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Umfeld
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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren sowie eine Anordnung zur Überwachung des Reifenzustandes eines Fahrzeugreifens während der Fahrt. Das Verfahren und die Anordnung lassen sich vor allem bei der Überwachung stark beanspruchter Reifen, beispielsweise von Flugzeugreifen oder von Rennreifen, einsetzen. Speziell im Rennsport sind die Anforderungen an die Reifen enorm hoch und unterliegen ständiger Überwachung. Gerade in letzter Zeit sind die Reifenmischungen durch die Optimierung so sensibel geworden, dass ein mehrmaliger Reifenwechsel im Rennen notwendig ist. Dabei ist es schwierig, den richtigen Zeitpunkt für einen Reifenwechsel zu treffen, da während eines Rennens keine Möglichkeiten bestehen, den Abrieb der Reifen und damit die Profiltiefe zu messen. Wird der Zeitpunkt des Reifenwechsels zu lange hinausgezögert, steigt das Risiko eines Reifenschadens.
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Bisher wurden keine Verfahren entwickelt, die die Möglichkeit bieten, die Reifen im laufenden Betrieb (im Rennen) in Bezug auf Profilstärke, eine mögliche Blasenbildung oder ungleichmäßiges Abriebverhalten zu überwachen. Das einzige, bisher verwendete Verfahren der Reifenüberwachung ist die Reifendruckmessung. Diese ist aber unzureichend um den Alterungsprozess eines Reifens festzustellen.
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Wesentliche Veränderungen am beanspruchten Reifen sind ein Verlust der Elastizität durch die thermische Erwärmung und der Neuvernetzung der Molekülketten. Die stärksten Veränderungen treten durch die Blasenbildung auf dem Reifen auf. Die Blasenbildung entsteht durch die unterschiedliche Erwärmung auf der Oberfläche durch die wechselnden Belastungen. Als Blasenbildung bezeichnet man Bereiche in denen sich die Gummioberfläche ablöst.
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Die
US 2005/0120787 A1 offenbart ein Verfahren zur Überwachung des Reifenzustandes eines Fahrzeugreifens, bei dem mit einem Radarsensor an mehreren Stellen einer Lauffläche des Reifens während der Fahrt oder in dem Teststand Radarmessungen über die Dicke des Reifenmaterials durchgeführt werden. Aus den Radarmessungen werden jeweils Daten über auftretende Anomalien innerhalb des Reifenmaterials ermittelt, aus denen eine Information über den Reifenzustand abgeleitet wird.
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KURIAN, J. et. al.: „Microwave Non-Destructive Flaw/Defect Detection System For Non-Metallic Media Supported by Microprocessor-Based Instrumentation“, in: JMPEE, Vol. 24, 1989, No. 2, S. 74-78, beschreiben ein Verfahren zur Detektion von Defekten in einem nichtmetallischen Medium, bspw. einem Autoreifen. Bei dem Verfahren wird ein Sensor aus Mikrowellenquelle auf einer Seite und Empfangsantenne auf der gegenüberliegenden Seite des Reifenmaterials eingesetzt, wobei die Empfangsantenne die durch den Reifen transmittierten Mikrowellen empfängt.
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Die
DE 102 12 310 B4 beschreibt ein Verfahren zur Messung der Reifenprofiltiefe während der Fahrt oder in einem Teststand durch Radarmessung. Bei dem Verfahren wird entweder die Polarisationsrichtung oder die Frequenz während einer Messung verändert, um aus der gemessenen Abhängigkeit von der Polarisationsrichtung oder der Frequenz die Reifenprofiltiefe zu bestimmen.
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Beschreibung der Erfindung
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht darin, ein Verfahren und eine Anordnung bereitzustellen, mit denen der aktuelle Zustand eines Fahrzeugreifens kontinuierlich während der Fahrt überwacht werden kann. Das Verfahren und die Anordnung sollen es insbesondere ermöglichen, eine kritische Verschlechterung des Reifenzustandes so rechtzeitig zu erkennen, dass ein Reifenwechsel noch vor Eintritt eines Reifenschadens durchgeführt werden kann.
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Bei dem vorgeschlagenen Verfahren wird mit mindestens einem Radarsensor an mehreren Stellen der Lauffläche des jeweiligen Reifens eine Radarmessung über die Dicke des Reifenmaterials durchgeführt. Aus den Radarmessdaten wird die Veränderung der elektrischen Dicke des Reifenmaterials ermittelt. Aus diesen ermittelten Daten wird dann eine Information über den Reifenzustand abgeleitet.
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Mittels der Erfindung wird es möglich den aktuellen Zustand des Reifens während der Fahrt oder in einem Reifenteststand kontinuierlich zu überwachen. Das Verfahren beinhaltet die Integration von Radarsensoren in das Chassis von Fahrzeugen. Um detaillierte Informationen über die Reifenbeschaffung zu erhalten wird ein radarbasiertes Messverfahren genutzt. Der Radarsensor misst dabei die Transmission durch den Reifen und die Reflexion an Grenzschichten des Reifens. Hierbei wird, beispielsweise mittels FMCW-Radar, die Reifenoberfläche durchdrungen und die Grenzschichten im Reifenaufbau, die durch unterschiedliche dielektrische Leitfähigkeiten gekennzeichnet sind, separiert. Die starken Reflexionen an metallischen Schichten im Reifen sowie der Felge können ferner als Referenzpunkte für die Messung dienen, was eine präzise Messung ermöglicht, auch wenn der Abstand zwischen Reifen und Sensor teilweise unbekannt ist.
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Trifft die elektromagnetische Welle auf die Oberfläche des Reifens wird abhängig von der Oberflächenstrukturierung und der dielektrischen Eigenschaften ein Teil der elektromagnetischen Welle reflektiert. Die restliche Welle tritt in den Reifen ein und breitet sich in Abhängigkeit von den dielektrischen Eigenschaften des Reifens mit unterschiedlicher Geschwindigkeit aus. Die verschiedenen Gummischichtungen besitzen unterschiedliche dielektrische Eigenschaften. Aus der bekannten geometrischen Schichtdicke sowie den dielektrischen Materialparametern ergibt sich für jede Schicht eine elektrische Länge und es kommt an den jeweiligen Grenzschichten zu Reflexionen. Diese Schichtung kann durch die reflektierte Leistung und ihrer Phasenlage gemessen werden. Neben der ursprünglichen Schichtung des Reifens verändern sich die dielektrischen Eigenschaften des Reifens durch Druck und/oder Wärme in den besonders beanspruchten Schichten, bzw. beim oder kurz vor dem Ablösen entsteht an der Lauffläche eine neue Schicht mit dem überbeanspruchten Gummi.
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Eine mögliche Rekonstruktion der Reifenschichtung durch die vielfältigen Reflexionen, die mit der vorliegenden Patentanmeldung nicht beansprucht wird, erfordert einerseits eine extrem hochauflösende Messung, was durch sehr breitbandige Radar-Sensorik ermöglicht wird. Vorzugsweise wird hierbei eine Bandbreite von ≥ 10 GHz, besonders bevorzugt von ≥ 20 GHz eingesetzt. Anderseits erfordert dieses eineindeutige Mehrfachreflexionsprofil eine modellbasierte Signalauswertung der Reifenschichten. Durch die Apriori-Information des Reifentyps- bzw. Reifenaufbaus und der Materialeigenschaften kann dann das Modell an die Messung angepasst werden, um einen Schätzer für die Reifenschichten zu erhalten. Dieses setzt voraus, dass die Veränderung der dielektrischen Eigenschaften der einzelnen Gummimischungen, bzw. deren Frequenz- sowie Temperaturverhalten, bekannt ist bzw. bereits im Vorfeld durch Messungen oder Simulationen bestimmt wurde.
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Dabei muss die Modellbildung die zeitliche Veränderung der Materialeigenschaften sowie das Auftreten neuer Grenzschichten im Reifeninneren durch die Belastung berücksichtigen. Vorzugsweise wird hierbei auch der Einfluss der Reifentemperatur berücksichtigt. Ausgangsbasis ist dabei vorzugsweise die bekannte Zusammensetzung des Reifens sowie die Schichtung der einzelnen Gummimischungen sofern vorhanden. Die Modellierung des Reifens müssen die dynamischen Abläufe innerhalb des Reifens berücksichtigt werden. Die Messungen können dabei durch zusätzliche Temperatursensoren gestützt werden um die Schätzung zu präzisieren. Für die Auflösungen der einzelnen Grenzschichten ist dabei erforderlich, dass die Bandbreite bezogen auf die geführte Wellenlänge im Reifen ausreichend groß genug ist um die Grenzschichten zu separieren.
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Da die Radarmodule sowohl die Entfernung zwischen der Reifenoberfläche und dem Sensor messen als auch die Reflexionen der einzelnen Grenzschichten detektieren, kann die Abnutzung exakt bestimmt werden. Gleichzeitig ändert sich durch Blasenbildung und dem „Graining“ die Reflektivität der Oberfläche. Durch die starke Erwärmung oder Beanspruchung des Reifens, ist das Verhältnis von der physikalischen zur elektrischen Dickenänderung des Reifenmaterials, bezüglich eines unbeschädigten Reifens, ein Indikator für die Abnutzung und kann als Grenzwert für die Lebensdauer genutzt werden. Die physikalische Dickenänderung kann hierbei in einfacher Weise über die Veränderung des Abstandes der äußersten Grenzfläche, d. h. der Oberfläche des Reifens, zum Radarsensor bestimmt werden. Diese äußerste Grenzfläche stellt einen der Reflexions-Peaks in der Radarmessung dar. Die Bewertung des Reifenzustandes kann dann durch Vergleich dieses Verhältnisses mit vorab in Tests ermittelten Verhältnissen für diesen Reifentyp verglichen werden. Hier kann auch ein Grenzwert gesetzt werden, bei dessen Überschreitung oder Unterschreitung ein kritischer Reifenzustand gegeben ist.
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Auch bei unbekannten Gummimischungen lässt sich über das Zeitverhalten und optional Zusatzsensoren ein ausreichend stabiles Prognosemodell erstellen. Dies gilt insbesondere, wenn wie bei der Formel 1 bekannte Streckenprofile vorliegen und ausreichend Referenzdaten aus anderen Versuchsfahrten zur Verfügung stehen. So kann bei Kenntnis der Reifendicke auch ohne Kenntnis der Gummimischung eine Prognose getroffen werden, indem bspw. nur auf die aus der Messung ersichtliche zeitliche Veränderung des Reifens zurückgegriffen wird. Bei Rennreifen kann auf Basis bekannter Renndurchläufe eine zeitliche Veränderung der gemessenen elektrischen Dicke als Ausgangsbasis angenommen werden. Hierbei kann ein Bereich bzw. Korridor festgelegt werden, bei dem keine Reifenprobleme auftreten. Weicht der zeitliche Verlauf davon zu stark ab, besteht Gefahr und der Reifen muss getauscht werden. Die Breite des Korridors bzw. Bereiches kann bspw. als dynamisches Parameter in Abhängigkeit von der Renndauer und Parametern wie Asphalttemperatur und Reifendruck gewählt werden. Es können auch rennstreckentypische Profile bzw. Bereiche genutzt werden.
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Dabei kann die Messung noch verfeinert werden, wenn die Reifen-/Asphalttemperatur und der Reifendruck als zusätzliche Parameter verwendet werden. Auf Basis des äußeren Temperaturverlaufes sowie des Reifendruckes, kann ein Prognosemodel über den Temperaturverlauf im Innern des Reifens erstellt werden. Die daraus abgeleitete elektrische Länge des Signals wird abgeglichen mit den realen Messdaten und zu große Abweichungen lösen Alarm aus, da sie ein deutlicher Indikator sind, dass im Innern des Reifens Störungen auftreten. Damit ist es möglich, auch bei unbekannten Gummimischungen eine saubere Prognose zu erstellen.
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Da die Reifen während der Fahrt bzw. Drehung vermessen werden, braucht es keine Abtastung in der Laufrichtung. Durch die Reifendrehung während der Fahrt wird der Reifen kontinuierlich von 0 Grad bis 360 Grad überwacht. Die Querauflösung lässt sich dabei durch verschiedene Radarverfahren wie eine schwenkbare Realapertur, MIMO Konzepte, Digital Beamforming, elektrisch schwenkbare Antennen oder Strahlschwenks im Frequenzbereich realisieren. Für die Vorderreifen von Kraftfahrzeugen ist ferner eine Querabtastung durch die Lenkbewegung auch mit einem einzelnen Sensor grundsätzlich möglich. Da die Belastung über die Lauffläche in Längs- und Querrichtung unterschiedlich ausgeprägt ist, kann nur mit einer Querabtastung ein flächiges Bild der Belastung erstellt werden.
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Durch die Belastung des Reifens kommt es zu einer zeitlichen Veränderung der Ausbreitungsbedingungen innerhalb des Reifens. Die Prognose zur Belastungsgrenze des Reifens kann noch verbessert werden, wenn die Daten mit dem Temperaturverlauf und dem Druck innerhalb des Reifens korreliert werden. Als weiterer zusätzlicher Parameter kann mittels eines sekundären Radarsensors die Belastung der seitlichen Laufflächen vermessen werden.
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Die Anordnung zur Durchführung des vorgeschlagenen Verfahrens umfasst wenigstens einen Radarsensor, der zur Durchführung der Radarmessung über die Dicke des Reifenmaterials angeordnet und über wenigstens einen Kommunikationskanal (drahtgebunden oder drahtlos) mit einer Auswerteeinrichtung verbunden ist, die die Auswertung der Radarmessdaten auf Basis des vorgeschlagenen Verfahrens durchführt. Die Auswerteeinrichtung kann dabei im Bereich des Radarsensors, an einer anderen Position am Fahrzeug oder auch entfernt vom Fahrzeug in einer Auswertestation angeordnet sein.
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Das Verfahren ermöglicht auch die Überwachung oder Überprüfung der Reifen in der Herstellung oder z.B. zur jährlichen Kontrolle bei normalen PKW-Reifen auf einem Teststand.
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Die zeigen Prinzipskizzen zur beispielhaften Anordnung der Radarsensoren an einem Fahrzeug sowie von Reifenschichten und daraus resultierenden Grenzschichten im Reifen. So zeigt eine Skizze des Fahrzeugs und der Position der Sensoren. zeigt eine Prinzipskizze der Grenzschichten und der metallischen Felge. zeigt eine Prinzipskizze der Grenzschichten mit einem metallischen Geflecht, welches für die Radarmessung als Totalreflexion dient. zeigt die Nutzung der Reifenrotation zur winkelabhängigen 360° Messung der Reifenprofileigenschaften.