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Die Erfindung bezieht sich auf Schienenfahrzeug in Aufliegerausführung, mit wenigstens einem ersten und einem zweiten Wagenkasten, wobei der erste Wagenkasten an seinen Enden jeweils ein Fahrwerk aufweist, der zweite Wagenkasten an seinem dem ersten Wagenkasten entfernten Ende ein Fahrwerk aufweist und ein fahrwerkloses, dem ersten Wagenkasten zugewandtes Ende des zweiten Wagenkastens auf dem ihm zugewandten Ende des ersten Wagenkastens abgestützt ist.
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Bei der Gestaltung von Schienenfahrzeugen gibt es mehrere konkurrierende Zielgrößen. Einerseits sollen die Kosten und Gewichte des Schienenfahrzeugs soweit möglich reduziert werden, andererseits soll das Raumangebot des Schienenfahrzeugs maximiert werden.
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Kosten und Gewicht eines Schienenfahrzeugs sind primär bestimmt durch die Anzahl von dessen Hauptkomponenten. Eine zentrale Rolle kommt hierbei der Anzahl der eingesetzten Fahrwerke zu, die üblicherweise als Drehgestelle ausgeführt sind. Werden insbesondere auch Wartungskosten über eine Lebensdauer des Schienenfahrzeugs hinaus in die Kosten einberechnet, ist es vorteilhaft, eine Zugarchitektur zu wählen, bei der die Gesamtanzahl der Fahrwerke gegenüber einem klassischen Einzelwagenzug mit zwei endseitigen Fahrwerken pro Wagenkasten reduziert ist.
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Eine bekannte Umsetzung für ein solches Schienenfahrzeug mit gegenüber dem Einzelwagenzug verminderter Gesamtanzahl an Fahrwerken ist der sogenannte Gliederzug, bei dem sich jeweils zwei Wagenkästen auf einem gemeinsamen Fahrwerk abstützen und über ein Gelenk miteinander verbunden sind. Der Nachteil eines solchen Gliederzuges gegenüber einem Einzelwagenzug ist die wegen der fehlenden Überhänge – dies ist der Wagenkastenbereich, der über den Drehpunkt eines Fahrwerks hinweg zum Wagenende überhängt – geringere Länge der einzelnen Wagenkästen, was bei gleicher Schienenfahrzeuglänge üblicherweise zu einer höheren Anzahl an Wagenkästen führt.
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Zur Lösung dieses Problems sind Schienenfahrzeuge in Aufliegerausführung bekannt. In einer Ausführung dieses Konzepts wird ein Fahrwerk, wie bei einem Einzelwagenzug, unter dem Wagenende eines Wagenkastens montiert. Das Ende des nächsten benachbarten Wagens ist an seinem zugewandten Ende jedoch nicht mit einem eigenen Fahrwerk ausgestattet, sondern an dem anderen Wagenkasten aufgelegt oder aufgehängt sowie über ein Gelenk mit diesem verbunden.
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In den meisten Fahrsituationen eines Schienenfahrzeugs in einer solchen Ausführung ist das gute Raumangebot eines Einzelwagenzuges mit der geringen Fahrwerksanzahl eines Gliederzuges kombiniert. Es gibt jedoch einen bedeutsamen Sonderfall in der Auslegung der Schienenfahrzeuge: Beim Durchfahren eines S-Bogens ohne oder nur mit kurzem geraden Übergangsbereich zwischen den verschiedenen Bogenrichtungen wird ein Wagenkasten, der einem Wagenkasten folgt, der soeben einen Scheitelpunkt des S-Bogens passiert hat, an seinem aufliegenden Wagenkastenende seitlich in die Innenseite des von ihm durchfahrenen Bogens ausgelenkt. Hierdurch reduziert sich die maximal zulässige Breite des Schienenfahrzeugs deutlich. Diese wird bestimmt durch vorgegebene Hüllkurven des Schienenfahrzeugs, die bei dessen Betrieb einzuhalten sind.
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Ausgehend hiervon liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, das eingangs genannte Schienenfahrzeug in Aufliegerausführung derart weiterzuentwickeln, dass eine zulässige Breite des Schienenfahrzeugs für dessen Hüllkurvenberechnung vergrößert wird.
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Diese Aufgabe wird dadurch gelöst, dass in einem Übergangsbereich zwischen dem ersten und dem zweiten Wagenkasten eine Zug-Druck-Stange vorgesehen ist, die mit ihrem einen, dem ersten Wagenkasten zugeordneten Ende vertikal beweglich und horizontal im Wesentlichen starr an dem in dem Übergangsbereich liegenden Fahrwerk des ersten Wagenkastens befestigt ist und mit ihrem anderen Ende am Boden des zweiten Wagenkastens vertikal und horizontal beweglich in einem Drehpunkt angelenkt ist, der von einer Stirnseite des fahrwerklosen Endes des zweiten Wagenkastens aus in Richtung dessen Wagenkastenmitte versetzt ist.
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Durch eine Kupplung der beiden Wagenkästen mit Hilfe der Zug-Druck-Stange unter Verzicht auf irgendein Gelenk zwischen den Wagenkästen wird eine Längs- und Querverbindung der beiden Wagenkästen untereinander in eine horizontal im Wesentlichen starr angebrachte Zug-Druck-Stange verlagert. Dadurch wird eine Relativbewegung der einander zugewandten Wagenkastenenden in Querrichtung zueinander ermöglicht. Gleichzeitig wird auch eine Stellung der Wagenkästen in einem S-Bogen deutlich verbessert, was eine größere zulässige Breite des Zuges zur Folge hat.
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Bevorzugt entspricht ein Abstand eines Drehpunktes des Fahrwerks an dem ersten Wagenkasten zu einer dem zweiten Wagenkasten zugewandten Stirnwand des ersten Wagenkastens dem Abstand des Drehpunktes der Zug-Druck-Stange an dem zweiten Wagenkasten zu einer dem ersten Wagenkasten zugewandten Stirnwand des zweiten Wagenkastens. In dieser Weise ergibt sich eine bei Geradeausfahrt des Schienenfahrzeugs spiegelsymmetrische Anordnung der Enden der Zug-Druck-Stange bezüglich einer mittleren Querebene des Übergangsbereichs zwischen den beiden Wagenkästen. Grundsätzlich reicht es jedoch aus, dass der Drehpunkt der Zug-Druck-Stange in Richtung der Wagenkastenmitte des zweiten Wagenkastens in einem solchen Maße versetzt ist, dass mit Hilfe der Zug-Druck-Stange eine für eine vorgegebene zulässige Breite des Schienenfahrzeugs ausreichende Steuerung des zweiten Wagenkastens mit Hilfe der Zug-Druck-Stange erfolgt.
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Zur Ausbildung des Schienenfahrzeugs als Zweiteiler können der erste und der zweite Wagenkasten als Endwagenkästen ausgebildet sein.
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Eine Erweiterung des Schienenfahrzeugs um weitere Wagenkästen ist ohne Weiteres möglich. Zum Aufbau eines Dreiteilers können der erste Wagenkasten als Endwagenkasten und der zweite Wagenkasten als Mittelwagenkasten ausgebildet sein und es kann sich an das mit einem Fahrwerk ausgestattete Ende des Mittelwagenkastens ein weiterer Wagenkasten (Endwagenkasten) anschließen, wobei ein Übergangsbereich zwischen dem Mittelwagenkasten und dem weiteren Wagenkasten in derselben Art wie der Übergangsbereich zwischen dem ersten und zweiten Wagenkasten ausgebildet ist. Eine weitere Verlängerung des Schienenfahrzeugs erfolgt mit Hilfe weiterer Wagenkästen, die in der Art des oben beschriebenen, zweiten Wagenkastens ausgebildet sind und in der vorbeschriebenen Weise an den vorhergehenden Wagenkasten gekuppelt sind.
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Die Zug-Druck-Stange kann mit horizontalen Anschlägen zu ihrer Horizontalwinkelbegrenzung zusammenwirken. Ein zulässiges Winkelintervall für die Horizontalwinkelbegrenzung ist stark abhängig von einer verfügbaren Hüllkurve für das Schienenfahrzeug und der eingesetzten Geometrie der Wagenkästen. Es kann jedoch erwartet werden, dass ein Drehwinkel von 6–8° der Zug-Druck-Stange gegenüber dem zugeordneten Wagenkasten bevorzugt ist.
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Die Zug-Druck-Stange kann zum Verhindern eines Aufkletterns mit vertikalen Anschlägen zusammenwirken. Zudem ist es vorteilhaft, wenn die Zug-Druck-Stange mit einer Energieverzehreinrichtung ausgestattet ist, welche teleskopartig ausgeführt sein kann.
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Ein Ausführungsbeispiel der Erfindung wird nachfolgend unter Bezugnahme auf die Zeichnung noch näher erläutert, wobei funktionsgleiche Komponenten mit denselben Bezugsziffern bezeichnet sind. Es zeigen:
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1 eine schematische Seitenansicht eines Schienenfahrzeugs in Aufliegerausführung und
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2 eine schematische Ansicht von unten auf das Schienenfahrzeug von 1 bei dessen Fahrt auf einer S-Bogen-Gleisstrecke.
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1 zeigt als Ausführungsbeispiel ein dreiteiliges Schienenfahrzeug in Aufliegerausführung, mit einem vorlaufenden Endwagenkasten 1, einem Mittelwagenkasten 2 und einem Endwagenkasten 3. Der vorlaufende Endwagenkasten 1 umfasst zwei endseitige Fahrwerke, und zwar ein vorderes Fahrwerk 4 und ein hinteres Fahrwerk 5. Demgegenüber sind der Mittelwagenkasten 2 und der Endwagenkasten 3 jeweils nur an ihrem, bezogen auf den Endwagenkasten 1, entfernten Ende mit einem Fahrwerk 6, 7 ausgestattet.
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Die Aufliegerausführung des Schienenfahrzeugs ergibt sich dadurch, dass in Übergangsbereichen zwischen benachbarten Wagenkästen Aufhängevorrichtungen 8 vorgesehen sind, die von dem jeweils voreilenden Wagenkasten zum nacheilenden Wagenkasten schräg von oben nach unten verlaufen und an einander zugewandten Stirnwänden 9, 10 befestigt sind. Die in der 1 gewählte Darstellung der Aufhängevorrichtungen 8 als schräge Seile, Stangen o. ä. ist rein schematisch zu verstehen. Grundsätzlich ist lediglich eine Abstützung oder Aufhängung des einen Wagenkastens 2 auf dem anderen Wagenkasten 1 erforderlich. Neben einer Ausführung der Aufhängevorrichtungen 8 als beispielsweise Pendelstangen wäre auch eine Abstützung über Gleitplatten, Wälzlager o. ä. denkbar.
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Ein Fahrwerksrahmen 14 des hinteren Fahrwerkes 5 des vorlaufenden Wagenkastens 1 ist über ein Gelenk 11 mit einer Zug-Druck-Stange 12 verbunden, die von dem Fahrwerksrahmen 14 aus in Richtung auf den nachfolgenden Mittelwagenkasten 2 verläuft und in einem Drehpunkt 13 an einem Boden des Mittelwagenkastens 2 angelenkt ist. Die Zug-Druck-Stange 12 ist an dem Fahrwerk 5 horizontal im Wesentlichen starr befestigt, so dass ein voreilendes Ende des Mittelwagens 2 von dem Fahrwerk 5 des vorauslaufenden Wagenkastens 1 in seiner Bewegung beeinflusst ist. Die Zug-Druck-Stange 12 muss grundsätzlich starr angebunden sein, einzig ein kleines toleranzbedingtes Spiel von deutlich weniger als 1° ist für eine optimale Wirkungsweise zu gestatten. Eine Ausführung mit größeren Winkeln wäre weniger sinnvoll, ist jedoch auch möglich. Im Übrigen ist die Zug-Druck-Stange 12 gegenüber dem Fahrwerksrahmen 6 in Vertikalrichtung beweglich. Der Mittelwagenkasten 2 ist mit dem Endwagenkasten 3 in derselben Weise verbunden wie der Endwagenkasten 1 und der Mittelwagenkasten 2, d. h. über einen Fahrwerksrahmen 14 des Fahrwerks 6 und eine Zug-Druck-Stange 12.
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Auf Seiten des Wagenkästens 2, 3 ist die Zug-Druck-Stange 12 an dem Drehpunkt 13 sowohl in vertikaler als auch in horizontaler Richtung beweglich an dem Boden des betreffenden Wagenkastens 2, 3 angelenkt. Auch für die Fahrwerke 5, 6 sind Drehpunkte 15 gegenüber den ihnen zugeordneten Wagenkästen 1, 2 festgelegt. Die Fahrwerke 5, 6 mit jeweils zugehöriger Zug-Druck-Stange 12 sind derart angeordnet und bemessen, dass ein horizontaler Abstand zwischen dem Drehpunkt 13 der Zug-Druck-Stange 12 am nacheilenden Wagenkasten 2, 3 zu dessen zugeordneter Stirnwand 10 gleich einem Abstand des Drehpunktes 15 des Fahrwerks 5, 6 zu dessen zugeordneter Stirnwand 9 ist.
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Zur Einschränkung einer Horizontalbewegung der Zug-Druck-Stangen 12 sind horizontale Anschläge vorgesehen. Zudem werden zum Realisieren eines Aufkletterschutzes vertikale Anschläge für die Zug-Druck-Stangen 12 eingesetzt. Die horizontalen Anschläge würden fest unter einem Wagenkasten montiert sein, und zwar derart, dass die Zug-Druck-Stange 12 seitlich daran anschlägt. Eine wahrscheinlichste Position für die horizontalen Anschläge bezüglich des Übergangs zwischen den Wagenkästen 1 und 2 wäre am Ende des Wagenkastens 2. Grundsätzlich können jedoch je nach gewünschtem Fahrverhalten die horizontalen Anschläge sowohl unter dem Wagenkasten 1 mit Fahrwerk 5 als auch unter dem als Auflieger vorliegenden Wagenkasten 2 angebracht werden, wobei letztgenannte Variante deutlich wahrscheinlicher ist. Die vertikalen Anschläge können als unter dem Ende beider Wagenkästen 1, 2 angebrachte Bügel ausgestaltet sein, die unter die Zug-Druck-Stange 12 reichen und damit einen möglichen vertikalen Winkel der Zug-Druck-Stange 12 zu den Wagenkästen 1, 2 und somit den vertikalen Versatz zwischen den Wagenkästen 1 und 2 begrenzen.
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Zudem können die Zug-Druck-Stangen 12 mit einer Energieverzehreinrichtung ausgestattet sein. Beispielsweise können die Zug-Druck-Stangen 12 teleskopartig ausgebildet sein.
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Die Erfindung ist nicht auf die hier dargestellte Form eines dreiteiligen Schienenfahrzeugs beschränkt. Vielmehr kann zur Realisierung eines Zweiteilers der Mittelwagenkasten 2 entfallen. Schienenfahrzeuge mit mehr als drei Wagenkästen können dadurch realisiert werden, dass der im Ausführungsbeispiel beschriebene Mittelwagenkasten 2 durch mehrere seiner Art ersetzt wird.
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2 veranschaulicht das dreiteilige Schienenfahrzeug in Aufliegerausführung in Fahrt auf einem S-förmigen Gleisbogen 16. Es ist ersichtlich, dass in den Übergangsbereichen zwischen den Wagenkästen 1, 2 und 2, 3 jeweils eine Relativbewegung der einander zugewandten Wagenkastenenden in Querrichtung zueinander möglich ist, wodurch sich auch bei Durchfahrt eines S-Bogens eine kleinere Hüllkurve ergibt als bei einem entsprechenden Schienenfahrzeug in Aufliegerausführung mit Gelenken zwischen benachbarten Wagenkästen.