannten Abmessungen des Kraftfahrzeugs können insbesondere eine Schwerpunktslage des Kraftfahrzeugs umfassen.
-
Ein Wert der Steigung oder des Gefälles der Hanglage kann beispielsweise durch ein Verkehrszeichen angezeigt oder aufgrund bekannter örtlicher Gegebenheiten ermittelbar sein. Beispielsweise kann es sich bei der Wegstrecke um eine Hanglage mit bekannter Steigung oder bekanntem Gefälle handeln, das insbesondere zu Prüfzwecken für Kraftfahrzeuge dient.
-
In vorteilhaften Ausführungsformen beinhaltet das Verfahren einen dem Schritt der Abschätzung der momentanen Masse vorangehenden Schritt der Bestimmung der Steigung oder des Gefälles der Hanglage. Bevorzugt kann der Schritt der Bestimmung der Steigung oder des Gefälles mittels einer kraftfahrzeugeigenen Längsbeschleunigungs-Sensoreinheit ausgeführt werden. Auf diese Weise ist eine Abschätzung der momentanen Masse auch auf Wegstrecken mit zunächst unbekanntem Wert einer Steigung oder eines Gefälles möglich, wodurch das Verfahren in besonders flexibler Weise anwendbar ist.
-
Bevorzugt umfasst der Schritt der Ermittlung der auf das Kraftfahrzeug ausgeübten Bremskraft eine Berechnung der Bremskraft unter Einbeziehung von Auslegungsparametern der kraftfahrzeugeigenen Bremsanlage. Zu den Auslegungsparametern können, ohne darauf beschränkt zu sein, die folgenden Größen gehören: äußere Übersetzung der Bremsanlage (Verhältnis von zwischen Bremsbelag und Reibfläche erzeugter Spannkraft zur wirkenden Pedalkraft), innere Übersetzung der Bremsanlage (auch: Bremsenkennung; Verhältnis von wirksamer Umfangskraft zu am Bremsbelag anliegender Spannkraft), Kolbenfläche eines Bremszylinders, ein hydraulischer Druck in der Bremsanlage, ein Abstand des Bremsbelags von einem Zentrum einer Radnabe und ein Reifenrollradius.
-
Somit kann die ausgeübte Bremskraft auf vielerlei Arten ermittelt werden. Durch die Flexibilität bei der Ermittlung der Bremskraft kann eine Anpassung an unterschiedliche Bremsanlagen von Kraftfahrzeugen ermöglicht werden.
-
Besonders bevorzugt beinhaltet der Schritt der Ermittlung der auf das Kraftfahrzeug ausgeübten Bremskraft eine Berechnung der Bremskraft gemäß der Formel
wobei k eine Anzahl von Radbremsen an einer Achse des Kraftfahrzeugs, C* eine innere Übersetzung der Radbremse, A
RZ eine Kolbenfläche eines Bremszylinders, p einen hydraulischen Druck in der Bremsanlage,
ηRZ einen Wirkungsgrad des Bremszylinders, r
br einen Reibradius des Bremsbelags und r
A einen Reifenrollradius bezeichnen. Auf diese Weise kann die ausgeübte Bremskraft durch Messung des hydraulischen Drucks, der in einer Bremsanlage eines Kraftfahrzeugs ohnehin überwacht wird, bestimmt werden.
-
In bevorzugten Ausführungsformen des Verfahrens beinhaltet der Schritt der Abschätzung der momentanen Masse eine Korrektur bezüglich einer von der ausgeübten Bremskraft hervorgerufenen Veränderung einer Achslast. Durch Berücksichtigung der Veränderung der Achslast aufgrund der ausgeübten Bremskraft kann ein Schätzwert für die momentane Masse mit einem geringeren systematischen Fehler ermittelt werden.
-
In vorteilhaften Ausführungsformen des Verfahrens wird der Schritt der Ermittlung einer von der Bremsanlage für den Stillstand ausgeübten Bremskraft für alle Achsen des Kraftfahrzeugs ausgeführt. Ferner wird der Schritt der Abschätzung der momentanen Masse auf einer Summe der auf alle Achsen des Kraftfahrzeugs ausgeübten Bremskraft basierend ausgeführt. Auf diese Weise kann die Veränderung von Achslasten aufgrund der ausgeübten Bremskraft durch den Schritt der Abschätzung der momentanen Masse des Kraftfahrzeugs berücksichtigt und ein Schätzwert für die momentane Masse mit geringerem systematischen Fehler ermittelt werden.
-
Wenn die Hanglage eine Steigung oder ein Gefälle aufweist, dessen absoluter Wert mindestens 3% beträgt, liegt die Bremskraft, die für den Stillstand auf zumindest eine Achse des Kraftfahrzeugs ausgeübt werden muss, in einem Wertebereich, der eine Abschätzung der momentanen Masse mit einer ausreichenden Genauigkeit ermöglicht.
-
Bevorzugt wird der Schritt der Ermittlung der von der Bremsanlage für den Stillstand des Kraftfahrzeugs ausgeübten Bremskraft zumindest unmittelbar nach Erreichen des Stillstands oder unmittelbar vor Verlassen des Stillstands ausgeführt. Auf diese Weise lässt sich eine besonders genaue Abschätzung der momentanen Masse des Kraftfahrzeugs erreichen. Beispielsweise kann die im Stillstand ausgeübte Bremskraft in gleichmäßigen Zeitabständen bestimmt und ein Verlassen des Stillstands des Kraftfahrzeugs durch Beobachtung eines Geschwindigkeitsmesssystems des Kraftfahrzeugs ermittelt werden. Die letzten im Stillstand ermittelten Werte für die Bremskraft können dann für die Abschätzung der momentanen Masse verwendet werden.
-
In einem weiteren Aspekt der Erfindung wird ein Kraftfahrzeug vorgeschlagen, das eine Bremsanlage mit Bremsen an einer Vorderachse und Bremsen an einer Hinterachse des Kraftfahrzeugs, Mittel zur Bestimmung eines Betriebsdrucks der Bremsanlage und eine Längsbeschleunigungs-Sensoreinheit aufweist.
-
Das Kraftfahrzeug weist eine elektronische Auswertungseinheit auf, die signaltechnisch mit dem Mittel zur Bestimmung des Betriebsdrucks und mit der Längsbeschleunigungs-Sensoreinheit verbunden und dazu vorgesehen ist, eine Abschätzung einer momentanen Masse des Kraftfahrzeugs durchzuführen, die zumindest auf einem Wert einer von Null verschiedenen Steigung oder eines Gefälles eines Standorts des Kraftfahrzeugs, einer im Stillstand auf das Kraftfahrzeug ausgeübten Bremskraft, bekannten Abmessungen des Kraftfahrzeugs und einer bekannten Schwerpunktlage des Kraftfahrzeugs basiert.
-
Unter dem Begriff „dazu vorgesehen“ soll im Sinne der Erfindung insbesondere speziell dafür programmiert, ausgelegt oder angeordnet verstanden werden.
-
Auf diese Weise ist das Kraftfahrzeug mit einer Ausstattung versehen, die eine Abschätzung der momentanen Masse des Kraftfahrzeugs in einer besonders einfachen Fahrsituation, nämlich dem Stillstand an einer von Null verschiedenen Hanglage, gestattet.
-
Wenn die elektronische Auswertungseinheit dazu vorgesehen ist, bei der Abschätzung einer momentanen Masse des Kraftfahrzeugs eine Korrektur bezüglich einer von der ausgeübten Bremskraft hervorgerufenen Veränderung einer Achslast zu berücksichtigen, kann ein Schätzwert für die momentane Masse mit einem geringeren systematischen Fehler ermittelt werden.
-
Weitere vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen und der folgenden Figurenbeschreibung offenbart. Es zeigen:
- 1 eine schematische Darstellung eines erfindungsgemäßen Kraftfahrzeugs im Stillstand auf einer Wegstrecke mit Gefälle, und
- 2 ein Flussdiagramm einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Abschätzung einer momentanen Masse eines Kraftfahrzeugs.
-
Eine mögliche Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Abschätzung einer momentanen Masse eines Kraftfahrzeugs wird an einem Kraftfahrzeug 10 beschrieben, das als Personenkraftwagen ausgebildet ist (1). Das Kraftfahrzeug 10 weist eine Vorderachse 12, eine Hinterachse 14, eine Bremsanlage und eine Längsbeschleunigungs-Sensoreinheit 22 auf.
-
Die Bremsanlage weist an jedem Vorderrad und an jedem Hinterrad jeweils eine als einseitig wirkende Scheibenbremse ausgebildete Radbremse auf (nicht dargestellt). Ferner beinhaltet die Bremsanlage einen Bremszylinder 18, der mit jeder der Scheibenbremsen über eine ABS-Regeleinheit hydraulisch verbunden ist, sowie als Drucksensor 20 ausgebildete Mittel zur Bestimmung eines Betriebsdrucks des Bremszylinders 18.
-
Das Kraftfahrzeug 10 weist ferner eine elektronische Auswertungseinheit 24 mit einer Prozessoreinheit und einer digitalen Datenspeichereinheit auf, auf welche die Prozessoreinheit datenmäßigen Zugriff hat.
-
Die elektronische Auswertungseinheit 24 ist signaltechnisch mit dem Drucksensor 20 und mit der Längsbeschleunigungs-Sensoreinheit 22 verbunden und dazu vorgesehen, in periodischen Zeitabständen Ausgangssignale des Drucksensors 20 und der Längsbeschleunigungs-Sensoreinheit 22 auszulesen. Darüber hinaus erhält die elektronische Auswertungseinheit 24 ein Signal eines Geschwindigkeitsmesssystems (nicht dargestellt) des Kraftfahrzeugs 10, das mindestens_einen Raddrehzahlsensor umfasst.
-
Nachfolgend wird eine mögliche erfindungsgemäße Ausführungsform eines Verfahrens zur Abschätzung einer momentanen Masse mv des Kraftfahrzeugs 10 beschrieben. Ein Flussdiagramm des Verfahrens ist in 2 dargestellt. Die elektronische Auswertungseinheit 24 beinhaltet ein Softwaremodul zur automatischen Ausführung verschiedener Schritte des Verfahrens, wobei diese Schritte des Verfahrens als auszuführender Programmcode vorliegen, der in der digitalen Datenspeichereinheit der elektronischen Auswertungseinheit 24 hinterlegt ist und von der Prozessoreinheit der elektronischen Auswertungseinheit 24 ausgeführt werden kann.
-
In Vorbereitung einer Durchführung des Verfahrens wird unterstellt, dass alle beteiligten Vorrichtungen und Komponenten sich in einem betriebsbereiten Zustand befinden.
-
Das Verfahren wird durch Einschalten der Zündung des Kraftfahrzeugs 10 initiiert und von der elektronischen Auswertungseinheit 24 automatisch ausgeführt.
-
In einem Schritt 26 des Verfahrens wird die Steigung oder das Gefälle der Hanglage mittels der Längsbeschleunigungs-Sensoreinheit 22 ermittelt und von der elektronischen Auswertungseinheit 24 ausgelesen. In einem nicht obligatorischen Schritt 28 des Verfahrens (in 2 gestrichelt dargestellt) wird der absolute Wert der Steigung oder des Gefälles von der elektronischen Auswertungseinheit 24 mit einem vorgegebenen Sollwert, der in dieser speziellen Ausführungsform 3% beträgt, verglichen. Der vorgegebene Sollwert für den absoluten Wert der Steigung oder des Gefälles ist in der digitalen Datenspeichereinheit der elektronischen Auswertungseinheit 24 hinterlegt und wird für den Vergleich von der Prozessoreinheit ausgelesen. Ist der absolute Wert der Steigung oder des Gefälles kleiner als 3%, wird das Verfahren durch die elektronische Auswertungseinheit 24 auf den Anfang zurückgesetzt und die Längsbeschleunigungs-Sensoreinheit 22 in einem zeitlichen Abstand von 100 ms erneut ausgelesen.
-
Bei einem bestätigten absoluten Wert der Steigung oder des Gefälles oberhalb von 3% detektiert die elektronische Auswertungseinheit 24 in einem weiteren Schritt 30 des Verfahrens aus dem Signal des Geschwindigkeitsmesssystems, ob sich das Kraftfahrzeug 10 im Stillstand befindet. Falls dies nicht der Fall ist, wird das Verfahren durch die elektronische Auswertungseinheit 24 auf den Anfang zurückgesetzt und die Längsbeschleunigungs-Sensoreinheit 22 in einem zeitlichen Abstand von 100 ms erneut ausgelesen. Bei bestätigtem Stillstand liest die elektronische Auswertungseinheit 24 die Ausgangssignale des Drucksensors 20 und der Längsbeschleunigungs-Sensoreinheit 22 zur nachfolgenden Ermittlung der auf die Vorderachse 12 und auf die Hinterachse 14 ausgeübten Bremskraft in einem weiteren Schritt 32 aus.
-
In einem weiteren Schritt
34 des Verfahrens wird die von der Bremsanlage für den Stillstand des Kraftfahrzeugs
10 auf die Vorderachse
12 und auf die Hinterachse
14 jeweils ausgeübte Bremskraft gemäß den folgenden Formeln unter Einbeziehung von Auslegungsparametern der kraftfahrzeugeigenen Bremsanlage ermittelt:
-
Dabei bezeichnen ARZ eine Kolbenfläche des Bremszylinders 18, p den mittels des Drucksensors 20 bestimmten hydraulischen Druck in der Bremsanlage, C* eine innere Übersetzung oder Bremsenkennung, ηRZ einen Wirkungsgrad des Bremszylinders, rbr einen Reibradius des jeweiligen Bremsbelags und rA einen Reifenrollradius. Die Parameter gelten jeweils für Radbremsen an der Vorderachse 12 bzw. der Hinterachse 14. Der Faktor 2 in den Formeln wird durch die Anzahl der Radbremsen bestimmt, die an der Vorderachse 12 bzw. der Hinterachse 14 angeordnet sind.
-
Die für die Ermittlung der ausgeübten Bremskraft erforderlichen festen Parameter der jeweiligen Fahrzeugachse C*, ARZ, ηRZ , rbr, rA sind in der digitalen Datenspeichereinheit der elektronischen Auswertungseinheit 24 hinterlegt und werden für die Berechnung von der Prozessoreinheit ausgelesen.
-
Eine maximal von einer Achse
12,
14 des Kraftfahrzeugs
10 auf die Straße übertragbare Bremskraft
Fbr.max ist bekannterweise stets kleiner oder gleich dem Produkt aus einer Haftreibungszahl µ
HF zwischen Fahrzeugreifen und Fahrbahn und der Normalkomponente
FZ der entsprechenden Achslast:
-
Die Haftreibungszahl µHF kann als konstant angenommen oder geschätzt werden.
-
Eine von der Vorderachse (Fbr.front ) oder der Hinterachse (Fbr.rear ) des Kraftfahrzeugs 10 auf die Straße übertragene Bremskraft ist stets kleiner als die maximal übertragbare Bremskraft Fbr.max .
-
Die Hangabtriebskraft greift im Schwerpunkt 16 des Kraftfahrzeugs 10 an (1) und bewirkt bei dem im Stillstand verharrenden Kraftfahrzeug 10 an einer Steigung eine Entlastung der Vorderachse 12 und eine Belastung der Hinterachse 14. Bei Gefälle bewirkt die Hangabtriebskraft eine Belastung der Vorderachse 12 und eine Entlastung der Hinterachse 14. Aus diesem Zusammenhang lässt sich die Normalenkomponente FZ für die jeweilige Fahrzeugachse herleiten.
-
Nach Einsetzen der Normalenkomponente F
Z und der Hangabtriebskraft in die Momentengleichung und nach Umstellen der Formel erhält man die maximal mögliche, auf die Fahrbahn übertragbare Bremskraft an der jeweiligen Fahrzeugachse.
für die Vorderachse
12 bzw.
für die Hinterachse
14.
-
Dabei bezeichnen
mv die Masse des Kraftfahrzeugs 10,
g die Erdbeschleunigung (9,81 m/s2),
α einen Steigungswinkel der Hanglage (α positiv für Steigung und negativ für Gefälle in normaler Fahrtrichtung),
l einen Radstand des Kraftfahrzeugs 10,
lh einen Abstand des Schwerpunkts 16 des Kraftfahrzeugs 10 von der Hinterachse 14 und
h eine Lage des Schwerpunkts 16 des Kraftfahrzeugs 10 vertikal über einer horizontalen Fahrbahn.
-
In einem weiteren Schritt
36 des Verfahrens (
2) erfolgt durch die elektronische Auswertungseinheit
24 eine Abschätzung der momentanen Masse
mv des Kraftfahrzeugs
10, basierend auf der Steigung oder dem Gefälle der Hanglage, der von jeder der Achsen
12,
14 ausgeübten Bremskraft
Fbr.front ,
Fbr.rear und den genannten, a priori bekannten Abmessungen des Kraftfahrzeugs
10, gemäß
aus der auf die Vorderachse
12 ausgeübten Bremskraft F
br.front bzw. gemäß
aus der auf die Hinterachse
14 ausgeübten Bremskraft F
br.rear.
-
Die für die Abschätzung der momentanen Masse mv erforderlichen, bekannten Abmessungen des Kraftfahrzeugs 10 sind in der digitalen Datenspeichereinheit der elektronischen Auswertungseinheit 24 hinterlegt und werden für die Berechnung von der Prozessoreinheit ausgelesen.
-
Der Schritt 36 der Abschätzung der momentanen Masse mv beinhaltet somit eine Korrektur (gegeben durch den zweiten Term in den Formeln (5) und (6)) bezüglich einer von der jeweils ausgeübten Bremskraft Fbr.front , Fbr.rear hervorgerufenen Veränderung der Achslasten.
-
Ein Mittelwert der beiden durch Anwendung der Formeln (7) und (8) gewonnenen Schätzwerte für die momentane Masse mv des Kraftfahrzeugs 10 wird in einem weiteren Schritt 38 von der elektronischen Auswerteeinheit 24 an eine elektronische Fahrzeugsteuereinheit (VCU, vehicle control unit) des Kraftfahrzeugs 10 zur Verwendung in einem Fahrerassistenzsystem (Stabilitätskontrolle (Electronic Stability Control, ESC) mit ABS und/oder ASR) übermittelt.
-
Anschließend wird das Verfahren durch die elektronische Auswertungseinheit 24 auf den Anfang zurückgesetzt und die Längsbeschleunigungs-Sensoreinheit 22 in einem zeitlichen Abstand von 100 ms erneut ausgelesen.
-
In einem alternativen Ansatz können zur Durchführung des Schritts
36 der Abschätzung der momentanen Masse
mv die Formeln (5) und (6) addiert und der Schritt
36 der Abschätzung der momentanen Masse auf einer Summe der auf alle Achsen
12,
14 des Kraftfahrzeugs
10 ausgeübten Bremskraft
Fbr.front + Fbr.rear basierend ausgeführt werden. Damit ergibt sich
und als Schätzwert für die Masse
mv des Kraftfahrzeugs
10 (Formel 9)
-
Hierbei wird die Korrektur bezüglich einer von der ausgeübten Bremskraft hervorgerufenen Veränderung der Achslasten in der Summe der auf die Vorderachse 12 bzw. auf die Hinterachse 14 übertragenen Bremskräfte berücksichtigt.
-
Bezugszeichenliste
-
- 10
- Kraftfahrzeug
- 12
- Vorderachse
- 14
- Hinterachse
- 16
- Schwerpunkt
- 18
- Bremszylinder
- 20
- Drucksensor
- 22
- Längsbeschleunigungs-Sensoreinheit
- 24
- elektronische Auswertungseinheit
Verfahrensschritte:
- 26
- Ermittlung von Steigung oder Gefälle der Hanglage
- 28
- Abbremsen des Kraftfahrzeugs auf der Wegstrecke bis zum Stillstand
- 30
- Überprüfung des Stillstands
- 32
- Auslesen des Drucksensors und der Längsbeschleunigungs-Sensoreinheit
- 34
- Berechnung der auf Vorderachse und Hinterachse ausgeübten Bremskraft
- 36
- Abschätzung der momentanen Masse des Kraftfahrzeugs
- 38
- Übermittlung der geschätzten momentanen Masse an eine Fahrzeugsteuereinheit
- α
- Neigungswinkel
- g
- Erdbeschleunigung
- h
- Schwerpunktslage vertikal über einer horizontalen Fahrbahn
- l
- Radstand
- lh
- Abstand des Schwerpunkts von der Hinterachse
- mv
- Masse des Kraftfahrzeugs
- C*
- innere Übersetzung der Radbremse
- ηRZ
- Wirkungsgrad der Radbremse
-
ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
-
Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
-
Zitierte Patentliteratur
-
- DE 4228413 A1 [0006]
- US 5482359 A [0007]
- US 6980900 B2 [0008]
- DE 102007045998 A1 [0009]
- DE 102013211243 A1 [0010]
- DE 102014203438 A1 [0011]
- US 5549364 A [0013]
- US 6144928 A [0014]
- US 9290185 B2 [0015]