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Die Erfindung betrifft ein aus einer Stahllegierung hergestelltes Bauteil sowie ein Verfahren zu seiner Herstellung. Ein Bauteil im Sinne der vorliegenden Erfindung kann ein Halbzeug sein.
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Stand der Technik und technischer Hintergrund
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Leichtbau mit hochfesten Stählen ermöglicht kosten- und ressourceneffiziente Produkte. Die Festigkeit von Stählen kann über Mischkristallhärtung, Umwandlungshärtung, Feinkornhärtung, Ausscheidungshärtung und Kaltverformung gesteigert werden. Üblicherweise liefern alle diese Mechanismen einen Beitrag zur Bauteilfestigkeit.
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Bekannt ist die sogenannte „Stahl-Banane”, die den Zusammenhang von Festigkeit und Bruchdehnung für unterschiedliche Stahlsorten darstellt. Diese ist in 1 abgebildet (Quelle: ADVANCED HIGH STRENGTH STEEL (AHSS) APPLICATION GUIDELINES Version 4.1, www.worldautosteel.org).
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In den Druckschriften „A. J. DeArdo und R. A. Walsh, „High strength low alloy steel”,
US5352304 A04-Okt-1994” und „
E. J. Czyryca, „Development of low-carbon, copper-strengthened HSLA steel plate for naval ship construction", DTIC Document, 1990” werden hochfeste Cu-legierte Stähle beschrieben, die im warmgewalzten und ausgehärteten Zustand vorzugsweise im Schiffbau eingesetzt werden. Der Stahl ist zusätzlich mit Nickel legiert, um die Rotbruchempfindlichkeit zu reduzieren und die Zähigkeit zu steigern. Derartig hohe Nickel-Gehalte sind jedoch aus Kostengründen in vielen Märkten und Anwendungen nicht einsetzbar.
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Die Möglichkeit des Einsatzes von Cu zur Festigkeitssteigerung bei IF-Stahl wird in der Druckschrift „R. Rana, W. Bleck, S. B. Singh, und O. N. Mohanty, „Development of high strength interstitial free steel by copper precipitation hardening", Mater. Lett., Bd. 61, Nr. 14, S. 2919–2922, 2007” beschrieben. Durch Zugabe von Kupfer werden hohe Festigkeiten von 500–600 MPa erreicht. Die Druckschrift „R. Rana, S. B. Singh, und O. N. Mohanty, „Effect of composition and pre-deformation an age hardening response in a copper-containing interstitial free steel", Mater. Charact., Bd. 59, Nr. 7, S. 969–974, Juli 2008” befasst sich mit Untersuchungen zum Einfluss der Vorverformung auf das Ausscheidungs- und Verfestigungsverhalten eines Cu-legierten IF-Stahls. Demnach wird die Ausscheidungshärtung durch eine Vorverformung von mehr als 40% beschleunigt. Die Druckschrift „N. Maruyama, M. Sugiyama, T. Hara, und H. Tamehiro, „Precipitation and phase transformation of copper particles in low alloy ferritic and martensitic steels", Mater. Trans.-JIM, Bd. 40, S. 268–277, 1999” offenbart, dass bei einem Cu-legierten, ferritischen, kaltverfestigten Werkstoff die Festigkeit bei einer Glühbehandlung zwischen 700 und 900 Kelvin ansteigt. Der Einfluss von Kupferzugaben wird für Stahl in der Druckschrift „R. Rana, W. Bleck, S. B. Singh, und O. N. Mohanty, „Hot shortness behavior of a copper-alloyed high strength interstitial free steel", Mater. Sci. Eng. A, Bd. 588, S. 288–298, Dez. 2013” beschrieben.
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In der Druckschrift „D. Isheim, M. S. Gagliano, M. E. Fine, und D. N. Seidman, „Interfacial segregation at Cu-rich precipitates in a high-strength low-carbon steel studied an a sub-nanometer scale", Acta Mater., Bd. 54, Nr. 3, S. 841–849, Feb. 2006” wird der Einsatz einer Atomsonde (APT Atom Probe Tomography) für die Analyse der Cu-Ausscheidungen eines hochfesten Stahls für Schiffbauanwendungen beschrieben. Cu-Ausscheidungen im Stahl sind mit konventionellen lichtmikroskopischen und rasterelektronenmikroskopischen Verfahren nicht erkennbar, da die Größe der ausgeschiedenen Partikel im Bereich weniger Nanometer liegt.
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Ein Zugversuch für metallische Werkstoffe ist ein nach DIN EN ISO 6892 genormtes Standardverfahren der Werkstoffprüfung. Erfindungsgemäß werden die Materialparameter vorzugsweise ebenfalls nach dieser DIN gemessen.
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Eine Bruchdehnung A ist ein Materialkennwert, der die bleibende Verlängerung einer Probe nach dem Bruch, bezogen auf die Anfangsmesslänge, zeigt. Sie charakterisiert die Duktilität (Verformungsfähigkeit) eines Werkstoffs. Sie ist die auf die Anfangsmesslänge L0 einer Probe im Zugversuch bezogene bleibende Längenänderung ΔL nach erfolgtem Bruch. A = ΔL/L0·100%
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Die Anfangslänge L0 wird vor dem Zugversuch durch Messmarken auf der Zugprobe festgelegt. Infolge der örtlich begrenzten Einschnürung ist die Bruchdehnung A abhängig von der Anfangsmesslänge L0. Um vergleichbare Werte für die Bruchdehnung zu erhalten, werden für Zugversuche meist Proportionalstäbe verwendet, d. h. Proben, bei denen die Anfangsmesslänge L0 zum Ausgangsquerschnitt S0 in einem festen Verhältnis steht. L0 = k·d0.
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Für Rundstäbe ist ein Wert von k = 5 üblich. Die Bruchdehnung wird dann A5 genannt.
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Beim Zugversuch tritt nach dem Erreichen der Zugfestigkeit R
m bei duktilen Werkstoffen eine örtliche Einschnürung auf, in deren Bereich dann auch der Bruch erfolgt. Die dabei auftretende größte relative Querschnittsänderung wird als Brucheinschnürung Z bezeichnet. Diese ist ein Maß für die Duktilität des Werkstoffes:
mit der Ausgangsquerschnittsfläche S
0 des unbelasteten Probestabes und der kleinsten Querschnittsfläche S
u des gebrochenen Stabes, sprich die Restquerschnittsfläche an der eingeschnürten Stelle.
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Die Zugfestigkeit ist die Spannung, die im Zugversuch aus der maximal erreichten Zugkraft bezogen auf den ursprünglichen Querschnitt der Probe errechnet wird. Als Formelzeichen der Zugfestigkeit wird z. B. die Bezeichnung Rm verwendet. Dimension der Zugfestigkeit ist Kraft pro Fläche. Häufig verwendete Maßeinheiten sind N/mm2 oder MPa. Die Zugfestigkeit wird häufig für die Charakterisierung von Werkstoffen verwendet.
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Die Gleichmaßdehnung Ag ist beim Zugversuch die auf die Anfangslänge L0 bezogene plastische Längenänderung Lpm–L0 bei Beanspruchung der Zugprobe mit der Höchstkraft Fm. Diese wird meist bei der Zugfestigkeit Rm erreicht. Die Gleichmaßdehnung Ag gibt an, dass sich die Zugprobe bis zur Höchstkraft nicht einschnürt, sondern gleichmäßig dehnt.
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Die Streckgrenze Re ist ein Werkstoffkennwert und bezeichnet diejenige Spannung, bis zu der ein Werkstoff bei einachsiger und momentenfreier Zugbeanspruchung keine dauerhafte plastische Verformung zeigt. Es handelt sich dabei um eine Fließgrenze. Bei Überschreiten der Streckgrenze kehrt das Material nach Entlastung nicht mehr in die ursprüngliche Form zurück, sondern eine Probenverlängerung verbleibt. Die Streckgrenze wird gewöhnlich im Zugversuch ermittelt.
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Zunehmende Bedeutung gewinnen Bauteile/Komponenten aus Stahlwerkstoffen im Zugfestigkeitsbereich zwischen 600 MPa und 1.200 MPa. Die Stahl-Banane (s. 1) ist dadurch gekennzeichnet, dass das Produkt aus Zugfestigkeit und Bruchdehnung über viele Stahlsorten in etwa gleich ist und für übliche kostengünstige Stähle mit ferritischer, perlitischer, bainitischer oder martensitischer Matrix bei ca. 15.000 MPa*% liegt. Das Produkt aus Zugfestigkeit (Rm) gemessen im quasistatischen Zugversuch in MPa und Bruchdehnung (A) in % kann als einfaches Gütekriterium für einen Stahl herangezogen werden, wobei im Detail auf die unterschiedlichen Kriterien zur Messung der Bruchdehnung zu achten ist. Üblicherweise wird die gesamte Bruchdehnung A5, bestehend aus einem Anteil Gleichmaßdehnung und einem Anteil Einschnürungsdehnung für diese vergleichende Darstellung zugrunde gelegt.
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Eine Erhöhung der Duktilität bei gleichbleibender Festigkeit ermöglicht einerseits eine höhere Energieaufnahme bei Überlastung (Bauteilsicherheit), und andererseits ist das Potenzial für weitere Kaltverformungsschritte vorhanden, so dass komplexere Bauteile gefertigt werden können.
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Ein Designziel für die Herstellung neuer, hochfester Stähle ist demzufolge oft die Erhöhung dieses Produkts aus Rm*A. Resultate derartiger Anstrengungen sind beispielsweise TRIP-Stähle und TWIP-Stähle mit einem Produkt von Rm*A von teilweise mehr als 50.000 MPa*%. Aus verschiedenen Gründen, z. B. Kosten und Schwierigkeiten bei der Verarbeitung ist der praktische Einsatz derartiger Stahlsorten jedoch aktuell begrenzt.
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In 1 bedeutet MILD übliche Tiefziehgüten, BH „bake hardening steel”, d. h. höherfeste Stähle mit Streckgrenzenzuwachs durch das Lackeinbrennen, IF „interstitial free steel”, d. h. Stahl ohne interstitiell gelöste Legierungsanteile, HSLA „high strength low alloy steel”, d. h. hochfesten niedrig legierten Stahl, TRIP „transformation induced plasticity steel”, d. h. Stahl mit durch Kristallgitter-Transformation induzierter plastischer Verformbarkeit, TWIP „Twinning induced plasticity steels” DP-CP Dualphasen/Komplexphasen mit weichem Ferrit, MS Martensitphasenstahl, IS Isotroper Stahl, IF-HS höherfester IF-Stahl, CMn Mangan-Kohlenstoff-Stahl (üblicher Baustahl).
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Halbzeug ist der Oberbegriff für vorgefertigte Rohmaterialformen wie beispielsweise Bleche, Stangen, Rohre und Coils. In der Fertigungstechnik stellen Halbzeuge die mit Abstand verbreitetste Lieferform für Metallwerkstoffe dar. Es werden über 1.000 Halbzeugarten aus Metall und Kunststoff unterschieden, die jeweils in Material- und Oberflächenqualität, Form- und Abmessungen sowie in ihren Toleranzen genormt sind. Typisch für Halbzeuge ist, dass der erste Verarbeitungsschritt in einem Zuschnitt besteht, bei dem durch ein geeignetes Verfahren (z. B. Sägen) der benötigte Materialabschnitt abgetrennt wird. Dieser Materialabschnitt wird zu dem eigentlichen Fertigteil weiterverarbeitet.
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Hohe geometrische Genauigkeit von Halbzeugen und Endprodukten wird durch eine kalte Umformung erreicht, z. B. Kaltwalzen von Bandmaterial, Kaltziehen von Rohren, Kaltstauchen von Stabmaterial, Gewindewalzen, etc.. Durch die Kaltumformung steigt auch die Festigkeit der Halbzeuge und Produkte stark an. Eine signifikante Kaltverformung führt allgemein dazu, dass durch die drastische Abnahme der Duktilität das Produkt aus Zugfestigkeit und Dehnung dramatisch absinkt.
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Ein kalt verfestigter Stahl mit einer Festigkeit von 1.000 MPa und einer resultierenden Dehnung von 2% hat beispielsweise nur noch ein Produkt Rm*A von 2.000 MPa%.
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Dabei hat die Nutzung der Kaltverfestigung von kosteneffizienten niedriglegierten Stahlsorten eine hohe Bedeutung für einen wirtschaftlichen Leichtbau in unterschiedlichen Anwendungen.
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Mit dem Festigkeitsanstieg ist nachteilig jedoch auch eine deutliche Abnahme der Duktilität verbunden, so dass eine weitere plastische Verformung in Folgeprozessen nicht direkt möglich ist. Darüber hinaus wird vielfach auch für die Bauteilsicherheit eine plastische Verformbarkeit gefordert, damit vor einem Bruch anwendungsabhängig eine mehr oder weniger große Energieaufnahme möglich ist.
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Zur Einstellung einer verbesserten Duktilität nach der Kaltverformung wird der Stahl üblicherweise einer Wärmebehandlung unterzogen. Beim Glühen unter einem Schutzgas (z. B. Stickstoff, Argon) im Bereich zwischen 600 und 700°C oberhalb der Rekristallisationstemperatur rekristallisiert das Material, die Kaltverfestigung wird weitestgehend abgebaut und es stellt sich eine hohe plastische Verformbarkeit ein. Dieser Prozess wird üblicherweise Normalglühen genannt.
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Ebenfalls industrielle Praxis ist ein Spannungsarmglühen unterhalb der Rekristallisationstemperatur. Beim Glühen unterhalb der Rekristallisationstemperatur kommt es bei Stählen zur sogenannten Kristallerholung. Kristallerholung führt zum Abbau von Spannungen. Kornform und Korngröße des verformten Gefüges bleiben erhalten. Mit dem Abbau von inneren Spannungen ist ein moderater Anstieg der Duktilität und ein moderater Abfall der Festigkeit verbunden. Das Prozessfenster eines derartigen Spannungsarmglühens ist vergleichsweise eng, da die Temperatur üblicherweise bis nahe an die Rekristallisation herangeführt werden muss, um eine deutliche Steigerung der Duktilität zu erreichen. Diese Temperatur ist zudem nicht nur werkstoffabhängig, sondern auch abhängig von der Vorverformung. Durch das Spannungsarmglühen kann die Duktilität zwar gesteigert werden, jedoch erreicht das Produkt aus Rm*A üblicherweise nur Werte unterhalb 10.000 MPa%. Wenn hohe Werte aus Rm*A bei hoher Festigkeit erreicht werden sollen besteht durch das enge Prozessfenster zudem ein erhebliches Risiko für schwankende Produkteigenschaften, die zu einem erhöhten Ausschuss führen können.
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Die Wärmebehandlung der kalt verfestigten Halbzeuge erfolgt für Bandmaterial in Durchlaufglühanlagen und stationären Haubenglühanlagen. In Abhängigkeit von der Ofenbeladung können nur langsame Aufheiz- und Abkühlgeschwindigkeiten erreicht werden. So benötigt das Haubenglühen von Bandmaterial in Form von sogenannten Coils wegen der physikalisch bedingten Durchwärmzeiten bis zu mehrere Tage. Eine Vergütung des Materials, d. h. Umwandlungshärten und Anlassen, ist bei diesen langsamen Zyklen allgemein technisch nicht möglich. Zudem ist das Umwandlungshärten nachteilig mit hohen Temperaturen und Energieeinsatz, hohen Kosten sowie dem Risiko von Verzug der Halbzeuge verbunden. Beim Haubenglühen kommt demzufolge nur das Normalglühen und Spannungsarmglühen zur Anwendung.
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Somit sind ein hohe Festigkeit und gleichzeitig eine hohe Verformbarkeit bei kalt geformten Halbzeugen und Produkten nur schwierig zu erreichen. Insbesondere sind bei niedriglegierten, kaltverformten Stählen eine Festigkeit von mehr als 750 MPa und eine Bruchdehnung A von mehr als 15% bisher kaum prozesssicher in der Kette Kaltverformung und Spannungsarmglühung erreichbar.
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Es gibt demzufolge eine technologische Lücke im Festigkeitsbereich 700 MPa bis 1.200 MPa für haubengeglühtes Kaltband mit hoher Duktilität. Dies gilt auch für Rohre und Stabmaterial, die z. B. durch Kaltziehen, Kaltstauchen, Gewindewalzen verarbeitet werden, wenn auf eine Vergütung aus Kostengründen und technologischen Gründen, z. B. Auftreten von Verzug, verzichtet werden muss.
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Aufgabe der Erfindung
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Aufgabe der Erfindung auf diesem Hintergrund ist die Bereitstellung eines technisch einfach herzustellenden Bauteils mit hoher Festigkeit und Duktilität sowie die Schaffung eines Herstellungsverfahrens.
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Die Aufgabe wurde gelöst durch ein Bauteil nach Anspruch 1 sowie durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Nebenanspruchs. Bevorzugte Ausführungsformen sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben.
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Offenbarung der Erfindung
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Zur Lösung der Aufgabe wird von einem niedrig legierten Stahl ausgegangen, der also einen hohen Anteil von Eisen umfasst. Kein Legierungselement des niedrig legierten Stahls überschreitet einen mittleren Gehalt von 5 Massenprozent. Der Anteil an Eisen beträgt in der Stahllegierung insbesondere mehr als 90 Gew.-%, vorzugsweise mehr als 96 Gew.-%. Die Legierung umfasst Kupfer als Legierungselement. Durch Kaltumformung wird aus dem niedrig legierten Stahl ein Bauteil geformt. Das Bauteil ist insbesondere ein Halbzeug. Im Anschluss daran wird das Bauteil einer Glühbehandlung unterhalb der Rekristallisationstemperatur unterzogen. Die dabei angewendete Temperatur liegt insbesondere deutlich unterhalb der Rekristallisationstemperatur, was zu einer technisch einfachen Herstellung beiträgt. Insbesondere liegt die Temperatur 100°C unterhalb der Kristallisationstemperatur.
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Die Erfindung macht sich den festigkeitssteigernden Effekt durch die Ausscheidungshärtung mit Kupfer zunutze. Aus dem Stand der Technik ist nicht bekannt, dass bei kaltverfestigten Stählen hoher Festigkeit parallel zur Festigkeitssteigerung eine deutliche Erhöhung der Duktilität auftritt. Die Erfindung nutzt also die Ausscheidungshärtung, um gleichzeitig die Festigkeit und Duktilität der Legierung und des daraus gefertigten Halbzeugs deutlich zu steigern. Die Erfindung ermöglicht eine fertigungssichere Prozessfolge bestehend aus Kaltverformung und Glühen unterhalb der Rekristallisationstemperatur insbesondere für die Herstellung von Halbzeugen und Bauteilen, die bevorzugt im Festigkeitsbereich von 700 bis 1.200 MPa eine hohe Duktilität zeigen. Aufwändige Fertigungsschritte werden vermieden. Ein Haubenglühen bzw. ein anderes Glühverfahren mit geringen Temperaturgradienten genügt.
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Bekannt ist die Ausscheidungshärtung bei vielen Legierungssystemen, auch bei Stählen. So erreichen die bekannten AFP-Stähle (ausscheidungshärtender ferritisch-perlitischer Stahl) ihre hohe Festigkeit durch Ausscheidungshärtung. Hierbei werden Vanadium-Carbonitride bei der Abkühlung aus der Schmiedehitze ausgeschieden. Auch höherfeste Feinkornstähle, wie z. B. S700MC, erhalten ihre hohe Festigkeit allgemein durch Ausscheidungshärten über Carbide, Nitride und Carbonitride der Refraktärmetalle, insbesondere Titan, Niob, Vanadium, Molybdän und Wolfram.
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Seit mehr als 50 Jahren ist auch die Ausscheidungshärtung von Stahl durch Kupfer bekannt (R. C. Glenn, E. Hornbogen, „A metallographic study of precipitation of copper from alpha iron", Trans. Met. Soc. AIME, Bd. 218, Nr. 6, S. 1064–1070, 1960). Für mittel- und hochlegierte Stähle ist die Ausscheidungshärtung mit Kupfer bekannt. Bei Temperaturen zwischen 350 und 550°C bilden sich fein verteilte Kupferausscheidungen im Stahl, die zu einer deutlichen Festigkeitssteigerung führen (z. B. C. N. Hsiao, C. S. Chiou, J. R. Yang, „Aging reactions in a 17-4 PH stainless steel", Mater. Chem. Phys. Bd. 74, Nr. 2, S. 134–142, 2002). Ebenfalls ist in den USA der Einsatz von Kupfer bei vergleichsweise niedrig legierten Stählen bekannt, z. B. S. W. Thompson, G. Krauss, „Copper precipitation during continuous cooling and isothermal aging of 710-type steels", Metall. Mater. Trans. A, Bd. 27, Nr. 6, S. 1573–1588, Juni 1996. Allerdings sind diese allgemein zusätzlich mit Nickel legiert. Üblich sind Legierungsgehalte von 1–4 Gew.-% Kupfer, um eine Ausscheidungshärtung zu erreichen.
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Es ist weiter bekannt, dass weitere Festigkeitssteigerungen durch gleichzeitiges Ausscheiden der klassischen Carbonitride erreicht werden kann, beispielsweise TiC und V(C, N).
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Kupfer als Legierungselement gilt vielfach als Schädling im Stahl, da die unerwünschte Rotbrüchigkeit auftreten kann. Rotbrüchigkeit entsteht bei der Warmumformung des Stahls im Temperaturbereich zwischen 1.000 und 1.200°C. Die Rotbrüchigkeit ist auf die Bildung einer Kupferschmelze durch selektive Korrosion zurückzuführen: Bei hohen Temperaturen der Warmumformung oxidiert/verzundert das Eisen an der Oberfläche, während das edlere Kupfer sich anreichert. Hoch kupferhaltige Randzonen werden dann schmelzflüssig. Die auftretende Kupferschmelze gelangt an den Austenitkorngrenzen in den Stahl, so dass sich bei geringsten Belastungen Risse und Brüche bilden. Rotbrüchigkeit wird in der Praxis durch Zulegieren mit Nickel verhindert, das eine Änderung der Oxidation bewirkt und dadurch das Auftreten der selektiven Korrosion behindert. Das bewährte Zulegieren mit Nickel ist jedoch wegen der dadurch sehr hohen Legierungskosten nachteilig. Nickel-Gehalte in der Größenordnung der üblichen Kupfergehalte werden z. B. allgemein in der Automobilindustrie aus Kostengründen nicht akzeptiert. Vorzugsweise enthält der niedrig legierte Stahl, von dem ausgegangen wird, kein Nickel oder nur einen sehr geringen Anteil von Nickel. Der erfindungsgemäß verfolgte Lösungsansatz ist also die Nutzung der Ausscheidungshärtung über das Legieren mit Kupfer, wobei auf das übliche Legieren mit Nickel aus Kostengründen ganz oder zumindest weitestgehend verzichtet werden soll.
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In der Herstellprozesskette von Halbzeugen aus Stahl ist die Umformung bei den kritischen Temperaturen der Rotbrüchigkeit die industrielle Praxis. Die Einsetzbarkeit einer neuen Stahllegierung in der industriellen Produktion erfordert daher Maßnahmen, um den Effekt der Rotbrüchigkeit zu unterdrücken. Die Rotbrüchigkeit wird gefördert durch zu lange Haltezeiten bei der Erwärmung in ungeeigneten Ofenatmosphären.
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Es ist bekannt, dass das Phänomen der Rotbrüchigkeit auch durch die geschickte Verfahrensweise in der Herstellprozesskette vermieden werden kann. Beispielsweise kann der Sauerstoff-Partialdruck durch geeignete Ofenatmosphären bei der Erwärmung im Ofen reduziert werden, so dass keine selektive Korrosion auftritt.
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Es ist allerdings für die praktische Umsetzbarkeit wünschenswert, wenn die erfindungsgemäße Legierung eine geringere Empfindlichkeit für die Rotbrüchigkeit aufweist.
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Warmzugversuche an Proben aus unterschiedlichen Versuchsschmelzen konnten zeigen, dass durch ein kosteneffizientes Legieren mit Bor erfindungsgemäß die Heiß-Duktilität vorteilhaft erheblich erhöht werden konnte. Bei einer Prüftemperatur von 1.000°C konnte die Brucheinschnürung Z als Maß für die Duktilität im Warmzugversuch von 25% auf 94% gesteigert werden.
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In weiteren Charakterisierungen der Versuchslegierungen zeigte sich zunächst der in der Literatur beschriebene und erwartete Effekt einer Festigkeitssteigerung von ca. 200 MPa pro Prozent Kupferzugabe.
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Bei einer Ausscheidungshärtung nach unterschiedlich starken Kaltverformungen wurde darüber hinaus weit unterhalb der üblichen Rekristallisationstemperaturen eine überraschende, erhebliche Steigerung der Duktilität beobachtet. Bei niedrigen Glühtemperaturen von vorzugsweise unter 420°C konnte bei den erfindungsgemäßen Versuchslegierungen gleichzeitig eine erhebliche Steigerung der Bruchdehnung an Flachproben der Messlänge 50 mm A50 > 15% ein Festigkeitsanstieg festgestellt werden. In A50 repräsentiert hier die Zahl 50 die Messlänge. Der Festigkeitsanstieg ist dabei abhängig vom der Kaltumformung: gering kaltverfestigte Proben (15%) zeigen einen höheren Festigkeitsanstieg (15%) als hoch kaltverfestigte Proben (> 60%), bei denen nur ein geringer Anstieg von 2% zu verzeichnen ist. Damit werden unterschiedlich starke Kaltverfestigungen durch die Ausscheidungshärtung mit Kupfer teilweise ausgeglichen.
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Darüber hinaus zeichnen sich die erfindungsgemäßen Legierungen durch eine hohe Kaltumformbarkeit von mehr als 80% aus. Die Festigkeit und Duktilität kann dabei auf hohem Niveau oberhalb einer Streckgrenze von 750 MPa durch Variation von Umformgrad und Wärmebehandlungstemperatur variiert werden. Dabei werden hohe Produkte aus Festigkeit Rm und Bruchdehnung A50 von mehr als 15.000 MPa-% erreicht. Bereits bei Glühtemperaturen unter 420°C werden Gleichmaßdehnungen Ag von mehr als 10% erreicht.
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Die erfindungsgemäße Legierung enthält zwingend Eisen und Kupfer und ferner ein oder mehrere der darüber hinaus nachfolgend gennannten Bestandteile. Im Folgenden beziehen sich alle Prozentangaben auf Gew.-% der Gesamtlegierung, falls nicht anders angegeben.
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Eisen: Hauptbestandteil der Legierung ist Eisen mit einem Anteil von vorzugsweise mindestens 96 Gew.-%. Ein hoher Eisengehalt sichert niedrige Kosten bezogen auf die Zusammensetzung der Legierung und bei der Verarbeitung über die gesamte Prozesskette. Höhere Legierungsanteile bzw. geringere Eisengehalte führen in den klassischen Stahlwerken, in denen Massenstählen kosteneffizient produziert werden, zu langen Zeiten für die Legierungsbehandlung in der Pfanne, so dass ein kostengünstiger Fertigungsablauf behindert wird. Kupfer: 0,5–2,0 Gew.-%, bevorzugt 0,8 bis 1,6 Gew.-%, besonders bevorzugt 1,0 bis 1,5 Gew.-%. Kupfer verbessert die Kaltumformbarkeit bei hohen Grundfestigkeiten. Kupfer ist im Ferrit-Mischkristall gelöst und führt zu einer Mischkristallverfestigung von ca. 40 MPa je % gelöstes Kupfer. Bei der Wärmebehandlung im Temperaturbereich von 250°C bis 600°C verlässt das Kupfer den Alpha-Mischkristall und bildet feine Ausscheidungen. Die Ausscheidungen liefern einen erheblich höheren Beitrag von ca. 200 MPa pro % ausgeschiedenes Kupfer zur Festigkeit als die vorherige Mischkristallverfestigung. Das durch eine vorgeschaltete Kaltverfestigung verspannte Gitter des Alpha-Mischkristalls wird durch das Herausdiffundieren der Cu-Atome entspannt, so dass die Duktilität weit unterhalb der Rekristallisationstemperatur deutlich steigt. Unterhalb 0,4 Gew.-% Kupfer ist der Effekt des Kupfers vergleichsweise gering. Oberhalb von 1,5 Gew.-% wird aus Kostengründen der Einsatz begrenzt.
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Kohlenstoff kann in geringen Anteilen vorhanden sein, bevorzugt 0,04–0,12 Gew.-%, besonders bevorzugt 0,04 bis 0,08 Gew.-%: Ein niedriger Kohlenstoffgehalt sichert eine sehr gute Umformbarkeit und eine sehr gute Schweißbarkeit. Insbesondere das Kaltumformen wird daher durch den Kohlenstoffanteil gefördert.
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Cr-Si-Mn-Ni: Durch eine Variation der Gehalte an Cr, Si, Mn und Ni werden die Grundfestigkeit des Stahls und das Verfestigungsverhalten beeinflusst. Die Summe aus Cr+Mn+Si+Ni liegt erfindungsgemäß vorzugsweise im Bereich von 0,5–2,5 Gew.-%. Insbesondere sind die Gehalte an Silizium und Mangan wie folgt, wobei die Gesamtmenge an Cr+Mn+Si+Ni wie vorstehend definiert ist:
Silizium: 0–2 Gew.-%, bevorzugt 0,8–1,2 Gew.-%. Ein entsprechender Si-Gehalt hat einen günstigen Einfluss auf die Duktilität und Verfestigung bei der Kaltumformung und verbessert die Zunderbeständigkeit und hat demzufolge auch einen positiven Einfluss auf die Verminderung der Gefahr der Rotbrüchigkeit.
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Mangan: 0,3–2 Gew.-%. bevorzugt 0,3–0,6 Gew.-%. Ein vergleichsweise niedriger Mn-Gehalt beeinflusst das Seigerungsverhalten im Strangguss günstig und verbessert die Umformbarkeit. Ein höherer Mangangehalt von 0,6 bis 2% führt zu einer höheren Grundfestigkeit.
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Stickstoff: bevorzugt 0 bis 0,01 Gew.-%, besonders bevorzugt 0,003–0,008 Gew.-%. Stickstoff ist regelmäßig ein übliches Begleitelement.
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Bor: bevorzugt 0 bis 0,01 Gew.-%, besonders bevorzugt 0,001–0,005 Gew.-%. Bor ist als gelöstes Element im Austenit grenzflächenaktiv. Es verbessert bei üblichen niedriglegierten Legierungen die Härtbarkeit durch Verzögerung der Ferritkeimbildung an den Austenitkorngrenzen. Hier vermindert die Bor-Zugabe die Rotbruchgefahr.
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Aluminium: bevorzugt 0 bis 0.04 Gew.-%. Aluminium ist ein übliches Legierungselement zur Desoxidation, das insbesondere bei niedrigen Mangan- und Siliziumgehalten zugegeben wird.
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Ti-Nb-V-Mo-W: Diese Refraktärmetalle bilden Carbide und Nitride, die als feine Ausscheidungen die Festigkeit erhöhen können. Eine gleichzeitige Festigkeitssteigerung durch Ausscheidung von Refraktär-Carbonitriden zusätzlich zur Aushärtung mit Cu ist möglich. Die Summe aus den genannten Elementen sollte zunächst allein aus Kostengründen bei unter 0,3 Gew.-% liegen. Darüber hinaus ist die Wirksamkeit der Refraktärmetalle an verfügbaren Kohlenstoff und/oder Stickstoff gebunden.
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Titan: bevorzugt 0 bis 0,1 Gew.-%, besonders bevorzugt 0,02–0,05 Gew.-%. Titan bindet den hier unerwünschten Stickstoff im Verhältnis von 3,2•Stickstoff-Gehalt in Gew.-% bei hohen Temperaturen > 1000°C ab und verhindert die Bildung von hier unerwünschten Bor-Nitriden Oberhalb dieses Gehaltes steht Ti für eine Ausscheidungshärtung zusammen mit C bei niedrigen Temperaturen im Bereich 300–600°C zur Verfügung. Titancarbide können parallel zu den Kupferausscheidungen zu einer weiteren Ausscheidungshärtung beitragen. Nachteilig verbunden mit höheren Ti-Gehalten ist die Abbindung des gelösten Bors in Form von Titanboriden, die sich bereits bei hohen Temperaturen bilden.
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Die erfindungsgemäße Legierung kann geringe Mengen von weiteren Elementen beispielsweise in Form der üblichen Begleitelemente als Verunreinigungen enthalten. Diese Verunreinigungen sind meistens unvermeidbare Beimischungen wie z. B. Schwefel und Phosphor, Zinn, Antimon. Die Menge der Verunreinigungen ist abhängig von den Herstellrouten im Stahlwerk und sollte in der Summe üblicherweise unter 0,03 Gew.-% liegen.
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Besonders bevorzugt besteht die Legierung aus (in Gew.-% bezogen auf die Gesamtlegierung, wobei die Summe aller Bestandteile 100 Gew.-% ergibt)
Eisen | ≥ 96 |
Kohlenstoff | 0,04 bis 0,12 |
Kupfer | 0,5 bis 2,0 |
Mangan + Silizium + Chrom + Nickel | 0,5 bis 2,5 |
Titan | 0 bis 0,1 |
Bor | 0 bis 0,005 |
sowie üblichen unvermeidbaren Verunreinigungen. Bei der Herstellung von Halbzeugen und Bauteilen aus dieser Legierung wird eine Kombination aus Kaltumformung und Glühbehandlung unterhalb der Rekristallisationstemperatur angewendet.
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Das erfindungsgemäße Bauteil ist bevorzugt ein Halbzeug in Form von Blech, Rohr oder Stab, da bei diesen Halbzeugen eine hohe Genauigkeit und/oder geringe Wanddicken für einen effizienten Leichtbau gefordert werden. Der Einsatz kalt-umgeformten Materials ist vorteilhaft mit engen Toleranzen und guten, zunderfreien Oberflächen verknüpft.
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Aus den Halbzeugen können andere Bauteile hergestellt werden. Erfindungsgemäße andere Bauteile können aus den Halbzeugen Flachmaterial, Draht und Rohr und Kombinationen daraus hergestellt werden. Die notwendige Kaltverformung erfolgt entweder bereits bei der Herstellung der Halbzeuge, z. B. Kaltband, kaltverformtes, z. B. gezogenes Rohr und/oder Draht aus der Legierung, oder erst bei der finalen Verformung von weichem Halbzeug. Besonders vorteilhaft ist die Technologie für Bauteile mit variablen Wanddicken geeignet, z. B. sogenanntes TRB „Tailor Rolled Blank”, da Festigkeitsunterschiede durch unterschiedliche Umformgrade partiell ausgeglichen werden können. Die Wanddicken, Blechdicken oder Querschnitte der Bauteile können innerhalb des Bauteils z. B. um bis 60% bezogen auf die anfängliche Dicke bzw. anfängliche Stärke variiert, so zum Beispiel verringert werden. Bevorzugt wird um wenigstens 30% variiert bzw. verringert.
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Insgesamt ist eine Kaltverformung in Form einer Querschnittsabnahme von mindestens 10% bis hin zu 90% möglich bezogen auf den anfänglichen Querschnitt.
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Bevorzugt erfolgt die Kaltverformung von Halbzeugen aus der erfindungsgemäßen Legierung durch übliche Kaltformverfahren. Beispielhaft genannt seien beispielsweise Kaltziehen, Kaltwalzen von Band und/oder Profilen, Kalibrierungswalzen, Kaltstauchen, Gewindewalzen, Tiefziehen, Napfen, Drückwalzen, Rundkneten. Das Kaltumformen erfolgt erfindungsgemäß bevorzugt bei Temperaturen unterhalb 400°C, besonders bevorzugt bei Raumtemperatur. Die durch das Kaltumformen erzielte Abmessungsänderung beträgt bevorzugt mindestens 10% bezogen auf die Ausgangsdimension.
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Die anschließende Glühbehandlung zur Steigerung der Duktilität und Festigkeit erfolgt erfindungsgemäß bei Temperaturen von vorzugsweise zwischen 300 und 600°C, bevorzugt 350 bis 500°C bei einer Gesamtdauer von vorzugsweise 30 Minuten bis 48 h, so dass weder ein unerwünschter Verzug noch eine Verzunderung von Oberflächen auftritt. Die Dauer der Glühbehandlung ist in weiten Bereichen variabel, da beispielsweise große Massen in Form von Coils mit mehreren Tonnen Gewicht eine hohe thermische Trägheit aufweisen. Für derartige Massen ergibt sich durch die gegenüber dem üblichen Spannungsarmglühen abgesenkte Maximaltemperatur eine Verkürzung der Prozesszeit um mehrere Stunden. Die Wirksamkeit des Verfahrens wurde in Prozesszeiten von 1 h für dünnwandige Bauteile und 36 h für große Coils verifiziert.
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Die exzellente Oberflächenqualität der erfindungsgemäßen Bauteile sichert ebenfalls gute Ermüdungseigenschaften bei zyklischer Beanspruchung.
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Zudem ist mit den niedrigen Glühtemperaturen ein deutlich abgesenkter Energieverbrauch gegenüber dem im Stand der Technik erforderlichen Rekristallisationsglühen oder Vergüten erforderlich, die eine Erwärmung auf 600°C bis 950°C erfordern.
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Übliche Legierungen, wie Feinkorngüten S355, S420MC, zeigen beim Spannungsarmglühen nach der Kaltverformung eine deutliche Abnahme der Festigkeit und eine nur moderate Steigerung der Duktilität. Das Produkt aus Festigkeit Rm und Dehnung A50 liegt nach Glühen unterhalb der Rekristallisationstemperatur üblicherweise unterhalb von 10.000 MPa-%. Gleichmaßdehnungen von mehr als 10% werden erst oberhalb der Rekristallisationstemperatur von z. B. 600°C erreicht. Daher werden in der industriellen Praxis Bauteile mit entsprechenden Anforderungen an die Festigkeit bisher meistens durch Härten und Anlassen vergütet mit Nachteilen bezüglich Energieeinsatz, Oberflächenqualität und Genauigkeit durch Verzug.
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Die erfindungsgemäße Legierung wird auf übliche Weise hergestellt, z. B. über die Hochofenroute, Direktreduktionsstahlwerke und Elektrostahlwerke. Die Legierungszusammensetzung wird in der üblichen Pfannenmetallurgie hergestellt, wobei die chemische Zusammensetzung mittels geeigneter Verfahren, z. B. Optische Emissionsspektroskopie (OES) geprüft wird.
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Der Abguss erfolgt für die hier relevante Massenproduktion üblicherweise im Strangguss.
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Das Auswalzen von Band und Stabmaterial erfolgt z. B. in üblichen Warmwalzstraßen, z. B. Warmbreitbandstraßen. Besonders vorteilhaft erfolgt die Erzeugung in integrierten Gieß-Walzanlagen, da hier durch günstige Energiebilanz Kostenvorteile entstehen. Darüber hinaus hat der direkte Einsatz des Stahls aus der Gießhitze ohne separate Zwischenerwärmung weniger Risiken in Bezug auf eine potenzielle Rotbruchgefahr.
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Anschließend wird die Legierung erfindungsgemäß durch Kaltumformen und die vorstehend erwähnte Glühbehandlung weiter behandelt, um die gewünschte hohe Duktilität und große Festigkeit zu erzielen.
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Die erfindungsgemäßen Bauteile bzw. Halbzeuge weisen bevorzugt ein Produkt aus Zugfestigkeit und Bruchdehnung von mindestens 12.000 MPa*% auf sowie eine Zugfestigkeit Rm von mindestens 600 MPa.
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Das erfindungsgemäße Halbzeug bzw. Bauteil hat bevorzugt eine Zugfestigkeit mindestens 900 MPa und noch bevorzugter von mindestens 1.000 MPa, eine Streckgrenze Rp 0,2 von mindestens 800 MPa, bevorzugt mindestens 900 MPa und eine Bruchdehnung von mindestens 10%.
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Bruchdehnung A, Zugfestigkeit Rm und Streckgrenze Rp 0,2 werden erfindungsgemäß z. B. mit Hilfe genormter quasi-statischer Zugversuche ermittelt.
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Die Erfindung wird im Folgenden durch Anwendungsbeispiele weiter erläutert.
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Erfindungsgemäßen Bauteile werden insbesondere durch einen Kaltumformgrad von mehr als 15% (bezogen auf den anfänglichen Querschnitt) erhalten, wobei anschließend bei niedrigen Temperaturen zwischen 350 und 500°C gleichzeitig spannungsarm geglüht und ausscheidungsgehärtet wurde.
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Anwendung 1:
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Eine mögliche Anwendung ist die ressourceneffiziente Herstellung kosteneffizienter Stahlrohre. Die notwendige Kaltumformung erfolgt durch einen oder mehrere Kaltzüge und/oder Kalibrierungswalzen. Nahtlose Rohre werden bevorzugt durch Kaltziehen verarbeitet, während geschweißte Rohre oft in einem Arbeitsgang in einem Kalibrierungswalzwerk profiliert werden. Dabei werden die Rohre vielfach gleichzeitig nicht nur auf Maß gewalzt, sondern auch besondere Profilierungen im Querschnitt hergestellt, so dass komplexe Hohlprofile entstehen können.
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Es ist bisher üblich, durch ein Spannungsarmglühen unterhalb der Rekristallisationstemperatur (BKS-Glühen) die Duktilität der kalt verformten Rohre und Hohlprofile auf ein erträgliches Maß zu bringen. Dadurch wird jedoch allgemein nur eine geringe Duktilität bei begrenzten Festigkeiten erreicht, z. B. 700 MPa Festigkeit bei unter 10% Bruchdehnung, wenn beispielsweise ein S460 kaltverfestigt und spannungsarm geglüht wird.
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Die erfindungsgemäße Werkstoff- und Verfahrenskombination erlaubt eine Festigkeit von mehr als 900 MPa bei einer Bruchdehnung von mehr als 15%, wobei auch niedrige Festigkeiten bei dann deutlich höheren Bruchdehnungen möglich sind. Die erfindungsgemäße Werkstoff- und Verfahrenskombination erlaubt also gleichzeitig eine Steigerung von Festigkeit und Duktilität sowie eine Absenkung der Glühtemperaturen von bisher allgemein größer 600°C auf deutlich unter 500°C, so dass Energie gespart werden kann. Darüber hinaus ist die Verformungsfähigkeit deutlich besser, so dass höhere Umformgrade beim Ziehen und/oder Kalibrieren möglich werden, als wenn z. B. übliche Feinkornstähle im Bereich S355 bis S500MC eingesetzt werden.
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Anwendung 2:
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Eine mögliche Anwendung der erfindungsgemäßen Legierung ist das Kaltstauchen ausgehend von Draht- oder Stabmaterial. Dies ist das übliche Verfahren zur Herstellung von Schrauben, Befestigungselementen, Kugelzapfen, etc., an die hohe Anforderungen an Festigkeit und Duktilität gestellt werden. Bei sehr hohen Anforderungen an die Festigkeit sind vielfach bisher komplexe Prozesse im Einsatz, um konventionelle Stahlsorten, wie 42CrMo4 oder 41Cr4 über Ziehen und Kaltumformungen mit Zwischenglühungen zu einem geometrisch geeigneten Bauteil zu formen. Im Anschluss ist dann eine Vergütung in Form von Härten und Anlassen mit nachfolgenden Bearbeitungen erforderlich, da die Bauteiloberfläche nach der üblichen Vergütung nachgearbeitet werden muss.
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Es ist bekannt, dass in den letzten Jahren bainitische Kaltstauchgüten zum Einsatz gekommen sind, die auch ohne Vergütungsbehandlung die Einstellung einer hohen Festigkeit erlauben, z. B. 8MnCrB3 oder 8MnSi7, Festigkeiten von 800 MPa und leicht darüber sind ohne Vergütungsbehandlung möglich. Diese Werkstoffe erhalten ihre Festigkeit aus dem bainitischen Grundgefüge und einer Kaltverfestigung. Im Vergleich zur erfindungsgemäßen Werkstoff- und Verfahrenskombination ist eine geringere Umformbarkeit vorhanden.
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Die erfindungsgemäße Werkstoff- und Verfahrenskombination ermöglicht durch exzellente Kaltumformbarkeit die vollständige kalte Formgebung auch komplexer Geometrien ohne Zwischenglühen. Dabei sind größere Umformungen als beim Einsatz der genannten Kaltstauchgüten möglich. Eine Kaltverfestigung auf eine Streckgrenze von mehr als 1.000 MPa ist möglich. Der anschließende erfindungsgemäße Glühprozess im Temperaturbereich von 300–500°C ermöglicht eine Anhebung der Bruchdehnung auf über 12%.
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Anwendung 3:
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Die Herstellung von dünnen Blechen aus Stahl – in der Regel unterhalb etwa 2 mm bis unter 0,1 mm – erfolgt als Kaltband. Kaltband kann auch in unterschiedlichen, abgestuften Dicken als sogenanntes TRB-Material hergestellt werden. Die unterschiedlichen Dicken ermöglichen einen verbesserten Leichtbau durch gezielten Materialeinsatz. Leichtbau mit Stahl erfordert möglichst hohe Festigkeiten bei guter Duktilität. Analog zu den Anwendungen 1 und 2 ermöglicht der Einsatz der erfindungsgemäßen Werkstoff- und Verfahrenskombination eine erhebliche Steigerung der Duktilität und Festigkeit gegenüber dem Stand der Technik.
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Anwendung 4:
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Die Verarbeitung von Blechen (und Profilen) erfordert bei komplexen Geometrien eine hohe Umformbarkeit. Die erfindungsgemäße Werkstoff- und Verfahrenskombination kann auch bei der Verarbeitung von Blechen (und Profilen) z. B. durch Tiefziehen, Napfen und ähnliche Verfahren genutzt werden. Hierbei kommt das Halbzeug in einem normalisierten/rekristallisierten Zustand zum Einsatz. Die sehr gute Umformbarkeit ermöglicht die Herstellung komplexer Geometrien, z. B. über ziehtechnische und oder biegetechnische Verfahren. Im Anschluss daran erfolgt eine Glühbehandlung, die mit 300–400°C zwar oberhalb der sonst üblichen Bake-Hardening-Temperatur liegt, jedoch eine vergleichsweise hohe Festigkeitssteigerung erlaubt. Während über Bake-Hardening eine Festigkeitssteigerung zwischen 40–90 MPa möglich ist, kann erfindungsgemäß die Festigkeit um mehr als 200 MPa gesteigert werden. Damit können komplex geformte Komponenten mit einer Festigkeit von mehr als 600 MPa hergestellt werden, während übliche Bake-Hardening Stähle in der Anwendung auf unter 400 MPa begrenzt sind.
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Ein in anspruchsgemäßer Weise hergestelltes Bauteil unterscheidet sich hinsichtlich seiner Struktur bzw. Gefüges vom Stand der Technik und kann also identifiziert werden, wie nachfolgend verdeutlicht wird.
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Die 2 zeigt ein Gefüge eines niedrig legierten, ferritischen Stahls mit geringen Anteilen an Perlit im normalisierten Zustand. Der Perlit ist als schwarzer Gefügebestandteil erkennbar. Das Gefüge entspricht CMn Stahl in 1. Bei Stählen mit niedrigem Kohlenstoffgehalt sind im normalisierten Zustand kleine perlitische Inseln in einer ferritischen Matrix eingebettet. Auch HSLA-Stähle zeigen ein ähnliches Gefüge, dass jedoch durch eine Mikrolegierung und eine spezielle thermomechanische Behandlung deutlich kleinere Körner aufweist.
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Die 3 verdeutlicht, wie sich das Gefüge aus 2 durch Kaltumformen verändert. Gezeigt wird das Gefüge eines kaltgewalzten Stahls entsprechend 2 nach einer hohen Kaltverformung (Dickenabnahme von 8 mm auf 2 mm ohne Zwischenerwärmung). Klar zu erkennen sind gestreckte Körner durch die Kaltverformung entsprechend der Verformungsrichtung. Die Duktilität eines derartigen Gefüges ist jedoch gering, so dass bei hohen Festigkeiten in der Regel eine Bruchdehnung A5 von unter 10% vorliegt. Ein erfindungsgemäßes Halbzeug und/oder Bauteil zeigt ein entsprechendes Gefüge nach 3, da es deutlich unterhalb der Rekristallisationstemperatur lediglich spannungsarm geglüht wurde. Ein spannungsarm geglühtes Gefüge (Spannungsarmglühen (DIN EN 10052:1993)) ist dadurch gekennzeichnet, dass keine wesentliche Änderung des Gefüges auftritt: Wärmebehandlung bestehend aus Erwärmen und Halten bei ausreichend hoher Temperatur und anschließendem zweckentsprechenden Abkühlen, um innere Spannungen ohne wesentliche Änderung des Gefüges weitgehend abzubauen. Mit dem Abbau der Eigenspannungen steigt die Duktilität vergleichsweise geringfügig an. Üblicherweise werden hierfür Temperaturen zwischen 550 und 650°C benötigt. Erfindungsgemäß werden demgegenüber vorzugsweise Temperaturen zwischen 350°C und 500°C genutzt, um Cu-Partikel auszuscheiden. Erfindungsgemäße Bauteile zeichnen sich demzufolge durch die vielfach in der wissenschaftlichen Literatur beschriebenen Cu-Partikel in der Größe zwischen 1 und 20 Nanometer aus.
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4 zeigt das Gefüge des kaltgewalzten Stahls aus der 3 nach einer Glühung oberhalb der Rekristallisationstemperatur. Es sind deutlich neue globulare Körner sowie eine feinere Ausprägung des Zementits erkennbar. In der Regel ist das rekristallisiserte Gefüge feiner als die Gefüge aus den 2 und 3.
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Wie die 2 und 3 verdeutlichen, kann durch eine Gefügeuntersuchung festgestellt werden, ob ein Bauteil durch Kaltumformung erhalten wurde oder nicht. Wie die 3 und 4 verdeutlichen, ermöglicht es eine Gefügeuntersuchung festzustellen, ob ein Bauteil oberhalb der Rekristallisationstemperatur geglüht wurde oder nicht. Zur Bestimmung des rekristallisierten Gefügeanteiles werden in der klassischen Lichtmikroskopie Punkt- und Linearschnittverfahren verwendet. Im Zweifelsfall kann auch beispielsweise eine EBSD-Analyse (Electron Beam Backscatter Diffraction) zeigen, ob eine Rekristallisation vorhanden ist. Zur Unterscheidung des rekristallisierten und nicht rekristallisierten Zustandes kann hierbei die Streuung der Missorientierungswinkels in einem Korn verwendet werden. Liegen rekristallisierte und nicht rekristallisierte Anteile vor, können diese beispielsweise über die Verteilung Missorientierungsstreuung visualisiert werden. Ist diese Streuung klein liegt ein rekristallisiertes Korn vor.
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Durch Kaltumformung mit anschließendem Spannungsarmglühen können hochfeste Stähle erzeugt werden, die in 5 im Vergleich zur 1 als SR (spannungsarm geglüht) eingefügt wurden. Es ist erkennbar, dass zwar ähnliche Festigkeiten wie bei modernen HSLA, DP, CP, TRIP Stählen erreicht werden, jedoch eine deutlich geringere Duktilität vorhanden ist. Diese geringe Duktilität ist für viele Anwendungen nicht ausreichend.
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Erfindungsgemäße Stähle incl. Halbzeuge und Komponenten wurden im Vergleich zu den 1 und 5 als SPH (spannungsarm geglüht, ausscheidungsgehärtet) in 6 eingefügt. Gegenüber den klassischen, kaltverformten und spannungsarm geglühten SR-Güten sind eine höhere Festigkeit und eine höhere Duktilität vorhanden. Bezogen auf Festigkeit und Duktilität ist durch Legierungsvariation, Variation der Kaltumformung und Variation der Glühbehandlung ein weiter Bereich abbildbar. Das Produkt aus Festigkeit Rm und Dehnung liegt regelmäßig höher als bei SR-Stählen und kann das übliche Niveau von HSLA, DP, CP-Stählen erreichen.
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Die Ermittlung der Duktilität und/oder die Analyse der Cu-Partikel ermöglichen es festzustellen, ob in beanspruchter Weise eine Glühbehandlung durchgeführt wurde oder nicht.
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Insgesamt kann daher bei einem Bauteil festgestellt werden, ob es durch Kaltumformen und anschließendem Glühen deutlich unterhalb der Rekristallisationstemperatur hergestellt worden ist und somit in den beanspruchten Bereich hineinfällt oder nicht.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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