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Technisches Anwendungsgebiet
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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Fräsbearbeitung eines Werkstücks mit einer Mehrachs-Werkzeugmaschine, bei dem eine oder mehrere Hinterschneidungen in einem aus dem Werkstück zu erzeugenden Bauteil, die in einer ersten Bearbeitungsphase mit einer oder mehreren in der ersten Bearbeitungsphase gewählten ersten Orientierungen der Werkzeugachse nicht bearbeitet werden konnten, durch Einstellung wenigstens einer für die Bearbeitung der Hinterschneidungen geeigneten zweiten Orientierung der Werkzeugachse relativ zum Werkstück in einer zweiten Bearbeitungsphase bearbeitet werden.
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Stand der Technik
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Die Fräsbearbeitung von Werkstücken erfordert in der Regel mehrere Bearbeitungsvorgänge, um das jeweilige Bauteil fertig zu stellen. Diese Bearbeitungsvorgänge können eine Bearbeitung aus unterschiedlichen Richtungen oder eine volle 5-Achsen- oder 6-Achsen-Bearbeitung umfassen. Die Komplexität des Bearbeitungsprozesses hängt von der Sichtbarkeit bzw. Erreichbarkeit der jeweiligen Werkstückoberflächen mit dem Werkzeug ab. Die sog. 3-Achsen-Bearbeitung basiert auf einer statischen Bearbeitungsrichtung. Der Bearbeitungsbereich ist aus dieser Richtung sichtbar und lässt sich mit dem Werkzeug bei einer Bewegung entlang dieser Richtung erreichen. Werkstückflächen, die aus dieser Richtung nicht sichtbar und mit dem Werkzeug bei einer Bewegung in dieser Richtung nicht erreichbar sind, werden als Hinterschneidungen bezeichnet. Hinterschneidungen im zu erzeugenden Bauteil erfordern zusätzliche Bearbeitungsschritte.
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Zur Bearbeitung von Hinterschneidungen stehen heutzutage nur wenige Standardtechniken zur Verfügung. Bei einer dieser Techniken wird das gesamte Werkstück in einem Durchgang mit einer 5- oder 6-Achsen-Bearbeitung gefräst. Bei einer weiteren bekannten Technik werden die Hinterschneidungen mit einer sog. 3 + 2-Achsen-Bearbeitung oder mit einer 5- oder 6-Achsen-Bearbeitung gefräst.
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Eine volle 5- oder 6-Achsen-Bearbeitung des gesamten Werkstücks wird typischerweise bei Bauteilen eingesetzt, für die eine reine 3-Achsen-Bearbeitung nicht geeignet ist, bspw. bei der Fertigung von Laufrädern (offen oder geschlossen) oder Einlasskanälen von Motoren. Für die 5- oder 6-Achsen-Bearbeitung sind fortgeschrittene Techniken zur Erzeugung der Bearbeitungsbahnen für das gesamte Modell erforderlich, wie bspw. das sog. Slicing, Projektionen oder geodätische Linien. Die Verkippung des Werkzeuges muss klein sein, um Kollisionen zu vermeiden, und sollte die Bearbeitungszeit nicht erhöhen. Die Nutzung der 5- oder 6-Achsen-Bearbeitung für das gesamte Werkstück erhöht damit die Komplexität der Bearbeitung.
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Zur Verringerung dieser Komplexität werden Hinterschneidungen häufig in einem oder mehreren getrennten Bearbeitungsschritten erzeugt. Typischerweise wird die Bearbeitung der Hinterschneidungen als letzter Bearbeitungsschritt nach einer schnellen 3-Achsen-Bearbeitung oder nach einer 5-Achsen-Bearbeitung mit minimaler Verkippung des Werkzeugs durchgeführt. Der Vorteil dieser separaten Bearbeitung der Hinterschneidungen besteht darin, dass der Anwender zunächst eine schnelle 3-Achsen-Bearbeitungsstrategie oder jede andere geeignete Bearbeitungsstrategie in der ersten Bearbeitungsphase wählen kann, um eine schnelle Bearbeitung oder hohe Oberflächenqualität zu erzielen. Der verbleibende Teil kann dann separat bearbeitet werden. Eine 5- oder 6-Achsen-Bearbeitung der Hinterschneidungen führt allerdings nicht zur gleichen Qualität wie eine 3-Achsen-Bearbeitung. Sie erfordert zusätzliche Bearbeitungsachsen, die schnell genug sind. Dies erhöht jedoch die Kosten. Auf der anderen Seite wird bei der Bearbeitung der Hinterschneidungen mit einer 3 + 2-Achsen-Technik zwar in der Regel die gleiche hohe Qualität wie bei einer reinen 3-Achsen-Bearbeitung erreicht. Sie erfordert für die Bearbeitungsplanung jedoch eine Detektion der Hinterschneidungen und die Bestimmung der besten Bearbeitungsrichtung.
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht darin, ein Verfahren zur Fräsbearbeitung eines Werkstücks zur Erzeugung eines Bauteils mit Hinterschneidungen anzugeben, das eine hohe Bearbeitungsgeschwindigkeit bei geringer Komplexität der Bearbeitungsplanung ermöglicht.
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Darstellung der Erfindung
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Die Aufgabe wird mit dem Verfahren gemäß Patentanspruch 1 gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen des Verfahrens sind Gegenstand der abhängigen Patentansprüche oder lassen sich der nachfolgenden Beschreibung sowie dem Ausführungsbeispiel entnehmen.
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Bei dem vorgeschlagenen Verfahren werden eine oder mehrere Hinterschneidungen in dem aus dem Werkstück zu erzeugenden Bauteil in einer ersten Bearbeitungsphase mit einer oder mehreren ersten Orientierungen der Werkzeugachse bearbeitet. Dies kann bspw. mit einer schnellen 3-Achsen-Bearbeitung erfolgen. Es sind in dieser ersten Bearbeitungsphase jedoch auch andere Bearbeitungstechniken möglich. In einer sich anschließenden zweiten Bearbeitungsphase werden dann die Hinterschneidungen im Werkstück durch Einstellung wenigstens einer für die Bearbeitung der Hinterschneidungen geeigneten zweiten Orientierung der Werkzeugachse relativ zum Werkzeug bearbeitet. Die in der zweiten Bearbeitungsphase gewählte wenigstens eine zweite Orientierung der Werkzeugachse wird automatisiert in einer Recheneinheit ermittelt. Hierzu wird auf Basis eine Oberflächenmodells des zu erzeugenden Bauteils durch die Recheneinheit ein Dreiecksnetz der Oberfläche des Bauteils generiert, bei dem die Dreiecke eine geringere Ausdehnung aufweisen als die für die Bearbeitung des Werkstücks zulässigen Toleranzen und/oder der Durchmesser des für die Bearbeitung eingesetzten Werkzeugs. Unter der Ausdehnung wird hier die Länge der längsten Seite des jeweiligen Dreiecks verstanden. Das Oberflächenmodell kann hierbei bereits als Dreiecksnetz (z. B. im STL-Format) oder auch als andere Oberflächenbeschreibung geliefert werden, die dann in der Recheneinheit in ein Dreiecksnetz umgewandelt wird. Das Verfahren unterstützt somit das Ausgangsdatenformat von 3D-Scannern, deren Ausgangsdaten direkt ohne weitere Vorverarbeitung übernommen werden können. Bei direkter Übernahme eines Dreiecksnetzes werden die Dreiecke bei dem vorgeschlagenen Verfahren automatisch in kleinere Dreiecke unterteilt, wenn die Dreiecke des übernommenen Dreiecksnetzes die vorgegebene Ausdehnung überschreiten. In einer vorteilhaften Ausgestaltung wird als vorgegebene Ausdehnung ein Wert kleiner oder gleich dem Werkzeugdurchmesser gewählt. Für jedes der Dreiecke des Oberflächenmodells wird durch die Recheneinheit dann geprüft, ob dieses Dreieck aus einer der ersten Orientierung der Werkzeugachse entsprechenden Richtung sichtbar ist oder nicht, d. h. durch andere Dreiecke verdeckt wird. Ist es aus dieser Richtung nicht sichtbar – und somit für das Werkzeug in der ersten Bearbeitungsphase auch nicht erreichbar, so wird das entsprechende Dreieck durch die Recheneinheit gekennzeichnet. Unter einer Kennzeichnung wird hierbei eine Operation verstanden, durch die das Dreieck durch die Recheneinheit von sichtbaren Dreiecken unterscheidbar ist. Dies kann bspw. auch durch Aufnahme der Positionen der als nicht sichtbar erkannten Dreiecke in eine Liste erfolgen. Bei mehreren ersten Orientierungen in der ersten Bearbeitungsphase erfolgt diese Prüfung für jede der diesen Orientierungen entsprechenden Richtungen. Ist ein Dreieck aus wenigstens einer dieser Richtungen sichtbar, so wird es nicht gekennzeichnet bzw. eine bereits erfolgte Kennzeichnung aufgehoben, so dass nach dieser Prüfung nur Dreiecke gekennzeichnet sind, die aus keiner der den ersten Orientierungen entsprechenden Richtungen sichtbar sind. Auf diese Weise gekennzeichnete Dreiecke, die eine gemeinsame Kante aufweisen, werden gruppiert, d. h. jeweils einer Gruppe zugeordnet. Bei mehreren getrennten Hinterschneidungen entstehen dadurch entsprechend mehrere Gruppen von gekennzeichneten Dreiecken. Jede Gruppe entspricht einer Hinterschneidung. Nach dieser Detektion der Hinterschneidungen im Oberflächenmodell wird durch die Recheneinheit für jede der Gruppen die Orientierung der Werkzeugachse relativ zum Modell variiert, um eine Orientierung zu finden, bei der eine maximale Fläche von gekennzeichneten Dreiecken aus einer der Orientierung entsprechenden Richtung sichtbar ist. Die auf diese Weise ermittelte Orientierung für die jeweilige Gruppe bzw. Hinterschneidung wird dann in der zweiten Bearbeitungsphase eingesetzt, um die jeweilige Hinterschneidung in dem Werkstück zu bearbeiten.
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Mit dem vorgeschlagenen Verfahren werden somit auf Basis des Oberflächenmodells des zu erzeugenden Bauteils und der in der ersten Bearbeitungsphase gewählten Werkzeugorientierung(en) die Hinterschneidungen automatisch detektiert und eine oder mehrere zweite Orientierungen der Werkzeugachse ermittelt, mit denen sich diese Hinterschneidungen in der zweiten Bearbeitungsphase erzeugen lassen. Dies ermöglicht die Wahl einer schnellen 3 + 2-Achsen-Bearbeitung für das Werkstück bei geringer Komplexität der Bearbeitungsplanung.
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Das vorgeschlagene Verfahren lässt sich für die verschiedensten Anwendungen einsetzen, so bspw. für die Herstellung von Druckgussformen, im Bereich der Zahntechnik, für die Herstellung von Hörgeräten oder Prothesen und in anderen Gebieten, in denen Bauteile mit Hinterschneidungen erforderlich sind. Das Verfahren ermöglicht hohe Bearbeitungsgeschwindigkeiten und die Verwendung statischer Werkzeugachsen.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung des vorgeschlagenen Verfahrens werden bei der Gruppenbildung automatisch die äußeren Begrenzungen der Gruppen ermittelt und für die Steuerung des Bearbeitungsprozesses in der zweiten Bearbeitungsphase genutzt. Dies vermeidet eine zusätzliche Markierung der Werkstückoberfläche für eine derartige Bearbeitung.
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In einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung werden die gebildeten Gruppen von Dreiecken einer zusätzlichen Filterung unterworfen. Hierbei werden Gruppen herausgefiltert, die eine zu geringe Fläche oder eine zu geringe Tiefe aufweisen. Derartige Gruppen können aufgrund von Ungenauigkeiten in den Daten des Oberflächenmodells, wie sie bspw. von einem 3-D-Scanner erhalten werden, entstehen und stellen keine echten Hinterschneidungen dar. Für die Filterung wird in einer Ausgestaltung die Gesamtfläche der Dreiecke jeder Gruppe ermittelt. Liegt diese Fläche unter einem vorgegebenen Schwellwert, so wird die entsprechende Gruppe als unechte Hinterschneidung verworfen. In einer weiteren Ausgestaltung, auch in Kombination mit der vorangehenden Ausgestaltung, wird die Tiefe der Eckpunkte der Dreiecke für jede Gruppe bestimmt. Diese Bestimmung erfolgt gegenüber der Sichtbarkeitsgrenze, d. h. der Grenzfläche zwischen den aus der Richtung der ersten Orientierung sichtbaren und der aus dieser Richtung nicht sichtbaren Bereichen. Unterschreitet diese Tiefe für jeden der Eckpunkte eines Dreiecks einen vorgegebenen Schwellwert, so wird dieses Dreieck verworfen und somit aus der Gruppe entfernt. Dies kann auch dazu führen, dass aus einer Gruppe mehrere neue Gruppen entstehen. Der jeweilige Vergleichs- bzw. Schwellwert wird sowohl bei der Fläche als auch bei der Tiefe auf Basis der erlaubten Toleranzen und/oder des Werkzeugdurchmessers gewählt.
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In einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung wird eine feste Anzahl an unterschiedlichen Orientierungen bzw. Richtungen vorgegeben, unter denen nach der Orientierung mit der besten Sichtbarkeit der gekennzeichneten Dreiecke jeder Gruppe für die zweite Bearbeitungsphase gesucht wird.
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In einer weiteren Ausgestaltung werden feste Orientierungen oder Richtungen vorgegeben, unter denen nach der Orientierung mit der besten Sichtbarkeit der gekennzeichneten Dreiecke jeder Gruppe für die zweite Bearbeitungsphase gesucht wird. Es ist auch möglich, die Suche nach Orientierungen auf eine Seite des Werkstücks, d. h. auf einen Raumwinkel von 2π, zu begrenzen.
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In einer weiteren Ausgestaltung des vorgeschlagenen Verfahrens wird in der Recheneinheit auch zu entfernendes Werkstückmaterial ermittelt, das nach der ersten Bearbeitungsphase aufgrund der geometrischen Form des Werkzeugs oder aufgrund einer Glättung der Bearbeitungsbahn bei der Bearbeitung noch nicht entfernt wurde. Dies betrifft vor allem Material an scharfen Innenkanten oder Ecken des zu erzeugenden Bauteils. Dieses verbleibende Material wird auf Basis der Informationen über die geometrische Form des Werkzeugs und die in der ersten Bearbeitungsphase gewählten Bearbeitungsbahn durch die Recheneinheit detektiert. Hierbei wird die Differenz zwischen einem aus den obigen Informationen und der ersten Orientierung emulierten Bearbeitungsergebnis und dem Oberflächenmodell ermittelt. Dreiecke innerhalb des nicht entfernten Materialbereichs werden dabei ebenfalls als nicht sichtbare Dreiecke gekennzeichnet und dem weiteren Verfahren der Gruppenbildung und Bestimmung der zweiten Orientierung(en) unterworfen.
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Die Bestimmung der zweiten Orientierung(en) kann dabei durch ein Bestimmungsmodul erfolgen, das bspw. ein Programm in der Recheneinheit umfasst und die einzelnen Schritte des Verfahrens zur Bestimmung der zweiten Orientierung(en) durchführt. Das Bestimmungsmodul verfügt entsprechend über eine Eingangsschnittstelle für den Empfang des Oberflächenmodells des Bauteils, der Daten der ersten Bearbeitungsphase, insbesondere der Dimensionen des eingesetzten Werkzeugs, der ersten Orientierung(en) und Bearbeitungsbahnen in der ersten Bearbeitungsphase sowie der Toleranzen für die Fertigung des zu erzeugenden Bauteils, eine Vorverarbeitungseinheit für die Erzeugung des Dreiecksnetzes auf Basis der Daten des empfangenen Oberflächenmodells, eine Detektionseinheit für die Bestimmung bzw. Detektion der Hinterschneidungen sowie eine Bestimmungseinheit für die Suche nach der für die Bearbeitung der Hinterschneidungen optimalen zweiten Werkzeugorientierung. Das Bestimmungsmodul weist eine entsprechende Ausgabeschnittstelle für die Ausgabe von Steuerdaten an die Steuerung der eingesetzten Mehrachs-Werkzeugmaschine auf, über die die eine oder mehreren zweiten Orientierungen der Werkzeugachse, vorzugsweise zusammen mit einer für die Bearbeitung der Hinterschneidungen berechneten Bearbeitungsbahn, ausgegeben werden.
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Kurze Beschreibung der Zeichnungen
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Das vorgeschlagene Verfahren wird nachfolgend nochmals anhand von Beispielen in Verbindung mit den Zeichnungen näher erläutert. Hierbei zeigen:
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1 eine schematische Darstellung eines Bauteilmodells im Querschnitt, in dem eine Hinterschneidung relativ zu einer Bearbeitungsrichtung einer 3-Achsen-Bearbeitung angedeutet ist;
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2a ein Beispiel für eine Hinterschneidung, die von einer Bearbeitungsrichtung von oben nicht erreichbar bzw. sichtbar ist;
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2b Beispiele für Hinterschneidungen, die von einer Bearbeitungsrichtung von oben, von einer Bearbeitungsrichtung von unten und sowohl von oben als auch von unten nicht sichtbar sind;
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3 ein Beispiel für verbleibendes Material, das zusätzlich zu den Hinterschneidungen in der zweiten Bearbeitungsphase entfernt werden muss;
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4 ein Beispiel für eine Draufsicht auf ein Dreiecksnetz (im Ausschnitt), in dem die Gruppenbildung und die Umrandung der einzelnen Gruppen gekennzeichneter Dreiecke angedeutet ist;
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5 ein Beispiel für die Ermittlung der Tiefe der Dreiecke einer Gruppe relativ zur Sichtbarkeitsgrenze;
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6 ein Beispiel für die Ermittlung einer Orientierung der Werkzeugachse, aus der die größte Fläche an gekennzeichneten Dreiecken sichtbar ist; und
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7 eine schematische Darstellung für die Änderung der Orientierung der Werkzeugachse zur Bearbeitung einer detektierten Hinterschneidung.
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Wege zur Ausführung der Erfindung
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Bei der Fräsbearbeitung von Werkstücken müssen in einigen Fällen Hinterschneidungen erzeugt werden, wie sie bspw. in der Darstellung der 1 ersichtlich sind. Diese Darstellung zeigt im Querschnitt ein Bauteilmodell 1, das eine derartige Hinterschneidung 2 in Bezug auf die Orientierung bzw. Bearbeitungsrichtung 3 der Werkzeugachse bei einer statischen 3-Achsen-Bearbeitung aufweist. Für die Bearbeitung einer derartigen Hinterschneidung muss dann wenigstens eine weitere Orientierung der Werkzeugachse relativ zum Werkstück in einer weiteren Bearbeitungsphase gewählt werden. Dies erfordert jedoch eine geeignete Detektion der Hinterschneidungen und die Bestimmung der jeweils für die Bearbeitung dieser Hinterschneidungen günstigsten Orientierung der Werkzeugachse.
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Bei dem vorgeschlagenen Verfahren wird diese Detektion und Bestimmung auf Basis eines Dreiecksnetzes vorgenommen, das aus einem Oberflächenmodell des zu erzeugenden Bauteils automatisch generiert wird. Dieses Oberflächenmodell kann bspw. bereits als Dreiecksnetz von einem 3D-Scanner geliefert werden. Die Dreiecke des Dreiecksnetzes werden für das Verfahren so gewählt, dass sie eine geringere Ausdehnung als die für die Bearbeitung des Bauteils vorgegebenen Toleranzen und/oder der Durchmesser des für die Bearbeitung gewählten Werkzeuges aufweisen. Wird das Oberflächenmodell bereits als Dreiecksnetz bereitgestellt, so werden die Dreiecke ggf. automatisch in weitere Dreiecke unterteilt, um die obige Bedingung der maximalen Ausdehnung zu erfüllen.
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Auf Basis dieses Dreiecksnetzes erfolgt dann die automatische Detektion von Hinterschneidungen in der Recheneinheit. Hierzu wird für jedes der Dreiecke anhand der ersten Orientierung der Werkzeugachse in der ersten Bearbeitungsphase überprüft, ob die Dreiecke aus dieser Richtung sichtbar (und damit erreichbar) waren oder nicht. 2a zeigt hierzu ein Beispiel, bei dem die Sichtbarkeit vertikal von oben geprüft wird. Die Bearbeitungsrichtung 3 in der ersten Bearbeitungsphase ist hierbei wieder mit dem Pfeil angedeutet. In der 2a ist der Bereich des Bauteilmodells 1 zu erkennen, der aus der Bearbeitungsrichtung 3 in der ersten Bearbeitungsphase nicht sichtbar ist. Dieser Bereich entspricht der Hinterschneidung 2. In 2b ist eine Erweiterung dargestellt, bei der sowohl die Sichtbarkeit vertikal von oben als auch vertikal von unten überprüft wird. Dies kann erforderlich sein, wenn in der ersten Bearbeitungsphase sowohl eine Bearbeitung vertikal von oben als auch eine Bearbeitung vertikal von unten erfolgt ist. In der 2b sind hierbei in der linken Teilabbildung die Hinterschneidung 2 bei der Bearbeitung von oben, in der mittleren Teilabbildung die Hinterschneidungen 2 bei der Bearbeitung von unten sowie in der rechten Teilabbildung die aus beiden Bearbeitungen resultierende Hinterschneidung 2 nach der Bearbeitung von oben und von unten zu erkennen. Diese Hinterschneidung 2 in der rechten Teilabbildung der 2b ist weder von oben noch von unten sichtbar und muss in der sich anschließenden zweiten Bearbeitungsphase mit anderer Orientierung der Werkzeugachse noch entfernt werden.
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Für die Detektion der Hinterschneidungen kann auch eine Grafikkarte genutzt werden, um die nicht sichtbaren Dreiecke basierend auf dem Z-Buffer zu ermitteln.
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Bei der Fräsbearbeitung von Werkstücken mit einer 3-Achsen-Bearbeitungstechnik mit statischer Orientierung der Werkzeugachse kann nach der ersten Bearbeitungsphase zu entfernendes Material aufgrund von scharfen Innenkanten oder Ecken, aufgrund der Werkzeuggeometrie oder aufgrund einer Glättung der Bearbeitungsbahn verbleiben. 3 zeigt schematisch ein Beispiel für verbleibendes Material 4. In der Figur ist neben dem Bauteilmodell 1 und der Hinterschneidung 2 auch das Werkzeug 5 zu erkennen, das eine abgerundete Werkzeugspitze aufweist. Durch diese abgerundete Werkzeugspitze kann das Material an den Innenkanten des Bauteils nicht vollständig entfernt werden, wie dies in der Figur angedeutet ist. In einer Ausgestaltung des vorgeschlagenen Verfahrens wird derartiges Material ebenfalls automatisch durch die Recheneinheit detektiert. Das verbleibende Material 4 wird hierbei als Differenz zwischen einem durch die Recheneinheit emulierten Bearbeitungsergebnis, das unter Nutzung der entsprechenden Bearbeitungsrichtung 3, der Bearbeitungsbahnen und der geometrischen Dimensionen des Werkzeugs 5 berechnet wird, und dem Oberflächenmodell des zu erzeugenden Bauteils bestimmt. Die Dreiecke des Oberflächenmodells innerhalb der von dem verbleibenden Material 4 eingenommenen Fläche werden dabei ebenfalls als nicht sichtbar gekennzeichnet und später zusammen mit den anderen gekennzeichneten Dreiecken gruppiert und in der zweiten Bearbeitungsphase entfernt.
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Die gekennzeichneten bzw. nicht sichtbaren Dreiecke werden zu einer Gruppe zusammengefasst, wenn sie gemeinsame Kanten aufweisen. Bei mehreren Hinterschneidungen werden auf diese Weise mehrere Gruppen von Dreiecken gebildet. Jede einzelne Hinterschneidung entspricht einer Gruppe, die eine entsprechende Anzahl an nicht sichtbaren Dreiecken enthält. 4 zeigt hierzu ein Beispiel eines Teils eines Dreiecksnetzes der Bauteiloberfläche in Draufsicht, in dem drei Gruppen A, B, C von Dreiecken gebildet wurden.
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Da auf Dreiecksnetzen basierende Modelle, insbesondere im zahntechnischen Bereich, sowie Daten von 3D-Scannern in der Regel Ungenauigkeiten bei der Anordnung der Dreiecke aufweisen, können Hinterschneidungen bei dem vorgeschlagenen Verfahren auch fehlerhaft detektiert werden. Zur Vermeidung derartiger Fehler aufgrund von Ungenauigkeiten der übermittelten Oberflächenmodelle wird in den bevorzugten Ausgestaltungen eine Filterung der gebildeten Gruppen durchgeführt. Dies umfasst im vorliegenden Beispiel zwei Stufen. In der ersten Stufe erfolgt eine Berechnung der Gesamtfläche der Dreiecke der jeweiligen Gruppe. Unterschreitet diese Gesamtfläche eine Mindestgröße, so wird die jeweilige Gruppe bzw. die jeweilige Hinterschneidung verworfen. In der zweiten Stufe erfolgt eine Tiefenkontrolle. Die Dreiecke jeder Gruppe werden zusätzlich hinsichtlich der Tiefe gefiltert. Dies ist in 5 im Querschnitt schematisch angedeutet. Die Tiefe d wird hierbei gegenüber der Sichtbarkeitsgrenze 6 bestimmt, die durch die erste Orientierung bzw. Bearbeitungsrichtung 3 in der ersten Bearbeitungsphase gegeben ist. Unterschreitet die hierbei bestimmte Tiefe d aller Eckpunkte eines Dreiecks einen vorgegebenen Wert, so wird das Dreieck verworfen. Der Grenzwert für die Tiefe d wird anhand der vorliegenden Fräsbedingungen, insbesondere des Werkzeugdurchmessers und der zulässigen Toleranzen, bestimmt.
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Diese Tiefenkontrolle muss für sämtliche erste Orientierungen separat durchgeführt werden, bspw. für eine Bestimmung von der Bearbeitungsrichtung von unten wie in 2b getrennt von der Bearbeitungsrichtung von oben.
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Nach der Bestimmung und Filterung der Hinterschneidungen wird das Oberflächenmodell 1 in diesem Beispiel innerhalb vorgebbarer Grenzen um die ursprüngliche Orientierung der Werkzeugachse gedreht und gekippt. Für jede neue Orientierung wird dabei die Fläche an ursprünglich nicht sichtbaren Dreiecken bestimmt, die aus der Richtung der neuen Orientierung sichtbar sind. Auf diese Weise wird diejenige Orientierung ermittelt, unter der die größte Fläche der gekennzeichneten Dreiecke sichtbar ist. 6 zeigt hierzu eine schematische Darstellung, bei der zwei unterschiedliche Orientierungen 7, 8 dargestellt sind. Mit der Orientierung 7 von schräg oben wird hierbei ca. 80% der Fläche der ursprünglich nicht sichtbaren Dreiecke innerhalb der Hinterschneidung 2 erreicht, mit der Orientierung 8 von schräg unten lediglich 30%. In diesem Fall würde damit die Orientierung 7 von schräg oben für die weitere Bearbeitung gewählt werden. Je nach den für die Variation gewählten Stufen der Veränderung der Orientierung können in 6 selbstverständlich auch noch bessere Orientierungen für die Bearbeitung der Hinterschneidung gefunden werden.
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Vorteilhaft kann der Anwender bevorzugte Richtungen für die zweite Bearbeitungsphase vorgeben oder die Anzahl der unterschiedlichen Richtungen beschränken, innerhalb derer der eingesetzte Algorithmus automatisch nach der optimalen Richtung sucht. Weiterhin kann optional auch vorgegeben werden, dass lediglich Richtungen nur von einer Seite des Werkstücks, z. B. nur oben oder nur von unten, oder dass sämtliche Richtungen für die Bearbeitung in der zweiten Bearbeitungsphase, d. h. für die Suche nach der optimalen Orientierung zugelassen werden.
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Nach der Bestimmung der optimalen Orientierung der Werkzeugachse für die zweite Bearbeitungsphase wird diese Richtung für die Bearbeitung der jeweiligen Hinterschneidung genutzt. Im Beispiel der 7 ist die optimale Bearbeitungsrichtung für die zweite Bearbeitungsphase um 90° gegen über der Bearbeitungsrichtung in der ersten Bearbeitungsphase gekippt. Hierzu wird das Bauteilmodell 1 (und bei der Bearbeitung auch das Werkstück) für die zweite Bearbeitungsphase bei statischer Werkzeugachse entsprechend um 90° gedreht, wie dies aus der Figur ersichtlich ist. Aus dieser neuen Bearbeitungsrichtung werden alle nun sichtbaren gekennzeichneten Dreiecke der Hinterschneidung 2 auf eine Ebene 9 projiziert. Diese Projektionsebene 9 entspricht der Ebene senkrecht zur Richtung bzw. Orientierung der besten Sichtbarkeit. Aus den auf die Ebene 9 projizierten (gekennzeichneten) Dreiecken wird die Begrenzung der Hinterschneidung ermittelt. Diese planare Kurve folgt der Form der Hinterschneidung bzw. dem nun sichtbaren Teil der Hinterschneidung 2. Innerhalb dieser Kurve erfolgt dann die Bahnplanung und anschließende Bearbeitung der detektierten Hinterschneidung 2. Auf Basis der ermittelten Umrandungskurve der Hinterschneidung kann damit die automatische Bearbeitung mit einer 3 + 2-Achsen-Bearbeitungsmaschine erfolgen. Dies wird bei mehreren Hinterschneidungen für jede einzelne Hinterschneidung wiederholt.
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Jede Umrandungskurve kann dabei mit beliebigen Bearbeitungsmustern, Versätzen (step-over) oder Bearbeitungstoleranzen benutzt werden und die jeweilige Bearbeitung kann als eigenständiger Prozess durchgeführt werden. Es können Standard-3-Achsen-Zyklen, typischerweise sog. lace, Z-level, constant cusp oder eine Kombination dieser Techniken, durchgeführt werden. Die Umrandungskurve kann auch für eine Schruppbearbeitung im Falle von sehr tiefem Material oder direkt für die Endbearbeitung genutzt werden. Die Zwischenschaltung einer Schruppbearbeitung kann zu einer Reduzierung der Bearbeitungszeit beitragen.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Bauteil-Modell
- 2
- Hinterschneidung
- 3
- Bearbeitungsrichtung
- 4
- verbleibendes Material
- 5
- Werkzeug
- 6
- Sichtbarkeitsgrenze
- 7
- Orientierung von schräg oben
- 8
- Orientierung von schräg unten
- 9
- Projektionsebene