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Die Erfindung betrifft eine anziehbare, sich anpassbare und steuerbare Vorrichtung zur Vermeidung muskuloskeletaler Überlastungsschäden, bspw. bei Pflegekräften oder Mitarbeitern des produzierenden Gewerbes.
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Stand der Technik
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Zahlreiche Anmeldungen beinhalten Exoskelette, die aus starren oder weichen Strukturen aufgebaut werden. Diese Systeme werden insbesondere zur Kraftverstärkung, und das in unterschiedlichen Anwendungskontexten wie der Raumfahrt, verwendet. Damit lassen sich unterschiedliche Körperteile, z. B. den Arm oder den kompletten Körper unterstützen.
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In
EP 1364755 B1 sowie
US 2003/0223844 A1 wird ein Exoskelett für einen Arm insbesondere für Anwendung in der Raumfahrt beschrieben. Dies ist dazu bestimmt für Bewegungen der menschlichen Armgelenke Daten mit Hilfe von Messwertgebern zu erfassen und/oder Kraftmomente mit Hilfe von in den Gelenken angeordneten Aktivierungseinheiten aufzubringen. Hiermit entsteht eine direkte, parallele Gelenkkette, zunächst für Arme des menschlichen Körpers gedacht; d. h. die menschlichen Freiheitsgrade werden möglichst exakt durch das technische System nachgebaut, in diesem Fall durch ein System mit 16 Freiheitsgraden. Diese Gelenkkette ist mit dem Brustkorb des menschlichen Körpers über eine getragene Stützvorrichtung mit starren Platten verbunden. Eine Steuerung erfolgt über flexible Bänder.
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Das beschriebene Exoskelett für einen Arm eines menschlichen Körpers wird zur Fernsteuerung eines humanoiden Roboters für Einsätze außerhalb von Raumstationen eingesetzt. Die Steuerung erfolgt durch den Nutzer.
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Die beschriebene Vorrichtung dient somit einerseits zur Erfassung von Bewegungsdaten eines Armes des menschlichen Körpers. Andererseits werden Rückkopplungsdaten ausgeworfen, die eine tatsächliche Bewegung der Vorrichtung bewirken – Verstärkung der Kraft des Armes des menschlichen Körpers.
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WO 2011/127421 A1 beschreibt eine ähnliche Vorrichtung, ein konfigurierbares Exoskelett mit einer Rumpfvorrichtung, welches mit Beinstützen in Höhe des Hüftgelenkes verbunden ist, welches eine Beugung und eine Streckung um die jeweilige Hüftachse ermöglichen soll. Als Hilfsmasse zur Realisierung der Lasthandhabung ist ein Gegengewicht auf Hinterseite des Exoskeletts-Rumpfes vorgesehen. Die Hilfsmasse ist über Gurte, Seile oder dergleichen mit dem sogenannten Endeffektor, der mit Sensoren ausgestattet ist, verbunden, über den die Nutzlast an den Gurten, Seilen oder dergleichen befestigt wird. Die Sensoren eignen sich zur Messung der von der Nutzlast ausgeübten Kraft. Eine Steuerung der motorbetriebenen Mechanismen erfolgt über die Messdaten der integrierten Sensoren (Wechselwirkungssensoren) an der Mensch-Maschine-Schnittstelle.
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In
WO 002014151065 A2 wird ein Exoskelett mit steifen und flexiblen Elementen beschrieben welches hauptsächlich über „twisted string” Aktuatoren zu einer Vergrößerung der nach außen gerichteten Körperkräfte, zur Erlangung höherer Reaktionskräfte als dem Träger des Systems innewohnen, führen soll. Exemplarisch werden hierbei flexible Zuggurtsysteme beispielsweise für die Achillessehne vorgestellt, die ihrerseits aber wiederrum an hartschaligen Aufnahmeträgern befestigt sind. Das System umfasst dahingehend eine Sensorik, als dass beispielsweise Gelenkwinkel über Goniometer etc. erfasst werden und die Aktuatorik des Systems über die Sensorik des Systems zumindest teilweise geschaltet werden kann. Die Aktuatorik wird über den Einsatz von elektrischer Energie, in diesem Falle Batterien, die vom Träger des Systems mitgetragen werden müssen.
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Bei den bekannten starren und flexiblen Exoskeletten ist der Nutzer in den Bewegungen grundsätzlich frei, wobei die Freiheit durch die Freiheitsgrade des technischen Systems maßgeblich bestimmt wird. Ausgelegt sind sie für das gesteuerte Verstärken von Kräften für unterschiedliche Körperteile bis hin zum kompletten Körper.
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Darstellung der Erfindung: Aufgabe, Lösung, Vorteile
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Die Erfindung hat die Aufgabe sensible Körperteile wie den Rücken des menschlichen Körpers durch eine gezielte Kraftumleitung vor einer Überlastung zu schützen, und hat nicht wie Exoskelette das primäre Ziel die Kraft zu verstärken.
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Diese Aufgabe wird durch eine flexible, an die jeweiligen Körperabmessungen und zu erwartenden Belastungen adaptierbare und steuerbare oder programmierbare Vorrichtung, zur Kraftumleitung an zumindest einem Körperteil einer Person, realisiert. Diese Vorrichtung ist in das Kleidungsstück des Nutzers integrierbar, und muss der menschlichen Anthropometrie nicht unbedingt in Gänze nachempfunden werden, sondern kann dieser aufgrund der Gestalt der Vorrichtung auch komplett unähnlich sein.
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Dabei ist im Zusammenhang der vorliegenden Erfindung unter der Vorrichtung ein technisches System mit unterschiedlichen Systemelementen wie Facettenelementen (mögliche weitere Bezeichnungen Facette und Facettenglieder), Verbindungselementen, Sensoren und Aktuatoren zu verstehen. Facettenelemente werden im Kontext dieser Anmeldung als Bausteine definiert, die entweder einzeln oder im seriellen, parallelen oder schichtweisen Verbund miteinander gekoppelt werden. Ein Facettenelement kann in diesem Kontext die Verbindungselemente zu weiteren Facettenelementen bereits in sich integrieren als auch über eine Schnittstelle an ein Verbindungselement gekoppelt werden. Die Form der Facette bzw. des Facettenglieds bzw. des Facettenelements sowie der Aufbau ist variabel und an die Erfordernisse des Einsatzzweckes anpassbar. Konkret handelt es sich bei einer Facette um ein Element mit definierter Form, z. B. Rechteck oder Viereck oder Viereck, und unterschiedlicher Dicke. Darüber hinaus wird eine Facette durch eine Dimension/Abmessung charakterisiert, die nicht zwingend nur klein oder groß ist. Die Vorrichtung dieser Erfindung ist zumindest mit einem Körperteil des Trägers direkt gekoppelt und wirkt direkt zusammen. Die Kopplung erfolgt dabei bevorzugt mechanisch, indem z. B. die Vorrichtung in die menschliche Kleidung integriert ist und diese mit mindestens einem bestimmten Teil des menschlichen Körpers direkt und anliegend verbunden ist, oder sie dem Träger angeschnallt wird. Dabei kann die Vorrichtung mindestens eine Tätigkeit des Menschen, vornehmlich Hebe- und Handhabungsaufgaben, unmittelbar unterstützen, indem sie eine Kraftumleitung um besonders stark belastete Bereiche des menschlichen Körpers realisiert. Somit dient es zur Kraftaufnahme, Kraftumleitung und Krafteinleitung – und kann als Art Stützeinrichtung gesehen werden, bspw. für den Rücken eines Menschen oder eine Extremität.
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Die Vorrichtung kann bei unterschiedlichen Bewegungsformen des Systemträgers unterstützen und soll Fehlbelastungen, beispielsweise des menschlichen Rückens, bei z. B. gebeugtem Heben oder Heben mit Verwringung des Oberkörpers (Torsion) von schweren Lasten vermeiden. Dennoch soll die Vorrichtung nicht die gesamte Arbeit des Trägers übernehmen oder ihn komplett entlasten. Nur für den Fall einer Überlastung mit negativen Effekten auf die Gesundheit (vorzeitiger Gelenkverschleiß, etc.) soll das System die Überlast für den Träger um den Betrag reduzieren, um wieder auf ein physiologisch verträgliches Maß der Belastung zu kommen. Ziel des Systems ist daher eine gesteuerte Reduktion von Überlast für den Träger, und nicht eine komplette Entlastung. Die physiologisch vertretbare Belastung des Trägers ist aufgrund der positiven Effekte auf des Trägers Gesundheit explizit erwünscht.
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Prinzipiell schränkt die Vorrichtung menschliche Bewegungen nur im aktiven Zustand der Überlastung ein. Im Fall einer Überlastung würde sie eben diese durch eine parallel zur belasteten Region des Menschen angeordnete, steuerbare technische Struktur stützen und stabilisieren sowie an dieser Stelle die Kraft umleiten. Die Steuerung der Vorrichtung kann hierbei entweder manuell oder automatisiert gesteuert erfolgen. Im ersten Fall durch Aktionstasten (Zustimmtasten) des Nutzers, die entsprechend Facettenelemente Verbindungselemente oder Kraftpfade einzeln, kombiniert, oder zeitgleich im Verbund aktivieren und somit den Zustand ändern. Im zweiten Fall werden die Daten der integrierten Sensoren herangezogen, um darüber die Belastung einzelner Körperbereiche abzuleiten und entsprechend die Vorrichtung steuern. Der Aufbau der Vorrichtung soll hierbei angepasst an den Systemträger und die durchzuführende Aufgabe erfolgen.
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Dabei ist im Gegensatz zu den eingangs beschriebenen, bekannten Exoskeletten ein besonderer Kern der vorliegenden Erfindung darin zu sehen, dass die Vorrichtung nicht aktiv in die Bewegungen eingreift und dadurch die Kraft des Nutzers verstärkt, sondern diese nur bei Überlastung einschränkt und so die auftretenden Kräfte umleiten. Beispiele hierfür wären unter anderem bei manuellen Lastenhandhabungen, wie dem Herausheben eines Reifens aus einem Reifenregal. Hierbei würde das System erst dann in die Lastenhandhabungen eingreifen, wenn der Träger entweder das System aktiv startet, da er um die Überlast des Reifengewichts weiß, oder aber wenn das System so ausgestaltet ist, dass es die Überlast automatisch detektiert. In beiden Fällen würde das System nicht die Kraft des Trägers vergrößern, sondern die zu bewältigende Gewichtskraft des Gegenstandes für den Träger darüber minimieren, dass die Gewichtskraft des Gegenstandes teilweise über das System bzw. die Vorrichtung aufgenommen und über die knöcherne Struktur des Trägers in den Boden abgeleitet werden kann. In diesem Falle sind die muskulären Kräfte, die der Träger aufbringen muss um seine Gelenkstellungen beim Hebevorgang unter Last aktiv zu steuern um den Betrag der Entlastung durch die Vorrichtung minimiert, wodurch Überlastungseffekte vermieden werden. Für den Fall einer repetitiven Handlungskette immer wiederkehrender Arbeitsvorgänge, beispielsweise dem Heben von Paketen von einem Laufband in ein Regal, wie es in bspw. Logistikunternehmen der Fall ist, kann das System über die Detektion der Fallzahlen eine Reduktion der Belastung des Trägers intelligent steuern. In der Weise, dass eine Entlastung in Abhängigkeit der Handlungslänge und -dauer dynamisch angepasst wird, um Überlastungen, die nicht durch die Höhe der Einzelgewichte, jedoch durch die Länge und oder Dauer der Lastenhandhabungen geprägt sind, zu vermeiden.
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Die Vorrichtung kann je nach Gestaltung aus unterschiedlichen Elementen, in jeweils unterschiedlicher Anzahl, bestehen. Die Konfiguration, d. h. der Zusammenbau der Elemente zu einer Vorrichtung, und die Auswahl der Elemente erfolgt in Abhängigkeit zu den Anforderungen, die durch den Systemnutzer und die Aufgabe maßgeblich bestimmt werden. Die Vorrichtung kann z. B. in ein Kleidungsstück integriert werden, als Art Rucksack genutzt werden, oder anderweitig an den Körper des Menschen angebracht werden. Die Vorrichtung kann Körperteile vor Überlastung schützen, indem sie die auf die menschlichen Körperstellen lastenden Kräfte umleitet. Z. B. kann die Vorrichtung am Rücken von Pflegekräfte angebracht sein, um diesen bei dem Transfer von Patienten gegen Überlast zu schützen. Die Vorrichtung besteht aus zumindest einem Facettenelement, welches quasi die Mensch-Technik-Schnittstelle darstellt (kann auch als Protektorelement bezeichnet werden), die unterschiedliche Formen (z. B. rund und quadratisch) und unterschiedliche Beschaffenheit (z. B. weich aus Schaumstoff oder hart aus Kunststoff) besitzen kann. Die Facettenelemente können passiv, d. h. sie besitzen z. B. genau eine Form und Festigkeit, oder aktiv, d. h. z. B. die Form und Steifigkeit ist während des Einsatzes änderbar, gestaltet sein. Z. B. können aktive Facettenelemente luftdichte Kammersysteme sein, die im Inneren Elemente beinhalten, die beim evakuieren dieser Kammer durch eine erhöhte Reibung die Festigkeit der Kammern (je nach Material zumindest Zugkraft und/oder Druckkraft und/oder Torsion und/oder Biegung) erhöhen. Das Steuern der Facettenelemente wird nachfolgend in einem der nächsten Absätze näher beschrieben.
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Insofern die Vorrichtung aus mehreren Facettenelementen besteht, die einlagig oder mehrlagig sowie seriell und/oder parallel angeordnet sein können, sind Schnittstellen zwischen eben diesen erforderlich. Entweder können die Facettenelemente direkt mit den benachbarten Schnittstellen gekoppelt werden, oder sie werden durch Verbindungselemente miteinander gekoppelt. Diese können wie die Facettenelemente passiv oder aktiv gestaltet sein. Im Fall einer aktiven Vorrichtung können entsprechende Systeme mit Sensoren ausgestattet sein, die direkt oder indirekt eingesetzt werden, um die Belastung während der manuellen Tätigkeiten bestimmen zu können, z. B. EMG-Sensoren, Wegaufnehmer, Gyroskop, Beschleunigungssensoren, Magnetfeldsensoren, Goniometer, Herzfrequenzmesser, Potentiometer oder Kraftsensoren, die die Last am Endeffektor, sprich zwischen Hand des Menschen und der zu handhabenden Artefakte aufnimmt. Das System erkennt die Körperhaltung mit Hilfe der integrierten Sensorik. Mit Hilfe dieser Elemente wird in der Steuereinheit das Gefährdungspotential ermittelt. Durch Detektion der Belastung (in Echtzeit oder nahezu Echtzeit) während z. B. der Handhabung von (mittelschweren und schweren) Lasten und der Versorgung des Nutzers/Trägers durch einen passiven oder aktiven Schutz vor passiven oder aktiven Überlastung, und dies stets in Abhängigkeit zum Belastungsfall.
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Bei aktiven Vorrichtungen kann die Einheit aus Facettenelementen, Verbindungselementen und Facettenelementen durch eine Aktuatorik und/oder Bremssystem ausgestattet sein, um die relative Anordnung auf den Belastungsfall anzupassen. Z. B. kann ein Bremssystem eine Vergrößerung des Abstandes zwischen zwei oder mehr Facettenelementen aktiv in Abhängigkeit der Belastung bremsen und somit zu einer Kraftumleitung führen. Weitere Möglichkeiten ergeben sich bei der Integration einer Aktuatorik, die je nach Verbindungselement die Abstände in Abhängigkeit zur Belastung den Abstand zwischen Facettenelementen aktiv sowohl verkleinern, als auch vergrößern kann.
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Für die Steuerung wenigstens eines aktiven Elements der Vorrichtung wie Facettenelement oder Verbindungselement gibt es verschiedene Möglichkeiten. Möglichkeit Eins sieht eine Aktionstaste (Zustimmtaste) vor, die durch den Nutzer manuell gesteuert wird. Möglichkeit Zwei sieht die Verwendung der Messdaten der Sensoren vor, auf deren Basis die Belastung berechnet wird, und diese Ergebnisse wiederum zur Steuerung genutzt werden. Beide Möglichkeiten können für jedes aktive Element einzeln oder kombiniert oder nach vorgegebener Reihenfolge oder Belastungsfall erfolgen. Eine definierte Reihenfolge bedeutet, dass eine Sequenz von Aktivierungs- oder Deaktivierungsaufgaben, zeitlich und räumlich koordiniert, angewendet wird.
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Die Vorrichtung kann vor allem zur Unterstützung von Menschen eingesetzt werden, die ergonomisch ungünstige oder aber repetitive bzw. über einen längeren Zeitraum zu erfüllende Aufgaben ausführen müssen. Darüber hinaus ist der Einsatz zur Stabilisierung von zumindest Teilen elastischer oder nachgiebiger technischer Elemente oder technischer Gelenke oder die Unterstützung anderer Lebewesen mittelfristig vorgesehen.
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Durch die Erfindung wird somit eine Vorrichtung geschaffen, die zumindest einen Teil eines Körpers einer Person oder eines anderen Lebewesens oder eines technischen Systems (wie ein Industrieroboter) durch eine Kraftumleitung entlastet bzw. schont, und in Teilen auch stabilisiert.
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Für die Auslegung, Konstruktion und Konfiguration der Vorrichtung sind die kinematischen Gegebenheiten, d. h. insbesondere die Anatomie des relevanten Köperteils des Nutzers und die Aufgabe zu berücksichtigen. Hierbei ist vor allem an die Facettenelemente sowie die Verbindungselemente zu denken, die maßgeblich die Leistungsfähigkeit, in diesem Fall die Kraftumleitung, bestimmen. Diese Elemente können starr oder flexibel miteinander verbunden werden, so dass die Vorrichtung unterschiedlich viele Freiheitsgrade besitzen kann. Unterschiedlichste Gestaltungsmöglichkeiten sind aufgrund der modularen Architektur möglich.
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Unterschiedliche Ausprägungen der Vorrichtung sind möglich. Eine Ausprägung sieht die Unterstützung des menschlichen Rücken vor Überlastung dar, z. B. in Form einer Weste aus Facettenelementen, allgemein ein Kleidungsstück oder Rucksack. Zentral besteht dieses aus zumindest einer Form an Facettenelementen, ggfs. aber auch aus unterschiedlich geformten Facettenelementen, die entlang der Wirbelsäule in eine eng an dem Oberkörper anliegende Weste verbaut sind. Die Facettenelemente sind z. B. mit Zugverbindungselementen miteinander gekoppelt (d. h. Verbindungselement mit Aktuator um aktiv die relative Anordnung zu verändern). Die Steuerung erfolgt mit Hilfe von Messdaten, die die integrierten Sensoren liefern, z. B. EMG-Sensoren zur Messung der Muskelaktivität oder aber über einen vorprogrammierten Algorithmus.
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Die Facettenelemente erlauben eine Flexion und Extension der Wirbelsäule in physiologischen Bahnen. Aufgrund seiner Facettenelementen-Struktur ermöglicht es darüber hinaus die volle Beweglichkeit der Wirbelsäule in Flexion und Extension sowie Rotation und Lateralflexion. Damit bewegt sich das Kernstück der Vorrichtung parallel zur Wirbelsäule im Sinne einer Parallelkinematik, kann darüber hinaus jedoch auch andersartig gestaltet werden. Besonders hervorzuheben ist die Anpassbarkeit des Systems an die physiologische Doppel-S Form der Wirbelsäule, d. h. es wird kein starres System erzeugt, sondern ein Verbund aus Facettenelementen, welches Brustkyphose und Lendenlordose in Gestalt seiner Anordnung widerspiegelt. Alle Facettenelemente (Anzahl 2-n), die durchaus unterschiedlich gestaltet sein können, sind mit vertikalen und/oder horizontal angeordneten Verbindungselementen verbunden und können zudem auch mehrlagig gestaltet sein. Unterschiedliche Arten sind hierbei möglich, die auch in einem System kombiniert werden können. Hierzu zählt zum einen eine starre Verbindung, d. h. keine aktive Veränderung der Position oder des Zustands, dennoch ist es jedoch möglich, dass die Elemente elastisch sind. Beispiele hierfür sind Drähte oder Fäden, die unterschiedliche Eigenschaften und Profile besitzen können (dick vs. dünn, elastisch vs. starr, unterschiedliche Querschnitte um gezielt Steifigkeiten in gewisse Richtungen zu verringern oder zu erhöhen, z. B. Kreisquerschnitt, Quadratisch, T-Profil, U-Profil, Anzahl 1-n um gezielt Eigenschaften zu erreichen (z. B. zwei parallele geschaltete Zugsysteme, die jedoch unabhängig voneinander agieren können, d. h. eine Lateralflexion der Wirbelsäule führt zu einer unterschiedlichen Längenveränderung der Zugsysteme)). Zum anderen ist jedoch eine aktive, d. h. im Betrieb adaptierbare, Verbindung möglich. Dies wird im Folgenden als Zugsystem bezeichnet. Das Zugsystem ist in der Lage den Abstand zwischen den Facettenelementen in Abhängigkeit der Bedürfnisse des Systemträgers (Kleidungsstücks oder Rucksack) zu steuern, so dass Flexion und Extension des Trägers unterstützt bzw. ihr entgegengewirkt werden kann. Die Sollwertvorgabe wird entsprechend der Beanspruchung vorgegeben. Die Zustandserkennung erfolgt über eine integrierte Sensorik (z. B. EMG-Sensoren, Längenmessung des Zugsystems, etc.). Die Facettenelemente selbst können aus unterschiedlichen Materialien bestehen, z. B. Kunststoff. Das Material kann aufgrund der modularen Architektur und der Standardisierung individuell an die Aufgabe angepasst werden. Möglich und angedacht ist aber auch die Verwendung von flexiblen, weichen Ausgangsmaterialen, die sich bei Bedarf verhärten können. Diese können z. B. dergestalt aufgebaut sein, dass bei Nichtinanspruchnahme des Systems die weichen Facettenelementen die Bewegungen des Trägers nicht stören, sollten sie jedoch gebraucht werden, der Zustand von weich sofort oder schrittweise auf hart geändert werden kann.
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Eine weitere Ausprägung sieht vor, dass die Vorrichtung untere oder obere menschliche Extremitäten unterstützt, z. B. das menschliche Knie oder den Ellenbogen. Bei dieser Ausprägung werden die Facettenelemente entlang der Extremität, zumindest in einer Reihe seriell angeordnet, ausgerichtet und miteinander gekoppelt.
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Im Falle eines gelenkübergreifenden Systemaufbaus ist darüber hinaus ebenfalls die Möglichkeit des Einsatzes von stoßabsorbierenden Facettenelementen vorgesehen. Dies lässt sich insbesondere für das Knie und den Ellenbogen anschaulich darstellen. So bietet ein stoßabsorbierendes Facettenelement dort Schutz, wo die empfindlichen knöchernen Bereiche auf harte Oberflächen treffen. Als Beispiel dient hier der Verweis auf den Garten- und Landschaftsbau, wo häufig im Knien gearbeitet werden muss. Das vorliegende System bietet in diesem Anwendungsfeld den Vorteil, dass einerseits die muskuläre Belastung in Abhängigkeit von Arbeitslast- und Dauer minimiert werden kann, andererseits ein mechanischer Schutz der Patella (Kniescheibe) durch ein Protektorfacettenelement, welches über die Patella verläuft, gewährleistet ist.
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Zusammengefasst ist die erfindungsgemäße Vorrichtung mit einer oder mehreren Schnittstellen zwischen Vorrichtung und Nutzer, mit einer oder mehreren Facettenelementen, im Fall von mehreren Facettenelementen mit einer Möglichkeit zur Verbindung durch integrierte Schnittstellen oder Verbindungselemente, im aktiven Fall mit einer Sensoreinrichtung, Aktuatorik und Steuerungseinheit, ausgestattet. Diese Erfindung ermöglicht eine ergonomischere Ausführung manueller Tätigkeiten, und stellt somit auch einen Ansatz dar, um Personen nachhaltig in ihrem Arbeitsumfeld selbst bei nachlassender körperlicher Leistungsfähigkeit einsetzen zu können. Überlastung von beanspruchten Körperteilen des Systemnutzers können dadurch verringert werden. Das System kann sowohl in im beruflichen Sektor vor Überlastungen durch Hebe- und Tragevorgänge aus ungünstigen Körperpositionen schützen, aber auch im privaten Einsatz körperliche Schädigungen durch physiologische ungünstige Körperpositionen bei Hebe- und Tragevorgängen bspw. bei der Gartenarbeit oder im Heimwerkbereich vermeiden.
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Bei der vorliegenden Erfindung handelt es sich um ein tragbares und in menschliche Kleidung integrierbares System zur Vermeidung von Überlastungsschäden mit Hilfe weicher Strukturen. Die modulare Struktur und die u. a. weichen Facettenelemente ermöglichen es, die Struktur situativ z. B. an (individuelle) menschliche Körper als auch anwendungsbezogen anzupassen. Die Beweglichkeit des Nutzers, also die menschlichen Bewegung, wird durch das nicht aktive System in der Regel nicht beeinflusst bzw. eingeschränkt. Allein bei Fehl- oder Überbelastung wird das System einen Beitrag zur Vermeidung eben dieser durch eine gezielte Kraftumleitung leisten. Die modulare Architektur sowie die grundsätzliche Gestaltung und Struktur ermöglichen eine Skalierung der Elemente der Vorrichtung und eine individuelle Anpassung. Durch die weiche Struktur kann der Tragekomfort gesteigert werden.
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Kurze Beschreibung der Zeichnungen
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Ausführungsbeispiele der Erfindung sind in der Zeichnung dargestellt und werden im nachfolgenden näher beschrieben. Es zeigen:
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1 ein erstes Beispiel für eine erfindungsgemäße Vorrichtung, deren Zusammenwirken mit einer Person sowie zwischen den Facettenelementen grob schematisch skizziert sind,
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2 ein zweites Beispiel für eine erfindungsgemäße Vorrichtung, deren Zusammenwirken mit einer Person sowie zwischen den Facettenelementen grob schematisch skizziert sind,
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3 eine Skizze, die mögliche Prinzipien der Facettenelementanordnung der erfindungsgemäßen Vorrichtung gemäß 1 und 2 grob schematisch aufzeigt,
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4 eine vierte Skizze, die die Stellung der Facettenelemente für eine gerade Stellung und Lateralflexion grob aufzeigt, und
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5 eine fünfte Skizze mit einem groben schematischen Blockschaltbild einer möglichen Steuerung einer aktiven Vorrichtung.
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Bevorzugte Ausführungsform der Erfindung
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Ein bevorzugtes Einsatzgebiet der erfindungsgemäßen Vorrichtung ist die Unterstützung körperlich arbeitender Menschen im privaten und beruflichen Umfeld bei ergonomisch kritischen Aufgaben wie dem Umlagern von bewegungs- oder mobilitätseingeschränkten Menschen, dem Handhaben von Lasten oder Tätigkeiten in oder über Kopfhöhe. Dies sind durchweg Tätigkeiten, die heutzutage, als auch in Zukunft, bevorzugt durch den Menschen ausgeführt werden. Der Bedarf hierfür wird z. B. aufgrund des demografischen Wandels, der gestiegenen Anforderungen im Produktionsumfeld durch komplexere und individualisierter Produkte immer größer. Die erfindungsgemäße Vorrichtung kann dazu führen, dass diese Tätigkeiten aufgrund einer gezielten Entlastung und damit einhergehenden Reduktion von Überlastungsschäden über einen längeren Zeitraum als bisher durchgeführt werden können. Des Weiteren kann sie Tätigkeiten für Personengruppen erleichtern, die bislang für diese Belastungsgrößen nicht optimal ausgerüstet sind. Als gesellschaftlich extrem relevantes Beispiel sei hier die Laienpflege durch Angehörige genannt. So sind bspw. in der Regel bei Pflegebedarf des Ehemannes die Ehefrauen besonders körperlich belastet bzw. generell Frauen im häuslichen Pflegeeinsatz viel stärker als Männer involviert und somit trotz ihrer im Vergleich zu Männern geringeren körperlichen Ressourcen starken körperlichen Belastungen ausgesetzt. Somit hat es eine große gesellschaftliche Relevanz (nachhaltiger Einsatz der Ressource Mensch im privaten und beruflichen Umfeld). Die Lücke einer notwendigen Systemtechnik zur zielgerichteten Unterstützung kann damit minimiert werden ohne den Menschen durch ein technisches System zu ersetzen. Als Folge dessen kann die gesamte Volkswirtschaft gestärkt wird, da z. B. die Krankheitstage je Arbeitnehmer aufgrund der Vermeidung von Fehlbelastungen verringert werden können.
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Die vorliegende Erfindung unterstützt den Anwender durch weiche, parallel zu mindestens einem menschlichen Körperteil angeordnete, auf unterschiedlicher Weise steuerbare parallel und/oder seriell angeordnete Elemente, die in Summe eine Vorrichtung darstellen. Hierzu können auch Funktionen zur Regelung und Steuerung der Facettenelementen und Verbindungselementen sowie Aktuatorik gehören.
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Im nachfolgenden werden zwei Ausführungsbeispiele anhand zweier konkreter Anwendungsfälle der erfindungsgemäßen Vorrichtung dargestellt. Das erste Beispiel betrifft eine Pflegekraft, die bei einem Transfer von bewegungseingeschränkten Personen zu unterstützen ist. Das zweite Beispiel betrifft eine Vorrichtung für Montagetätigkeiten in oder über Kopfhöhe im produzierenden Gewerbe oder im Dienstleistungssektor.
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Bei der Pflege handelt es sich um einen sehr sensiblen Bereich. Die Erfindung soll vor allem die Pflegekraft vor Überlastungsschäden, z. B. im Rücken, verschonen. In 1 ist ein erstes Beispiel für eine erfindungsgemäße Vorrichtung 100 dargestellt, deren Zusammenwirken mit dem Nutzer sowie zwischen den Systemelementen grob schematisch skizziert ist. Die Vorrichtung 100 ist mit dem Rücken des Nutzers 101 gekoppelt, und umfasst in diesem Ausführungsbeispiel verschiedene Elemente, die in das Kleidungsstück 102 des Nutzers 101 integriert sind, wobei hierzu Facettenelemente 103, die entlang der menschlichen Wirbelsäule, die Teil des Rückens 110 ist, auf einer Fixationsplatte 104 angeordnet sind, Verbindungselemente 105, Aktuatoren 106, EMG-Sensoren 107, Wegmesssystem 108 und Steuerungseinheit 109. Die Facettenelemente 103 können unterschiedlich gestaltet sein, z. B. feste Kunststoffplatten mit vorgegebener Form, oder Kammersysteme mit integrierten Elementen wie ein längenveränderliches Lammellenelement, das durch das Evakuieren der Kammer eine festere Struktur aufweist. Die Facettenelemente 103 sind auf Fixationsplatten aufgebracht, und darüber hinaus mit den benachbarten Facettenelementen mit Hilfe von zumindest je einem Verbindungselement 105 verbunden, die wiederum mit je mindestens einem Aktuator 106 verbunden sind, um die relativen Abstände belastungsorientiert einstellen zu können. Hierfür werden zum einen die Messdaten der auf die menschliche Haut aufgeklebten EMG-Sensoren 107 und zum anderen die Daten des Wegmesssystems 108 herangezogen, die in der Steuereinheit 109 auf die Belastung einzelner Teilbereiche umgerechnet werden, um einzelnen Teilsystemen, d. h. einzelne Facettenelement-Verbindungselement-Facettenelement-Gruppen gezielt zu steuern.
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2, in der wie auch in den folgenden Figuren bereits beschriebene Elemente wieder mit denselben Bezugszeichen versehen sind, zeigt eine weitere grobe Skizze einer zweiten Anwendung der erfindungsgemäßen Vorrichtung 100 in einer anderen Konfiguration und Ausprägung. Dabei wird zumindest ein Arm (obere Extremität, bestehend aus dem Oberarm 111, dem Unterarm 112 und dem Ellenbogengelenk 113) des Nutzers 101 unterstützt, der direkt mit der Vorrichtung gekoppelt ist. Die Vorrichtung 100, die in das Kleidungsstück 102 des Nutzers 101 integriert ist, besteht in diesem Anwendungsbespiel aus Facettenelementen 103, extra Facettenelementen für das Gelenk 114, Verbindungselementen 105, Aktuatoren 106, EMG-Sensoren 107, Wegmesssystem 108 und Steuerungseinheit 109. Das Gelenkfacettenelement 114 hat eine spezielle auf das Gelenk ausgerichtete Form. Die Funktionsweise ist identisch zum ersten Beispiel.
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Doch es sind auch Vorrichtungen ohne Aktuatorik, also passiv mit fest eingestellten Abständen möglich, z. B. in Kombination mit schaltbaren Facettenelementen.
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Obgleich in den 1 und 2 nicht explizit wiedergeben, ist die dargestellte Vorrichtung 100 in der Anzahl der einzelnen Elemente variabel, in der Anordnung der Elemente, in der Wahl der Elemente, in der Größe der Elemente usw., anpassbar. Eine mögliche Veränderung ist beispielhaft, grob in 3 skizziert. Die Facettenelemente, in diesem Fall eine spezielle Form des Facettenelements 115, können auch mit mehreren Facettenelementen 103 miteinander verbunden sein, um dadurch den Grad der Lateralflexion gezielt einstellen zu können. Dies ist bspw. bei Tätigkeiten, die eine seitliche Lastenhandhabung fordern, ein Ansatz, um Überlastungsschäden zu verringern.
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Eine weitere Veränderung ist beispielhaft, grob in 4 anhand der Anordnung der Facettenelemente skizziert. Die Facettenelemente 103 können unterschiedlich angeordnet sein, was beispielhaft mit drei bzw. neun Facettenelementen 105, die einfach mit einem Verbindungslement 105 verbunden sind, visualisiert wird. Drei Ausprägungsmöglichkeiten sind in 4 dargestellt – eine serielle Anordnung (links), eine parallele Anordnung (mitte) und eine Matrix-Anordnung, d. h. sowohl seriell als auch parallel (rechts). Darüber hinaus (nicht dargestellt) ist eine mehrlagige Anordnung möglich.
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In 5 ist beispielhaft ein Möglichkeit für die Interaktion der Vorrichtungselemente skizziert. Hierbei wird davon ausgegangen, dass luftdichte Facettenelemente mit Füllelementen verwendet werden, die durch das Evakuieren versteift werden können, und im nicht evakuierten zustand flexibel genug sind, um sie an die Form des Trägers anzupassen. Der Nutzer ist mit den Facettenelementen gekoppelt. Verwendete Sensorik kann z. B. die Bewegung des Nutzers detektieren und die Muskelaktivität messtechnisch erfassen. Mit Hilfe der Sensordaten wird die Belastung berechnet. Die Belastungsfälle werden entkoppelt an die Steuerung der Facettenelemente und Verbindungssysteme übergeben. Je feiner eine Modellierung umgesetzt wird, desto genauer können auch einzelne Teilbereiche des menschlichen Körpers unterstützt werden. Obwohl die Werte entkoppelt an die Facettenelemente- und Verbindungssteuerung übergeben wird, wird zwischen diesen Einheiten kommuniziert. Die jeweilige Steuerung berechnet die Sollwerte für die Facettenelemente und Verbindungselemente. Entsprechend wird die Vakuumeinheit aktiviert oder deaktiviert bzw. die Aktuatoren verkürzen oder verlängern gezielt die Abstände mit Hilfe der Verbindungselemente, die mit den Facettenelementen gekoppelt sind.
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Bezugszeichenliste
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- 100
- Vorrichtung
- 101
- Systemnutzer
- 102
- Kleidungsstück des Nutzers 101
- 103
- Facettenelement
- 104
- Fixierplatte
- 105
- Verbindungselement
- 106
- Aktuator
- 107
- EMG-Sensor
- 108
- Wegmesssystem
- 109
- Steuerungseinheit
- 110
- Rücken des Nutzers der Vorrichtung
- 111
- Oberarm des Nutzers der Vorrichtung
- 112
- Unterarm des Nutzers der Vorrichtung
- 113
- Ellenbogen des Nutzers der Vorrichtung
- 114
- Facettenelement mit spezieller Ausführung für Gelenke
- 115
- spezielle Ausführung eines Facettenelements
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- EP 1364755 B1 [0003]
- US 2003/0223844 A1 [0003]
- WO 2011/127421 A1 [0006]
- WO 002014151065 A2 [0007]