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Die Erfindung betrifft ein Nahverkehrsschienenfahrzeug, vorzugsweise Niederflur-Fahrwerksfahrzeug, in Multigelenk-Bauweise mit Fahrwerken mit üblichen Achsabständen und Einstiegsbereichen mit einer niedrigen Einstiegshöhe von bis zu 250 mm sowie einer zwischen der Fahrerkabine und der ersten Achse des Niederflurfahrzeuges im vorderen ersten Einstiegsbereich angeordneten Multifunktionsfläche für Rollstuhlfahrer nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1, wobei die Multifunktionsfläche aus einem horizontalen Zwischenniveau gebildet wird.
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Seitens der Fahrgäste wird für 100% Niederflurfahrzeuge ein barrierefreier Einstieg gewünscht. Dazu gehört auch ein moderater vertikaler Spalt am Einstiegsbereich zwischen Einstiegskante am Fahrzeug und der Bahnsteigkante. Zusätzlich besteht der Anspruch, rollstuhlfahrergerechte Flächen mit möglichst breitem Zugang auf möglichst flachen Fahrwegen zu realisieren, die großzügige, lichte Platzverhältnisse und einen für diese Zwecke empfohlenen Wendebereich bieten.
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Seitens der Betreiber wird hinsichtlich Verschleißarmut und Wartungsfreundlichkeit von Fahrzeugen eine möglichst einfache Fahrwerkstechnologie gefordert. Dazu besteht der Wunsch nach für die Fahrgäste möglichst harmonischer Abstimmung zwischen der Fahrwegsinfrastruktur an den Haltestellen, hauptsächlich den Bahnsteigen, und der Einstiegssituation am Fahrzeug mittels einfacher Technologie, idealer Weise ohne die Verwendung von zusätzlichen Hilfsmitteln wie Niveauregulierung am Fahrzeug, Hubliften oder Klapprampen für den Einstieg von Rollstuhlfahrern an den Bahnsteigen.
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Aus dem Stand der Technik sind Schienenfahrzeuge mit unmittelbar hinter der Fahrerkabine angeordneten Mehrzweckabteilen bekannt, die über zusätzliche Hilfsmittel wie Hubplattformen oder Klapprampen für Rollstuhlfahrer zugänglich sind. Ebenso sind Mehrzweckabteile bekannt, die zwar ohne Hilfsmittel erreichbar sind, aber nicht uneingeschränkt rollstuhlfahrergerecht gestaltet sind. Allerdings sind bisher keine Lösungen bekannt, nach welchen bei entsprechend niedrigem Einstieg ohne zusätzliche Hilfsmittel ein rollstuhlfahrergerecht dimensionierter Mehrzweckbereich erreichbar ist.
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Der Begriff „rollstuhlfahrergerecht“ charakterisiert dabei die Zugänglichkeit des Multifunktionsbereiches unmittelbar angrenzend an die Fahrerkabine mittels breiter Einstiegs- und Durchgangsbereiche am vorderen ersten Einstieg sowie die Flächen und die Fahrwege, die zu diesem Bereich führen, die besonders geringen Neigungen aufweisen und eine lichte Weite, die dem Rollstuhlfahrer ein freies Wenden des Rollstuhles ermöglicht.
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Ein Einstiegsniveau kleiner als 250 mm wird derzeit weltweit nur durch ein Fahrzeugkonzept erreicht, welches nicht als Multigelenks-Architektur mit herkömmlicher Fahrwerkstechnologie ausgeführt ist, wobei der hohe Komplexitätsgrad der Rad- und Antriebsanordnung betriebsbedingte Verschleißnachteile sowie einen höheren Instandhaltungsaufwand bewirkt.
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Bisher ist es nicht gelungen, einen für Rollstuhlfahrer uneingeschränkt nutzbaren Multifunktionsbereich, unmittelbar angrenzend an die Fahrerkabine und dem vorderen ersten Einstieg, bei Einstiegshöhen < 250 mm, vorzugsweise 200 mm, zu Verfügung zu stellen, welcher den Einstieg ohne zusätzliche Hilfsmittel wie Hublifte oder Klapprampen ermöglicht. Insbesondere Einstiegshöhen < 250 mm, vorzugsweise 200 mm, können bislang nur durch besonders aufwendige und extrem komplexe Sonderkonstruktionen der Räder und Radsteuerungen realisiert werden, die jedoch im Lebenszyklus enorme Nachteile durch hohen Verschleiß an der Rad-Schiene-Schnittstelle und dadurch bedingte hohe Wartungs- und Instandhaltungskosten hervorrufen.
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Zur Zeit werden bei Fahrzeugkonzepten mit konventioneller Fahrwerkstechnologie mit üblichen Achsabständen und kleinsten Raddurchmessern von 500 mm zur Erreichung von niedrigen Einstiegshöhen in Kombination mit rollstuhlfahrergerechten Multifunktionsflächen drei Lösungsvarianten verwendet: Zum einen wird versucht, die Einstiegshöhen am Fahrzeug größer oder gleich 250 mm auszuführen, wodurch eine gute Abstimmung an Bahnsteigshöhen um die 250 mm erreicht wird, sodass der Niveauausgleich zwischen Fußbodenhöhe unmittelbar am Einstieg und Multifunktionsbereichen zur Fußbodenhöhe über den Fahrwerken durch Rampen mit kleinen, maximal 8% betragenden Neigungen, erfolgt. Zum anderen wird ein vom Beladungszustand unabhängiges, weitestgehend konstantes Einstiegsniveau mittels Niveauregulierung erreicht, womit ein Wegfall oder zumindest eine deutliche Reduktion der Rampenlandschaft im Fahrzeuginnenraum ermöglicht wird.
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Nach einem weiteren bekannten Konzept werden Rampenlandschaften in das Fahrzeug eingeführt, die 8% bei weitem übersteigen, um die Höhendifferenz des Fußbodenniveaus im Fahrwerksmodul zu Multifunktionsflächen, unmittelbar angrenzend an die Fahrerkabine und von dort zur Einstiegskante, zu überwinden.
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht darin, die aus dem Stand der Technik bekannten Einstiegssituationen in 100% niederflurigen Multigelenksfahrzeugen insbesondere für Rollstuhlfahrer zu verbessern sowie einen rollstuhlfahrergerechten Multifunktionsbereich zur Verfügung zu stellen. Durch den erfindungsgemäßen Einzug eines Zwischenniveaus in herkömmlichen Multigelenksfahrzeugen wird eine rollstuhlfahrergerechte Multifunktionsfläche im Bereich hinter der Fahrerkabine zur Verfügung gestellt, welche durch ein niedrige Einstiegshöhe und einem breiten Einstiegsbereich charakterisiert ist.
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Das horizontale Zwischenniveau weist dabei eine horizontale Fläche von rund 1,1 m2 auf und verfügt über Quer- und Längsrampen und einen Zwickelbereich, wobei die Rampen und der Zwickelbereich über Neigungen vom Niveau über den physischen Achsen in Richtung Zwischenniveau bzw. vom Zwischenniveau in Richtung Einstieg verfügen. Vorteilhaft weist das Zwischenniveau eine Fläche für einen überwiegend horizontalen Rollstuhlwendekreis von mindestens 1500 mm auf, wobei der Einstieg sowie der Zugangsweg zum Zwischenniveau über eine Breite von mindestens 1000 mm verfügen. Der überwiegende, horizontale Anteil der Fläche des Rollstuhlwendekreises an der Gesamtfläche des Wendekreises von 1500 mm Durchmesser beträgt 55,6%. Nach einem besonderen Merkmal der Erfindung ist vorgesehen, dass die maximale Rampenneigung des Zugangsweges vom Einstieg aus, quer zur Fahrtrichtung, d.h. der Querrampe, und in Fahrzeuglängsachse, d.h. der Längsrampe, maximal 7% bzw. 4° beträgt. Nach einem weiteren Merkmal ist vorgesehen, dass die maximale Rampenneigung des Zugangsweges vom Einstieg aus, quer zur Fahrtrichtung, d.h. der Querrampe, 7% bzw. 4° und in Fahrzeuglängsachse, d.h. der Längsrampe, maximal 5% bzw. 3° beträgt. Zusammen betragen die beiden Rampen, kleiner als 7% bzw. 4° Neigung betragend, 43,8% des Rollstuhlwendekreises von 1500 mm Durchmesser.
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Weiter ist vorgesehen, dass der Rollstuhlwendekreis zu einem geringen Teil von den Flächen für die Quer- und Längsrampen durchdrungen wird, wobei dieser Durchdringungsbereich überwiegend Rampenneigungen von maximal 7% bzw. 4° umfasst, wobei der Durchdringungsbereich zu einem geringen Teil Rampenneigungen von maximal 25% bzw. 14° umfasst. Der Anteil dieser, größer als 7% aber jedenfalls kleiner 25% betragenden Teilfläche des Wendkreises an der Gesamtfläche des Wendekreises von 1500 mm Durchmesser beträgt ca. 0,6%. Derartige Neigungen sind dabei vorzugsweise im Einstiegsbereich vorgesehen. Vorteilhaft ist auch vorgesehen, dass die Einstiegshöhe im Bereich des Einstiegs kleiner 250 mm, vorzugsweise 200 bis 220 mm beträgt.
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Durch die vorliegende Erfindung wird die Einrichtung eines für Rollstuhlfahrer uneingeschränkt nutzbaren Multifunktionsbereiches, unmittelbar angrenzend an die Fahrerkabine in 100% niederflurigen Multigelenksfahrzeugen in modularer Bauweise, mit einem unüblich niedrigen Einstiegsniveau unter 250 mm, vorzugsweise 200 mm, ermöglicht. Dabei wird eine völlig neuartige Einstiegssituation für Rollstuhlfahrer in Form einer Multifunktionsfläche vorgeschlagen, die unmittelbar hinter der Fahrerkabine eines 100% niederflurigen Gelenksfahrzeuges mit herkömmlicher Fahrwerkstechnik mit besonders niedrigen Einstiegshöhen von kleiner 250 mm über Schienenoberkante ohne Verwendung weiterer Einstiegshilfen wie Klapprampen oder Hubliften auskommt.
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Nachfolgend wird die Erfindung anhand der in den Zeichnungen dargestellten Ausführungsbeispiele näher erläutert. Die Zeichnungen zeigen schematisch und nicht maßstäblich
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1 eine schematische Ansicht eines 100% niederflurigen Multigelenksfahrzeuges mit herkömmlichen Fahrwerk,
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2 eine schematische Ansicht einer Schnittdarstellung einer beispielhaften Anordnung einer rollstuhlfahrergerechten Multifunktionsfläche,
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3 eine Draufsicht auf eine schematische Ansicht einer beispielhaften Anordnung einer rollstuhlfahrergerechten Multifunktionsfläche,
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4 eine schematische Ansicht einer Schnittdarstellung einer beispielhaften Anordnung einer rollstuhlfahrergerechten Multifunktionsfläche,
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5 eine weitere schematische Ansicht einer Schnittdarstellung einer beispielhaften Anordnung einer rollstuhlfahrergerechten Multifunktionsfläche,
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6 eine weitere schematische Ansicht einer Schnittdarstellung einer beispielhaften Anordnung einer rollstuhlfahrergerechten Multifunktionsfläche,
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6a die Multifunktionsfläche 5 in einer genauen prozentualen Aufschlüsselung.
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Die 1 zeigt ein 100% niederfluriges Multigelenksfahrzeug unter Verwendung von herkömmlichen Fahrwerken mit üblichen Achsabständen, von Achsradsätzen sowie Losrädern auf Portalachsen mit unterschiedlichen Antriebskonzepten und Losrädern in Einzelradaufhängungen in unterschiedlichen Antriebskonzepten, wobei die geringsten Raddurchmesser (z.B. abgefahrener Zustand) 500 mm nicht unterschreiten und wie aus 2 ersichtlich, eine rollstuhlfahrergerechte Multifunktionsfläche 5 plus Zutrittsmöglichkeit durch Einstiegstüren 4 unmittelbar zwischen der erste Achse 3 und der Fahrerkabine 2 angeordnet ist.
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Die Einstiegshöhe an der Tür-Einstiegskante von ca. 200 mm, jedenfalls < 250 mm über Schienenoberkante (üSOK), soll Rollstuhlfahrern bei 100% niederflurigen Multigelenksfahrzeugen ein Betreten des Fahrzeuges bei besonders flachen Bahnsteigen oder sogar vom Schienenniveau aus ermöglichen. Die Multifunktionsfläche 5 wird wie in den 2 und 3 dargestellt, durch ein horizontales Zwischenniveau 5.1 gebildet, welches eine überwiegend horizontale Fläche aufweist. Weiter sind Quer- und Längsrampen 5.2, 5.3 vorgesehen, welche über Neigungen vom Niveau über den physischen Achsen in Richtung Zwischenniveau 5.1 bzw. vom Zwischenniveau 5.1 in Richtung Einstiegsbereich 4 verfügen. Das Zwischenniveau (5.1) umfasst eine Fläche von rund 1,1 m2 für einen überwiegend horizontalen Rollstuhlwendekreis von mindestens 1500 mm und der Einstiegsbereich 4 sowie der Zugangsweg zum Zwischenniveau 5.1 weist eine Breite von mindestens 1000 mm auf. Die maximalen Rampenneigungen des Zugangsweges vom Einstiegsbereich 4 aus, quer zur Fahrtrichtung, d.h. der Querrampe 5.2 sowie in Fahrzeuglängsachse, d.h. der Längsrampe 5.3 betragen maximal 7% bzw. 4°. Nach einer bevorzugten Ausführung der Erfindung gemäß den 4 und 5 betragen die maximalen Rampenneigungen des Zugangsweges vom Einstiegsbereich aus, quer zur Fahrtrichtung, d.h. der Querrampe 5.2 7% bzw. 4° und in Fahrzeuglängsachse, d.h. der Längsrampe 5.3 maximal 5% bzw. 3°. Der Rollstuhlwendekreis kann zu einem geringeren Teil von den Flächen für die Quer- und Längsrampen 5.2, 5.3 durchdrungen sein, wobei dieser Durchdringungsbereich überwiegend Rampenneigungen von maximal 7% bzw. 4° umfasst. Der Durchdringungsbereich kann zu einem verschwindend geringen Teil auch einen Zwickelbereich 5.4 mit einer Rampenneigung von maximal 25% bzw. 14° umfassen, wobei derartige Neigungen vorzugsweise in Richtung des Einstiegsbereichs 4 vorgesehen sind, was aus der 5 deutlich wird.
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In den 6 und 6a wir die Multifunktionsfläche 5 in einer genauen Aufschlüsselung dargestellt. 55,6% der Fläche sind als ebene Fläche 5.1 ausgeführt, 29,4 % sind als Längsrampe 5.3 mit einer Neigung von maximal 5% bzw. 3° ausgeführt und 14,3 % der Fläche als Querrampe 5.2 mit einer Neigung von 7% bzw. 4°.