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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Ermittlung einer Fahrstrecke zur Durchführung von Erprobungsfahrten zur Eignungsprüfung für Fahrerassistenzsysteme von Fahrzeugen.
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Eine Planung einer Fahrstreckenerprobung für Fahrerassistenzsysteme erfolgt heutzutage weitestgehend erfahrungsbasiert und ohne eine quantitative Beurteilung eines tatsächlich erreichten Absicherungsgrades einer Erprobung. Generelle Planungsansätze lassen sich nicht auf eine Behandlung komplexer Fahrerassistenzsysteme anwenden.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein gegenüber dem Stand der Technik verbessertes Verfahren zur Ermittlung einer Fahrstrecke zur Durchführung von Erprobungsfahrten zur Eignungsprüfung für Fahrerassistenzsysteme von Fahrzeugen anzugeben.
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Die Aufgabe wird erfindungsgemäß durch die in Anspruch 1 angegebenen Merkmale gelöst.
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Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand der Unteransprüche.
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Ein erfindungsgemäßes Verfahren zur Ermittlung einer Fahrstrecke zur Durchführung von Erprobungsfahrten zur Eignungsprüfung für Fahrerassistenzsysteme von Fahrzeugen sieht vor, dass in einem Ausschnitt einer digitalen Karte Streckenabschnitte identifiziert und durch Vergabe einer Kennzahl bewertet werden, wobei die Kennzahl eine Exposition eines Fahrzeuges gegenüber Umgebungseinflüssen auf dem jeweiligen Streckenabschnitt darstellt, und dass aus einer vorgegebenen Menge von Streckenabschnitten mittels eines Optimierungsalgorithmus eine in Bezug auf vorgegebene Bedingungen und Kennzahlen optimale Fahrstrecke zur Erprobung ermittelt wird.
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Mittels des Verfahrens wird eine für die Erprobung des jeweiligen Fahrerassistenzsystems optimale Fahrstrecke ermittelt, wodurch eine effiziente Erprobung des Fahrerassistenzsystems, insbesondere mit einer verringerten Anzahl von Erprobungsträgern und einer verringerten Fahrtzeit, möglich ist. Dadurch können vergleichsweise kostengünstige Erprobungsfahrten durchgeführt werden.
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Ausführungsbeispiele der Erfindung werden im Folgenden anhand von Zeichnungen näher erläutert.
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Dabei zeigen:
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1 schematisch einen zweidimensionalen Erprobungsraum,
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2 schematisch einen weiteren zweidimensionalen Erprobungsraum,
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3 schematisch einen Graph mit Fahrstrecken und zugeordneten Expositionen und
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4 schematisch eine mittels des Verfahrens ermittelte Fahrstrecke als Erprobungsstrecke.
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Einander entsprechende Teile sind in allen Figuren mit den gleichen Bezugszeichen versehen.
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1 zeigt einen zweidimensionalen Erprobungsraum E1 eines Verfahrens zur Ermittlung einer in 4 näher dargestellten optimalen Fahrstrecke 1 zur Durchführung von Erprobungsfahrten zur Eignungsprüfung für Fahrerassistenzsysteme von Fahrzeugen.
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Für eine Prüfung einer Einsatztauglichkeit von Fahrerassistenzsystemen für Fahrzeuge sind üblicherweise aufwändige und kostenintensive Erprobungsfahrten erforderlich.
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Um die Kosten zur Erprobung von Fahrerassistenzsystemen zu verringern und das jeweilige Fahrerassistenzsystem effizient zu erproben, ist vorgesehen, eine optimale Fahrstrecke 1 zu ermitteln.
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Dazu werden in einer ebenfalls in 4 näher gezeigten digitalen Karte 2 Streckenabschnitte identifiziert und bewertet, wobei die Streckenabschnitte in einem Ausschnitt der digitalen Karte 2 enthalten sind. In diesem Ausschnitt sollen die Erprobungsfahrten des jeweiligen Fahrerassistenzsystems durchgeführt werden.
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Zur Bewertung der Streckenabschnitte wird dem jeweiligen Streckenabschnitt eine Kennzahl zugeordnet, welche aus Messdaten bereits durchgeführter Erprobungsfahrten abgeleitet wurden.
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Dabei stellt die Kennzahl ein Maß dafür dar, wie hoch ein Fahrzeug auf dem jeweiligen Streckenabschnitt gegenüber testrelevanten Umgebungseinflüssen exponiert ist. Mittels der jeweiligen Kennzahl wird anhand eines Optimierungsverfahrens eine Fahrstrecke als Erprobungsstrecke gesucht, auf welcher bei möglichst geringer Fahrtzeit, d. h. Fahrdauer, eine möglichst hohe Exposition gegenüber den Umgebungseinflüssen erzielt wird. Erprobungsfahrten zur Erprobung des entsprechenden Fahrerassistenzsystems werden dann auf der somit ermittelten Fahrstrecke durchgeführt.
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Das Verfahren zur Ermittlung einer optimalen Fahrstrecke zur Erprobung von Fahrerassistenzsystemen wird im Folgenden anhand eines Ausführungsbeispiels näher erläutert.
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In einem ersten Verfahrensschritt werden zu beobachtende Ereignisse vorgegeben. Diese vorzugebenden Ereignisse spiegeln dabei Situationen, insbesondere Fahrsituationen, wider, welche Funktionen des zu erprobenden Fahrerassistenzsystems auslösen. Mit anderen Worten werden Ereignisse vorgegeben, die das zu erprobende Fahrerassistenzsystem herausfordern. Zudem werden Ereignisse vorgegeben, in denen ein Falscheingriff folgenschwer wäre, aus denen Erkenntnisse für Verbesserungen des Fahrerassistenzsystems gewonnen werden können und welche die Spezifikationen des Fahrerassistenzsystems abbilden.
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Die Ereignisse umfassen dabei vom Fahrerassistenzsystem stammende Ereignisse, wie beispielsweise Kollisionswarnungen, Schwellwertüberschreitungen und/oder Verfügbarkeitswarnungen, vom Umfeld stammende Ereignisse, wie beispielsweise Kreuzungsdurchfahrten, Brückendurchfahrten, Reißverschlussfahrten, Kreisverkehrdurchfahrten und/oder Fahrten bei Gegenlicht, und/oder vom Fahrer initiierte Ereignisse, wie z. B. Überholmanöver, Spurwechsel, Abbiegevorgänge und/oder vergleichsweise starke Bremsungen.
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Ein zweiter Verfahrensschritt sieht vor, dass Testdimensionen der Erprobungsfahrt definiert werden.
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Dabei sind unter Testdimensionen umgebungs- und/oder fahrverhaltenspezifische Merkmale einer Fahrsituation an einem bestimmten Ort zu verstehen, die eine Auftrittshäufigkeit P der vorgegebenen Ereignisse beeinflussen können. Die Testdimensionen umfassen beispielsweise die Merkmale Straßenklasse, Spuranzahl, Verkehrsdichte, Tageszeit, Witterung, Abstand, Fahrgeschwindigkeit und/oder Überholvermögen.
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Die Testdimensionen definieren einen n-dimensionalen Erprobungsraum, in dem die Ereignisse abgebildet werden, wobei n die Anzahl der Testdimensionen darstellt.
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1 zeigt als ein Beispiel einen zweidimensionalen Erprobungsraum E1, wobei die x-Achse und die y-Achse die Testdimensionen, z. B. Straßentyp und Tageszeit, abbilden.
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In einer mittels der x-Achse und der y-Achse aufgespannten Ebene sind Punkte 3 abgebildet, die Ereignisse, beispielsweise Kollisionswarnungen, markieren.
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In einem dritten Verfahrensschritt wird ermittelt, auf welche Testdimension bei Durchführung der Erprobungsfahrten ein Fokus gelegt werden sollte. In dem dritten Verfahrensschritt werden also die fokusfähigen Dimensionen bestimmt.
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Dazu wird anhand der bei früheren Erprobungsfahrten ermittelten Messdaten ein Zusammenhang zwischen der Auftrittshäufigkeit P eines Ereignisses und den Testdimensionen des Erprobungsraumes E1 ermittelt und hieraus wird ein Kontingenzkoeffizient bestimmt. Der Kontingenzkoeffizient beschreibt dabei den Zusammenhang zwischen den Ereignissen und der jeweiligen Testdimension.
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In 2 ist ein weiterer zweidimensionaler Erprobungsraum E2 dargestellt, in welchem der oben beschriebene Sachverhalt verdeutlich ist.
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Über der x-Achse variiert die mittels Balken dargestellte Auftrittshäufigkeit P der Ereignisse stärker als über der y-Achse. D. h., dass der Kontingenzkoeffizient in Bezug auf die mittels der x-Achse dargestellte Testdimension und den Ereignissen größer ist als der Kontingenzkoeffizient in Bezug auf die mittels der y-Achse dargestellte Testdimension und deren Ereignissen.
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Somit ist die x-Achse eine fokusfähige Testdimension, da es für das Verfahren ausreichend ist, wenn vergleichsweise wenige Werte der x-Achse bei einer Erprobungsfahrt abgedeckt werden, um dennoch eine hohe Auftrittshäufigkeit P von Ereignissen zu erzielen.
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Dementsprechend ist die y-Achse keine fokusfähige Testdimension, da es nicht ausreichend ist, sich auf die verhältnismäßig wenigen Werte der y-Achse zu fokussieren, weil dadurch auch nur eine geringe Auftrittshäufigkeit P und keine Verdichtung von Ereignissen erzielt werden würde.
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Von den n-definierten Testdimensionen, in dem vorliegenden Ausführungsbeispiel sind es zwei definierte Testdimensionen, werden im weiteren Verfahren nur fokusfähige Testdimensionen, ähnlich der Testdimension bezogen auf die x-Achse, berücksichtigt.
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Anhand der bei früheren Erprobungsfahrten ermittelten Messdaten wird die Ereignisdichte eines Ereignisses, z. B. das Ereignis der Kollisionswarnung, für die verschiedenen Kombinationen der fokusfähigen Testdimensionen, beispielsweise der Testdimensionen Straßenklasse, Tunnel und Kurvigkeit, prognostiziert.
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In einem anschließenden vierten Verfahrensschritt wird ein Ausschnitt einer digitalen Karte 2 ausgewählt, in dem die Erprobungsfahrt durchgeführt werden soll. Beispielsweise kann der Ausschnitt der digitalen Karte 2 das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland umfassen.
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Alle in dem Ausschnitt enthaltenen Streckenabschnitte, die auch als Straßenlinks, d. h. Verbindungsstrecken zwischen zwei Stützpunkten bezeichnet werden, werden wie oben beschrieben, bewertet. Dazu wird den Streckenabschnitten jeweils eine Kennzahl als Attribut zugeordnet, wobei die Kennzahl die Exposition des Fahrzeuges gegenüber den Umgebungseinflüssen im jeweiligen Streckenabschnitt repräsentiert.
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Unter Exposition wird die Summe aller Umgebungseinflüsse, die auf das Fahrzeug einwirken, verstanden.
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Die Exposition wird wie folgt berechnet:
mit
- Krit:
- Kritikalität
- P:
- Auftrittshäufigkeit
- b:
- Planbaustein
- t:
- Ereignistyp
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Die Kritikalität wird nach einer Bewertung der Wichtigkeit oder Bedeutung des Ereignisses für die Erprobung des Fahrerassistenzsystems, insbesondere als Faktor zur Skalierung, oder auch als Erkenntnispotential festgelegt.
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Die Auftrittshäufigkeit P leitet sich von Messdaten, also einer Historie, z. B. Ereignisse pro Stunde, ab und ist abhängig vom Ereignistyp t und dem Planbaustein b.
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Der Planbaustein b setzt sich aus einem Ort, also dem Streckenabschnitt und einer Zeit, beispielsweise Tages und Jahreszeit, zusammen und bildet somit ein (Streckenabschnitt, Zeit)-Tupel. Da Planbaustein b noch abstrakter zu sehen ist, ist es ein (Streckenabschnitt, Zeit, Fahrweise)-Tupel.
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Die Berechnung der Exposition erfolgt auf der Grundlage der bei früheren Erprobungsfahrten ermittelten Messdaten. Das Ergebnis ist ein in 3 dargestellter Graph G mit den Streckenabschnitten als Straßenlinks und den zugeordneten Expositionen in Form von Zahlen.
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Ausgehend von einer Menge vorgegebener Startrouten wird in einem fünften Verfahrensschritt mittels eines Optimierungsalgorithmus eine hinsichtlich einer von einer Fahrdauer abhängigen Kosten und eines Nutzens in Form der Expositionen optimale Fahrstrecke 1 als Erprobungsstrecke für die Erprobung des Fahrerassistenzsystems ermittelt.
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Als Optimierungsalgorithmus wird insbesondere ein sogenanntes genetisches Verfahren verwendet. Ein solches Verfahren ist auch unter dem Begriff evolutionärer Algorithmus bekannt.
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Die Menge der vorgegebenen Startrouten repräsentiert die anfängliche Population von Routen. Aus diesen wird im Rahmen des evolutionären Algorithmus durch Mutation und Kreuzung eine erweiterte Population von Routen gebildet.
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Mittels der Mutation wird dabei ein Umweg in eine Route eingeführt und durch die Kreuzung werden zwei sich überlappende Routen rekombiniert. Den Routen wird jeweils ein Fitnessfaktor zugeordnet, der einen Nutzen-Kosten-Faktor, d. h. einen Quotienten aus Gesamtexposition auf der Route zu Gesamtfahrdauer auf der Route, repräsentiert.
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Dadurch ermittelte Routen mit geringem Fitnessfaktor werden verworfen. Ebenso werden Routen verworfen, die vorgegebene Randbedingungen nicht erfüllen.
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Als Randbedingung kann beispielsweise vorgegeben werden, dass bestimmte Streckenabschnitte ausgeschlossen werden, dass bestimmte Zwischenrouten auf den Streckenabschnitten enthalten sein sollen, dass eine Länge des jeweiligen Streckenabschnittes in einem vorgegebenen Bereich liegen sollte und/oder dass ein Startpunkt einem Zielpunkt entspricht.
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Die verbleibenden nicht ausgeschlossen Streckenabschnitte als Routen repräsentieren eine neue Population von Routen als Streckenabschnitte, mit denen die oben beschriebenen Verfahrensschritte wiederholt werden. Dabei werden die Verfahrensschritte so oft wiederholt bis ein Ergebnis mit den vorgegebenen Bedingungen übereinstimmt, also konvergiert.
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Die somit mittels des evolutionären Algorithmus aufgefundene Route, d. h. aufgefundene Erprobungsstrecke, stellt eine optimale Fahrstrecke 1 zur Durchführung von Erprobungsfahrten zur Eignungsprüfung für das entsprechende Fahrerassistenzsystem dar, wie in 4 näher dargestellt ist.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- optimale Fahrstrecke
- 2
- digitale Karte
- 3
- Punkt (Ereignis)
- E1
- Erprobungsraum
- E2
- weiterer Erprobungsraum
- G
- Graph
- P
- Auftrittshäufigkeit