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Technisches Gebiet
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Die
Erfindung bezieht sich auf das Gebiet der nassen Rauchgasreinigung
zur Entschwefelung und Wärmenutzung feuchter Rauchgase
nach industriellen Dampferzeugern. Bei den Verfahren und Vorrichtungen
zur nassen Rauchgasentschwefelung und -abwärmenutzug wird
das meist vorgereinigte, d. h. entstickte und entstaubte Rauchgas
in direkten Kontakt mit einer Waschlösung gebracht, mit
deren Hilfe Schwefelverbindungen und Feuchte aus dem Rauchgas entfernt
werden können.
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Stand der Technik
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Die
nasse Rauchgasreinigung ist ein seit Jahrzehnten bekanntes Mittel,
um die bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern,
besonders von Stein- und Rohbraunkohle, entstehenden Schadstoffe
aus dem Rauchgas abzutrennen und möglichst in marktfähige
Produkte umzuwandeln. Für die Entfernung der Schwefelverbindungen
SO
2 und SO
3 hat sich
die Wäsche mit einer kalkstein- oder kalkhydrathaltigen
Suspension als vorteilhaft erwiesen und andere nasse, trockene oder
halbtrockene Verfahren verdrängt. Die Grundidee dieser
Verfahren besteht darin, dass die im Rauchgas vorhandenen sauren Gase
HF, HCl, SO
2 und SO
3 in
einem ersten Reaktionsschritt in der Waschlösung gelöst
werden und partiell dissoziieren. Durch den im Rauchgas noch vorhandenen
oder durch zusätzlich eingetragenen Sauerstoff werden in
einem zweiten Reaktionsschritt die Sulfitionen aufoxidiert zu Sulfationen,
die in dem dritten Reaktionsschritt mit Kalkstein oder Kalkhydrat zu
Calciumsulfat umgesetzt werden, das schließlich als Gips
ausfällt und abgetrennt wird. Dieses Grundprinzip der Rauchgasentschwefelung
wird in verschiedenen Vorrichtungen Waschkolonnen mit unterschiedlichen
Phasenkontaktformen, Rührstufen, Tropfen- und Flüssigkeitsabscheidern,
Begasungen und Dosiervorrichtungen zur pH-Werteinstellung realisiert,
mit denen bestimmte Verbesserungen der Nassentschwefelung und die
Vermeidung von Verkrustungen erzielt wurden. Das Rauchgas wurde
dabei meist im Gegenstrom zu der Waschlösung geführt,
aber auch Gleichstrombewegung und Kombinationen aus Gleich- und
Gegenstromführungen wurden vorgeschlagen (
DE 69626582 T2 ,
DE 19651074 A1 ,
DE 19733256 A1 und
EP 079399461 ). Bei den bekannten
Verfahren und Vorrichtungen konnte nicht nur der bereits vorhandene
hohe Anteil an Latentwärme des Rauchgases nicht genutzt
werden sondern im Gegenteil dieser Anteil wurde durch eine zusätzliche
Wasseraufnahme, einen Wasserverbrauch, vergrößert
und es waren erhebliche energetische und apparatetechnische Aufwendungen notwendig,
um das Rauchgas vor der Entschwefelung abzukühlen und nach
der erfolgreichen Entschwefelung wieder aufzuheizen. Nach dem Stand der
Technik wird bei Rauchgasentschwefelungsverfahren, die mit einer
wässrigen Kalksuspension arbeiten ein großer Teil
des Waschwassers verdunstet und vom Rauchgas aufgenommen, sodass
sowohl stoffliche als auch energetische Nachteile entstehen. Das
Entschwefelungsverfahren könnte also erheblich verbessert
werden, wenn es gelänge, die Notwendigkeit der Wiederaufheizung
zu vermeiden, den Wasserverbrauch zu verringern oder zu vermeiden und
die Latentwärme des Rauchgases in einem möglichst
großen Umfange auf einem möglichst hohen Temperaturniveau
als Nutzwärme zur Verfügung zu stellen.
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Weiterhin
wurde vorgeschlagen die Absorption des Schwefeldioxids mit Hilfe
von Kalk oder Kalkhydrat in einer konzentrierten Calciumchloridlösung vorzunehmen
(
DE 3916705 A1 ),
um durch die auf Grund des geringeren Partialdruckes des Wasserdampfes über
konzentrierter Calciumchloridlösung eintretende Überhitzung
des Rauchgases Einsparungen bei der Wiederaufheizung des Rauchgases
zu erzielen. Bei der Wärmeauskopplung aus der gesättigten
Waschlösung treten jedoch hohe Gefahren der Verkrustung
der Wärmeübertragerflächen auf, die die Bereitstellung
von Nutzwärme erschweren oder unmöglich machen.
Die zusätzlich eingebrachten Chloridionen beeinflussen
die Gipsqualität nachteilig.
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Darstellung der Erfindung
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Die
nachfolgend dargelegte Erfindung hat das Ziel, die energetischen
Nachteile der bekannten Entschwefelungsverfahren zu mindern oder
vollständig zu vermeiden und trotzdem eine intensive und
effektive Entschwefelung, die zu einem hochwertigen Gips führt,
zu realisieren. Dazu wird das Rauchgas ohne vorherige Abwärmeauskopplung
durch die Zugabe oder Einspritzung von zirkulierendem Prozesswasser
im Entschwefelungssättiger auf den Suspensionstaupunkt,
Gleichgewichtswasserdampfpartialdruck über der hygroskopischen
Suspension, abgekühlt und in direkten Kontakt mit der kalkstein-
oder kalkhydrathaltigen reaktiven Suspension gebracht. Dabei werden
dem Rauchgas Schwefeloxide durch Absorption an der Waschsuspension
entzogen und chemisch in ein Sulfat umgewandelt. Die reaktive Suspension
besteht aus einem hygroskopischen Trägermedium, vorzugsweise
einer wässrigen Salzlösung, und einer reaktiven
Substanz, wie z. B. Calciumcarbonat oder Calciumhydroxid. Als hygroskopische
Trägermedien eignen sich grundsätzlich alle wässrigen
Salzlösungen mit einem geringen Sättigungsdampfdruck
im Vergleich zu Wasser, aber auch anorganische und organische Säuren.
Als Beispiele können unter andern die verschiedenen Nitratlösungen,
wie Calcium- Ammonium-, Magnesium-, Mangan-, Kalium- und Natriumnitrat
und Gemische verschiedener Nitrate genannt werden, ohne andere hygroskopische
Salze oder Säuren zurückzusetzen. Auf Grund der
Gleichgewichtseinstellung zwischen Wasserdampfpartialdruck im Rauchgas
und Sättigungsdampfdruck über der Suspension wird
die Reaktionstemperatur, bei der der eigentliche Entschwefelungsprozess
stattfindet, maßgeblich beeinflusst bzw. festgelegt. Bei
hoher Konzentration der hygroskopischen Trägersubstanz
liegt die Prozesstemperatur um 30 bis 40 K höher als bei
stark verdünnter Lösung. Auch die Temperatur und
Feuchte des Abgases am Austritt des Entschwefelungssättigers
wird durch das Phasengleichgewicht bestimmt und ist über
die Zusammensetzung der Waschlösung bzw. die Salzkonzentration
der Suspensionsträgerflüssigkeit einstellbar.
Durch die Anwendung der neuartigen Technologie ist eine Rauchgasentschwefelung
bei höheren Temperaturen möglich, wodurch die
Reaktionskinetik hinsichtlich der Umsetzung von Schwefeloxiden zu
Sulfat erhöht wird. Weiterhin steigern die gelösten
Elektrolyte die Aktivität der Waschsuspension. Die Effektivität
der Abgasreinigung wird hierdurch verbessert. Für den Betrieb
der Entschwefelungsanlage wird im Gegensatz zu konventionellen Verfahren kein
Prozesswasser benötigt. Weiterhin wird durch das Verfahren
simultan zur Rauchgasreinigung Abwärme und Prozesswasser
aus dem Rauchgas gewonnen. Durch Wärmetransformation steht
die gewonnene Nutzwärme auf einem erhöhten Nutztemperaturniveau
zur Verfügung. Die gewonnene Nutzwärme kann im
Kraftwerk für die Speisewasservorwärmung und für
die Rücklaufanhebung der Fernwärmeversorgung genutzt
werden. Die damit erzielte Einsparung von Heizdampf führt
im konventionellen Heizkraftwerk zu einer Steigerung des elektrischen Wirkungsgrades
um über 1%. Eine zusätzliche Wirkungsgradsteigerung
ist möglich, wenn mit überschüssiger
Nutzwärme der Brennstoff vorgetrocknet wird.
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Die
Waschsuspension wird im Entschwefelungssättiger durch eine
Umwälzpumpe zwangszirkuliert. Ein Teil der Waschsuspension
wird kontinuierlich regeneriert, indem das als Feststoff ausgefallene Sulfat
durch bekannte Separationsverfahren von der Waschflüssigkeit
getrennt wird. Dem Entschwefelungssättiger wird kontinuierlich
Prozesswasser und die reaktive Substanz (Kalkmilch oder Kalkstein)
zugesetzt.
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Nach
der Sättigung bis zum Suspensionstaupunkt und Entschwefelung
im Entschwefelungssättiger gelangt das Abgas in eine zweite
Waschstufe. Dort wird es in direkten Kontakt mit einer hygroskopischen
Waschflüssigkeit gebracht. Diese nimmt einen Teil des Wasserdampfes
auf und wandelt die Latentwärme in fühlbare Wärme
um, die entsprechend bei erhöhter Temperatur als Nutzwärme
an einen Energieträger abgegeben werden kann.
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Es
bietet sich an, in diesem Kreislauf die gleiche hygroskopische Substanz
zu verwenden wie im ersten Kreislauf. Grundsätzlich können
aber in den beiden Kreisläufen auch unterschiedliche hygroskopische
Lösungen zum Einsatz kommen. Die Konzentrationen der Lösungen
in den beiden Kreisläufen können auch bei der
Anwendung des gleichen Salzes unterschiedlich sein und bewirken
damit unterschiedliche Temperaturen in den beiden Wäschern oder
Waschstufen. So kann im Entschwefelungssättiger eine geringere
Konzentration und damit Reaktionstemperatur realisiert werden als
im Absorberkreislauf, da die durch die Nutzungsbedingungen vorgegebene
Temperatur der Wärmeauskopplung im zweiten Kreislauf eine
sehr hohe Konzentration erfordert. Andererseits kann zur Verbesserung
der Entschwefelungskinetik der Entschwefelungssättiger
mit einer besonders hohen Lösungskonzentration betrieben
werden auch wenn Nutzwärme auf einem niedrigeren Temperaturniveau
benötigt wird und der Absorberkreislauf aus diesem Grund
mit einer geringeren Lösungskonzentration arbeitet.
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Die
technische Realisierung der Abgasbehandlung kann sowohl in einem
zweistufigen Apparat, der die beiden Stufen Entschwefelungssättiger und
Absorptionsstufe vereint (1), als auch in getrennter Bauweise
(2) erfolgen. Der Entschwefelungssättiger
sollte vorzugsweise als Sprühwäscherapparat ausgeführt
werden. Der Sumpf des Entschwefelungssättigers ist als
Begasungsbehälter ausgeführt in den die Zusatzluft
eingedüst wird und in dem durch hydraulische oder mechanische
Rührelemente ein Verwirbelungs- und Mischeffekt erzielt wird.
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Für
die Absorptionsstufe eignet sich ein Füllkörperapparat.
Diese zweite Absorptionsstufe ist mit einer Lösungsregeneration
verbunden, in der die im Absorber aufgenommene Feuchte vollständig
ausgetrieben wird. Infolge der Rückführung der regenerierten
Lösung in den Absorberkreislauf wird eine stationäre
Lösungskonzentration in der Absorptionsstufe gesichert.
Die Regeneration der Waschlösung im Austreiber erfolgt
durch Zuführung von Heizwärme, der dabei austretende
Wasserdampf wird unter Nutzwärmegewinnung kondensiert.
Zur Minimierung der thermodynamischen Verluste kann hierbei ein
regenerativer Wärmetauscher (RWT) eingesetzt werden. Mit
diesem Wärmetransformationsprozess wird das Nutztemperaturniveau
der Abwärmenutzung erhöht. Die Nutzung der fühlbaren
Wärme erfolgt über einen Nutzwärmetauscher
(NWT), der dem Wäscher vorgeschalteten ist und der für
eine stationäre Eintrittstemperatur der Waschlösung
in die Absorptionsstufe sorgt. Im Absorberkreislauf können
aus verschiedenen Gründen, z. B. unvollständige
Phasentrennung oder Nachreaktionen Feststoffpartikel auftreten,
die aus einem Teilstrom des Lösungsstromes in einem Abscheider
abgetrennt und über den Mischer dem ersten Kreislauf zugeführt
werden können.
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Das
bei der Regeneration nach dem Kondensator anfallende Destillat wird
teilweise in den Entschwefelungssättiger als Prozesswasser
rückgeführt. Hierbei dient es gleichzeitig zur
Aufnahme der reaktiven Substanz (Herstellung der Kalksuspension).
Das nicht benötigte Destillat kann als Produktstrom abgegeben
und weiter verwendet werden, beispielsweise um den Wasserbedarf
des Kraftwerks zu reduzieren. Andererseits kann aber auch das gesamte
Destillat, das durch eine relativ gute Qualität gekennzeichnet
ist, als Produktstrom verwendet werden und in dem Entschwefelungssättiger
das Waschwasser aus der Gipswäsche bei der Gipsentwässerung
zum Einsatz kommen. Auf diese Weise können die Verluste
an hygroskopischer Trägerlösung verringert werden.
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Anwendungsbeispiel
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Eine
Anwendung des Rauchgasentschwefelungsverfahrens mit hygroskopischer
Waschflüssigkeit und Abwärmenutzung mit Wärmetransformation ist
an einem Braunkohleheizkraftwerk möglich.
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Wird
die Rauchgaswäsche im Entschwefelungssättiger
mit einer 70 Ma%igen Calciumnitratlösung als Trägerflüssigkeit
für den reaktiven Kalk betrieben, wird das Temperaturniveau
der Entschwefelung von 60...70°C (Wassertaupunkt) auf ca.
95°C (Suspensionstaupunkt) angehoben (1/2: ➀).
Der Wasserdampftaupunkt im Rauchgas beträgt nach dem Entschwefelungssättiger
ca. 66°C (1/2: ➁).
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Auch
die zweite Waschstufe (Absorptionsstufe) wird mit einer wässrigen
Calciumnitratlösung betrieben. Über die Austreibertemperatur
von ca. 110°C (1/2: ➆)
der Regeneration wird in der Absorptionsstufe die Calciumnitratkonzentration
in der Waschflüssigkeit auf ca. 55 Ma% eingestellt. Dabei
stellt sich im Wäschersumpf bzw im Pufferbehälter
eine Temperatur von ca. 82°C ein (1/2: ➂).
In der Absorptionsstufe werden die Rauchgase auf ca. 70°C
abgekühlt. Der Wasserdampftaupunkt im Rauchgas liegt nach
der Wäsche bei ca. 54°C (1/2: ➃).
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Bei
einer Feuerungswärmeleistung des Braunkohleheizkraftwerkes
von 2 GW kann in der Rauchgasentschwefelung Nutzwärme von
ca. 340 MW ausgekoppelt werden. Die Abgabe der Nutzwärme
teilt sich auf ca. 190 MW am Nutzwärmetauscher (NWT; 1/2: ➄),
der im Temperaturbereich von 65...80°C arbeitet, und ca.
150 MW am Kondensator (1/2: ➅),
der eine Wärmeauskopplung bei nahezu 100°C ermöglicht,
auf. Für den Betrieb des Austreibers (1/2: ➆)
ist eine Heizleistung von ca. 170 MW erforderlich. In der Rauchgasentschwefelung
werden somit 170 MW Nutzwärme gewonnen. Wird eine höhere
Calciumnitratkonzentration in der Absorptionsstufe eingestellt,
kann die Nutzwärmegewinnung noch erheblich gesteigert werden.
Bei einer Calciumnitratkonzentration von 65 Ma% in der Absorptionsstufe
wird ein Wärmegewinn von ca. 240 MW erzielt. Mit der Einstellung
der Konzentration der Waschlösung in der Absorptionsstufe (1/2: ➂) über
die Temperatur im Austreiber (1/2: ➆)
ist eine dynamische Anpassung der Wärmerückgewinnung
in der Rauchgasentschwefelung an die benötigte Prozesswärme
möglich.
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Neben
dem Wärmegewinn wird Prozesswasser aus dem Rauchgas rückgewonnen.
Beim Betrieb mit 55 Ma%iger Calciumnitratlösung in der
Absorptionsstufe fallen ca. 230 m3/h Prozesswasser
an (1/2: ➇). Hiervon werden
ca. 70 m3/h in den Entschwefelungssättiger
rückgeführt (1/2: ➈).
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- - DE 69626582
T2 [0002]
- - DE 19651074 A1 [0002]
- - DE 19733256 A1 [0002]
- - EP 079399461 [0002]
- - DE 3916705 A1 [0003]