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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betrieb eines Hörgerätesystems, das wenigstens ein Hörgerät umfasst. Des Weiteren betrifft die Erfindung ein derartiges Hörgerätesystem.
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Unter den Begriff „Hörgerät“ fallen insbesondere Hörhilfegeräte, die Personen mit einer Hörminderung dazu dienen, diese Hörminderung zumindest teilweise auszugleichen. Dazu umfassen Hörhilfegeräte üblicherweise wenigstens ein Mikrofon zur Aufnahme von akustischen Tonsignalen (z.B. Stimmen, Musik und/oder sonstigen Umgebungsgeräuschen), eine Signalverarbeitungseinheit (auch als Signalprozessor bezeichnet) zur Filterung und zumindest teilweisen Verstärkung der aufgenommenen Tonsignale sowie einen (meist auch als Hörer bezeichneten) Lautsprecher zur Ausgabe der verarbeiteten Tonsignale an ein Ohr eines Hörgeräteträgers (d. h. der Person mit Hörminderung). Alternativ zu dem Lautsprecher umfassen Hörhilfegeräte – je nach Art der Hörminderung – beispielsweise ein Knochenleitungs- oder ein Cochlea-Implantat zur mechanischen bzw. elektrischen Stimulation des Hörzentrums des Hörgeräteträgers. Unter den Begriff Hörgerät fallen jedoch auch andere Geräte, die zur Ausgabe von (akustischen) Tonsignalen an das Gehör des entsprechenden Hörgeräteträgers dienen. Derartige Geräte sind beispielsweise sogenannte Tinnitus-Masker, Kopfhörer, Headsets und dergleichen.
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Unter dem Begriff „Hörgerätesystem“ werden hier und im Folgenden allgemein Systeme zusammengefasst, die beispielsweise durch ein einzelnes (monaurales) Hörhilfegerät zur unabhängigen Versorgung eines Ohrs des Hörgeräteträgers gebildet sind. In ein solches monaurales Hörhilfegerät (oder Hörgerät) sind dabei üblicherweise alle vorstehend beschriebenen Komponenten integriert. Optional umfasst ein derartiges (monaurales) Hörgerätesystem auch eine externe Steuereinheit, mittels derer beispielsweise nach Art einer Fernbedienung Einstellungen der Lautstärke und ggf. verschiedener Hörprogramme des monauralen Hörgeräts vorgenommen werden können. Ebenso wird der Begriff „Hörgerätesystem“ aber auch für ein System verwendet, das aus zwei sogenannten binauralen Hörhilfegeräten gebildet ist. Ein solches binaurales Hörgerätesystem ist dabei regelmäßig zur Versorgung beider Ohren des Hörgeräteträgers eingerichtet, wobei üblicherweise zur (binauralen) Signalverarbeitung ein Datenaustausch (Signalaustausch) zwischen den beiden Hörgeräten stattfindet. Optional umfasst auch das binaurale Hörgerätesystem eine externe Steuereinheit („Fernbedienung“) der vorstehend beschriebenen Art.
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Moderne Hörgerätesysteme, die zum Ausgleich einer Hörminderung des Hörgeräteträgers dienen, weisen häufig Signalverarbeitungsalgorithmen auf, mittels derer für die (meist mittels wenigstens zweier Mikrofone) empfangenen Tonsignale eine Richtwirkung erzeugt wird. Diese Richtwirkung wird dabei oft auch nahezu unabhängig von der Ausrichtung des Hörgeräteträgers auf eine in dessen Umgebung angeordnete Schallquelle ausgerichtet und dabei vorzugsweise „fokussiert“. Bei einer solchen Schallquelle handelt es sich meist um eine sprechende Person (beispielsweise einen Gesprächspartner) oder um eine anderweitige Quelle von erwünschten Tonsignalen (beispielsweise ein Lautsprecher, eine Musikanlage oder dergleichen). Zur Erkennung einer derartigen Schallquelle, insbesondere zur Detektion der Position der Quelle von erwünschten Tonsignalen, wird üblicherweise die Gesamtheit der mittels der Mikrofone erfassten Tonsignale (Geräusche) analysiert. Dies ist erkanntermaßen vergleichsweise rechenaufwändig und somit regelmäßig mit einer störenden zeitlichen Verzögerung verbunden.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, den Nutzungskomfort eines Hörgerätesystems zu verbessern.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch ein Verfahren zum Betrieb eines Hörgerätesystems mit den Merkmalen des Anspruchs 1. Des Weiteren wird die Aufgabe erfindungsgemäß gelöst durch ein Hörgerätesystem mit den Merkmalen des Anspruchs 5. Weitere vorteilhafte und teils für sich erfinderische Ausführungsformen und Weiterbildungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen und der nachfolgenden Beschreibung dargelegt.
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Das erfindungsgemäße Verfahren dient zum Betrieb eines Hörgerätesystems. Verfahrensgemäß wird dabei mittels eines ersten Mikrofons und eines zweiten Mikrofons (des Hörgerätesystems) eine Richtwirkung erzeugt. Die Richtwirkung wird dabei vorzugsweise für die mittels der beiden Mikrofone erfassten Tonsignale erzeugt. Des Weiteren wird die Richtwirkung auf eine Schallquelle, die insbesondere in der Umgebung eines das Hörgerätesystem tragenden Hörgeräteträgers angeordnet ist und die zumindest einen Teil der erfassten Tonsignale ausgibt, ausgerichtet. Weiterhin wird mittels wenigstens eines Lagesensors eine Lageänderung des Hörgerätesystems im Raum erfasst. Somit wird dabei auch eine Lageänderung des Hörgeräteträgers, vorzugsweise dessen Kopfs, erfasst. Die Ausrichtung der Richtwirkung wird dabei in Abhängigkeit von der mittels des Lagesensors erfassten Lageänderung (des Hörgerätesystems) der Schallquelle nachgeführt. Das heißt, dass die erfasste Lageänderung als Regelgröße für eine Nachführung der Richtwirkung herangezogen wird.
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Unter „Nachführen“ oder „Nachführung“ wird hier und im Folgenden verstanden, dass die Ausrichtung der Richtwirkung abhängig von der detektierten Lageänderung auf die ursprüngliche, relativ auf das Hörgerätesystem bezogene Position der Schallquelle geregelt („zurückgerichtet“) wird. Mit anderen Worten wird die Ausrichtung der Richtwirkung näherungsweise konstant (d.h. exakt oder mit lediglich vernachlässigbaren Abweichungen) und vorteilhafterweise unbeeinflusst von einer Bewegung (insbesondere einer Kopfbewegung) des Hörgeräteträgers auf die Schallquelle ausgerichtet gehalten. Das heißt, dass die Richtwirkung auch bei einer (Kopf-)Bewegung des Hörgeräteträgers auf die Schallquelle „justiert“ bleibt.
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Unter „Richtwirkung“ wird hier und im Folgenden insbesondere eine nichtomnidirektionale, d.h. eine richtungsabhängige Richtcharakteristik (Sensitivität) der beiden Mikrofone verstanden. Zur Erzeugung dieser Richtcharakteristik wird vorzugsweise ein dem ersten Mikrofon zugeordnetes erstes Mikrofonsignal mit einem dem zweiten Mikrofon zugeordneten zweiten Mikrofonsignal unter Einbeziehung wenigstens eines Richtparameters gemischt. Die beiden Mikrofone bilden somit ein Mikrofonsystem, das eine Vorzugsrichtung für den Empfang der Tonsignale aufweist. Die Gestalt der Richtwirkung wird dabei beispielsweise (insbesondere in einem Polardiagramm gesehen) durch Formen wie „Niere“, „Super-Niere“, „Hyper-Niere“, „Keule“ oder dergleichen beschrieben. Optional wird als Richtwirkung aber auch eine Form erzeugt, die einen vergleichsweise schmalen, kegelförmigen „Richtfokus“ (auch: Richtkegel) darstellt, der auf die Schallquelle ausgerichtet wird. Durch die Richtwirkung, insbesondere den Richtfokus, können störende Tonsignale, die nicht aus der Vorzugsrichtung – d. h. aus einer anderen Richtung als der der Schallquelle (beispielsweise von der Seite oder von hinten) – auf die Mikrofone treffen, insbesondere effektiv unterdrückt oder ausgeblendet werden. Dadurch kann wiederum auf einfache Weise die Verständlichkeit der von der Schallquelle ausgehenden Tonsignale (beispielsweise Sprache oder Musik) vorteilhaft erhöht werden.
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Dadurch, dass zur Nachführung der Richtwirkung (d. h. vorzugsweise der Vorzugsrichtung, insbesondere des Richtfokus) die mittels des Lagesensors erfasste Lageänderung herangezogen wird, kann vorteilhafterweise eine rechenaufwändige und somit mit einer Zeitverzögerung behaftete Analyse der akustischen Eingangssignale zur räumlichen Detektion der erwünschten Schallquelle insbesondere für den Fall entfallen, dass sich die Schallquelle aufgrund einer Bewegung des Hörgeräteträgers selbst aus der Vorzugsrichtung der Richtwirkung, insbesondere aus dem mittels des Richtfokus erfassbaren Bereich hinaus bewegt. Der Lagesensor gibt dabei vorteilhafterweise näherungsweise verzögerungsfrei eine Information über die Lageänderung des Hörgerätesystems wieder, die zur Nachführung der Ausrichtung der Richtwirkung herangezogen werden kann. Somit kann die Richtwirkung vorteilhafterweise ebenfalls nahezu verzögerungsfrei (insbesondere innerhalb vernachlässigbarer oder kaum wahrnehmbarer Grenzen) der Schallquelle nachgeführt werden, d.h. auf dieser justiert (ausgerichtet) bleiben. Dadurch wird die Verständlichkeit der von der Schallquelle ausgegebenen Tonsignale auch bei Bewegungen, insbesondere Kopfbewegungen des Hörgeräteträgers, die beispielsweise in einem Gespräch häufig auch unbewusst erfolgen, vorteilhaft erhöht. Dies trägt wiederum zum Nutzungskomfort des Hörgerätesystems bei. Außerdem kann durch die Einsparung von Rechenaufwand vorteilhafterweise auch der Energieverbrauch des Hörgerätesystems gesenkt werden.
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Im Rahmen der Erfindung wird als Lagesensor beispielsweise ein Beschleunigungssensor, insbesondere ein zur dreidimensionalen Messung eingerichteter Beschleunigungssensor herangezogen. In einer bevorzugten Ausführung des Verfahrens wird allerdings als Lagesensor (wenigstens) ein auch als gyroskopischer Sensor bezeichneter Drehratensensor, vorzugsweise ein Neigungssensor, herangezogen. Dieser Drehratensensor ist dabei zweckmäßigerweise dazu eingerichtet, Winkeländerungen um wenigstens eine, vorzugsweise aber um jede der drei Raumrichtungsachsen zu erfassen. Die Verwendung des Drehratensensors (insbesondere des Neigungssensors) ist vorteilhaft, da zum Nachführen der Ausrichtung der Richtwirkung insbesondere eine (relative) Winkelabweichung zwischen ursprünglicher und aktueller Lage (Ausrichtung im Raum) des Hörgerätesystems bzw. des Hörgeräteträgers ausreichend ist. Somit liefert der Drehratensensor unmittelbar eine zum Nachführen der Richtwirkung zweckdienliche Information.
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In einer weiteren optionalen Ausführung der Erfindung wird als Lagesensor eine „inertiale Messeinheit“ herangezogen, die zur Erfassung von Drehungen (insbesondere Neigungen) und Beschleunigungen in allen drei Raumrichtungen eingerichtet ist.
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In einer alternativen zweckmäßigen Ausführung des Verfahrens wird als Lagesensor ein Magnetfeldsensor herangezogen, der dazu eingerichtet ist, insbesondere anhand des Erdmagnetfelds die Lage des Hörgerätesystems absolut zu bestimmen. In diesem Fall wird die (relative) Lageänderung des Hörgerätesystems vorzugsweise durch einen Vergleich einer vorhergehenden Lage mit der aktuellen Lage ermittelt.
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In einer zweckmäßigen Ausführung des Verfahrens wird für das Hörgerätesystem ein einzelnes, insbesondere monaurales Hörgerät, vorzugsweise ein monaurales Hörhilfegerät, herangezogen, das sowohl das erste als auch das zweite Mikrofon umfasst. In diesem Fall ist das Hörgerätesystem insbesondere durch das monaurale Hörgerät gebildet.
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In einer alternativen zweckmäßigen Ausführung des Verfahrens wird als erstes Mikrofon mindestens ein Mikrofon eines ersten binauralen Hörgeräts (insbesondere Hörhilfegeräts) und als zweites Mikrofon mindestens ein Mikrofon eines zweiten binauralen Hörgeräts (insbesondere Hörhilfegeräts) herangezogen. Mit anderen Worten handelt es sich bei dem Hörgerätesystem vorzugsweise um ein binaurales Hörgerätesystem mit zwei vorzugsweise zur gegenseitigen Kommunikation (insbesondere zum Datenaustausch untereinander) eingerichteten Hörgeräten. Der Lagesensor ist dabei wenigstens einem der beiden Hörgeräte zugeordnet. Zweckmäßigerweise umfasst jedoch jedes der beiden (binauralen) Hörgeräte jeweils einen Lagesensor der vorstehend beschriebenen Art. Die Richtwirkung wird in diesem Fall insbesondere durch eine binaurale Signalverarbeitung des ersten und zweiten Mikrofonsignals erzeugt, d. h. es wird wenigstens eines der beiden Mikrofonsignale an das jeweils andere binaurale Hörgerät übermittelt.
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Für den Fall, dass es sich bei dem Hörgerätesystem um das vorstehend beschriebene binaurale Hörgerätesystem handelt, wird in einer weiteren zweckmäßigen, auch für sich als eigenständige Erfindung angesehenen, Ausführung des Verfahrens insbesondere mittels des jeweiligen Lagesensors für jedes der beiden Hörgeräte als Lageänderung eine Abweichung zwischen einer (aktuellen) Ist-Trageposition des jeweiligen Hörgeräts und einer vorgegebenen – insbesondere werksseitig oder bei einer „Erstanpassung“ des Hörgerätesystems durch einen Hörgeräteakustiker hinterlegte – Soll-Trageposition am Körper des Hörgeräteträgers (insbesondere an dessen Kopf) erfasst. Diese Abweichung wird dabei zweckmäßigerweise mit einem vorgegebenen Grenzwert verglichen. Für den Fall, dass die Abweichung (insbesondere deren Wert) diesen Grenzwert überschreitet, wird ein Warnsignal vorzugsweise an den Hörgeräteträger ausgegeben. Als Warnsignal wird dabei vorzugsweise eine akustische Information (insbesondere mittels wenigstens eines der Lautsprecher der beiden Hörgeräte) an den Hörgeräteträger ausgegeben. Im Rahmen des Warnsignals wird dieser dabei zweckmäßigerweise zur Korrektur der Ist-Trageposition des betroffenen Hörgeräts aufgefordert. Zusätzlich oder alternativ wird das Warnsignal visuell über eine ggf. dem Hörgerätesystem zugeordnete und von den beiden Hörgeräten separate Steuereinheit (beispielsweise eine Fernbedienung oder ein Smartphone mit darauf installierter Steuerungssoftware) an den Hörgeräteträger ausgegeben. Diese Ausführung des Verfahrens ist insbesondere vorteilhaft, da jedes der beiden binauralen Hörgeräte zur Kommunikation untereinander vorzugsweise eine (Richt-)Antenne, insbesondere eine Spule, umfasst. Diese Antennen sind dabei in der bestimmungsgemäßen Trageposition (der Soll-Trageposition) beider Hörgeräte aufeinander ausgerichtet. Für den Fall, dass eines der beiden Hörgeräte nicht bestimmungsgemäß am Körper bzw. am Kopf des Hörgeräteträgers getragen wird, kann es somit zu einem Ausfall der Datenübertragung (Kommunikation) zwischen den beiden Hörgeräten kommen. Dies kann mittels der in dieser Ausführung des Verfahrens angewandten „Überwachung“ der Ist-Trageposition vorteilhaft vermieden werden.
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In einer weiter verfeinerten Ausführung des Verfahrens werden die beiden vorstehend beschriebenen Abweichungen von beiden binauralen Hörgeräten zueinander in Relation gesetzt und ermittelt, ob aufgrund der beiden individuellen Abweichungen die (Richt-)Antennen beider Hörgeräte noch aufeinander ausgerichtet sind und somit eine Kommunikation stattfinden kann. Dadurch kann vorteilhafterweise bereits dann eine Fehlermeldung (d. h. das Warnsignal) ausgegeben werden, wenn der jeweils individuelle Grenzwert der Abweichung eines der beiden Hörgeräte zwar nicht überschritten ist, aber die jeweiligen Antennen aufgrund einer (bspw. entgegengesetzten) Verschiebung beider Hörgeräte zueinander dennoch nicht mehr bestimmungsgemäß aufeinander ausgerichtet sind.
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Das vorstehen beschriebene Verfahren wird zweckmäßigerweise automatisch durchgeführt. Im Hinblick auf die Nachführung der Richtwirkung wird das Verfahren – zumindest für den Zeitraum, in dem eine Richtwirkung erzeugt wird – zweckmäßigerweise fortlaufend durchgeführt. Im Hinblick auf die Überprüfung der Soll-Trageposition (der Ausrichtung) der beiden binauralen Hörgeräte wird das entsprechende Verfahren vorzugsweise nach dem Anlegen der Hörgeräte, insbesondere nach dem Anschalten und/oder in regelmäßigen Intervallen und/oder auf eine Eingabe des Hörgeräteträgers hin durchgeführt.
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Das erfindungsgemäße Hörgerätesystem umfasst das erste Mikrofon sowie das zweite Mikrofon. Des Weiteren umfasst das Hörgerätesystem den Lagesensor zur Detektion einer Lageänderung des Hörgerätesystems im Raum sowie eine (auch als Signalprozessor bezeichnete) Signalverarbeitungseinheit, die (schaltungs- oder programmtechnisch) dazu eingerichtet ist, das Verfahren der vorstehend beschriebenen Art durchzuführen. Mit anderen Worten ist die Signalverarbeitungseinheit dazu eingerichtet, mittels des ersten Mikrofons und des zweiten Mikrofons eine Richtwirkung zu erzeugen und diese auf eine Schallquelle auszurichten. Des Weiteren ist die Signalverarbeitungseinheit dazu eingerichtet, die Ausrichtung der Richtwirkung in Abhängigkeit von der mittels des Lagesensors erfassten Lageänderung der Schallquelle nachzuführen, d. h. auf diese ausgerichtet zu halten.
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In bevorzugter Ausgestaltung ist die Signalverarbeitungseinheit (der Signalprozessor) zumindest im Kern durch einen Mikrocontroller mit einem Prozessor und einem Datenspeicher gebildet, in dem die Funktionalität zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens in Form einer Betriebssoftware (Firmware) programmtechnisch implementiert ist, so dass das Verfahren bei Ausführung der Betriebssoftware in dem Mikrocontroller – gegebenenfalls in Interaktion mit dem Hörgeräteträger – automatisch durchgeführt wird. Alternativ ist die Signalverarbeitungseinheit durch ein nicht-programmierbares elektronisches Bauteil, z.B. einen ASIC, gebildet, in dem die Funktionalität zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens mit schaltungstechnischen Mitteln implementiert ist.
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In einer zweckmäßigen Ausführung umfasst das Hörgerätesystem insbesondere das monaurale Hörgerät (vorzugsweise Hörhilfegerät), das das erste und das zweite Mikrofon sowie den Lagesensor umfasst. Vorzugsweise umfasst dieses Hörgerät auch die vorstehend beschriebene Signalverarbeitungseinheit. In diesem Fall handelt es sich bei dem erfindungsgemäßen Hörgerätesystem um das monaurale Hörgerätesystem.
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In einer alternativen zweckmäßigen Ausführung handelt es sich bei dem Hörgerätesystem um das binaurale Hörgerätesystem. Das heißt, dass das Hörgerätesystem das erste binaurale Hörgerät mit dem (diesem zugeordneten) ersten Mikrofon sowie das zweite binaurale Hörgerät mit dem (diesem zugeordneten) zweiten Mikrofon umfasst.
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Im Fall des binauralen Hörgerätesystems umfassen in einer bevorzugten Ausführung sowohl das erste Hörgerät als auch das zweite Hörgerät jeweils einen Lagesensor der vorstehend beschriebenen Art.
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Ebenso umfassen zweckmäßigerweise sowohl das erste als auch das zweite binaurale Hörgerät jeweils eine („eigene“) Signalverarbeitungseinheit.
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In einer weiteren zweckmäßigen Ausführung, die auch als eigenständige Erfindung angesehen wird, umfasst das erste binaurale Hörgerät sowie das zweite binaurale Hörgerät jeweils eine (Richt-)Antenne zur binauralen Datenübertragung (d.h. zur Kommunikation untereinander). Die Signalverarbeitungseinheit ist in diesem Fall dazu eingerichtet, mittels des jeweiligen Lagesensors für jedes der beiden Hörgeräte eine Abweichung der jeweiligen Ist-Trageposition von der vorgegebenen Soll-Trageposition am Körper (bzw. am Kopf) des Hörgeräteträgers zu erfassen. Die Signalverarbeitungseinheit ist des Weiteren dazu eingerichtet, die jeweilige Abweichung mit dem (ggf. für das jeweilige Hörgerät separat vorgegebenen) Grenzwert zu vergleichen und bei Überschreitung des Grenzwerts das vorstehend beschriebene Warnsignal an den Hörgeräteträger auszugeben. Mit anderen Worten ist die jeweilige Signalverarbeitungseinheit in diesem Fall zweckmäßigerweise dazu eingerichtet, (insbesondere zusätzlich zur Nachführung der Richtwirkung) das vorstehend beschriebene Verfahren zur Überprüfung der Soll-Tragposition des jeweiligen Hörgeräts durchzuführen.
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In einer bevorzugten Ausführung handelt es sich bei dem oder dem jeweiligen Lagesensor um den Drehratensensor der vorstehend beschriebenen Art. Alternativ handelt es sich bei dem Lagesensor um einen Beschleunigungssensor oder um eine inertiale Messeinheit, in die die Funktionalität des Drehratensensors und des Beschleunigungssensors integriert ist.
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In einer weiteren zweckmäßigen Ausführung ist der (jeweilige) Drehratensensor dazu eingerichtet, die Ist-Trageposition stets (d. h. insbesondere auch über einen Abschaltzustand des Hörgerätesystems hinweg) relativ zu der als Referenz hinterlegten Soll-Trageposition zu bestimmen.
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In einer weiteren zweckmäßigen Ausführung weist der oder der jeweilige Lagesensor eine fortlaufend mit Energie versorgte Speichereinheit zur Hinterlegung der Soll-Trageposition auf. Unter „fortlaufend“ wird in diesem Fall verstanden, dass der Lagesensor bzw. dessen Speichereinheit vorzugsweise unabhängig von den sonstigen elektronischen Komponenten des Hörgeräts durchgängig mit Energie versorgt wird. Mit anderen Worten wird die Speichereinheit des Lagesensors auch bei abgeschaltetem Hörgerät mit Energie versorgt, sodass der Lagesensor die Ist-Trageposition relativ zu der hinterlegten Soll-Trageposition ermitteln kann. Somit ist der Lagesensor, insbesondere der Drehratensensor dazu eingerichtet, die Ist-Trageposition auch nach einem zwischenzeitlichen Abschalten des Hörgerätesystems relativ zu der Soll-Trageposition zu bestimmen.
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In einer alternativen Ausführung handelt es sich bei dem oder dem jeweiligen Lagesensor um einen Magnetfeldsensor der vorstehend beschriebenen Art.
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Der Lagesensor bzw. die als Lagesensor jeweils optional eingesetzten Sensoren sind in einer zweckmäßigen Ausführung vorzugsweise in MEMS-Bauweise ausgebildet, sodass nur ein geringer Bauraumbedarf besteht.
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Nachfolgend werden Ausführungsbeispiele der Erfindung anhand einer Zeichnung näher erläutert. Darin zeigen:
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1 in einer schematischen Darstellung ein Hörgerätesystem als monaurales Hörgerätesystem,
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2 in Ansicht gemäß 1 das Hörgerätesystem in einem alternativen Ausführungsbeispiel als binaurales Hörgerätesystems,
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3 in einem schematischen Blockschaltbild ein Verfahren zum Betrieb des Hörgerätesystems gemäß 1 oder 2,
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4 und 5 in schematischer Draufsicht einen Hörgeräteträger mit dem Hörgerätesystem gemäß 1 oder 2 im Betrieb, und
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6 das Hörgerätesystem gemäß 2 im Betrieb unter Ausführung eines weiteren Ausführungsbeispiels des Verfahrens nach 3.
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Einander entsprechende Teile und Größen sind in allen Figuren stets mit gleichen Bezugszeichen versehen.
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In 1 ist ein Hörgerätesystem 1 dargestellt, das durch ein monaurales Hörgerät 2, konkret ein Hörhilfegerät, gebildet ist. Das Hörgerät 2 umfasst zur Erfassung von Tonsignalen („Geräuschen“) aus der Umgebung des Hörgeräts 2 ein erstes Mikrofon 3 und ein zweites Mikrofon 4. Die beiden Mikrofone 3 und 4 sind signalausgangsseitig auf eine Signalverarbeitungseinheit 5 des Hörgeräts 2 aufgeschaltet. Die Signalverarbeitungseinheit 5 ist dazu eingerichtet, die von den beiden Mikrofonen 3 und 4 auf den Empfang der Tonsignale hin jeweils ausgegebenen Mikrofonsignale zur Erzeugung einer Richtwirkung miteinander zu mischen, Störanteile zu filtern sowie Nutzanteile zu verstärken und das daraus resultierende Ausgangssignal an einen Lautsprecher 6 des Hörgeräts 2 zur akustischen Signalausgabe an ein Ohr eines Hörgeräteträgers weiterzugeben. Zur Energieversorgung umfasst das Hörgerät 2 eine Batterie 7. Des Weiteren umfasst das Hörgerät 2 einen (auch als gyroskopischen Sensor bezeichneten) Drehratensensor 8, der als Lagesensor dient und dazu eingerichtet ist, eine Verdrehung des Hörgerätes 2 um eine der drei durch ein (hörgerätespezifisches) Koordinatensystem 9 angedeuteten Raumachsen x, y oder z zu erfassen. Der Drehratensensor 8 ist signalausgangsseitig ebenfalls mit der Signalverarbeitungseinheit 5 verschaltet.
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Ein alternatives Ausführungsbeispiel des Hörgerätesystems 1 ist in 2 dargestellt. In diesem Fall umfasst das Hörgerätesystem 1 zwei binaurale Hörgeräte 20, von denen eines das erste Mikrofon 3 und das jeweils andere das zweite Mikrofon 4 umfasst. Die beiden binauralen Hörgeräte 20 umfassen außerdem jeweils eine als Antenne dienende Sende- und Empfangsspule (kurz: Spule 22), mittels derer im Betrieb des Hörgerätesystems 1 Daten, die zur binauralen Signalverarbeitung der durch das erste Mikrofon 3 und das zweite Mikrofon 4 empfangenen Tonsignale erforderlich sind, ausgetauscht werden. Die beiden Spulen 22 sind dabei als eine Art Richtantenne ausgebildet, sodass die binauralen Daten nur innerhalb eines vergleichsweise schmalen „Richtfunkkanals“ 24 – angedeutet durch einen strichlinierten Doppelpfeil – zwischen den beiden Hörgeräten 20 übertragen werden können. Außerdem umfasst jedes der beiden Hörgeräte 20 jeweils einen Drehratensensor 8.
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Die Signalverarbeitungseinheit 5 des Hörgerätesystems 1 (d.h. die Signalverarbeitungseinheit 5 sowohl des monauralen Hörgeräts 1 als auch im Fall des binauralen Hörgerätesystems 1 gemäß 2 beide Signalverarbeitungseinheiten 5) ist im Betrieb des Hörgerätesystems 1 zur Durchführung eines anhand von 3 näher erläuterten Verfahrens eingerichtet. Auf den Empfang eines Geräuschs der beiden Mikrofone 3 und 4 analysiert die Signalverarbeitungseinheit 5 in einem Verfahrensschritt 30 die erfassten Tonsignale auf die Anwesenheit einer Schallquelle 32 (vgl. 4 und 5), die sich in der Umgebung eines das Hörgerätesystem 1 tragenden Hörgeräteträgers (in 4 und 5 durch einen Kopf 34 angedeutet) befindet und die für den Hörgeräteträger erwünschte Tonsignale (angedeutet durch Schallwellen 35) ausgibt. Bei der Schallquelle 32 handelt es sich somit – je nach Situation – um einen Gesprächspartner, dessen Stimme (Sprache) als erwünschte Tonsignale aufgefasst wird, oder beispielsweise auch um einen Lautsprecher, der als erwünschte Tonsignale Musik ausgibt.
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Um die Verständlichkeit der von der Schallquelle 32 ausgegebenen, erwünschten Tonsignale für den Hörgeräteträger zu verbessern, ermittelt die Signalverarbeitungseinheit 5 unter Ausnutzung von (mathematischen) Signalverarbeitungsalgorithmen, aus welcher Raumrichtung die erwünschten Tonsignale (die Schallwellen 35) auf die Mikrofone 3 und 4 treffen und somit in welcher Richtung sich die Schallquelle 32 in Bezug auf das Hörgerätesystem 1 und auf den Hörgeräteträger befindet. Anschließend erzeugt die Signalverarbeitungseinheit 5 für alle mittels der beiden Mikrofone 3 und 4 erfassten Tonsignale eine Richtwirkung, konkret einen etwa konus- oder kegelförmigen Richtfokus 36 (in 4 und 5 durch gestrichelte Linien angedeutet) und richtet diesen auf die Position der Schallquelle 32 – d.h. in die Richtung, aus der die Schallwellen 35 der Schallquelle 32 auf die Mikrofone 3 und 4 treffen – aus (vgl. 4). Von außerhalb des Richtfokus 36 auf die Mikrofone 3 und 4 treffende Tonsignale unterliegen damit bereits einer Dämpfung (oder sind gegebenenfalls vollständig ausgeblendet).
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In einem zweiten Verfahrensschritt 40 ermittelt die Signalverarbeitungseinheit 5 mittels des Lagesensors 8, ob sich der Hörgeräteträger, konkret der Kopf 34 des Hörgeräteträgers, bewegt. Das heißt, dass die Signalverarbeitungseinheit 5 ermittelt, ob eine Lageänderung des Kopfs 34 und somit des Hörgerätesystems 1 bezüglich ihrer ursprünglichen Lage vorliegt. Eine zu einer solchen Lageänderung führende Bewegung des Kopfs 34 ist in 5 angedeutet, in der der Hörgeräteträger ausgehend von seiner Blickrichtung gemäß 4 – bei unbewegter Schallquelle 32 – seine Blickrichtung auf die Schallquelle 32 ausrichtet. Der Drehratensensor 8 gibt eine derartige Blickrichtungsänderung (d.h. ein Schwenken des Kopfs 34) in Echtzeit als Winkeländerung bezüglich der ursprünglichen (in 4 dargestellten) Ausrichtung des Kopfs 34 wieder.
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Diese Winkeländerung nutzt die Signalverarbeitungseinheit 5 in einem weiteren Verfahrensschritt 50, um den Richtfokus 36 der Schallquelle 32 nachzuführen, d.h. den Richtfokus 36 trotz der in 5 dargestellten Kopfbewegung konstant auf die Schallquelle 32 ausgerichtet zu halten. Die Signalverarbeitungseinheit 5 nutzt somit die von dem Drehratensensor 8 gelieferte Winkeländerung als Regelgröße, um den Richtfokus 36, konkret dessen Ausrichtung, auf ein festes „Ziel“, nämlich die Schallquelle 32, zu regeln.
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In einem weiteren Ausführungsbeispiel des Hörgerätesystems 1, dargestellt in 6, sind die Drehratensensoren 8 der beiden binauralen Hörgeräte 20 dazu eingerichtet, auch eine Lageänderung des jeweiligen Hörgeräts 20 in Bezug auf eine Soll-Trageposition zu erfassen. Die Soll-Trageposition ist dabei als Referenz in dem jeweiligen Drehratensensor 8 hinterlegt. Die Soll-Trageposition spiegelt damit eine Position des jeweiligen Hörgeräts 20 am Kopf 34 des Hörgeräteträgers wieder, in der von der jeweiligen Spule 22 ausgegebene Kommunikationssignale 38 auf das jeweils andere Hörgerät 20, konkret die jeweils andere Spule 22, gerichtet sind und somit von dieser empfangen werden können. Im Betrieb des Hörgerätesystems 1, konkret nach dem Anschalten des Hörgerätesystems 1, überprüft der jeweilige Drehratensensor 8, ob die tatsächliche Ist-Trageposition der Soll-Trageposition entspricht. Weicht die Ist-Trageposition dabei um mehr als einen vorgegebenen Grenzwert von der Soll-Trageposition ab, so dass – wie in 6 dargestellt – eines der beiden Hörgeräte 20 das Kommunikationssignal 38 des jeweils anderen Hörgeräts 20 nicht empfangen kann, gibt die Sendeeinheit 5 ein akustisches Warnsignal an den Hörgeräteträger aus. Dieses Warnsignal enthält die Anweisung, dass jeweils nicht bestimmungsgemäß getragene Hörgerät 20 neu auszurichten.
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Der Gegenstand der Erfindung ist nicht auf die vorstehend beschriebenen Ausführungsbeispiele beschränkt. Vielmehr können weitere Ausführungsformen der Erfindung von dem Fachmann aus der vorstehenden Beschreibung abgeleitet werden. Insbesondere können die anhand der verschiedenen Ausführungsbeispiele beschriebenen Einzelmerkmale der Erfindung und deren Ausgestaltungsvarianten auch in anderer Weise miteinander kombiniert werden.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Hörgerätesystem
- 2
- Hörgerät
- 3
- Mikrofon
- 4
- Mikrofon
- 5
- Signalverarbeitungseinheit
- 6
- Lautsprecher
- 7
- Batterie
- 8
- Drehratensensor
- 9
- Koordinatensystem
- 20
- Hörgerät
- 22
- Spule
- 24
- Richtfunkkanal
- 30
- Verfahrensschritt
- 32
- Schallquelle
- 34
- Kopf
- 35
- Schallwelle
- 36
- Richtfokus
- 38
- Kommunikationssignal
- x, y, z
- Raumachse